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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN SERGEJ F. ALEINIK, NEUER BOTSCHAFTER WEISSRUSSLANDS BEIM HL. STUHL*

Donnerstag, 29. Mai 2008

Exzellenz,

es ist mir eine große Freude, Sie im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Weißrußland beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich möchte meine Dankbarkeit für die von Ihnen überbrachte Grußbotschaft von Präsident Alexander Lukaschenko zum Ausdruck bringen, und bitte Sie, ihm meine guten Wünsche und die Versicherung meiner herzlichen Zuneigung zur Bevölkerung ihres Landes zu übermitteln.

Herr Botschafter, ich bin dankbar für die freundlichen Worte, mit denen Sie mich über die Fortschritte, die in Weißrußland erreicht worden sind, informiert haben. Ich sehe auch die vielen ermutigenden Zeichen und Aufgaben, die es heute im Land gibt. Seien Sie bitte versichert, daß der Heilige Stuhl Ihre Nation weiterhin sowohl bei ihren Bemühungen unterstützen wird, ihre angemessene und legitime Hoffnung auf Freiheit zu bekräftigen, als auch bei den Anstrengungen, den Demokratisierungsprozeß als Teil der großen Familie freier und souveräner europäischer Nationen zu fördern.

Seit Jahrzehnten strebt Europa jetzt tatkräftig danach, eine Zukunft des Friedens und des Fortschritts zu errichten und trennende Mauern abzubauen sowie schmerzvolle Teilungen zu überwinden. Dieses ehrbare Vorhaben, das durch das Bewußtsein einer gemeinsamen Verantwortung für das gemeinsame Schicksal der europäischen Völker motiviert wird, ist von äußerst großem Wert. Es ist nicht einfach, ein so ehrgeiziges Ziel zu erreichen; es erfordert, daß sich alle beteiligten Parteien um einen beständigen, aufrichtigen und vernünftigen Dialog bemühen, der auf wirklicher Solidarität beruht und die legitimen Hoffnungen, historischen Umstände sowie die Verschiedenheit der anderen respektiert. Um das zu erreichen, ist jede Nation auf dem Kontinent, einschließlich Weißrußlands, aufgerufen, zum Aufbau eines gemeinsamen europäischen Hauses beizutragen, in dem die Grenzen als ein Ort der Begegnung angesehen werden und nicht als Trennlinien oder – schlimmer noch – als unüberwindbare Mauern. Tatsächlich weisen die Geschichte, die geistigen und kulturellen Wurzeln sowie die Geographie von Weißrußland dem Land in diesem Prozeß eine wesentliche Rolle zu. Das, was die europäischen Nationen vereint, ist weitaus größer als die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren, durch welche sie getrennt werden. Um der eigenen Geschichte neuen Schwung zu verleihen, muß Europa »mit schöpferischer Treue jene grundlegenden Werte anerkennen und zurückgewinnen, zu deren Aneignung das Christentum einen entscheidenden Beitrag geleistet hat und die sich in der Bejahung der transzendenten Würde der menschlichen Person, des Wertes der Vernunft, der Freiheit, der Demokratie, des Rechtsstaates und der Unterscheidung zwischen Politik und Religion zusammenfassen lassen« (Ecclesia in Europa, 109).

Die neu entdeckte Unabhängigkeit ihres Landes und die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl haben zur Entwicklung eines guten Arbeitsverhältnisses zwischen den staatlichen und den kirchlichen Institutionen geführt. Dieses Verhältnis zeichnet sich durch die Offenheit beider Seiten aus, diese Verbindungen zu stärken und zu verbessern, die ihrerseits das Wohl und die Prosperität des Landes fördern. Ich bin Ihrer Exzellenz dankbar für die freundlichen Worte hinsichtlich der kirchlichen Aktivitäten in ihrem Land, und ich bin gewiß, daß die weißrussische Regierung die katholische Kirche weiterhin darin unterstützen wird, ihren Anforderungen nachzukommen. Dieses Jahr hat die katholische Kirche in Weißrußland zwei wichtige Jahrestage zu verzeichnen: den 225. Jahrestag der Errichtung der Diözese Mahiljou und den 210. Jahrestag der Diözese Minsk. In dieser Hinsicht muß mit Dankbarkeit festgestellt werden, daß ihr Land dem geistlichen, kulturellen und historischen Beitrag der Kirche für das Leben der Nation bereits seine Anerkennung ausgesprochen hat.

Kirche und Staat stehen auf ihre je besondere Weise und im Licht ihres spezifischen Auftrags im Dienste der Menschheit. Es ist daher notwendig, daß sie unter steter Achtung der jeweiligen Unabhängigkeit und der jeweiligen Kompetenzen auf eine Weise miteinander zusammenarbeiten, die Männern und Frauen hilft, sowohl materielles als auch geistliches Wohlergehen zu erlangen. Diese Zusammenarbeit kann nur dazu beitragen, immer demokratischere Institutionen zu stärken. Die katholische Kirche, die als ein integrierender Bestandteil des Lebens und der Geschicke in Weißrußland angesehen wird, freut sich ihrerseits, weiterhin durch ihre verschiedenen Strukturen und Institutionen (wie die Bischofskonferenz, die Diözesen, die Gemeinden und die religiösen Gemeinschaften) ihre Rolle in der Gesellschaft zu spielen. Diese Einrichtungen versuchen nur, den Männern und Frauen und der gesamten Gesellschaft durch die Vermittlung allgemeingültiger Werte, die durch das Evangelium vorgegeben werden, zu dienen. Diesbezüglich bittet die katholische Kirche in Weißrußland – sowohl der lateinischen als auch der byzantinischen Tradition – nicht um besondere Privilegien, sondern nur darum, zum Wachstum und zur Entwicklung des Landes beitragen zu dürfen. Alles, was sie verlangt, ist die Freiheit, den Auftrag, den sie von ihrem göttlichen Gründer zum Dienst für seine Schöpfung empfangen hat, in Ruhe erfüllen zu dürfen.

In diesem Sinne und mit dem gleichen Bewußtsein für gemeinsame Verantwortung bemühen sich die Katholiken in Weißrußland darum, im Bereich des ökumenischen Dialogs vor allem mit der orthodoxen Kirche in ihrem Land voranzukommen. Ich bete dafür, daß die ökumenischen Kontakte sich weiterhin in Frieden, Harmonie und fruchtbarem Dialog entwickeln und auf diese Weise zu einer immer größeren gesellschaftlichen Eintracht beitragen.

Herr Botschafter, während Sie ihre diplomatische Mission beim Heiligen Stuhl beginnen, entbiete ich Ihnen meine aufrichtigen guten Wünsche und versichere Sie der Bereitschaft der Ämter der Römischen Kurie, Sie zu unterstützen. Ihnen, Ihren Mitarbeitern, Ihrer Familie und dem geliebten weißrussischen Volk erteile ich Gottes reichen Segen.


*L'Osservatore Romano n. 25 p.10.

 

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