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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DEN PÄPSTLICHEN RAT FÜR DIE KULTUR

Freitag, 15. Juni 2007
 

 

Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude treffe ich euch heute zu diesem bedeutenden Anlaß. Ihr beabsichtigt, des 25. Jahrestages des Päpstlichen Rates für die Kultur zu gedenken, den der Diener Gottes Johannes Paul II. am 20. Mai 1982 mit einem Schreiben an den damaligen Staatssekretär Kardinal Agostino Casaroli ins Leben gerufen hat. Ich grüße alle Anwesenden und vor allem Sie, Herr Kardinal Paul Poupard, und danke Ihnen für die freundlichen Worte, mit denen Sie die Empfindungen aller zum Ausdruck gebracht haben. Ihnen, verehrter Bruder, der Sie den Päpstlichen Rat seit 1988 leiten, gilt meine besondere Dankbarkeit und Anerkennung für die in diesem nicht kurzen Zeitabschnitt geleistete große Arbeit. Mit Erfolg haben Sie Ihre menschlichen und geistlichen Gaben in den Dienst des Dikasteriums gestellt und tun dies weiterhin; dabei haben Sie stets mit Begeisterung jene Aufmerksamkeit bezeugt, welche die Kirche dazu veranlaßt, sich um den Dialog mit den kulturellen Strömungen dieser unserer Zeit zu bemühen. Ihre Teilnahme an zahlreichen internationalen Tagungen und Begegnungen, nicht selten vom Päpstlichen Rat für die Kultur selbst organisiert, hat es Ihnen ermöglicht, das Interesse des Heiligen Stuhls für die weite und vielfältige Welt der Kultur immer eingehender bekanntzumachen. Für all das möchte ich Ihnen wie auch dem Sekretär, den Offizialen und Konsultoren des Dikasteriums nochmals danken.

Das II. Vatikanische Konzil schenkte der Kultur große Aufmerksamkeit, und die pastorale Konstitution Gaudium et spes widmet ihr ein spezielles Kapitel (vgl. 53–62). Die Konzilsväter waren bemüht, jene Perspektive aufzuzeigen, unter der die Kirche die Förderung der Kultur betrachtet und durchführt, denn sie erachtet diese Aufgabe als eine der »besonders schweren Nöte dieser Zeit, welche die Menschheit in hohem Maß bedrängen« (ebd. 46). In ihrer Bezugnahme auf die Welt der Kultur stellt die Kirche in den Mittelpunkt stets den Menschen, sowohl als Schöpfer der kulturellen Tätigkeit wie auch als deren letzten Adressaten. Dem Diener Gottes Paul VI. lag der Dialog der Kirche mit der Kultur sehr am Herzen, und während der Jahre seines Pontifikats kümmerte er sich darum persönlich. Seinen Spuren folgte auch der Diener Gottes Johannes Paul II., der an der Konzilsversammlung teilgenommen und seinen spezifischen Beitrag zu der Konstitution Gaudium et spes geleistet hatte. In seiner denkwürdigen Ansprache an die UNESCO vom 2. Juni 1980 legte er höchst persönlich davon Zeugnis ab, wie sehr es ihm am Herzen lag, dem Menschen auf dem Feld der Kultur zu begegnen, um ihm die Botschaft des Evangeliums zu vermitteln. Zwei Jahre später gründete er den Päpstlichen Rat für die Kultur, der dazu bestimmt war, der Aufgabe der Kirche, das Evangelium der Vielzahl der Kulturen in den verschiedenen Teilen der Welt nahezubringen, einen neuen Impuls zu geben (vgl. Schreiben an Kardinal Casaroli in O.R. dt., Nr. 28, 9.7.1982, S. 8–9).

Mit der Gründung dieses neuen Dikasteriums hob mein verehrter Vorgänger hervor, daß es zur Verwirklichung seiner Ziele unterschiedslos mit allen ohne Unterscheidung von Kultur und Religion sprechen müsse, um gemeinsam »eine kulturelle Kommunikation unter allen Menschen guten Willens« zu suchen (vgl. ebd. S. 9). Die große Wichtigkeit dieses Aspekts des Dienstes, den der Päpstliche Rat für die Kultur leistet, hat sich in den vergangenen 25 Jahren bestätigt, da die gegenseitige Abhängigkeit in der Welt sich verstärkt hat dank der außergewöhnlichen Entwicklung der Kommunikationsmittel und der sich daraus ergebenden Verdichtung des Netzes der gesellschaftlichen Beziehungen. Daher ist es für die Kirche noch dringender geworden, die kulturelle Entwicklung zu fördern und dabei auf die menschliche und geistliche Qualität der Botschaften und Inhalte zu setzen, da auch die Kultur heute unausweichlich unter dem Einfluß der Globalisierungsprozesse steht, die, wenn sie nicht ständig von einer wachsamen Unterscheidungskraft begleitet werden, sich gegen den Menschen richten können und ihn schließlich verarmen, anstatt ihn zu bereichern. Und mit welch großen Herausforderungen muß die Evangelisierung sich doch in diesem Bereich auseinandersetzen!

25 Jahre nach der Gründung des Päpstlichen Rates für die Kultur ist es demnach angebracht, über die Gründe und Zielsetzungen nachzudenken, die seine Entstehung im soziokulturellen Kontext unseres Zeitalters motivierten. Zu diesem Zweck hat der Päpstliche Rat eine Studientagung organisiert, einerseits um über die Beziehung zwischen Evangelisierung und Kultur nachzudenken und andererseits um zu erwägen, wie diese Beziehung heute in Asien, in Amerika und in Afrika zum Ausdruck kommt. Wie könnten wir nicht mit besonderer Genugtuung sehen, daß die drei Beiträge »kontinentalen« Zuschnitts drei Kardinälen jeweils asiatischer, lateinamerikanischer und afrikanischer Herkunft anvertraut worden sind? Ist das nicht eine beredte Bestätigung dafür, wie weit die katholische Kirche zu gehen verstanden hat, angetrieben vom »Wind« des Pfingstereignisses, als Gemeinschaft, die fähig ist, mit der gesamten Familie der Völker einen Dialog zu führen, ja, in ihrer Mitte als »prophetisches Zeichen der Einheit und des Friedens« zu leuchten (vgl. Römisches Meßbuch, Eucharistisches Hochgebet V-D).

Liebe Brüder und Schwestern, die Geschichte der Kirche ist auch untrennbar verbunden mit der Geschichte der Kultur und der Kunst. Werke wie die »Summa theologiae« des hl. Thomas von Aquin, die Göttliche Komödie, die Kathedrale von Chartres, die Sixtinische Kapelle oder die Kantaten von Johann Sebastian Bach sind auf ihre Weise unvergleichbare Synthesen von christlichem Glauben und menschlicher Fähigkeit. Wenn dies aber sozusagen die Höhepunkte einer derartigen Synthese von Glaube und Kultur sind, so verwirklicht sich deren Begegnung tagtäglich im Leben und in der Arbeit aller Getauften, in jenem verborgenen Kunstwerk, das die Liebesgeschichte jedes Menschen mit dem lebendigen Gott und den Brüdern ist, in der Freude und Mühsal der Nachfolge Jesu Christi im alltäglichen Leben.

Mehr denn je ist heute die gegenseitige Öffnung unter den Kulturen ein bevorzugter Boden für den Dialog zwischen Menschen, die sich jenseits aller sie trennenden Divergenzen für die Suche nach einem echten Humanismus einsetzen. Auch auf kulturellem Gebiet hat das Christentum allen die mächtigste Kraft der Erneuerung und Erhebung zu bieten, das heißt die Liebe Gottes, die zu menschlicher Liebe wird. In dem Gründungsschreiben des Päpstlichen Rates für die Kultur schrieb Papst Johannes Paul II.: »Die Liebe ist wie eine große, im Herzen der Kulturen verborgene Kraft, die sie beflügeln soll, über ihre hoffnungslose Begrenztheit hinauszuwachsen, indem sie sich demjenigen öffnen, der ihr Anfang und ihr Ende ist, und ihnen, wenn sie sich seiner Gnade öffnen, Bereicherung und Erfüllung schenken soll« (vgl. O.R. dt., Nr. 28, 9.7.1982, S.8). Möge der Heilige Stuhl dank des vor allem von eurem Dikasterium geleisteten Dienstes auch weiterhin in der gesamten Kirche jene vom Evangelium inspirierte Kultur fördern, die Sauerteig, Salz und Licht des Reiches Gottes inmitten der Menschheit ist.

Liebe Brüder und Schwestern, nochmals möchte ich meine aufrichtige Dankbarkeit für die Arbeit des Päpstlichen Rates für die Kultur zum Ausdruck bringen. Euch alle, die ihr hier anwesend seid, versichere ich meines Gebetsgedenkens; ich erbitte die himmlische Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, Sedes Sapientiae, und erteile von Herzen Ihnen, Herr Kardinal, den verehrten Mitbrüdern und allen, die sich auf verschiedene Art und Weise für den Dialog zwischen dem Evangelium und den heutigen Kulturen einsetzen, einen besonderen Apostolischen Segen.

 

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