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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE NATIONALE VEREINIGUNG KINDERREICHER FAMILIEN

Aula Paolo VI
Sonntag, 28. Dezember 2014

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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Zuallererst eine Frage, ich bin neugierig. Sagt mal: Um wie viel Uhr seid ihr heute aufgestanden? Um sechs? Um fünf? Und ihr seid nicht müde? Aber mit dieser Ansprache werde ich euch zum Einschlafen bringen! Ich freue mich über diese Begegnung mit euch aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Vereinigung, in der in Italien die kinderreichen Familien zusammengeschlossen sind. Man sieht, dass ihr die Familie liebt und dass ihr das Leben liebt! Und es ist schön, dem Herrn dafür Dank zu sagen an dem Tag, an dem wir die Heilige Familie feiern.

Das Evangelium stellt uns heute Maria und Josef vor, die das Jesuskind in den Tempel bringen und dort zwei alten Menschen begegnen, Simeon und Hanna, die über das Kind prophezeien. Es ist das Bild einer »Großfamilie«, ein wenig wie eure Familien, wo die verschiedenen Generationen einander begegnen und sich gegenseitig helfen. Ich danke Erzbischof Paglia, Präsident des Päpstlichen Rats für die Familie – Spezialist in diesen Dingen –, der diesen Moment sehr gewünscht hat, und Bischof Beschi, der sehr viel dazu beigetragen hat, eure in Brescia, der Stadt des seligen Paul VI., entstandene Vereinigung ins Leben zu rufen und sie wachsen zu lassen.

Ihr seid gekommen mit den schönsten Früchten eurer Liebe. Mutterschaft und Vaterschaft sind ein Geschenk Gottes, aber dieses Geschenk anzunehmen, über seine Schönheit zu staunen und es in der Gesellschaft erstrahlen zu lassen, das ist eure Aufgabe. Jedes eurer Kinder ist ein einmaliges Geschöpf, das sich in der Geschichte der Menschheit niemals wiederholen wird.

Wenn man das versteht, das heißt, dass jeder von Gott gewollt ist, dann staunt man darüber, was für ein großes Wunder ein Kind ist! Ein Kind verändert das Leben! Alle haben wir gesehen – Männer, Frauen –, dass das Leben sich ändert, wenn ein Kind da ist, es ist etwas anderes. Ein Kind ist ein Wunder, das ein Leben verändert. Ihr, die Kinder, Mädchen und Jungen, seid genau dies: Jeder von euch ist einzigartige Frucht der Liebe, ihr kommt aus der Liebe und wachst in Liebe heran. Ihr seid einzigartig, aber nicht allein! Und die Tatsache, dass ihr Brüder und Schwestern habt, tut euch gut: Söhne und Töchter einer kinderreichen Familie sind von den ersten Kindertagen an fähiger zur brüderlichen Gemeinschaft. In einer häufig von Egoismus gekennzeichneten Welt ist die kinderreiche Familie eine Schule der Solidarität und des Teilens; und diese Haltungen kommen dann der gesamten Gesellschaft zugute.

Ihr, Kinder und Jugendliche, seid die Früchte des Baumes, der die Familie ist: ihr seid gute Früchte, wenn der Baum gute Wurzeln hat – das sind die Großeltern – und einen guten Stamm – das sind die Eltern. Jesus hat gesagt, dass jeder gute Baum gute Früchte, jeder schlechte Baum aber schlechte Früchte hervorbringt (vgl. Mt 7,17). Die große Menschheitsfamilie ist wie ein Wald, wo die guten Bäume Solidarität, Gemeinschaft, Vertrauen, Unterstützung, Sicherheit, glückliche Einfachheit, Freundschaft hervorbringen. Die Präsenz kinderreicher Familien ist eine Hoffnung für die Gesellschaft. Und daher ist die Gegenwart der Großeltern sehr wichtig: eine kostbare Gegenwart sowohl wegen der praktischen Hilfe als auch vor allem wegen des erzieherischen Beitrags. Die Großeltern bewahren in sich die Werte eines Volkes, einer Familie und sie helfen den Eltern, sie an die Kinder weiterzugeben. Im letzten Jahrhundert waren es in vielen Ländern Europas die Großeltern, die den Glauben weitergegeben haben: sie brachten die Kinder heimlich zur Taufe und gaben den Glauben weiter.

Liebe Eltern, ich bin euch dankbar für das Beispiel der Liebe zum Leben, das ihr von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende hütet, auch mit allen Schwierigkeiten und den Lasten des Lebens, die euch die öffentlichen Institutionen leider nicht immer zu tragen helfen. Zu Recht erinnert ihr daran, dass die Italienische Verfassung unter Artikel 31 eine besondere Berücksichtigung der kinderreichen Familien fordert; aber das findet keine angemessene Entsprechung in den Tatsachen. Es bleiben Worte. Ich wünsche daher – auch unter Berücksichtigung der niedrigen Geburtenrate, die seit langem in Italien zu verzeichnen ist – eine größere Aufmerksamkeit der Politik und der Behördenvertreter auf allen Ebenen, um diesen Familien die vorgesehene Unterstützung zukommen zu lassen. Jede Familie ist eine Zelle der Gesellschaft, aber die kinderreiche Familie ist eine reichere, vitalere Zelle, und es liegt im Interesse des Staates, darin zu investieren! Sehr willkommen sind daher in Vereinigungen zusammengeschlossene Familien – wie diese italienische Vereinigung und die anderer europäischer Länder, die hier vertreten sind –, und sehr willkommen ist ein Netz von Familienvereinigungen, die es verstehen, in Gesellschaft und Politik präsent und sichtbar zu sein. Der heilige Johannes Paul II. schrieb diesbezüglich: »In  diesem Sinne sollen die Familien sich dessen immer mehr bewusst werden, dass in erster Linie sie selbst im Bereich der sogenannten ›Familienpolitik‹ die Initiative ergreifen müssen; sie sollen die Verantwortung für die Veränderung der Gesellschaft übernehmen. Sonst werden die Familien die ersten Opfer jener Übel sein, die sie vorher nur gleichgültig betrachtet haben« (Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 44). Der Einsatz der Familienvereinigungen in den verschiedenen nationalen und lokalen »Foren« besteht gerade darin, in der Gesellschaft und den staatlichen Gesetzen die Werte und Bedürfnisse der Familie zu fördern.

Sehr willkommen sind auch die kirchlichen Bewegungen, in denen ihr – Mitglieder kinderreicher Familien – besonders präsent und aktiv seid. Ich danke dem Herrn stets, wenn ich Väter und Mütter kinderreicher Familien sehe, die gemeinsam mit ihren Kindern im Leben der Kirche und der Gesellschaft engagiert sind. Ich bin euch im Gebet nahe und stelle euch unter den Schutz der Heiligen Familie von Jesus, Josef und Maria. Und es ist schön zu wissen, dass gerade in Nazaret ein Haus für Familien aus aller Welt gebaut wird, die als Pilger dorthin kommen, wo Jesus heranwuchs und mit Weisheit und Gnade erfüllt wurde (vgl. Lk 2,40).

Ich bete besonders für die von der Wirtschaftskrise am stärksten geprüften Familien, jene, in denen Vater oder Mutter die Arbeit verloren haben – und das ist hart –, wo die Jungen keine Arbeit finden; die Familien, die in den liebevollsten Gefühlen geprüft werden, und jene, die versucht sind, sich mit Einsamkeit und Spaltung abzufinden.

Liebe Freunde, liebe Eltern, liebe Jugendliche, liebe Kinder, liebe Großeltern, ein frohes Fest euch allen! Jede eurer Familien möge stets reich sein an der Zärtlichkeit und am Troste Gottes. Voller Zuneigung segne ich euch. Und bitte, betet weiter für mich, der ich ein wenig der Großvater von euch allen bin. Betet für mich! Danke.

 


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