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BENEDIKT XVI.

GENERALAUDIENZ

Audienzhalle
Mittwoch, 4. Januar 2012

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Das Weihnachtsfest: Geheimnis des Lichts und der Freude 

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, euch zu dieser ersten Generalaudienz im neuen Jahr zu empfangen und entbiete euch und euren Familien von ganzem Herzen meine besten Wünsche: Gott, der in der Geburt Christi, seines Sohnes, die ganze Welt mit Freude erfüllt hat, möge unseren Werken und Tagen seinen Frieden schenken. Wir sind in der liturgischen Weihnachtszeit, die am 24. Dezember mit dem Heiligen Abend beginnt und mit der Feier der Taufe des Herrn endet. Die Zeitspanne ist kurz, aber dicht an Feiern und Geheimnissen und umschließt die beiden großen Hochfeste des Herrn: Weihnachten und Epiphanie. Schon der Name dieser beiden Feste verweist auf ihre jeweilige Gestalt. Das Weihnachtsfest feiert die historische Tatsache der Geburt Jesu in Betlehem.

Die Epiphanie, die als Fest im Osten entstanden ist, verweist auf eine Tatsache, vor allem einen Aspekt des Geheimnisses: Gott offenbart sich in der Menschennatur Christi, und das ist der Sinn des griechischen Verbs »epiphaino«: sichtbar werden. Aus dieser Perspektive heraus erinnert die Epiphanie an eine Vielzahl von Ereignissen, die die Erscheinung des Herrn zum Gegenstand haben: insbesondere die Anbetung der Sterndeuter, die in Jesus den erwarteten Messias erkennen, aber auch die Taufe im Jordan mit ihrer Theophanie – der Stimme Gottes aus der Höhe – und das Wunder bei der Hochzeit von Kana als erstes »Zeichen «, das Christus gewirkt hat. Eine wunderschöne Antiphon aus dem Stundengebet vereint diese drei Ereignisse um das Thema der Hochzeit zwischen Christus und der Kirche: »Heute wurde die Kirche dem himmlischen Bräutigam vermählt: Im Jordan wusch Christus sie rein von ihren Sünden. Die Weisen eilen mit Geschenken zur königlichen Hochzeit. Wasser wird in Wein gewandelt und erfreut die Gäste« (Antiphon der Laudes). Wir können gleichsam sagen, daß am Weihnachtsfest die Verborgenheit Gottes in der Demut des menschlichen Daseins, im Kind von Betlehem, hervorgehoben wird. In der Epiphanie dagegen wird seine Offenbarung deutlich, das Erscheinen Gottes durch eben diese Menschennatur. In dieser Katechese möchte ich kurz einige Themen aufgreifen, die zur Feier der Geburt des Herrn gehören, damit ein jeder von uns aus der unerschöpflichen Quelle dieses Geheimnisses trinken und Früchte des Lebens tragen kann. Zunächst einmal fragen wir uns: Was ist die erste Reaktion auf dieses außergewöhnliche Wirken Gottes, der Kind wird, der Mensch wird? Ich glaube, die erste Reaktion kann nur Freude sein.

»Freut euch im Herrn, heute ist uns der Heiland geboren«: So beginnt die Messe der Heiligen Nacht, und wir haben gerade die Worte des Engels an die Hirten gehört: »Ich verkünde euch eine große Freude« (Lk 2,10). Dieses Thema eröffnet das Evangelium, und dieses Thema schließt es auch, denn der auferstandene Jesus wirft den Aposteln vor, traurig zu sein (vgl. Lk 24,17): Das ist unvereinbar mit der Tatsache, daß er auf ewig Mensch bleibt. Aber gehen wir einen Schritt weiter: Woraus entsteht diese Freude? Ich würde sagen, sie entsteht aus dem Staunen des Herzens, wenn wir sehen, daß Gott uns nahe ist, daß Gott an uns denkt, daß Gott in der Geschichte wirkt; es ist also eine Freude, die aus dem Betrachten des Antlitzes jenes demütigen Kindes heraus entsteht, denn wir wissen, daß es das Antlitz Gottes ist, der für immer in der Menschheit gegenwärtig sein wird, für uns und mit uns. Weihnachten ist Freude, weil wir sehen und endlich sicher sind, daß Gott das Gute, das Leben, die Wahrheit des Menschen ist und sich bis zum Menschen erniedrigt, um ihn zu sich zu erheben: Gott kommt so nahe, daß man ihn sehen und berühren kann. Die Kirche betrachtet dieses unergründliche Geheimnis, und die Texte der Liturgie dieser Zeit sind von Staunen und Freude durchdrungen; alle Weihnachtslieder bringen diese Freude zum Ausdruck.

Weihnachten ist der Punkt, an dem Himmel und Erde vereint sind, und verschiedene Worte, die wir an diesen Tagen hören, heben die Größe des Geschehenen hervor: Der Ferne – Gott scheint unendlich fern zu sein – ist nahe herbeigekommen, »weil er, der Unfaßbare, erfaßt sein wollte, weil er, der vor aller Zeit schon war, in der Zeit seinen Anfang nahm, weil er, der Herr des Weltalls, zur Knechtsgestalt griff, indem er die Würde seiner Majestät verhüllte«, ruft der hl. Leo der Große aus (2. Predigt auf Weihnachten, 2.1). In jenem Kind, das in allem bedürftig ist, wie die Kinder es sind, wird das, was Gott ist – Ewigkeit, Kraft, Heiligkeit, Leben, Freude –, mit dem vereint, was wir sind: Schwachheit, Sünde, Leiden, Tod. Die Theologie und die Spiritualität des Weihnachtsfestes gebrauchen einen Ausdruck, um diese Tatsache zu beschreiben: Sie sprechen von »admirabile commercium«, also einem wunderbaren Tausch zwischen der göttlichen Natur und der Menschennatur. Der hl. Athanasius von Alexandria sagt: Der Sohn Gottes »wurde Mensch, damit wir vergöttlicht würden« (De incarnatione, 54,3; PG 25,192). Aber vor allem mit dem hl. Leo dem Großen und seinen berühmten Predigten auf Weihnachten wird diese Wirklichkeit zum Gegenstand tiefer Betrachtung. Der heilige Papst sagt nämlich: »Wenn wir uns jene unbeschreibliche Liebe des barmherzigen Gottes vergegenwärtigen, derzufolge sich der Schöpfer des Menschen herabließ, Mensch zu werden, so zeigt es sich, daß wir an der Natur desjenigen Anteil nahmen, zu dem wir in der unsrigen beten« (8. Predigt auf Weihnachten: CCL 138,139). Der erste Akt dieses wunderbaren Tausches wird in der Menschennatur Christi selbst gewirkt. Das Wort hat unsere Menschennatur angenommen, und im Austausch dagegen wurde die Menschennatur zur göttlichen Würde erhoben. Der zweite Akt des Tausches besteht in unserer wirklichen und inneren Teilhabe an der göttlichen Natur des Wortes. Der hl. Paulus sagt: »Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen« (Gal 4,4–5).

Weihnachten ist daher das Fest, an dem Gott dem Menschen so nahe kommt, daß er sogar das Geborenwerden mit ihm teilt, um ihm seine tiefste Würde zu offenbaren: die Würde, Sohn Gottes zu sein. Und so wird der Traum der Menschheit, der im Paradies begonnen hat – wir möchten wie Gott sein –, auf unerwartete Weise verwirklicht, nicht durch die Größe des Menschen, der sich nicht zu Gott machen kann, sondern durch die Demut Gottes, der herabsteigt und so in seiner Demut in uns eintritt und uns zur wahren Größe seines Seins erhebt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in diesem Zusammenhang gesagt: »Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf« (Gaudium et spes, 22). Sonst bleibt ein Rätsel: Was bedeutet dieses Geschöpf »Mensch«? Nur wenn wir sehen, daß Gott bei uns ist, können wir Licht für unser Dasein sehen, können wir über unser Menschsein glücklich sein und mit Vertrauen und Freude leben. Und wo wird dieser wunderbare Tausch wirklich gegenwärtig, um in unserem Leben zu wirken und es zu einer Existenz wahrer Kinder Gottes zu machen? Er wird sehr konkret in der Eucharistie. Wenn wir an der Heiligen Messe teilnehmen, bringen wir Gott das Unsrige dar: das Brot und den Wein, Frucht der Erde, damit er sie annehme und sie verwandle, indem er sich uns hinschenkt und zu unserer Speise wird, damit wir, wenn wir seinen Leib und sein Blut empfangen, an seinem göttlichen Leben teilhaben.

Abschließend möchte ich über einen weiteren Aspekt des Weihnachtsfestes sprechen. Als der Engel des Herrn in der Nacht der Geburt Jesu den Hirten erscheint, schreibt der hl. Lukas, daß der Glanz des Herrn sie umstrahlte (vgl. 2,9). Und der Prolog des Johannesevangeliums spricht vom fleischgewordenen Wort als dem wahren Licht, das in die Welt kommt, dem Licht, das jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9). Die Weihnachtsliturgie ist vom Licht durchdrungen. Die Ankunft Christi vertreibt die Finsternis der Welt, erfüllt die Heilige Nacht mit einem himmlischen Strahlen und verbreitet auf dem Angesicht der Menschen den Glanz Gottes, des Vaters. Auch heute. Vom Licht Christi umstrahlt, werden wir von der Weihnachtsliturgie mit Nachdruck eingeladen, unseren Verstand und unser Herz erleuchten zu lassen von dem Gott, der sein strahlendes Antlitz gezeigt hat. Die Erste Präfation von Weihnachten verkündet: »Denn Fleisch geworden ist das Wort, und in diesem Geheimnis erstrahlt dem Auge unseres Geistes das neue Licht deiner Herrlichkeit. In der sichtbaren Gestalt des Erlösers läßt du uns den unsichtbaren Gott erkennen, um in uns die Liebe zu entflammen zu dem, was kein Auge geschaut hat.« Im Geheimnis der Menschwerdung ist Gott, nachdem er gesprochen und durch Boten und mit Zeichen in die Geschichte eingegriffen hat, »erschienen«, ist er aus seinem unzugänglichen Licht herausgetreten, um die Welt zu erleuchten.

Am Hochfest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar, das wir in wenigen Tagen feiern, legt die Kirche einen sehr bedeutsamen Abschnitt des Propheten Jesaja vor: »Auf, werde licht denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz« (60,1–3). Es ist eine an die Kirche, die Gemeinschaft Christi, aber auch an einen jeden von uns gerichtete Einladung, uns die Sendung und die Verantwortung gegenüber der Welt, das neue Licht des Evangeliums zu bezeugen und zu bringen, noch stärker zu Bewußtsein zu führen. Am Anfang der Konstitution Lumen gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils finden wir folgende Worte: »Christus ist das Licht der Völker. Darum ist es der dringende Wunsch dieser im Heiligen Geist versammelten Heiligen Synode, alle Menschen durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, zu erleuchten, indem sie das Evangelium allen Geschöpfen verkündet« (Nr. 1).

Das Evangelium ist das Licht, das nicht versteckt werden darf, sondern auf den Leuchter gestellt werden muß. Die Kirche ist nicht das Licht, sondern sie empfängt das Licht Christi, sie nimmt es an, um davon erleuchtet zu werden und es in seinem ganzen Glanz zu verbreiten. Und das muß auch in unserem persönlichen Leben geschehen. Ich zitiere noch einmal den hl. Leo den Großen, der in der Heiligen Nacht gesagt hat: »Erkenne, o Christ, deine Würde! Kehre nicht, nachdem du der göttlichen Natur teilhaftig geworden, durch entartete Sitten zur alten Niedrigkeit zurück! Denke daran, welchen Hauptes, welchen Leibes Glied du bist! Vergegenwärtige dir, daß du der Macht der Finsternis entrissen und in Gottes lichtvolles Reich versetzt worden bist!« (1. Predigt auf Weihnachten, 3,2: CCL 138,88). Liebe Brüder und Schwestern, Weihnachten bedeutet innezuhalten und das Kind zu betrachten, das Geheimnis Gottes, der in Demut und Armut Mensch wird. Vor allem aber bedeutet es, erneut in uns selbst jenes Kind aufzunehmen, das Christus, der Herr ist, um aus seinem eigenen Leben zu leben, damit seine Empfindungen, seine Gedanken, sein Handeln zu unseren Empfindungen, unseren Gedanken, unserem Handeln werden. Weihnachten zu feiern heißt also, die Freude, die Neuheit, das Licht, die diese Geburt in unser ganzes Dasein gebracht hat, zu offenbaren, damit auch wir Boten der Freude, der wahren Neuheit, des Lichtes Gottes für die anderen sind. Ich wünsche noch einmal allen eine von der Gegenwart Gottes gesegnete Weihnachtszeit!

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Mit Freude grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher und danke den Allgäuer Bläsern für ihre wunderschöne Musik. Nehmen wir Christus, das Kind, in dem Gott Mensch geworden ist, immer wieder neu in uns selber, in unsere Herzen auf. Lassen wir ihn in uns leben, damit seine Gedanken unsere Gedanken, sein Handeln unser Handeln wird. Dann werden auch wir von seiner Freude und seinem Licht erfüllt sein. Euch allen wünsche ich ein gesegnetes und gutes neues Jahr.

 

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