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GRUßWORT VON JOHANNES PAUL II.
ZUM ÖKUMENISCHEN KIRCHENTAG 2003 IN BERLIN

 

Liebe Brüder und Schwestern!

1. »Ihr sollt ein Segen sein!« – unter diesem Leitwort haben sich sehr viele Menschen zum Ökumenischen Kirchentag in Berlin versammelt. Aus Rom grüße ich alle, die zur Feier des Eröffnungsgottesdienstes an das Brandenburger Tor gekommen sind, das seit 1989 zum Symbol der Verbindung zwischen Ost und West geworden ist. Mein Gruß gilt auch allen, die über Radio und Fernsehen an diesem Gottesdienst Anteil nehmen. Der Friede des auferstandenen Herrn sei mit Euch! Einen besonderen Gruß richte ich an Sie, lieber Herr Kardinal Sterzinsky, in dessen Erzdiözese dieses Treffen stattfindet, und an den evangelischen Bischof von Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber. Ich grüße alle Bischöfe aus Deutschland und aus vielen Ländern der Erde, besonders auch die Vertreter anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften und alle Christen, die sich an diesem ökumenischen Ereignis beteiligen.

2. »Ihr sollt ein Segen sein!« Ich freue mich, daß Ihr Euch unter diesem biblischen Leitwort zu Gespräch und Gebet, Gottesdienst und Feier versammelt habt und so zeigen wollt, daß Christen gemeinsam zum Segen werden können für Euer Land und für die ganze Welt. Der gemeinsame Kirchentag soll zu einem großen ökumenischen Zeichen dafür werden, daß die Gemeinsamkeit im Glauben stärker und bedeutender ist als das Trennende. Wenn Ihr miteinander das Evangelium Jesu Christi in seiner ganzen Kraft bezeugt, macht Ihr deutlich, daß Christen eine gemeinsame Sendung für unsere Welt haben. Ausdrücklich ermutige ich Euch zu diesem gemeinsamen Zeugnis der Christen in Deutschland, wo die Auswirkungen des ethischen Relativismus und des Säkularismus immer deutlicher sichtbar werden und die Fundamente des christlichen Glaubens und des menschlichen Zusammenlebens in Frage stellen. Erhebt gemeinsam Eure Stimme, wenn es um den hohen Wert der christlichen Ehe und Familie, um die ethischen Fragen am Beginn und am Ende des menschlichen Lebens und um dessen Einmaligkeit als Geschenk Gottes geht. Ich danke Euch für das Zeugnis Eures Einsatzes zugunsten von Gerechtigkeit und Frieden auf der ganzen Erde und für Euren Dienst im zusammenwachsenden Europa. Brecht auf, um der Welt die Gegenwart Gottes nahe zu bringen in Worten und Taten, durch Euer treues und vertrauensvolles Gebet für die Menschen, die mit uns in dieser Zeit leben!

3. Unser Zeugnis als glaubende Menschen ist verdunkelt durch die Spaltungen in der Christenheit. Das Leiden an der fehlenden sichtbaren Einheit aller Christen soll uns immer wieder anspornen, das Gespräch miteinander zu suchen und im Dialog Wege zur Einheit in der Wahrheit und in der Liebe zu finden. Darum ist es notwendig, daß wir uns auf die Grundlagen unseres eigenen Glaubens besinnen. Ich freue mich, daß das »Jahr der Bibel 2003« im Ökumenischen Kirchentag aufgegriffen und gewiß so etwas wie die Herzmitte der Berliner Tage bilden wird. Deswegen rufe ich Euch auf zum Beten mit der Bibel, zum Lesen und Meditieren des Wortes Gottes sowie zur Deutung unseres Lebens aus der Botschaft, die Gott uns geoffenbart hat und die von der Gemeinschaft der Gläubigen durch die Jahrhunderte weitergegeben wird.

4. Liebe Brüder und Schwestern! Wir müssen uns neu auf den ausrichten, der die Mitte unseres Glaubens ist, Jesus Christus, in der festen Gewißheit, daß wir uns in Ihm begegnen. Ökumene setzt immer die Notwendigkeit der Bekehrung des Herzens voraus. Dazu gehört auch, daß wir bekennen, voreinander und vor Gott schuldig geworden zu sein. Gott will, daß alle eins sind, damit die Welt glaubt (vgl. Joh 17,21). Wie ich schon 1995 in meiner Enzyklika Ut unum sint dargelegt habe, bin ich fest davon überzeugt, daß Jesus Christus auch heute bittet, »daß ein neuer Schwung den Einsatz jedes einzelnen für die volle und sichtbare Gemeinschaft beleben möge« (Nr. 100).

5. Ihr wohnt in dem Land, in dem die westliche Kirchenspaltung ihren Anfang nahm. Viele Schritte zur Versöhnung sind schon erfolgt. Setzt diese Bemühungen mit Sensibilität und Rücksichtnahme aufeinander, in Geduld und zugleich mit Mut in Ehrfurcht vor der Wahrheit und in aufrichtiger Liebe fort: im gemeinsamen Bekenntnis und Gebet, im theologischen Gespräch, in Vorschlägen zur Gestaltung des Öffentlichen Lebens, in einem missionarischen Aufbruch zu einer neuen Evangelisierung und im Dienst der Liebe für die Armen und Bedrängten allüberall und schließlich in einem neuen, an der Person Jesu Christi ausgerichteten Lebensstil, der die Schätze dieser Erde schonend gebraucht, nicht zuletzt im Blick auf die kommenden Generationen.

6. »Ihr sollt ein Segen sein!« Es ist gut, daß Ihr gemeinsam Wege sucht, um Gott und einander näherzukommen. Wir alle hoffen auf eine wachsende Einheit zwischen allen Menschen, die sich Christen nennen. Wenn Ihr Euch gemeinsam unter Gottes Segen stellt, dann könnt Ihr noch mehr ein Segen werden, füreinander und für die Welt, besonders wo sie leidet und zerrissen ist.

Darum wollen wir in diesen Tagen um Christi Himmelfahrt den Herrn der Kirche inständig bitten. Er wird uns auch zu seiner Zeit und auf seine Weise erhören. »Seid gewiß: Ich bin bei Euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20). Gerne erteile ich Euch allen, die Ihr in Berlin versammelt seid, den Apostolischen Segen und wünsche der ganzen Welt Gottes Frieden: im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Aus dem Vatikan, in der Osterzeit des Jahres 2003

JOHANNES PAUL II.



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