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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER EINES VON DER
APOSTOLISCHEN PÖNITENTIARIE VERANSTALTETEN KURSES
ÜBER DAS "FORUM INTERNUM"

Donnerstag, 11. März 2010

 

Liebe Freunde!

Ich freue mich, euch zu begegnen und jeden von euch willkommen zu heißen aus Anlaß des jährlich stattfindenden Kurses über das »Forum internum«, der von der Apostolischen Pönitentiarie veranstaltet wird. Ich grüße sehr herzlich Herrn Erzbischof Fortunato Baldelli, der zum ersten Mal als Großpönitentiar eure Studiensitzungen geleitet hat und danke ihm für die Worte, die er an mich gerichtet hat. Mit ihm begrüße ich den Regenten, Herrn Erzbischof Gianfranco Girotti, die Mitarbeiter der Pönitentiarie sowie euch alle, die ihr durch die Teilnahme an dieser Initiative die tiefe Notwendigkeit zum Ausdruck bringt, eine für den Dienst und das Leben der Priester wesentliche Thematik zu vertiefen.

Die Vorsehung hat es so gefügt, daß euer Kurs im Priester-Jahr stattfindet, das ich ausgerufen habe zum 150. Jahrestag der »Geburt zum Himmel« des hl. Johannes Maria Vianney, der auf heroische und fruchtbare Weise den Dienst der Versöhnung ausgeübt hat. In meinem Schreiben zum Beginn des Priester-Jahres habe ich hervorgehoben: »Wir Priester müßten alle spüren, daß jene Worte, die er [der Pfarrer von Ars] Christus in den Mund legte, uns persönlich angehen: ›Ich beauftrage meine Diener, den Sündern zu verkünden, daß ich immer bereit bin, sie zu empfangen, daß meine Barmherzigkeit unbegrenzt ist.‹ Vom heiligen Pfarrer von Ars können wir Priester nicht nur ein unerschöpfliches Vertrauen in das Bußsakrament lernen, das uns drängt, es wieder ins Zentrum unserer pastoralen Sorge zu setzen, sondern auch die Methode des ›Dialogs des Heils‹, der sich darin vollziehen muß« (O.R. dt., Nr. 26, 26.6.2009, S.8). Wo liegen die Wurzeln der heroischen Hingabe und der Fruchtbarkeit, mit denen der hl. Johannes Maria Vianney seinen Dienst als Beichtvater gelebt hat? Vor allem in einer tiefen persönlichen Dimension der Buße. Das Bewußtsein der eigenen Grenzen und das Bedürfnis, sich an die göttliche Barmherzigkeit zu wenden und um Vergebung zu bitten, um das Herz zu bekehren und auf dem Weg der Heiligkeit gestützt zu werden, sind grundlegend im Leben des Priesters: Nur wer ihre Größe selbst erfahren hat, kann die Barmherzigkeit Gottes mit Überzeugung verkündigen und ausspenden. Jeder Priester wird zum Diener des Bußsakraments durch die ontologische Gleichförmigkeit mit Christus, dem ewigen Hohenpriester, der die Menschheit mit dem Vater versöhnt; die Treue bei der Verwaltung des Sakraments der Versöhnung ist jedoch der Verantwortung des Priesters anvertraut.

Wir leben in einem kulturellen Umfeld, das von der hedonistischen und relativistischen Mentalität geprägt ist, die dazu neigt, Gott aus dem Horizont des Lebens zu entfernen, den Erwerb eines klaren Rahmens von Bezugswerten nicht fördert und die nicht dabei hilft, Gutes von Bösem zu unterscheiden und ein rechtes Sündenbewußtsein heranreifen zu lassen. Diese Situation macht den Dienst der Spender der göttlichen Barmherzigkeit noch dringender. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, daß zwischen der Verdunkelung der Gotteserfahrung und dem Verlust des Sündenbewußtseins eine Art Teufelskreis besteht. Wenn wir jedoch auf das kulturelle Umfeld blicken, in dem der hl. Johannes Maria Vianney lebte, dann sehen wir, daß es sich unter mancherlei Aspekten nicht so sehr von dem unseren unterschied. Auch zu seiner Zeit gab es nämlich eine Mentalität, die dem Glauben feindlich gegenüberstand. Sie kam durch Kräfte zum Ausdruck, die sogar versuchten, die Ausübung des priesterlichen Dienstes zu verhindern. In dieser Situation machte der heilige Pfarrer von Ars »die Kirche zu seinem Haus«, um die Menschen zu Gott zu führen. Er lebte radikal den Geist des Gebets, die persönliche und enge Beziehung zu Christus, die Feier der heiligen Messe, die eucharistische Anbetung und die evangeliumsgemäße Armut und erschien seinen Zeitgenossen als ein so deutliches Zeichen der Gegenwart Gottes, daß er viele Bußwillige dazu brachte, bei ihm die Beichte abzulegen. In der Situation der Freiheit, in der der priesterliche Dienst heute ausgeübt werden kann, müssen die Priester ihre Antwort auf die Berufung in »anspruchsvoller Weise« leben, denn nur wer tagtäglich zur lebendigen und deutlichen Gegenwart des Herrn wird, kann in den Gläubigen das Sündenbewußtsein wecken, Mut machen und das Verlangen nach Gottes Vergebung aufkommen lassen.

Liebe Mitbrüder, es ist notwendig, in den Beichtstuhl zurückzukehren als den Ort, an dem man das Sakrament der Versöhnung feiert, aber auch als den Ort, an dem man öfter »wohnt«, damit der Gläubige Barmherzigkeit, Rat und Trost finden, sich von Gott geliebt und verstanden fühlen und die Gegenwart der göttlichen Barmherzigkeit erfahren kann, neben der Realpräsenz in der Eucharistie. Die »Krise« des Bußsakraments, von der oft die Rede ist, ist eine Herausforderung vor allem für die Priester und ihre große Verantwortung, das Gottesvolk zu den radikalen Erfordernissen des Evangeliums zu erziehen. Insbesondere verlangt sie von ihnen, sich großherzig dem Hören der sakramentalen Beichte zu widmen und die Herde mutig zu führen, damit sie sich nicht der Mentalität dieser Welt angleicht (vgl. Röm 12,2), sondern auch Entscheidungen fällt, die gegen den Strom gehen, und dabei Zugeständnisse oder Kompromisse vermeidet. Dafür ist es wichtig, daß der Priester in ständiger asketischer Spannung lebt, die sich aus der Gemeinschaft mit Gott nährt, und daß er sich bemüht, beim Studium der Moraltheologie und der Humanwissenschaften stets auf dem neuesten Stand zu sein.

Der hl. Johannes Maria Vianney verstand es, mit den Beichtenden einen echten »Dialog des Heils« anzuknüpfen, indem er die Schönheit und Größe der Güte des Herrn aufzeigte und jenes Verlangen nach Gott und dem Himmel weckte, dessen vorrangige Träger die Heiligen sind. Er sagte: »Der gute Gott weiß alles. Schon bevor ihr beichtet, weiß er, daß ihr wieder sündigen werdet, und vergibt euch dennoch. Wie groß ist die Liebe unseres Gottes, die sogar aus freiem Willen die Zukunft vergißt, um uns zu vergeben« (vgl. A. Monnin, Il Curato d’Ars. Vita di Gian-Battista-Maria Vianney, Bd. I, Turin 1870, S. 130). Es ist Aufgabe des Priesters, jene Erfahrung des »Dialogs des Heils« zu fördern, die aus der Gewißheit entsteht, von Gott geliebt zu sein, und so dem Menschen hilft, seine Sünde zu bekennen und allmählich in jene bleibende Dynamik der Bekehrung des Herzens einzutreten, die zur radikalen Abwendung vom Bösen führt und zu einem Leben, das Gott entspricht (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1431).

Liebe Priester, welch einen außerordentlichen Dienst hat der Herr uns anvertraut! Wie er sich in der Eucharistiefeier in die Hände des Priesters hineingibt, um weiter in seinem Volk gegenwärtig zu sein, so vertraut er sich in ähnlicher Weise im Sakrament der Versöhnung dem Priester an, damit die Menschen die Umarmung erfahren, mit der der Vater den verlorenen Sohn wieder aufnimmt, ihm die Würde als Sohn zurückgibt und ihn wieder in vollem Umfang als Erben einsetzt (vgl. Lk 15,11–32). Die Jungfrau Maria und der heilige Pfarrer von Ars mögen uns helfen, in unserem Leben die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe der Liebe Gottes zu erfahren (vgl. Eph 3,18–19), um ihre treuen und großherzigen Verwalter zu sein. Ich danke euch allen von Herzen und erteile euch gern meinen Segen.

 

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