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BOTSCHAFT VON JOHANNES PAUL II.
ANLÄSSLICH DES I. TAGES DES GEWEIHTEN LEBENS

 

Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Personen des geweihten Lebens!

1. Die Feier des Tages des geweihten Lebens, der am kommenden 2. Februar zum ersten Mal begangen wird, will der ganzen Kirche helfen, das Zeugnis der Männer und Frauen, die sich für ein Leben der engeren Christusnachfolge durch die Übernahme der evangelischen Räte entschieden haben, immer mehr wertzuschätzen. Zugleich will er für die Personen des geweihten Lebens Gelegenheit sein, ihre Vorsätze zu erneuern und ihre Hingabe an den Herrn zu verlebendigen.

Die Sendung des geweihten Lebens in der Gegenwart und Zukunft der Kirche an der Schwelle zum dritten Jahrtausend betrifft nicht nur diejenigen, denen dieses besondere Charisma geschenkt wurde, sondern alle Christen. In meinem nachsynodalen apostolischen Schreiben Vita consecrata, das im letzten Jahr veröffentlicht wurde, habe ich geschrieben: "Tatsächlich steht das geweihte Leben als entscheidendes Element für die Sendung der Kirche in deren Herz und Mitte, da es »das innerste Wesen der christlichen Berufung offenbart und darstellt« und das Streben der ganzen Kirche als Braut nach der Vereinigung mit dem einen Bräutigam zum Ausdruck bringt" (n. 3). Die Personen des geweihten Lebens möchte ich noch einmal ermuntern, mit Vertrauen in die Zukunft zu blicken und auf die Treue Gottes und die Macht seiner Gnade zu bauen, die fähig ist, immer neue Wunder zu wirken: "Ihr sollt euch nicht nur einer glanzvollen Geschichte erinnern und darüber erzählen, sondern ihr habt eine große Geschichte aufzubauen! Blickt in die Zukunft, in die der Geist euch versetzt, um durch euch noch große Dinge zu vollbringen" (ebd.., 110).

Die Gründe für einen Tag des geweihten Lebens

1. Das Ziel eines solchen Tages ist darum ein dreifaches: zunächst entspricht er dem inneren Bedürfnis, den Herrn in noch feierlicherer Weise zu preisen und ihm für das große Geschenk des geweihten Lebens zu danken. Denn es bereichert und erfreut die christliche Gemeinschaft mit der Vielfalt seiner Charismen und den Früchten der Erbauung, die aus der Ganzhingabe so vieler an Gottes Reich fließen. Wir dürfen niemals vergessen, daß das geweihte Leben nicht zuerst Ergebnis menschlicher Anstrengungen ist, sondern Gabe, die von oben kommt, Initiative des Vaters, "der sein Geschöpf mit einer besonderen Liebe und im Hinblick auf eine spezielle Sendung an sich zieht" (ebd., 17). Dieser Blick seiner bevorzugten Liebe trifft zutiefst das Herz des Gerufenen, welcher sich vom Heiligen Geist bewegt aufmacht, der Spur Christi in einer Form der besonderen Nachfolge durch die Übernahme der evangelischen Räte der Jungfräulichkeit, der Armut und des Gehorsams nachzugehen. Welch wunderbares Geschenk!

"Was wäre die Welt, wenn es die Ordensleute nicht gäbe?", fragte sich zurecht die hl. Theresia (Buch des Lebens, Kap. 32, 11). Eine Frage, die uns anregt, dem Herrn unentwegt dafür zu danken, daß er mit dieser besonderen Gabe des Geistes seine Kirche auf ihrem schwierigen Weg durch die Welt belebt und ihr beisteht.

3. Zweitens will dieser Tag die Kenntnis und die Wertschätzung des geweihten Lebens im ganzen Gottesvolk fördern.

Wie das Konzil hervorhob (vgl. Lumen gentium, 44), und wie ich selbst in dem oben genannten Apostolischen Schreiben bekräftigt habe, "ahmt das geweihte Leben .... die Lebensform »ausdrücklicher nach und bringt sie in der Kirche ständig zur Darstellung«, die Jesus, der höchste Geweihte und Gesandte des Vaters für sein Reich und für die Jünger, die ihm folgten, bestimmt hat" (n. 22). Das geweihte Leben ist also in besonderer und lebendiger Weise Erinnerung an das Sohn-Sein Jesu, der den Vater zu seiner einzigen Liebe macht - die Jungfräulichkeit Jesu -, der all seinen Reichtum ausschließlich in Ihm findet, - seine Armut -, und für den der Wille des Vaters die "Speise" ist, die ihn nährt (vgl. Joh 4,34) - sein Gehorsam.

Diese Lebensform, die Christus selbst auf sich genommen hat, und die besonders durch die Personen des geweihten Lebens gegenwärtig gesetzt wird, ist von großer Bedeutung für die Kirche, die ja in jedem ihrer Glieder gerufen ist, gleichermaßen nach Gott als ihrem Alles zu trachten und Christus im Licht und in der Kraft des Heiligen Geistes nachzufolgen.

Das Leben der besonderen Weihe an Gott in seinen vielfältigen Ausdrucksformen steht somit im Dienst an der Taufweihe aller Gläubigen. In der Betrachtung der Gabe des geweihten Lebens betrachtet die Kirche ihre innerste Berufung, allein ihrem Herrn zu gehören und in seinen Augen "ohne Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig und makellos" (Ef 5,27) zu sein.

So ist verständlich, warum man dieser Lebensform einen speziellen Tag widmet, der dazu beiträgt, daß alle Glieder des Gottesvolkes eingehender und tiefer über das geweihte Leben nachdenken und seine Lehre aufnehmen.

4. Der dritte Beweggrund betrifft direkt die Personen des geweihten Lebens, die eingeladen sind, gemeinsam und in feierlicher Weise die Wundertaten zu feiern, die der Herr an ihnen vollbracht hat, um mit noch klarerem Glaubensblick die Strahlen der göttlichen Schönheit wahrzunehmen, die der Geist ihrer Lebensform verliehen hat, und um sich ihrer unersetzlichen Sendung in der Kirche und in der Welt lebendiger bewußt zu werden.

In eine oft hektische und zerstreuende Welt hineingestellt, und manches Mal von drängenden Aufgaben in Beschlag genommen, wird die Feier solch eines jährlichen Gedenktages den Personen des geweihten Lebens auch helfen, zu den Quellen ihrer Berufung zurückzukehren, eine Bilanz ihres eigenen Lebens zu ziehen und die Verpflichtung ihrer Weihe zu bekräftigen. So können sie den Männern und Frauen unserer Zeit in den verschiedenen Lebenslagen mit Freude Zeugnis davon geben, daß der Herr die Liebe ist und fähig, das Herz des Menschen zu erfüllen.

Es ist wirklich dringend notwendig, daß das geweihte Leben sich immer mehr als "von Freude und vom Heiligen Geist erfüllt" darstellt, schwungvoll die Wege der Sendung geht, und aufgrund des gelebten Zeugnisses an Glaubwürdigkeit gewinnt, denn "der heutige Mensch ... hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann eben, weil sie Zeugen sind." (Apost. Schreiben, Evangelii nuntiandi, n. 41).

Am Fest der Darstellung des Herrn

5. Der Tag des geweihten Lebens wird an dem kirchlichen Festtag begangen, der daran erinnert, daß Maria und Joseph Jesus im Tempel dargebracht haben, "um ihn dem Herrn zu weihen" (Lk 2,22).

In dieser Szene des Evangeliums wird das Geheimnis Christi, des Geweihten des Vaters enthüllt, der in die Welt gekommen ist, um den Willen Gottes treu zu erfüllen (vgl. Hebr. 10, 5-7). Simeon bezeichnet ihn als "Licht, das die Heiden erleuchtet" (Lk 2,32) und sagt mit prophetischen Worten das erhabene Opfer Jesu an den Vater und seinen endgültigen Sieg voraus (vgl. Lk 2, 32-35).

Die Darstellung Jesu im Tempel ist so ein beredtes Bild der Ganzhingabe des eigenen Lebens für diejenigen, die berufen sind, in der Kirche und in der Welt durch die evangelischen Räte "die Wesenszüge Christi - Jungfräulichkeit, Armut und Gehorsam" (Apost. Schreiben Vita consecrata, n. 1) sichtbar zu machen.

Mit der Darstellung Christi ist Maria verbunden.

Die jungfräuliche Mutter, die ihren Sohn zum Tempel bringt, um ihn dem Vater zu weihen, ist ein treffendes Bild für die Kirche, die fortfährt, ihre Söhne und Töchter dem himmlischen Vater darzubringen und sie so mit dem einzigen Opfer Christi zu verbinden, das Grund und Vorbild jeder Weihe in der Kirche ist.

Seit einigen Jahrzehnten ist der 2. Februar in der Kirche Roms und in anderen Diözesen für zahlreiche Mitglieder von Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des Apostolischen Lebens Anlaß, sich gleichsam spontan um den Papst und die Hirten der jeweiligen Diözesen zu scharen, um in Gemeinschaft mit dem ganzen Volk Gottes auf die Gabe und Verpflichtung ihrer Berufung, die Vielfältigkeit der Charismen des geweihten Lebens und ihre spezifische Präsenz in der Gemeinschaft der Gläubigen aufmerksam zu machen.

Es ist mein Wunsch, daß diese Erfahrung sich auf die ganze Kirche ausweitet, damit die Feier des Tages des geweihten Lebens die Personen des geweihten Lebens und die anderen Gläubigen zusammenbringt, um mit der Gottesmutter Maria die Wundertaten zu besingen, die der Herr an so vielen seiner Söhne und Töchter vollbracht hat, und um allen kundzutun, daß alle von Christus Erlösten dazu bestimmt sind, "ein Volk zu sein, das ihm heilig ist" (Dt 28,9).

Die erwarteten Früchte für die Sendung der ganzen Kirche

6. Liebe Brüder und Schwestern, während ich die Einrichtung dieses Gedenktages dem mütterlichen Schutz Mariens anempfehle, wünsche ich von Herzen, daß er reiche Frucht für die Heiligkeit und Sendung der Kirche trage. Insbesondere möge er helfen, in der Gemeinschaft der Christen die Wertschätzung für die Berufungen zum geweihten Leben zu vermehren, das Gebet um Berufungen in ihr zu intensivieren, und so dazu beitragen, daß in den Jugendlichen und ihren Familien eine Haltung großherziger Bereitschaft reifen kann, diese Gabe anzunehmen. Dies wird dem kirchlichen Leben in seiner Gesamtheit zum Nutzen gereichen und der Neuevangelisierung Kraft geben.

Ich vertraue darauf, daß dieser "Tag" des Gebets und der Reflektion den Ortskirchen hilft, das Geschenk des geweihten Lebens immer mehr zu schätzen und sich an seiner Botschaft zu messen, um das rechte und fruchtbare Gleichgewicht zwischen Aktion und Kontemplation, Gebet und tätiger Nächstenliebe, Engagement im Hier und Jetzt der Geschichte und eschatologischer Erwartung zu finden.

Die Jungfrau Maria, die das hohe Vorrecht hatte, dem Vater seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus als reine und heilige Opfergabe darzubringen, möge dafür sorgen, daß wir immer offen und aufnahmebereit für die großen Werke sind, die Er nicht aufhört, zum Wohl seiner Kirche und der ganzen Menschheit zu vollbringen.

Indem ich den Personen des geweihten Lebens Beständigkeit und Freude an ihrer Berufung wünsche, erteile ich allen meinen Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 6. Januar 1997

IOANNES PAULUS PP. II



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