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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 21. April 2004

 

Lesung: Ps 27,1.3–4


1 Die Gemeinschaft mit Gott
[Von David.] Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Kraft meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen?
3 Mag ein Heer mich belagern: Mein Herz wird nicht verzagen. Mag Krieg gegen mich toben: Ich bleibe dennoch voll Zuversicht.
4 Nur eines erbitte ich vom Herrn, danach verlangt mich: Im Haus des Herrn zu wohnen alle Tage meines Lebens, die Freundlichkeit des Herrn zu schauen und nachzusinnen in seinem Tempel.

1. Unsere Betrachtungen über die Vesper setzen sich heute mit Psalm 27 fort, den die Liturgie in zwei Abschnitte aufteilt. Wir folgen jetzt dem ersten Teil dieses poetischen und geistlichen Diptychons (vgl. V. 1–6), das als Hintergrund den Tempel von Zion hat, den Ort für den Gottesdienst von Israel. In der Tat spricht der Psalmist ausdrücklich vom »Haus des Herrn«, vom »Tempel« (V. 4), vom »Haus« und »Zelt« (vgl. V. 5–6). Ja, diese Worte bezeichnen im hebräischen Original genauer den »Tabernakel« und das »Zelt«, das heißt das innerste Heiligtum des Tempels, wo sich der Herr durch seine Gegenwart und sein Wort offenbart. Es wird auch an den »Felsen« von Zion erinnert (vgl. V. 5), den sicheren Zufluchtsort, und es wird die Feier des Dankopfers angedeutet (vgl. V. 6).

Wenn also die Liturgie die geistliche Atmosphäre bildet, in die der Psalm eingebettet ist, dann stellt das Vertrauen in Gott am Tag der Freude wie auch in der Zeit der Angst den Leitfaden des Gebets dar.

2. Der erste Teil des Psalms, über den wir jetzt nachdenken, ist von einer großen Gelassenheit gekennzeichnet, die in dem Vertrauen auf Gott am finsteren Tag des Angriffs der Frevler gründet. Zwei Bilder werden verwandt, um die Gegner zu beschreiben, die Zeichen des Bösen sind, das in der Geschichte Verwirrung stiftet. Einmal wird anscheinend eine wilde Jagd dargestellt: Die Frevler sind wie wilde Tiere, die vorrücken, um ihre Beute zu packen und zu zerfleischen, aber sie straucheln und fallen (vgl. V. 2). Dann ist hier das militärische Bild eines Angriffs, vorgenommen von einem ganzen Herr: Es ist ein Kampf, der auflodert und Schrecken und Tod sät (vgl. V. 3).

Das Leben des Gläubigen ist oft Spannungen, Widersprüchen, manchmal auch Ablehnung und sogar Verfolgung ausgesetzt. Das Verhalten des Gerechten irritiert, weil es wie eine Mahnung gegenüber den anmaßenden und niederträchtigen Menschen wirkt. Die im Buch der Weisheit beschriebenen Frevler kennen den Gerechten: »Er ist unserer Gesinnung ein lebendiger Vorwurf, schon sein Anblick ist uns lästig; denn er führt ein Leben, das dem der andern nicht gleicht, und seine Wege sind grundverschieden« (Weish 2,14–15).

3. Der Gläubige weiß, daß sein konsequentes Verhalten Isolation und sogar Verachtung und Feindschaft hervorruft in einer Gesellschaft, die oft den persönlichen Vorteil, den äußeren Erfolg, den Reichtum und den zügellosen Genuß als Ziel wählt. Dennoch ist der glaubende Mensch nicht allein, und sein Herz bewahrt einen erstaunlichen inneren Frieden, denn – so heißt es in der herrlichen »Antiphon« des Psalms– »Der Herr ist mein Licht und Heil … Der Herr ist die Kraft (des) Lebens« des Gerechten (Ps 27,1). Er wiederholt ständig: »Vor wem sollte ich mich fürchten? … Vor wem sollte mir bangen? … Mein Herz wird nicht verzagen … Ich bleibe dennoch voll Zuversicht « (V. 1.3).

4. In der Tat, der Beter legt sein Leben in Gottes Hände, ja, sein Wunschtraum findet auch in einem anderen Psalm Ausdruck (vgl. 23,6): »…im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.« Dort wird er »die Freundlichkeit des Herrn schauen« (Ps 27,4), das göttliche Geheimnis betrachten und bewundern, am liturgischen Opfer teilhaben und sein Lob zu Gott, dem Befreier (vgl. V. 6), erheben. Der Herr schafft um seinen Gläubigen einen Horizont des Friedens, der den Lärm des Bösen nicht eindringen läßt. Die Gemeinschaft mit Gott ist Quelle der Gelassenheit, der Freude, der Ruhe; sie ist gleichsam eine Oase des Lichts und der Liebe.

5. Hören wir jetzt zum Abschluß unserer Reflexion die Worte des Mönchs Jesaja des Syrers, der in Ägypten in der Wüste gelebt hat und in Gaza um 491 n. Chr. gestorben ist. In seinem Asceticon wendet er unseren Psalm auf das Gebet in der Versuchung an: »Wenn wir sehen, daß uns die Feinde mit ihren Schlichen bedrängen, das heißt mit der Trägheit, sei es, daß sie unsere Gesinnung durch den Genuß schwächen, oder weil wir unseren Ärger gegen den Nächsten nicht zügeln, wenn dieser gegen seine Pflichten verstößt; oder wenn sie unsere Augenlider schwer machen, um sie zur Begierde zu verführen; oder wenn sie uns dazu verleiten wollen, die Gaumenfreuden zu verkosten; wenn sie die Rede des Nächsten uns gegenüber vergiften; wenn sie uns die Worte anderer herabwürdigen lassen; wenn sie uns verleiten, Unterschiede zwischen den Brüdern zu machen, indem sie sagen: Dieser ist gut, der andere ist schlecht. Wenn uns also alle diese Dinge umgeben, dürfen wir nicht den Mut verlieren, sondern vielmehr wie David mit festem Herzen rufen: ›Der Herr ist die Kraft meines Lebens!‹ (Ps 27,1)« (Recueil ascétique, Bellefontaine 1976, S. 211).


„Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten?" (Ps 27, 1). Der Beter des Alten Bundes findet Zuflucht im Haus des lebendigen Gottes. Inmitten des Ansturms der Feinde birgt ihn die Gegenwart Jahwes wie in einer Oase des Lichtes und der Liebe.

Mit Psalm 27 dankt auch die Christenheit für das Heilsgeschenk des Friedens, das ihr durch den Auferstandenen zuteil wird. Das Herz des Gläubigen ist in Situationen der Bedrängnis Prüfungen ausgesetzt. Doch Christus, der Sieger über Sünde und Tod, bleibt den Seinen nahe. Der Friede der Seele ist ein Widerschein unserer Erlösung.

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Von Herzen heiße ich die Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz willkommen. Besonders grüße ich die Schulgemeinschaft Marienhain aus Vechta. Festigt eure Freundschaft mit Gott im treuen und beständigen Gebet! Christus ist die Quelle unseres Friedens. Sein Heiliger Geist begleite euch allezeit.

 



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