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CODEX DES KANONISCHEN RECHTES

 

BUCH I

ALLGEMEINE NORMEN (Cann. 1 – 6)

 

TITEL IV

VERWALTUNGSAKTE FÜR EINZELFÄLLE (Cann. 35 – 93)

 

 

KAPITEL III

RESKRIPTE

Can. 59 — § 1. Unter einem Reskript versteht man einen von der zuständigen ausführenden Autorität schriftlich erlassenen Verwaltungsakt, durch den seiner Natur nach auf eine Bitte hin ein Privileg, eine Dispens oder ein anderer Gnadenerweis gewährt wird.

§ 2. Die für Reskripte erlassenen Vorschriften gelten auch für die Erteilung einer Erlaubnis und für die mündliche Gewährung von Gnadenerweisen, wenn nicht etwas anderes feststeht.

Can. 60 — Jedwedes Reskript kann von allen erwirkt werden, die nicht ausdrücklich daran gehindert sind.

Can. 61 — Wenn nicht etwas anderes feststeht, kann ein Reskript für einen anderen erwirkt werden, auch unabhängig von dessen Zustimmung, und es gilt vor der Annahme durch diesen, unbeschadet entgegenstehender Klauseln.

Can. 62 — Ein Reskript, in dem kein Vollzieher vorgesehen ist, hat von dem Zeitpunkt an Rechtswirkung, an dem das Schriftstück ausgestellt wurde, die übrigen Reskripte vom Zeitpunkt des Vollzuges an.

Can. 63 — § 1. Der Gültigkeit eines Reskripts steht die Erschleichung im Sinne der Verschweigung wahrer Tatsachen entgegen, falls im Bittgesuch nicht genannt wurde, was dem Gesetz, dem Amtsbrauch und der kanonischen Gepflogenheit entsprechend zur Gültigkeit genannt werden muß, wenn es sich nicht um einen Motu proprio ergangenen Gnadenbescheid handelt.

§ 2. Ebenso steht der Gültigkeit eines Reskripts die Erschleichung im Sinne der Angabe falscher Tatsachen entgegen, wenn nicht wenigstens ein vorgebrachter ausschlaggebender Grund wahr ist.

§ 3. Der ausschlaggebende Grund muß bei Reskripten ohne Vollzieher zu dem Zeitpunkt wahr sein, an dem das Reskript ausgestellt worden ist, bei den übrigen Reskripten zum Zeitpunkt des Vollzugs.

Can. 64 — Unbeschadet des Rechtes der Pönitentiarie für den inneren Bereich kann ein Gnadenerweis, der von einer Behörde der Römischen Kurie abgelehnt worden ist, von einer anderen Behörde ebendieser Kurie oder von einer anderen zuständigen Autorität unter dem Papst nicht gültig gewährt werden ohne Zustimmung der Behörde, mit der diese Sache anfänglich verhandelt worden war.

Can. 65 — § 1. Unbeschadet der Vorschriften der §§ 2 und 3 darf niemand einen vom eigenen Ordinarius abgelehnten Gnadenerweis von einem anderen Ordinarius ohne Erwähnung der Ablehnung erbitten; nach einer solchen Erwähnung aber darf der Ordinarius den Gnadenerweis nicht gewähren, ohne die Gründe für die Ablehnung seitens des vorher angegangenen Ordinarius zu kennen.

§ 2. Ein von einem Generalvikar oder einem Bischofsvikar abgelehnter Gnadenerweis kann von einem anderen Vikar desselben Bischofs, auch in Kenntnis der Gründe für die Ablehnung seitens des ablehnenden Vikars, nicht gültig gewährt werden.

§ 3. Ein von einem Generalvikar oder einem Bischofsvikar abgelehnter und später ohne Erwähnung dieser Ablehnung vom Diözesanbischof erlangter Gnadenerweis ist ungültig; ein aber vom Diözesanbischof abgelehnter Gnadenerweis kann auch Unter Erwähnung dieser Ablehnung ohne Zustimmung des Bischofs von dessen Generalvikar oder Bischofsvikar nicht gültig erlangt werden.

Can. 66 — Ein Reskript wird nicht ungültig wegen eines Irrtums hinsichtlich des Namens der Person, für die oder von der es gegeben wird, oder des Ortes, an welchem diese wohnt, oder der Sache, um die es sich handelt, sofern nach dem Urteil des Ordinarius kein Zweifel bezüglich der Person selbst oder der Sache besteht.

Can. 67 — § 1. Sollten zu ein und derselben Sache zwei einander widersprechende Reskripte erlangt werden, so hat das besondere Reskript in den Dingen, die in besonderer Weise ausgedrückt werden, Vorrang vor dem allgemeinen.

§ 2. Sind Reskripte in gleicher Weise besondere oder allgemeine, so hat das der Zeit nach frühere Vorrang vor dem späteren, wenn nicht in dem anderen das frühere ausdrückliche Erwähnung findet oder der Empfänger des früheren aus Arglist oder beträchtlicher Nachlässigkeit von dem Reskript keinen Gebrauch gemacht hat.

§ 3. Im Zweifel, ob ein Reskript ungültig ist oder nicht, muß man sich an den Aussteller des Reskriptes wenden.

Can. 68 — Ein Reskript des Apostolischen Stuhls, in dem kein Vollzieher angegeben ist, muß nur dann dem Ordinarius des Empfängers vorgelegt werden, wenn dies in demselben Schriftstück angeordnet wird, oder es sich um öffentliche Angelegenheiten handelt oder Voraussetzungen bestätigt werden müssen.

Can. 69 — Ein Reskript, für dessen Vorlage keine Frist festgesetzt ist, kann dem Vollzieher zu jeder Zeit vorgelegt werden, vorausgesetzt, daß Betrug und Arglist ausgeschlossen sind.

Can. 70 — Wird in dem Reskript die Gewährung selbst dem Vollzieher eingeräumt, so kann er nach seinem klugen und gewissenhaften Ermessen den Gnadenerweis gewähren oder verweigern.

Can. 71 — Niemand ist gehalten, von einem Reskript Gebrauch zu machen, das nur zu seinen Gunsten gewährt wurde, wenn er nicht aus anderem Grunde durch eine kanonische Verpflichtung dazu gehalten ist.

Can. 72 — Reskripte, die vom Apostolischen Stuhl gewährt wurden, aber erloschen sind, können vom Diözesanbischof aus gerechtem Grund einmal verlängert werden, nicht jedoch über drei Monate hinaus.

Can. 73 — Durch ein entgegenstehendes Gesetz werden keine Reskripte widerrufen, wenn nicht im Gesetz selbst etwas anderes vorgesehen ist.

Can. 74 — Wenngleich jemand von einem ihm mündlich gewährten Gnadenerweis im inneren Bereich Gebrauch machen kann, ist er doch gehalten, jenen für den äußeren Bereich zu beweisen, sooft dies rechtmäßig von ihm verlangt wird.

Can. 75 — Enthält ein Reskript ein Privileg oder eine Dispens, so sind darüber hinaus die Vorschriften der folgenden Canones einzuhalten.