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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Am Tag des Gerichts

Dienstag, 22. November 2016
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 49, 9. Dezember 2016)

 

Die Welt »denkt nicht gern« an die letzten Dinge, aber auch sie gehören zum Leben des Menschen. Und wenn man »in Treue dem Herrn gegenüber« lebt, dann »fürchten wir uns nicht davor«, nach dem Tod des Leibes vor Jesu Angesicht zu treten, um seinen Urteilsspruch zu vernehmen. Auf den Spuren »der letzten Woche des Kirchenjahrs« widmete Papst Franziskus die heilige Messe, die er am Dienstag, 22. November, in Santa Marta feierte, einer Reflexion über das Ende: »über das Ende der Welt, über das Ende der Geschichte, über das Ende eines jeden von uns, denn ein jeglicher von uns wird ans Ende seiner Tage kommen«.

Ein Thema, das dem einen oder andern vielleicht »den Tag verbittern« werde, weil, wie der Papst feststellte, »niemand gern an diese Dinge denkt«, oder sich bewusst wird, dass »wenn einer von uns heimgegangen ist die Jahre vergehen und dass sich nach einer langen Zeit fast niemand mehr an uns erinnert«. Aber, so fügte er hinzu, »das ist die Wahrheit. Das ist es, was die Kirche uns sagt: Wir alle werden ein Ende erleben«. Eine Wahrheit, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. In diesem Zusammenhang verriet der Papst: »Ich habe ein Verzeichnis, einen Kalender, in den ich, wenn jemand stirbt – ein Freund, ein Verwandter – den Namen eintrage, und jeden Tag sehe ich für den jeweiligen Tag nach, wessen Jahrestag es ist: ›Aber der ist schon seit zwanzig Jahren tot! Wie die Zeit vergeht! Dieser andere da seit dreißig Jahren, wie doch die Zeit vergangen ist!‹« Diese uns allen gemeine Realität, so sagte Franziskus, »erlegt uns die Verpflichtung auf, über das nachzudenken, was wir hinterlassen und welche Spuren unser Leben hinterlassen hat«.

Davon ist die Rede in der Ersten Lesung, die dem Buch der Offenbarung des Johannes entnommen wurde (14,14-19), wo vom »Mähen, von der Weinlese, von der Ernte« die Rede sei, aber auch von der »Qualitätskontrolle des Getreides, der Weintrauben«. Das bedeute, so der Papst, dass »nach dem Ende Gericht gehalten wird. Wir alle werden beurteilt, jeder von uns wird beurteilt«. Daher »wird es gut für uns sein, darüber nachzudenken: ›Aber wie wird jener Tag sein, an dem ich vor Jesus stehen werde‹, wenn der Herr von mir Rechenschaft verlangt über ›die Talente, die er mir mitgegeben hat‹ oder ›wie mein Herz beschaffen war, als der Same ausgesät wurde‹«? Unter Verweis auf die »Gleichnisse vom Reich Gottes« regte der Papst einige Fragen an, die man sich stellen solle: »Wie habe ich das Wort empfangen? Mit offenem Herzen? Habe ich es zum Wohle aller keimen lassen, oder habe ich es heimlich getan?« Eine nützliche und angebrachte Gewissenserforschung, weil »wir alle dem Urteil unterzogen werden« und weil sich ein jeder von uns »vor Jesu Angesicht« wiederfinden werde. Das Datum bzw. die Zeit sei uns nicht bekannt, aber »es wird geschehen«.

Auch im Tagesevangelium, das dem Lukasevangelium (21, 5-11) entnommen war, fänden sich diesbezügliche Ratschläge. Und wer sie erteile, sei Jesus selbst, der mahne: »Gebt acht, dass man euch nicht irreführt!« Von welcher Art der Irreführung ist hier die Rede? Es sei, so der Papst, »die Irreführung durch Entfremdung«: Die Irreführung, dank derer »ich abgelenkt bin, nicht nachdenke, so lebe, als müsste ich niemals sterben «. Aber, so fragte er sich, »wie wird mich der Herr vorfinden, wenn er wie ein Blitzschlag kommen wird? Während ich ihn erwarte, oder beschäftigt mit den unzähligen Entfremdungen des Lebens, irregeführt durch Oberflächliches, das nichts Transzendentes an sich hat?« Wir hätten es also mit einem regelrechten »Aufruf des Herrn« zu tun, »ernsthaft ans Ende zu denken: an mein eigenes Ende, an das Gericht, an das Gericht über mich«. In diesem Zusammenhang erinnerte sich der Papst daran, wie ihn »als Kind«, als er »in den Katechismusunterricht« ging, »vier Dinge« gelehrt wurden: »der Tod, das Gericht, die Hölle oder die Herrlichkeit«.

Gewiss, der eine oder andere könne sagen: »Vater, das erschreckt uns.« Aber, so erwiderte Franziskus: »Es ist die Wahrheit. Denn wenn du dein Herz nicht hegst und pflegst, damit der Herr bei dir sei, und du immer in der Gottesferne lebst, dann besteht vielleicht die Gefahr, die Gefahr, auch in der Ewigkeit so fern von Gott zu bleiben. Und das ist schlimm!« Eben deshalb, so schloss der Papst, »wird es uns heute wohl tun, hieran zu denken: Wie wird mein Ende sein? Wie wird es sein, wenn ich mich vor Gottes Angesicht wiederfinde?« Und um denen entgegenzukommen, die durch diese Überlegungen erschreckt oder betrübt werden könnten, zitierte der Papst den Satz aus dem Ruf vor dem Evangelium (Offb 2,10): »›Sei treu bis in den Tod‹, sagt der Herr, ›dann werde ich dir den Kranz des Lebens geben.‹« Das sei die Lösung für unsere Ängste: »Die Treue dem Herrn gegenüber: und er wird dich nicht enttäuschen«. Tatsächlich, »wenn jeder von uns dem Herrn treu ist, dann werden wir, wenn der Tod kommt, wie der heilige Franziskus sagen: ›Bruder Tod, komm!‹ Wir haben keine Angst davor«. Und auch am Tag des Gerichts »werden wir den Herrn schauen« und könnten sagen: »Herr, ich habe viele Sünden, aber ich habe mich bemüht, treu zu sein«. Und weil »der Herr gut ist«, so versicherte der Papst, »brauchen wir keine Angst zu haben«.

 



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