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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Wenn die Pastoral mutlos ist

Dienstag, 31. Oktober 2017

 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 47, 24. November 2017)

 

»Glauben« die Christen »wirklich« an die »Kraft des Heiligen Geistes«, die in ihnen ist? Und haben sie den Mut, »den Samen auszusäen«, sich einzubringen, oder suchen sie ihre Zuflucht in einer »Pastoral der Konservierung«, die es nicht zulässt, dass »das Reich Gottes wächst«? Diese Fragen stellte Papst Franziskus am 31. Oktober bei der heiligen Messe in Santa Marta, in der er einen Horizont der »Hoffnung« abzeichnete, für jeden einzelnen Menschen und für die Kirche als Gemeinschaft: den Horizont der vollen Verwirklichung des Reiches Gottes, das auf zwei Säulen ruht: auf der durchschlagenden »Kraft« des Geistes und dem »Mut«, diese Kraft machtvoll wirksam werden zu lassen.

Der Papst ging bei seinen Betrachtungen vom Tagesevangelium aus (Lk 13, 18-21), in dem »es den Anscheint hat, dass Jesus sich etwas abmühen muss: ›Wie kann ich das Reich Gottes erklären? Mit was kann ich es vergleichen?‹«, und er bediene sich »zweier einfacher Beispiele aus dem alltäglichen Leben: dem des Senfkorns und jenem des Sauerteigs. Beide, erklärte Franziskus, seien klein und schienen harmlos zu sein, »doch wenn sie in jene Bewegung eintreten, haben sie eine Macht in sich, die aus ihnen selbst hervorgeht und wächst, darüber hinausgeht, auch über das, was man sich vorstellen kann«. Gerade »das ist das Geheimnis des Reiches«.

Wahr sei nämlich, dass »das Senfkorn Macht in sich hat, dass der Sauerteig Macht in sich hat«, und auch »die Macht des Reiches Gottes kommt von Innen; die Kraft kommt von Innen, das Wachsen kommt von Innen«. Mit einem aktuellen Vergleich erklärte der Papst, dass dies »kein Wachsen ist, wie dies zum Beispiel bei einer Fußballmannschaft der Fall ist, wenn die Zahl der Fans ansteigt und die Mannschaft größer macht«, sondern es »kommt von Innen«. Es handle sich dabei um einen Begriff, den Paulus im Brief an die Römer (8,18-25) in einem Abschnitt aufgreife, »der voller Spannungen ist«, da »dieses Wachsen des Reiches Gottes von Innen her, aus dem Inneren heraus, ein Wachstum in Spannung ist«.

So also sei zu verstehen, dass der Apostel erkläre, »wie viele Spannungen es in unserem Leben  gibt und wohin sie uns führen«, und er sage, dass »die Leiden dieses Lebens nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die uns erwartet «. Doch auch diese »Erwartung« selbst, so der Papst, sei kein »ruhiges« Erwarten: Paulus spreche »von sehnsüchtiger Erwartung. Es ist da eine sehnsüchtige Erwartung in diesen Spannungen.« Weiter handle es sich dabei keineswegs nur um jene des Menschen, sondern um die Erwartung »auch der Schöpfung«, die »auf die Offenbarung der Kinder Gottes ausgerichtet ist«. Denn »auch die Schöpfung ist wie wir der Vergänglichkeit unterworfen « und schreite in der »Hoffnung voran, dass sie von der Sklaverei der Verdorbenheit befreit werden wird«. Somit »ist es die ganze Schöpfung, die von der existentiellen Hinfälligkeit, die sie wahrnimmt, hin zur Herrlichkeit, zur Freiheit von der Sklaverei schreitet; sie bringt uns zur Freiheit. Und diese Schöpfung – und wir mit ihr, mit der Schöpfung – stöhnt und seufzt unter den Geburtswehen bis heute.«

Der Schluss dieses Gedankengangs führte den Papst dazu, den Begriff der »Hoffnung« neu zu unterstreichen: der Mensch und die Schöpfung besäßen die »Erstlingsgabe des Geistes«, also »die innere Kraft, die uns voranbringt und die Hoffnung« auf die »Fülle des Reiches Gottes« gebe. Deshalb schreibe der Apostel Paulus »jenen Satz, der uns so viel lehrt: ›auf Hoffnung hin sind wir gerettet‹«.

Diese, so der Papst weiter, sei ein »Weg«, es sei gerade die Hoffnung, »die uns zur Fülle bringt, die Hoffnung, aus diesem Kerker herauszukommen, aus dieser Begrenztheit, aus dieser Sklaverei, aus dieser Verdorbenheit, und zur Herrlichkeit zu gelangen«. Und sie sei, so fügte er hinzu, »eine Gabe des Geistes«, der »in uns ist und uns hierzu bringt: zu etwas Großartigem, zu einer Befreiung, zu einer großen Herrlichkeit. Und aus diesem Grund sagt Jesus: ›In diesem Senfkorn, in diesem kleinen Körnchen, ist eine Kraft, die ein unvorstellbares Wachstum entfesselt.‹« Dies also sei die Wirklichkeit, wie sie das Gleichnis ausgestalte: »In uns und in der Schöpfung – denn wir gehen gemeinsam hin zur Herrlichkeit – ist eine Kraft, die entfesselt: es ist da der Heilige Geist, der uns die Hoffnung schenkt«. Und, so fügte Franziskus hinzu, »in Hoffnung leben heißt zuzulassen, dass diese Kräfte des Geistes uns helfen zu wachsen, hin zur Fülle, die uns in der Herrlichkeit erwartet«.

Dann untersuchte der Papst einen weiteren Aspekt, denn im Gleichnis wird hinzugefügt, dass »das Senfkorn genommen und ausgesät wird«. Ein Mann »nimmt es und wirft es in den Garten«, und auch der Sauerteig werde nicht einfach in Ruhe gelassen: »eine Frau nimmt ihn und mischt ihn«. So sei zu verstehen: »Wenn das Senfkorn nicht genommen und ausgesät wird, und wenn der Sauerteig nicht von der Frau genommen und gemischt wird, dann bleiben sie einfach dort und jene innere Kraft, die sie haben, bleibt dort.« Ebenso gelte, so erklärte Franziskus: »Wenn wir das Senfkorn für uns aufheben wollen, wird es nur ein Korn bleiben. Wenn wir den Sauerteig nicht mit dem Mehl, mit dem Mehl des Lebens, mischen, wird er nur Sauerteig bleiben.« Deshalb sei es notwendig, »auszusäen, zu mischen, jenen Mut der Hoffnung«, der »wächst, denn das Reich Gottes wächst von innen her, nicht durch Proselytismus«. Es wachse »mit der Kraft des Heiligen Geistes«.

In diesem Zusammenhang erinnerte der Papst: »Immer hatte die Kirche den Mut, zu nehmen und auszusäen, zu nehmen und zu mischen «, und auch »Angst, dies zu tun«. Er merkte an: »Oft sehen wir, dass man einer Pastoral der Konservierung den Vorzug gibt«, statt »zuzulassen, dass das Reich wächst«. Wenn dies geschehe, »bleiben wir die, die wir sind, winzig klein, dort«, vielleicht »sind wir in Sicherheit«, doch »das Reich wächst nicht«. Denn: »Damit das Reich wächst, ist Mut notwendig: das Senfkorn auszusäen, den Sauerteig zu mischen.«

Jemand könnte einwenden: »Wenn ich den Samen aussäe, verliere ich ihn.« Doch das sei immer so: »Immer ist da ein Verlust, wenn man das Reich Gottes aussät. Wenn ich den Sauerteig mische, mache ich mir die Hände schmutzig: Gott sei Dank! Wehe jenen, die das Reich Gottes verbunden mit der Illusion verkünden, sich die Hände nicht schmutzig zu machen. Solche Leute sind Museumsaufseher: sie geben den schönen Dingen den Vorzug« und nicht »diesem Gestus des Werfens, damit sich die Kraft entfessle, des Mischens, damit die Kraft wachsen lasse«.

All dies sei in den Worten Jesu und des Paulus enthalten, wie sie die Liturgie unterbreite: die »Spannung, die von der Sklaverei der Sünde« hin zur »Fülle der Herrlichkeit« reiche. Und die »Hoffnung, die nie enttäuscht«, auch wenn sie »klein ist wie das Senfkorn oder der Sauerteig«. Es habe, so rief der Papst in Erinnerung, einmal jemand gesagt, »dass sie die niedrigste Tugend, die Dienerin ist. Doch dort ist der Geist, und wo Hoffnung ist, da ist der Heilige Geist. Und es ist gerade der Heilige Geist, der das Reich Gottes voranbringt«. Der Papst schloss seine Predigt, indem er den Anwesenden riet, »an das Senfkorn und an den Sauerteig zu denken, daran, auszusäen und zu mischen «, und sich zu fragen: »Wie steht es um meine Hoffnung? Ist sie eine Illusion? Ein ›vielleicht‹? Oder glaube ich, dass dort der Heilige Geist ist? Spreche ich mit dem Heiligen Geist?«

 



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