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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH ÄGYPTEN 
(28.-29. APRIL 2017)

GEBETSBEGEGNUNG MIT DEM KLERUS, ORDENSLEUTEN UND SEMINARISTEN 

ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS

Patriarchatsseminar von Maadi, Kairo
Samstag, 29. April 2017

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Seligkeiten,
liebe Brüder und Schwestern,

Al Salamò Alaikum! [Der Friede sei mit euch!]

„Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen uns über ihn freuen. Christus hat den Tod für immer besiegt, wir wollen uns über ihn freuen!“ (vgl. Ps 118,24).

Ich freue mich, bei euch an diesem Ort zu sein, an dem die Priester ausgebildet werden und der das Herz der katholischen Kirche in Ägypten bildet. Ich freue mich, in euch, den Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen der kleinen katholischen Herde in Ägypten, den „Sauerteig“ zu grüßen, den Gott für dieses gesegnete Land bereitet, damit in ihm – in Gemeinschaft mit unseren orthodoxen Brüdern – sein Reich wachse (vgl. Mt 13,13).

Ich möchte euch vor allem für euer Zeugnis und für all das Gute danken, das ihr jeden Tag mit eurer Tätigkeit inmitten vieler Herausforderungen und oft unter geringem Trost vollbringt. Ich möchte euch auch ermutigen! Habt keine Angst vor der Last des Alltags, vor der Last der schwierigen Umstände, die einige von euch ertragen müssen. Wir verehren das heilige Kreuz, Werkzeug und Zeichen unserer Erlösung. Wer vor dem Kreuz wegläuft, läuft vor der Auferstehung weg.

»Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben« (Lk 12,32).

So geht es darum, zu glauben, die Wahrheit zu bezeugen, auszusäen und zu pflegen, ohne auf die Ernte zu spekulieren. Wir sammeln nämlich die Früchte einer Reihe von anderen Gottgeweihten und Laien, die großmütig im Weinberg des Herrn gearbeitet haben: Eure Geschichte ist voll davon!

Und inmitten vieler Gründe zur Entmutigung, inmitten vieler Propheten der Zerstörung und der Verdammung, inmitten vieler negativer und verzweifelter Stimmen sollt ihr eine positive Kraft, sollt ihr Licht und Salz dieser Gesellschaft sein; seid ihr die Lokomotive, die einen Zug vorwärts zieht, geradeaus, dem Ziel entgegen; seid ihr Aussäer der Hoffnung, Brückenbauer und Arbeiter des Dialogs und der Eintracht.

Dies ist möglich, wenn die Gottgeweihten den Versuchungen, denen sie tagtäglich auf ihrem Weg begegnen, nicht nachgeben. Ich will einige unter den bedeutsamsten hervorheben. Ihr kennt sie, weil diese Versuchungen von den ersten Mönchen Ägyptens gut beschrieben worden sind.

1. Die Versuchung, sich mitreißen zu lassen und nicht zu führen. Der Gute Hirt hat die Pflicht, die Herde zu leiten (vgl. Joh 10,3-4), sie auf die saftige Weide und zu den Wasserquellen zu führen (vgl. Ps 23). Er darf sich nicht von der Enttäuschung und vom Pessimismus mitreißen lassen: „Was kann ich schon tun?“ Er ist immer voller Entschlossenheit und Tatkraft, wie eine Quelle, die sprudelt, selbst wenn sie ausgetrocknet ist; er besitzt immer die Herzlichkeit zu trösten, selbst wenn sein Herz niedergeschlagen ist; er ist ein Vater, wenn ihn seine Kinder dankbar behandeln, aber vor allem auch, wenn sie ihm keine Anerkennung erweisen (vgl. Lk 15,11-32). Unsere Treue dem Herrn gegenüber darf nie von menschlicher Dankbarkeit abhängen. »Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten« (Mt 6,4.6.18).

2. Die Versuchung, sich immerfort zu beklagen. Es ist leicht, stets die anderen anzuklagen – wegen der Versäumnisse der Vorgesetzten, wegen der kirchlichen und gesellschaftlichen Zustände, wegen des Mangels an Möglichkeiten… Die Gottgeweihten aber sind jene, die mit der Salbung des Heiligen Geistes jedes Hindernis in eine Gelegenheit verwandeln und nicht jede Schwierigkeit in eine Entschuldigung! Wer sich ständig beklagt, ist in Wirklichkeit einer, der nicht arbeiten will. Daher wandte sich der Herr an die Hirten mit den Worten: »Darum macht die erschlafften Hände und die wankenden Knie wieder stark« (Hebr 12,12; vgl. Jes 35,3).

3. Die Versuchung der Geschwätzigkeit und des Neids. Das ist etwas Hässliches! Die Gefahr ist ernst, wenn sich die Gottgeweihten vom Neid beherrschen lassen und zu solchen werden, die die anderen mit Geschwätz verletzen, anstatt den Kleinen behilflich zu sein zu wachsen und sich über die Erfolge der Brüder und Schwestern zu freuen. Wenn sie anfangen, jene zu niederzumachen, die gerade wachsen, anstatt sich selbst um das Wachstum zu bemühen; anstatt den guten Beispielen zu folgen, verurteilen sie diese und bringen ihnen Geringschätzung entgegen. Der Neid ist ein Krebsgeschwür, der in kurzer Zeit jeden Körper zerstört: »Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben. Wenn eine Familie in sich gespalten ist, kann sie keinen Bestand haben« (Mk 3,24-25). In der Tat, - das solltet ihr nicht vergessen! – »durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt« (Weish 2,24). Und das Geschwätz ist dabei das Mittel und die Waffe.

4. Die Versuchung, sich mit den anderen zu vergleichen. Der Reichtum besteht in der Verschiedenheit und der Einzigartigkeit eines jeden von uns. Das Vergleichen mit jenen, denen es besser geht, führt uns oft dazu, in Groll zu verfallen; das Vergleichen mit jenen, denen es schlechter geht, führt uns oft dazu, in Hochmut und Faulheit zu verfallen. Wer dazu neigt, sich immer mit den anderen zu vergleichen, lähmt sich am Ende selbst. Lernen wir vom heiligen Petrus und vom heiligen Paulus, die Verschiedenheit der Charaktere, der Charismen und der Meinungen im Hinhören und in der Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist zu leben.

5. Die Versuchung des „Pharaonismus“, – Wir sind hier in Ägypten! – diese Versuchung bedeutet, das Herz zu verhärten und sich gegenüber dem Herrn sowie den Brüdern und Schwestern zu verschließen. Es ist die Versuchung zu denken, über den anderen zu stehen und sie sich so aus Geltungsbedürfnis unterzuordnen; die Überheblichkeit zu besitzen, sich bedienen zu lassen, statt zu dienen. Von Anfang an ist das eine allgemeine Versuchung unter den Jüngern, die – so sagt es das Evangelium – »auf dem Weg miteinander darüber gesprochen hatten, wer der Größte sei« (Mk 9,34). Das Gegenmittel für dieses Gift ist: »Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein« (Mk 9,35).

6. Die Versuchung des Individualismus. Wie ein bekanntes ägyptisches Sprichwort sagt: „Ich, und nach mir die Sintflut“. Es ist die Versuchung der Egoisten, die auf dem Weg ihr Ziel verlieren und anstelle der anderen an sich selbst denken und dabei keinerlei Scham empfinden, ja vielmehr sich selbst rechtfertigen. Die Kirche ist die Gemeinschaft der Gläubigen, der Leib Christi, in dem die Rettung eines Gliedes mit der Heiligkeit aller verknüpft ist (vgl. 1 Kor 12,12-27; Lumen gentium, 7). Der Individualist hingegen gibt Grund zum Ärgernis und zum Konflikt.

7. Die Versuchung, ohne Kompass und ohne Ziel zu laufen. Die Gottgeweihten verlieren ihre Identität und beginnen „weder Fisch, noch Fleisch“ zu sein. Sie leben mit einem zwischen Gott und der Weltlichkeit geteiltem Herzen. Sie vergessen ihre erste Liebe (vgl. Offb 2,4). Ohne eine klare und feste Identität zu haben, laufen diese Gottgeweihten in Wirklichkeit ohne Orientierung und zerstreuen die anderen, anstatt sie zu führen. Eure Identität als Söhne und Töchter der Kirche ist jene, Kopten zu sein – das heißt, in euren ehrwürdigen und alten Wurzeln verankert zu sein – und Katholiken zu sein – das heißt, Teil der einen und universalen Kirche zu sein: wie ein Baum – je tiefer er in der Erde verwurzelt ist, desto höher ragt er in den Himmel!

Liebe Gottgeweihte, diesen Versuchungen zu widerstehen, ist nicht einfach, aber es ist möglich, wenn wir in Jesus eingepfropft sind: »Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt« (Joh 15,4). Je mehr wir in Christus verwurzelt sind, desto lebendiger und fruchtbarer sind wir! Nur so können die Gottgeweihten das Wunder, die Leidenschaft der ersten Begegnung bewahren, die Attraktivität und die Dankbarkeit in ihrem Leben mit Gott und in ihrer Mission. Von der Qualität unseres geistlichen Lebens hängt jene unserer Weihe ab.

Ägypten hat die Kirche mit dem unvergleichlichen Schatz des monastischen Lebens bereichert. Ich ermahne euch deshalb, euch ein Beispiel am heiligen Eremiten Paulus zu nehmen, am heiligen Antonius, an den heiligen Wüstenvätern, den zahlreichen Mönchen, die mit ihrem Leben und ihrem Beispiel die Tore des Himmels für viele Brüder und Schwestern geöffnet haben; und so könnt auch ihr Licht und Salz sein, das heißt Ursache des Heiles für euch selbst und für alle anderen, gläubig und nichtgläubig, insbesondere für die Geringsten, die Notleidenden, die Verlassenen und die Ausgegrenzten.

Die Heilige Familie beschütze und segne euch alle, euer Land und alle seine Bewohner. Aus der Tiefe meines Herzens wünsche ich einem jeden von euch alles Gute und durch euch grüße ich alle Gläubigen, die Gott eurer Sorge anvertraut hat. Der Herr gewähre euch die Früchte seines Heiligen Geistes: »Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit«(Gal 5,22-23).

Ihr werdet in meinem Herzen und in meinem Gebet immer gegenwärtig sein. Nur Mut und weiter mit dem Heiligen Geist! „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat, wir wollen uns an ihm freuen“. Und vergesst bitte nicht, für mich zu beten!

 



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