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CODEX DES KANONISCHEN RECHTES

 

BUCH VII

PROZESSE


 

TEIL II

STREITVERFAHREN


 

SEKTION I

ORDENTLICHES STREITVERFAHREN

 

TITEL IX

RECHTSKRAFT DES URTEILS UND WIEDEREINSETZUNG IN DEN VORIGEN STAND (Cann. 1641 – 1648)

 

 

KAPITEL II

WIEDEREINSETZUNG IN DEN VORIGEN STAND

Can. 1645 — § 1. Gegen ein in Rechtskraft erwachsenes Urteil gibt es die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, vorausgesetzt die Ungerechtigkeit des Urteils steht offenkundig fest.

§ 2. Die offensichtliche Ungerechtigkeit eines Urteils wird nur anerkannt, wenn:

1° sich das Urteil auf Beweise, die sich später als falsch erwiesen haben, derart stützt, daß ohne diese Beweise der Urteilstenor nicht aufrecht zu erhalten ist;

2° später Urkunden aufgefunden worden sind, die neue und eine gegenteilige Entscheidung fordernde Tatsachen unzweifelhaft beweisen;

3° ein Urteil aufgrund arglistiger Täuschung einer Partei zum Schaden der anderen Partei ergangen ist;

4° eine nicht rein prozessuale Gesetzesvorschrift offenkundig vernachlässigt worden ist;

5° das Urteil einer früheren Entscheidung widerstreitet, die in Rechtskraft erwachsen ist.

Can. 1646 — § 1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus den in can. 1645, § 2, nn. 1—3 aufgeführten Gründen ist innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens dieser Gründe, bei dem Richter zu beantragen, der das Urteil gefällt hat.

§ 2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus den in can. 1645, § 2, nn. 4 und 5 aufgeführten Gründen ist innerhalb von drei Monaten nach Kenntniserlangung der Urteilsverkündung beim Berufungsgericht zu beantragen; wird im Fall des can. 1645, § 2, n. 5 erst später die frühere Entscheidung bekannt, so läuft die Frist vom Zeitpunkt dieser Kenntniserlangung an.

§ 3. Die erwähnten Fristen laufen nicht, solange der durch ein ungerechtes Urteil Verletzte minderjährig ist.

Can. 1647 — § 1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hemmt die noch nicht begonnene Vollstreckung des Urteils.

§ 2. Besteht jedoch aufgrund von Anzeichen der begründete Verdacht, daß die Wiedereinsetzung begehrt worden ist, um die Vollstreckung des Urteils zu verschleppen, so kann der Richter verfügen, daß das Urteil vollstreckt wird; dem Antragsteller der Wiedereinsetzung ist dann aber geeignete Sicherheit zu bieten, daß er, falls die Wiedereinsetzung gewährt wird, schadlos bleibt.

Can. 1648 — Ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden, so muß der Richter in der Sache ein Urteil fällen.