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CODEX DES KANONISCHEN RECHTES

 

BUCH VII

PROZESSE


 

TEIL IV

STRAFPROZESS (Cann. 1717 – 1731)

KAPITEL II

ABLAUF DES PROZESSES

Can. 1720 — Meint der Ordinarius, daß auf dem Weg eines außergerichtlichen Strafdekretes vorzugehen ist, so hat er:

1° dem Beschuldigten die Anklage und die Beweise bekanntzugeben und ihm die Möglichkeit zur Verteidigung einzuräumen, außer der Beschuldigte hat es, obwohl ordnungsgemäß vorgeladen, versäumt zu erscheinen;

2° alle Beweise und Begründungen mit zwei Beisitzern sorgfältig abzuwägen;

3° wenn die Straftat sicher feststeht und die Strafklage nicht verjährt ist, ein Dekret gemäß cann. 1342—1350 zu erlassen, in dem wenigstens kurz die Gründe rechtlicher und tatsächlicher Art dargelegt werden.

Can. 1721 — § 1. Hat der Ordinarius verfügt, daß ein Strafprozeß einzuleiten ist, so hat er die Voruntersuchungsakten dem Kirchenanwalt zu überweisen, der dem Richter die Anklageschrift gemäß Can n. 1502 und 1504 vorlegen muß.

§ 2. Vor dem Berufungsgericht nimmt der bei diesem Gericht bestellte Kirchenanwalt die Rolle des Anklägers wahr.

Can. 1722 — Zur Vermeidung von Ärgernissen, zum Schutz der Freiheit der Zeugen und zur Sicherung des Laufs der Gerechtigkeit kann der Ordinarius nach Anhören des Kirchenanwaltes und Vorladung des Angeklagten bei jedem Stand des Prozesses den Angeklagten vom geistlichen Dienst oder von einem kirchlichen Amt und Auftrag ausschließen, ihm den Aufenthalt an einem bestimmten Ort oder in einem Gebiet auferlegen oder untersagen oder ihm auch die öffentliche Teilnahme an der heiligen Eucharistie verbieten; alle diese Maßnahmen sind bei Wegfall des Grundes aufzuheben, und sie sind von Rechts wegen mit der Beendigung des Strafprozesses hinfällig.

Can. 1723 — § 1. Der Richter muß den Beschuldigten bei der Ladung auffordern, innerhalb einer vom Richter festgesetzten Frist sich einen Anwalt gemäß can. 1481, § 1 zu bestellen.

§ 2. Unterläßt der Beschuldigte diese Bestellung, so hat der Richter vor der Streitfestlegung selbst einen Anwalt zu bestellen, der solange im Dienst bleibt, bis der Beschuldigte sich einen Anwalt bestellt hat.

Can. 1724 — § 1. In jeder Instanz des Verfahrens kann vom Kirchenanwalt auf Weisung oder mit Zustimmung des Ordinarius, auf dessen Entscheidung der Prozeß in Gang gesetzt worden ist, auf den Rechtszug verzichtet werden.

§ 2. Damit der Verzicht gültig ist, muß er vom Beschuldigten angenommen werden, sofern dieser nicht für prozeßabwesend erklärt worden ist.

Can. 1725 — Bei der Erörterung der Sache, ob sie schriftlich oder mündlich geschieht, hat der Angeklagte stets das Recht, daß er selbst oder sein Anwalt oder sein Prozeßbevollmächtigter sich als letzter schriftlich oder mündlich äußert.

Can. 1726 — Steht offenkundig fest, daß die Straftat vom Beschuldigten nicht begangen worden ist, so muß der Richter in jeder Instanz und bei jedem Stand des Strafprozesses dies durch Urteil erklären und den Beschuldigten freisprechen, selbst wenn gleichzeitig feststeht, daß die Strafklage verjährt ist.

Can. 1727 — § 1. Der Beschuldigte kann Berufung einlegen, selbst wenn das Urteil ihn nur deshalb freigesprochen hat, weil die Strafverhängung im Ermessen des Richters lag oder weil der Richter von der in cann. 1344 und 1345 erwähnten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.

§ 2. Der Kirchenanwalt kann Berufung einlegen, sooft er glaubt, daß für die Wiedergutmachung des Ärgernisses oder die Wiederherstellung der Gerechtigkeit nicht genügend gesorgt ist.

Can. 1728 — § 1. Unbeschadet der Canones dieses Titels sind im Strafprozeß, soweit von der Natur der Sache her möglich, die Canones über das Gerichtswesen im allgemeinen und über das ordentliche Streitverfahren anzuwenden, wobei die besonderen Vorschriften über Verfahren zu beachten sind, die das allgemeine Wohl betreffen.

§ 2. Der Angeklagte ist nicht verpflichtet, eine Straftat einzugestehen; auch kann ihm die Eidesleistung nicht abverlangt werden.