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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN
SANTE CANDUCCI,
BOTSCHAFTER DER REPUBLIK SAN MARINO
BEIM HL. STUHL

Donnerstag, 13. November 2008

 

Herr Botschafter!

Ich freue mich, Sie herzlich willkommen zu heißen, um aus Ihren Händen das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der alten und berühmten Republik San Marino hier beim Heiligen Stuhl akkredidiert werden. Mein erster und ehrerbietiger Gedanke gilt den durchlauchten Regierungshauptleuten, deren hoher Repräsentant Sie sind, und der ganzen Bevölkerung von San Marino, die dem Nachfolger Petri seit jeher teuer ist. Tatsächlich hat die Republik am Monte Titano seit ihrer Entstehung freundliche und nutzbringende Beziehungen zum Apostolischen Stuhl unterhalten, die im Jahr 1926 offiziell aufgenommen wurden, mit Banden gegenseitiger und respektvoller Zusammenarbeit. Es ist mir daher willkommen, den Ausdruck meiner geistigen Nähe zu dem Volk zu erneuern, mit dessen Vertretung Sie ab heute beauftragt sind: gemessen an der Ausdehnung des Territoriums, auf dem es wohnt, ein kleines Volk, das aber auf Grund seiner an kulturellen und religiösen Traditionen reichen Geschichte jeder Aufmerksamkeit und aller Achtung würdig ist.

Während ich Sie mit lebhafter Freude begrüße, möchte ich mit aufrichtiger Dankbarkeit an Ihren verdienstvollen Vorgänger, Professor Giovanni Galassi, erinnern, der viele Jahre lang in lobenswerter Weise das Amt des Vertreters der Republik San Marino und das des Dekans des hier akkreditierten Diplomatischen Korps ausgeübt hat. Die Sensibilität, der menschliche Takt und die Kompetenz, die sein Wirken kennzeichneten, haben ihm die Wertschätzung seiner Kollegen im diplomatischen Dienst eingebracht und vor allem zur weiteren Intensivierung der bereits herzlichen Beziehungen zwischen der Republik San Marino und dem Heiligen Stuhl beigetragen. In Anbetracht dessen bin ich sicher, daß Sie die bereits gut angelaufene Arbeit fortsetzen werden, damit die Festigung fruchtbarer gegenseitiger Beziehungen – abgesehen von der Förderung des Dialogs und der Erleichterung der Verständigung zwischen den Autoritäten und der katholischen Gemeinschaft von San Marino – sich auch für ein gemeinsames Vorgehen zugunsten der Solidarität und des Friedens in Europa und in der Welt als nützlich erweisen wird.

Jede Nation und jede Institution, sei sie groß oder klein, ist heute dazu aufgerufen, aktiv am Aufbau einer internationalen Gemeinschaft mitzuwirken, die sich auf gemeinsame menschliche und geistige Werte stützt. Die Republik San Marino wird es gewiß nicht versäumen, zu diesem Vorhaben von universaler Tragweite ihren Beitrag zu leisten, indem sie die Erfahrung einer geschichts- und kulturträchtigen Vergangenheit, in welcher der Schutz der Familie, Grundzelle jeder Gemeinschaft, die erste Stelle einnimmt, allen zur Verfügung stellt. Das Land, das als der »Sporn des Monte Titano« bekannt ist, zeichnet sich durch eine besondere Identität aus, die sich in den kulturellen und geistigen Reichtum der italienischen Halbinsel einfügt. Wichtiger Punkt dieser Identität ist das alte Erbe von Werten, das großenteils aus dem christlichen Glauben lebt, der das Leben und die Geschichte der Menschen und der Institutionen von San Marino geprägt hat. Zu Recht haben Sie daher in Ihren Worten an diese alten Wurzeln erinnert und sich dabei auch auf den Besuch meines verehrten Vorgängers Johannes Paul II. am 28. April 1982 bezogen, der von der Bevölkerung San Marinos begeistert aufgenommen wurde. Ich spreche von Herzen den Wunsch aus, daß es auf der Linie dieser jahrhundertealten kulturellen und geistlichen Traditionen und durch Fortsetzung des Einsatzes, der bis heute von so vielen Menschen guten Willens entfaltet worden ist, der heutigen zivilen und religiösen Gemeinschaft von San Marino gelingen möge, gemeinsam ein neues Kapitel des Fortschritts und der Kultur zu beginnen und insofern die unverzichtbare Rolle anzuerkennen, die jede Familie bei der Ausbildung der neuen Generationen als Ort der Erziehung zum Frieden zu erfüllen berufen ist.

Das Hervorheben des griechisch-römischen Erbes, das durch die Begegnung mit dem Christentum bereichert worden ist, stellt daher auch für die Republik San Marino zweifellos eine Gelegenheit dar, dazu beizutragen, daß Europa zum Land des Dialogs und »gemeinsamen Haus« von Nationen mit ihren spezifischen kulturellen und religiösen Besonderheiten wird. Die Umweltverhältnisse und die sozialen Bedingungen, unter denen wir heute leben, haben sich natürlich verändert; unverändert bleibt jedoch das letzte Ziel unseres tagtäglichen persönlichen und gemeinschaftlichen Einsatzes: Die Suche nach dem wahren Wohl des Menschen und der Aufbau einer Gesellschaft, die für die Aufnahme aller offen ist und sich ihrer realen Bedürfnisse annimmt. Das einheitliche Ganze von Werten und Gesetzen, das gemeinsame geistliche »Alphabet «, das es unseren Völkern in den vergangenen Jahrhunderten ermöglicht hat, edle Seiten ziviler und religiöser Geschichte zu schreiben, stellt ein wertvolles Erbe dar, das nicht vergeudet werden darf, ein Erbe, das durch den Beitrag der modernen Entdeckungen in Wissenschaft, Technik und Kommunikation vergrößert werden soll, insofern diese in den Dienst des wahren Wohls des Menschen gestellt werden.

Herr Botschafter, der Heilige Stuhl bekundet erneut seine volle Bereitschaft zur Zusammenarbeit, um diese gemeinsam vertretenen Ziele zu verfolgen, denn er ist sich dessen bewußt, daß für ein so umfassendes Vorhaben die Zusammenarbeit aller erforderlich ist: Es bedarf auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene des Beitrags jedes einzelnen in seinem Bereich und mit seiner spezifischen Aufgabe, und das stets in gegenseitigem Respekt und ständigem Dialog. Das sind die Bedingungen für jene »gesunde« Laizität, die für den Aufbau einer Gesellschaft unverzichtbar ist, in der unterschiedliche Traditionen, Kulturen und Religionen friedlich zusammenleben. Eine vollständige Trennung des öffentlichen Lebens von jedem Wert der Traditionen würde bedeuten, sich in eine Sackgasse zu begeben. Deshalb ist es notwendig, den Sinn einer Laizität neu zu bestimmen, die den wahren Unterschied und die Autonomie zwischen den verschiedenen Elementen der Gesellschaft unterstreicht, aber auch die spezifischen Kompetenzen in einem Rahmen gemeinsamer Verantwortung bewahrt. Gewiß bringt diese »gesunde« Laizität des Staates mit sich, daß jede zeitliche Gegebenheit entsprechend den ihr eigenen Normen existiert, die jedoch die grundlegenden ethischen Instanzen nicht vernachlässigen dürfen, deren Fundament in der Natur des Menschen liegt und die gerade deshalb letzten Endes auf den Schöpfer verweisen. Wenn die katholische Kirche durch ihre rechtmäßigen Hirten an den Wert appelliert, den einige grundlegende ethische Prinzipien, die im christlichen Erbe Europas verwurzelt sind, für das private und noch mehr für das öffentliche Leben haben, ist sie einzig und allein von dem Wunsch bewegt, die unverletzliche Würde des Menschen und das wahre Wohl der Gesellschaft zu gewährleisten und zu fördern.

Herr Botschafter, das sind die Gedanken, die mir in diesem Augenblick spontan in den Sinn kommen. Während ich Ihnen für Ihre freundlichen Worte danke und Ihnen die volle Verfügbarkeit meiner Mitarbeiter zusichere, wünsche ich Ihnen, daß Sie Ihre hohe Aufgabe bestmöglich erfüllen können. An die erlauchten Regierungshauptleute und an das Volk der geliebten Republik San Marino, das Sie hier vertreten, richte ich noch einmal herzlich meinen Gruß, verbunden mit meinem Gebet, daß Gott alle und jeden einzelnen stets schützen und segnen möge.

 

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