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CODEX DES KANONISCHEN RECHTES

 

BUCH VII

PROZESSE


 

TEIL II

STREITVERFAHREN


 

SEKTION II

MÜNDLICHES STREITVERFAHREN (Cann. 1656 – 1670)

 

 

Can. 1656 — § 1. Durch das mündliche Streitverfahren, von dem diese Sektion handelt, können alle Sachen, soweit nicht vom Gesetz ausgeschlossen, behandelt werden, wenn nicht eine Partei ein ordentliches Streitverfahren verlangt.

§ 2. Wird das mündliche Verfahren außerhalb der rechtlich zulässigen Fälle angewandt, so sind die richterlichen Handlungen nichtig.

Can. 1657 — Das mündliche Streitverfahren findet im ersten Rechtszug vor dem Einzelrichter gemäß 1643 1424]Can. 1424 statt.

Can. 1658 — § 1. Die Klageschrift muß über die Erfordernisse des can. 1504 hinaus:

1° Tatsachen, auf die sich das Begehren des Klägers stützt, kurz, vollständig und deutlich darlegen;

2° Beweise, mit denen der Kläger Tatsachen dartun will und die er nicht gleichzeitig beibringen kann, so angeben, daß sie vom Richter unverzüglich erhoben werden können.

§ 2. Der Klageschrift müssen wenigstens in beglaubigter Abschrift die Urkunden beigefügt werden, auf die sich das Klagebegehren stützt.

Can. 1659 — § 1. Hat der Versuch zur gütlichen Beilegung des Streites gemäß can.1446, § 2 nicht zum Erfolg geführt und ist der Richter überzeugt, daß die Klageschrift irgendwie begründet ist, so hat er innerhalb von drei Tagen durch ein am Schluß der Klageschrift vermerktes Dekret anzuordnen, daß der belangten Partei eine Abschrift des Klagebegehrens bekanntgegeben und ihr die Befugnis gegeben wird, innerhalb von fünfzehn Tagen eine schriftliche Erwiderung bei der Gerichtskanzlei einzureichen.

§ 2. Diese Bekanntgabe hat die in can. 1512 erwähnten Wirkungen der gerichtlichen Ladung.

Can. 1660 — Wenn die Einwendungen der belangten Partei es fordern, hat der Richter dem Kläger eine Frist zur Erwiderung zu setzen, so daß er sich aufgrund der vorgetragenen Auffassungen beider Parteien ein deutliches Bild über den Streitgegenstand machen kann.

Can. 1661 — § 1. Nach Ablauf der in cann. 1659 und 1660 genannten Fristen hat der Richter nach Durchsicht der Akten die Prozeßfrage festzusetzen; daraufhin hat er zu der innerhalb von dreißig Tagen abzuhaltenden mündlichen Verhandlung alle zu laden, die daran teilzunehmen haben; für die Parteien hat er die Formel der Prozeßfrage anzufügen.

§ 2. In der Ladung sind die Parteien darauf hinzuweisen, daß sie bis spätestens drei Tage vor der mündlichen Verhandlung einen kurzen Schriftsatz zum Beweis ihrer Erklärungen bei Gericht einreichen können.

Can. 1662 — In der mündlichen Verhandlung werden zuerst die in cann. 1459—1464 genannten Prozeßfragen erörtert.

Can. 1663 — § 1. Unter Beachtung der Bestimmung von can. 1418 werden die Beweise in der mündlichen Verhandlung erhoben.

§ 2. Eine Partei und ihr Anwalt können der Befragung der sonstigen Parteien sowie der Zeugen und Sachverständigen beiwohnen.

Can. 1664 — Die Antworten der Parteien, der Zeugen und der Sachverständigen sowie die Anträge und die Einwendungen der Anwälte sind vom Notar zu Protokoll zu nehmen, jedoch summarisch und nur hinsichtlich dessen, was das Wesen der strittigen Sache betrifft; das Protokoll ist von den Personen zu unterzeichnen, die ausgesagt haben.

Can. 1665 — Beweise, die in der Klageschrift oder in der Erwiderung nicht vorgebracht oder beantragt worden sind, kann der Richter nur nach can. 1452 zulassen; sobald auch nur ein Zeuge vernommen worden ist, kann der Richter die Erhebung neuer Beweise einzig nach Maßgabe von can.1600 verfügen.

Can. 1666 — Konnten bei der mündlichen Verhandlung nicht alle Beweise erhoben werden, so ist eine weitere mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Can. 1667 — Nach Abschluß der Beweiserhebung findet in derselben Verhandlung die mündliche Erörterung statt.

Can. 1668 — § 1. Sofern sich aus der Erörterung nicht ergibt, daß im Verfahren Ergänzungen vorzunehmen sind oder daß einer rechtmäßigen Urteilsfällung etwas im Wege steht, hat der Richter unverzüglich nach Abschluß der mündlichen Verhandlung die Sache gesondert zu entscheiden; der Urteilstenor ist sogleich vor den anwesenden Parteien zu verlesen.

§ 2. Das Gericht aber kann die Entscheidung wegen der Schwierigkeit der Streitsache oder aus einem anderen gerechten Grund bis zu einer Nutzfrist von fünf Tagen verschieben.

§ 3. Der vollständige Urteilstext mit Begründung ist den Parteien baldmöglichst, in der Regel innerhalb von fünfzehn Tagen, bekanntzugeben.

Can. 1669 — Wenn das Berufungsgericht erkennt, daß in der unteren Instanz das mündliche Streitverfahren in vom Recht ausgeschlossenen Fällen stattfand, hat es die Nichtigkeit des Urteils festzustellen und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, welches das Urteil gefällt hat.

Can. 1670 — Was im übrigen die Verfahrensweise angeht, sind die Vorschriften der Canones über das ordentliche Streitverfahren einzuhalten. Das Gericht kann jedoch in einem mit Begründung versehenen Dekret von Verfahrensvorschriften, die nicht zur Gültigkeit eingehalten werden müssen, absehen, um, jedoch unter Wahrung der Gerechtigkeit, für Beschleunigung zu sorgen.