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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

Ein zweifaches Bekenntnis 

Donnerstag, 3. September  2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 37, 11. September 2015

 

Nur wer demütig ist und zugeben kann, dass er ein Sünder ist, kann zulassen, dass es wirklich zu einer Begegnung mit dem Herrn kommt. Im Mittelpunkt der Gedanken des Papstes zum Tagesevangelium (Lk 5,1-11) vom 3. September standen die Merkmale der persönlichen Begegnung mit Jesus. Der Papst ging in seiner Predigt von der Szene aus, wo Petrus aufgefordert wird, seine Netze auszuwerfen, obwohl der nächtliche Fischzug keinen Fang erbracht hatte. »Es ist das allererste Mal, dass das geschieht, dieser wunderbare Fischfang. Aber nach der Auferstehung wird es noch einen weiteren geben, mit Merkmalen, die diesem gleichen«, merkte Franziskus an. Und angesichts jener Geste des Simon Petrus, der Jesus zu Füßen fällt und sagt: »Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder«, begann Franziskus darüber nachzudenken, wie »Jesus den Menschen begegnete und wie die Menschen Jesus begegneten«.

Jesus sei auf den Straßen unterwegs gewesen. »Er verbrachte einen Großteil seiner Zeit auf den Straßen, mit den Menschen. Dann, am späten Abend, ging er alleine weg, um zu beten.« Also sei er »den Menschen begegnet«, er habe sie gesucht. Wie aber, so fragte sich der Papst, begegneten die Menschen Jesus? Im Wesentlichen »auf zweierlei Art und Weise«: zum einen so wie Petrus, was auch dem Verhalten des Volkes entsprochen habe. Das Evangelium »verwendet für diese Menschen, für das Volk, für die Apostel, für Petrus ein und dasselbe Wort: das heißt für jene, die über die Begegnung mit Jesus »staunen«. Petrus, die Apostel, das Volk hätten »diese Empfindung des Staunens« verspürt und gesagt: »Hier ist einer, der mit Vollmacht spricht!« In den Evangelien lese man aber auch von »einer anderen Gruppe, die Jesus begegnete«. Allerdings »ließen sie nicht zu, dass das Staunen in ihre Herzen einzog«. Es habe sich dabei um die Schriftgelehrten gehandelt, die Jesus zuhörten und ihre Überlegungen anstellten: »Er ist intelligent, er ist ein Mann, der wahre Dinge sagt, aber diese Dinge sind nicht in unserem Interesse.« Sie seien praktisch »auf Distanz gegangen«. Und dann habe es noch andere gegeben, »die Jesus zuhörten«. Das seien die »Dämonen« gewesen, wie auch dem Tagesevangelium vom Mittwoch, 2. September, zu entnehmen gewesen sei, wo stehe, dass Jesus »jedem Kranken die Hände auflegte und alle heilte. Von vielen fuhren auch Dämonen aus und schrien: Du bist der Sohn Gottes!« Der Papst erläuterte: »Weder die Dämonen noch die Schriftgelehrten, die schlechten Pharisäer waren imstande zu staunen. Sie hatten sich in ihrer Selbstgerechtigkeit, in ihrem Hochmut verschlossen.«

Das Volk und Petrus hingegen seien voller Staunen gewesen. »Worin besteht der Unterschied?«, fragte sich Franziskus. Tatsächlich, so argumentierte er, »bekennt« Petrus dasselbe wie die Dämonen. »Als Jesus in Caesarea Philippi fragt: ›Für wen halten die Leute den Menschensohn?‹ und er antwortet: ›Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes‹«, da lege Petrus »ein Glaubensbekenntnis ab: Er sagt, wer Jesus ist.« Und auch die Dämonen hätten dasselbe getan: sie hätten anerkannt, dass Jesus der Sohn Gottes sei. Aber Petrus füge »noch etwas weiteres hinzu, das die Dämonen nicht sagen«. Das heißt, er spreche von sich selbst und sage: »Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder.« Weder die Pharisäer noch die Schriftgelehrten noch die Dämonen »können das sagen«, sie sind dazu nicht in der Lage. »Die Dämonen«, erläuterte Franziskus, »können die Wahrheit über ihn sagen, aber über sich selbst sagen sie nichts«, weil »ihr Hochmut so groß ist, dass er sie daran hindert, es zu sagen«.

Auch die Schriftgelehrten gäben zu: »Ja, das ist ein intelligenter Mann, ein fähiger Rabbiner, er tut Wunder.« Aber sie seien außerstande hinzuzufügen: »Wir sind hochmütig, wir sind unzulänglich, wir sind Sünder.« Daraus lasse sich eine für jeden gültige Lehre ableiten: »Die Unfähigkeit anzuerkennen, dass wir Sünder sind, hält uns davon ab, Jesus Christus wahrhaft zu bekennen.« Gerade das »ist der Unterschied «. Das gebe Jesus selbst zu verstehen, »in diesem schönen Gleichnis vom Zöllner und vom Pharisäer im Tempel«, wo man »dem Hochmut des Pharisäers vor dem Altar« begegne. Dieser Mann spreche gut über sich selbst, aber er sage nie: »Ich bin ein Sünder, ich habe gefehlt.« Damit kontrastiere »die Demut des Zöllners, der es nicht wagte, seine Augen zum Himmel zu erheben «, und der nur gesagt habe: »Gott, sei mir Sünder gnädig.« Gerade »diese Fähigkeit, zu sagen, dass wir Sünder sind«, sei es, die uns öffne »für das Staunen der Begegnung mit Jesus Christus, für die wahre Begegnung«.

Dann richtete der Papst den Blick auf die aktuelle Wirklichkeit: »Wie viele Menschen gibt es auch in unseren Gemeinden, in unseren Gesellschaften, auch unter den gottgeweihten Menschen, die imstande sind, zu sagen, dass Jesus der Herr ist? Viele!« Aber es geschehe selten, dass man »aufrichtig sagen hört: ›Ich bin ein Sünder, ich bin eine Sünderin‹«. Wahrscheinlich »ist es sehr viel einfacher, das über die anderen zu sagen, wenn man klatscht« und mit dem Finger auf sie weise: »Dieser, jener, ja und auch der da…« Darin, so Franziskus, »sind wir alle Gelehrte«.

Um aber »zu einer wahren Begegnung mit Jesus zu gelangen, ist ein doppeltes Bekenntnis erforderlich: ›Du bist der Sohn Gottes, und ich bin ein Sünder.‹« Aber »nicht theoretisch«. Wir müssten uns selbst gegenüber ehrlich sein, fähig, unsere Fehler zu erkennen und zu bekennen: Ich bin ein Sünder »wegen diesem, wegen jenem, deshalb, und aus jenem weiteren Grund…« Zur Begebenheit aus dem Evangelium zurückkehrend, erinnerte der Papst daran, dass Petrus in der Folge »vielleicht jenes Staunen der Begegnung vergessen« habe, jenes Staunen, das er verspürt habe, als Jesus zu ihm sagte: »Du bist Simon Barjona, aber du wirst Petrus heißen.« So dass Petrus selbst, »der dieses doppelte Bekenntnis ablegt «, eines Tages den Herrn verleugnen wird. Aber da er »demütig« sei, lasse er auch zu, dass »der Herr ihm begegnet, und als sich ihre Blicke kreuzen, weint er und kehrt zurück zu dem Bekenntnis: ›Ich bin ein Sünder‹.«

Die abschließende Bitte des Papstes lautete dementsprechend: »Der Herr gewähre uns die Gnade, ihm zu begegnen, aber auch die Gnade, zuzulassen, dass er uns begegnet.« Die »wunderschöne « Gnade des »Staunens über die Begegnung«, aber auch »die Gnade in unserem Leben das zweifache Bekenntnis zu sprechen: ›Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes. Ich glaube. Und ich bin ein Sünder. Ich glaube.‹«

 



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