Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - FR  - IT  - PT ]

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN DEBAPRIYA BHATTACHARYA,
NEUER BOTSCHAFTER VON BANGLADESCH
BEIM HL. STUHL*

Donnerstag, 29. Mai 2008

 

Herr Botschafter!

Ich freue mich, Sie heute zu empfangen, um das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Seine Exzellenz Präsident Iajuddin Ahmed Sie zum Botschafter der Volksrepublik Bangladesch beim Heiligen Stuhl ernannt hat. Ich möchte Sie bitten, ihm und den Mitgliedern der Regierung meinen herzlichen Gruß zu übermitteln, verbunden mit meinen besten Wünschen für das Wohlergehen aller Ihrer Mitbürger.

Die vor 35 Jahren aufgenommenen diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Bangladesch wurden gefestigt durch das gemeinsame Interesse an der Förderung des guten Willens in einer immer stärker vernetzten Welt, in der jedoch Anzeichen für neue Spaltungen und sehr besorgniserregende Formen der Gewalt und der Ungerechtigkeit nicht fehlen. Diese Phänomene stellen neue Herausforderungen für die gesamte Menschheitsfamilie dar und bringen deutlich zu Bewußtsein, daß es stärkerer internationaler Zusammenarbeit bedarf, um sicherzustellen, daß die Anliegen aller Menschen, besonders der Armen und Schwachen, in vollem Umfang zu Gehör gebracht werden (vgl. Sollicitudo rei socialis, 43). Herr Botschafter, ich bin zuversichtlich, daß die aktive Mitwirkung Ihres Landes in Körperschaften wie der Organisation der Vereinten Nationen die »Kultur des Friedens« unterstützen wird, die Bangladesch zu Hause und im Ausland aufbauen möchte. Durch die Teilnahme an diesen Gesprächen auf internationaler Ebene wird Ihr Land dazu beitragen, die Bemühungen der globalen Gemeinschaft zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele des Friedens und der Entwicklung aufeinander abzustimmen (vgl. Ansprache an die UN-Vollversammlung, 18. April 2008).

Wie Sie, Exzellenz, gesagt haben, braucht eine stabile Demokratie mehr als nur ein Regelwerk, um tragfähig zu sein. Vielmehr müssen die Bürger dafür die Werte annehmen, die den demokratischen Einrichtungen und Verfahrensweisen zugrunde liegen, wie die Würde der menschlichen Person, die wirkliche Achtung der Menschenrechte und den Einsatz für das Gemeinwohl als Richtschnur für das politische Leben (vgl. Centesimus annus, 46). Durch das Streben nach einem allgemeinen Konsens über die zentrale Bedeutung dieser grundlegenden Werte werden die Verantwortungsträger Ihrer Nation den Weg bereiten für eine stabile Regierungsgewalt und das harmonische Zusammenleben aller, die in Bangladesch beheimatet sind. Ihr Land bereitet sich auf die allgemeinen Wahlen vor, die in diesem Jahr stattfinden werden, und ich bin zuversichtlich, daß seine Bürger über den moralischen Unterbau, der echte Demokratie ermöglicht, nachdenken werden und ihn erneut zu würdigen wissen. Sozialer Fortschritt und Zusammenhalt verlangen von allen – Einzelpersonen, Familien, gewählten Amtsinhabern, Staatsbeamten und Fachleuten – die bereitwillige Übernahme ihrer Verantwortung, mit Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit und Bereitschaft zum Dienen zum Gemeinschaftsleben beizutragen (vgl. Pacem in terris, 55; Centesimus annus, 46). Besonders jene, die für ein öffentliches Amt kandidieren, müssen bereit sein, persönliche Interessen zurückzustellen, um das Gemeinwohl der Menschen zu schützen, die sie vertreten und denen sie dienen. Exzellenz, Sie haben auf die Herausforderung hingewiesen, die repräsentativen Einrichtungen wieder aufzubauen, die trotz der Einhaltung demokratischer Prozesse bei den letzten Regierungsbildungen dem Verfall unterlegen sind. Für die wichtige Aufgabe, das Vertrauen in diese und andere demokratische Einrichtungen wiederherzustellen, bedarf es einer starken Führung von seiten vertrauenswürdiger, gerechter und kompetenter Männer und Frauen. Zweifellos werden die Menschen in Bangladesch ihre Kandidaten auf diese Eigenschaften hin prüfen, wenn sie ihr Wahlrecht ausüben in einem Wahlverfahren, in dem die Werte, von denen die Demokratie abhängt, ihren Niederschlag finden (vgl. Centesimus annus, 46).

Ein lebendiges Schulsystem ist für starke Demokratien wesentlich. Sowohl der Staat als auch die Kirche haben ihre jeweilige Rolle, in der sie den Familien helfen müssen, ihren Kindern Weisheit, Wissen und sittliche Tugend zu vermitteln, damit diese die gemeinsame Würde aller Männer und Frauen erkennen, auch derer, die Kulturen und Religionen angehören, die nicht ihre eigenen sind. Die Kirche möchte dazu beitragen durch die Einrichtung von Schulen, in denen nicht nur die kognitive, sondern auch die geistliche und sittliche Entwicklung der Kinder gefördert wird. Insofern diese und andere Konfessionsschulen die öffentliche Aufgabe übernehmen, junge Menschen zu Toleranz und Achtung zu erziehen, sollten sie daher die Unterstützung erhalten, derer sie bedürfen, einschließlich finanzieller Hilfen, zum Wohl der ganzen Menschheitsfamilie. Das wirtschaftliche Wachstum in Ihrem Land hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Das hat jedoch nicht immer entsprechenden Ausdruck gefunden in der Linderung der Armut und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Die langfristige Stabilität im wirtschaftlichen Sektor ist eng verbunden mit anderen Bereichen des öffentlichen Lebens, auch mit den öffentlichen Einrichtungen und einem gut funktionierenden Schulsystem. Jene fördern die Leistungsfähigkeit und Transparenz, die das wirtschaftliche Wachstum unterstützen (vgl. Centesimus annus, 48), und dieses ist »für die Gesellschaft ein bevorzugtes Mittel des wirtschaftlichen Fortschritts und der Entwicklung« (Popolorum progressio, 35). Aus diesem Grund müssen die wirtschaftlichen Ziele einer Nation stets in den weiteren Horizont ihres sittlichen, staatlichen und kulturellen Wachstums hineingestellt werden (vgl. Centesimus annus, 29). Überdies resultiert eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung aus der dynamischen Wechselwirkung zwischen Eigeninitiative, öffentlicher Hand und der Unterstützung durch internationale Organisationen (vgl. ebd., 10; 32; 49). In ihrer ständigen Sorge um das ganzheitliche Wohl der menschlichen Person macht sich die Kirche das Bestreben der Menschheit zu eigen, die für das leibliche und geistliche Wohlergehen notwendigen materiellen Güter sicherzustellen (vgl. Gaudium et spes, 14). Sie ist in der Tat fest davon überzeugt, daß die Entwicklung letztlich eine Frage des Friedens ist, »denn sie hilft zu erreichen, was für die anderen und für die menschliche Gemeinschaft insgesamt gut ist« (Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 1987, 7; in O.R. dt., Nr. 51/52, 19.12.1986, S. 4).

Herr Botschafter, bei Ihrem Dienstantritt spreche ich Ihnen noch einmal meine besten Wünsche aus für den Erfolg Ihrer Mission. Ich versichere Ihnen, daß die verschiedenen Dikasterien des Heiligen Stuhls bereit sind, Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Pflichten beizustehen. Auf Sie, Ihre Familie und das ganze Volk von Bangladesch rufe ich Gottes Segen, seine Kraft und seinen Frieden herab.


*L'Osservatore Romano n.29 p.10.

 

© Copyright 2008 - Libreria Editrice Vaticana

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana