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CODEX DES KANONISCHEN RECHTES

 

BUCH VII

PROZESSE


 

TEIL II

STREITVERFAHREN


 

SEKTION I

ORDENTLICHES STREITVERFAHREN

 

TITEL IV

BEWEISE (Cann. 1526 – 1586)

 

KAPITEL III

ZEUGEN UND IHRE AUSSAGEN

Artikel 3

ZEUGENVERNEHMUNG

Can. 1558 — § 1. Die Zeugen sind am Sitz des Gerichtes zu vernehmen, außer dem Richter erscheint etwas anderes als richtig.

§ 2. Kardinäle, Patriarchen, Bischöfe und jene Personen, die sich nach dem jeweiligen staatlichen Recht einer ähnlichen Gunst erfreuen, sind an einem von ihnen selbst bestimmten Ort zu vernehmen.

§ 3. Der Richter entscheidet, wo die Zeugen zu vernehmen sind, für die es wegen großer Entfernung, Krankheit oder eines anderen Hindernisses unmöglich oder schwierig ist, an den Sitz des Gerichtes zu kommen, unbeschadet der Bestimmungen der cann. 1418 und 1469, § 2.

Can. 1559 — Der Vernehmung der Zeugen dürfen die Parteien nicht beiwohnen, außer dem Richter scheint, besonders wenn es um eine Sache des privaten Wohles geht, ihre Zulassung angezeigt. Jedoch können ihre Anwälte oder Prozeßbevollmächtigten bei der Vernehmung zugegen sein, sofern der Richter nicht wegen sachlicher und persönlicher Umstände meint, es sei geheim vorzugehen.

Can. 1560 — § 1. Die Zeugen sind einzeln je für sich zu vernehmen.

§ 2. Weichen die Zeugen untereinander oder von einer Partei in einer schwerwiegenden Sache ab, so kann der Richter sie einander gegenüberstellen, wobei Streit und Ärgernis nach Möglichkeit zu vermeiden sind.

Can. 1561 — Die Vernehmung eines Zeugen wird vom Richter oder von einem von ihm Beauftragten oder von einem Vernehmungsrichter unter Zuziehung eines Notars durchgeführt; wenn daher die Parteien, der Kirchenanwalt, der Bandverteidiger oder die Anwälte, die bei der Vernehmung zugegen sind, weitere Fragen an den Zeugen haben, so richten sie diese nicht an den Zeugen, sondern legen sie dem Richter oder dem, der seine Stelle einnimmt, vor, damit dieser sie selbst stellt, sofern ein Partikulargesetz nichts anderes vorsieht.

Can. 1562 — § 1. Der Richter hat den Zeugen an die ernste Verpflichtung zu erinnern, die ganze Wahrheit und nur die Wahrheit zu sagen.

§ 2. Der Richter hat dem Zeugen die Eidesleistung gemäß can. 1532 aufzuerlegen; weigert sich der Zeuge, einen Eid abzulegen, so ist er unvereidigt zu vernehmen.

Can. 1563 — Der Richter hat vorab die Identität des Zeugen zu prüfen; er hat nach seiner Beziehung zu den Parteien zu fragen und beim Stellen spezieller Fragen zum strittigen Sachverhalt auch zu erforschen, woher und wann der Zeuge das erfahren hat, was er aussagt.

Can. 1564 — Die Fragen sollen kurz und dem Auffassungsvermögen des zu Befragenden angepaßt sein, nicht mehreres zugleich enthalten, nicht verfänglich, nicht hinterlistig und nicht so sein, daß sie die Antwort nahelegen; sie sollen fern jeder Beleidigung und auf die Prozeßsache bezogen sein.

Can. 1565 — § 1. Die Fragen dürfen den Zeugen nicht vorher mitgeteilt werden.

§ 2. Ist jedoch das, was zu bezeugen ist, dem Gedächtnis so weit entrückt, daß es nur nach einer Auffrischung des Gedächtnisses sicher behauptet werden kann, so darf der Richter dem Zeugen einige Hinweise geben, wenn dies seiner Ansicht nach ohne Gefahr geschehen kann.

Can. 1566 — Die Zeugen haben mündlich auszusagen; schriftliche Aufzeichnungen dürfen sie nur vortragen, wenn es sich um Zahlen und Rechnungslegungen handelt; in diesem Fall nämlich können sie mitgebrachte Unterlagen zu Rate ziehen.

Can. 1567 — § 1. Die Antwort ist vom Notar sofort schriftlich aufzunehmen und muß den Wortlaut der Aussage wenigstens insoweit wiedergeben, als die Prozeßmaterie direkt berührt wird.

§ 2. Die Benutzung eines Tonaufzeichnungsgerätes kann gestattet werden, wenn nur anschließend die Antworten schriftlich aufgezeichnet und, falls dies geschehen kann, von den Aussagenden unterzeichnet werden.

Can. 1568 — Der Notar hat in den Akten zu verzeichnen, ob der Eid geleistet, erlassen oder verweigert worden ist, ob die Parteien oder andere Personen zugegen gewesen sind, welche Fragen von Amts wegen zusätzlich gestellt worden sind und überhaupt alles, was an Erwähnenswertem bei der Zeugeneinvernahme sich etwa ereignet hat.

Can. 1569 — § 1. Am Ende der Vernehmung muß dem Zeugen vorgelesen werden, was der Notar über seine Aussage protokolliert hat, oder es muß ihm die Tonbandaufnahme seiner Aussage vorgespielt werden, wobei ihm die Gelegenheit zu geben ist, Zusätze, Streichungen, Verbesserungen und Änderungen vorzunehmen.

§ 2. Schließlich müssen der Zeuge, der Richter und der Notar die Niederschrift unterzeichnen.

Can. 1570 — Zeugen können auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen, obwohl sie bereits vernommen worden sind, vor Offenlegung der Akten oder der Zeugenaussagen nochmals zu einer Vernehmung geladen werden, falls der Richter dies für notwendig oder zweckdienlich erachtet, vorausgesetzt jede Gefahr einer Verabredung oder eines Zeugnisbetruges ist gebannt.

Can. 1571 — Den Zeugen müssen entstandene Auslagen und Gewinnausfall anläßlich ihrer Vernehmung nach gerechter Festsetzung des Richters erstattet werden.