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BOTSCHAFT VON JOHANNES PAUL II.
ANLÄSSLICH DES WELTERNÄHRUNGSTAGES 2000 

 

An Jacques Diouf,
Generaldirektor
der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen

Im Hinblick auf den bevorstehenden Welternährungstag möchte ich Ihnen, Herr Generaldirektor, und Ihren Mitarbeitern meine Anerkennung für das in der Vergangenheit Geleistete zum Ausdruck bringen. Zugleich möchte ich Sie von Herzen dazu ermutigen, den großmütigen Einsatz für unsere Brüder und Schwestern, die unter Hunger und Unterernährung leiden, fortzusetzen.

Das in diesem Jahr vorgeschlagene Thema (»Ein vom Hunger befreites Jahrtausend«) beeindruckt sowohl wegen seiner auf das neue Jahrtausend ausgerichteten Perspektive als auch aufgrund der Verbindung, die es zwischen der Freiheit und der Befriedigung der Grundbedürfnisse des Menschen herstellt. Für den Christen ist dies von ganz besonderer Bedeutung, da das Jubiläumsjahr 2000 für ihn ein »Gnadenjahr« ist, in dem das fleischgewordene Wort Gottes erneut »den Gefangenen die Entlassung verkünde[t]« (Lk 4,18–19).

Es ist keine einfache Aufgabe, die vielen Millionen von Menschen, die noch immer unter Hunger leiden, von dieser Plage zu befreien. Voraussetzung hierfür ist vor allem, jene Mißstände, die zu Hunger und Unterernährung führen, an der Wurzel zu beseitigen. In diesem Zusammenhang sollte daran erinnert werden, daß insbesondere aus dem letzten Jahresbericht der FAO ersichtlich wird, daß Kriege und interne Konflikte die primäre Ursache für das Nahrungsdefizit sind. Es ist eine traurige Feststellung, daß »gerade für die Landbevölkerung interne Konflikte verheerendere Folgen haben als internationale Auseinandersetzungen «. Auch hier stellt sich demnach die Frage nach der Freiheit und Verantwortlichkeit. »Wenn der Mensch beispielsweise im Jahr 1984 für 10 Prozent der Ernährungskrisen verantwortlich war, so war er es 1999 bereits für 50 Prozent«. Befreiung vom Hunger bedeutet auch Befreiung vom Krieg. Es ist kein Zufall, daß die katholische Kirche in der Allerheiligen-Litanei nicht nur um Erlösung von Krankheit und Hunger bittet, sondern auch den Krieg miteinschließt: »a peste, fame et bello libera nos, Domine« [Von Pest, Hunger und Krieg, erlöse uns, o Herr].

Ferner muß erkannt werden, daß die Bekämpfung des Hungers und der Unsicherheiten im Bereich der Ernährung nicht lediglich von einer Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion abhängt. Die Welt wäre durchaus in der Lage, all ihre Bewohner ausreichend zu ernähren, wenn die Nahrungsmittel gerechter verteilt würden. Dies ist jedoch bedauerlicherweise nicht der Fall. Das Problem ist keineswegs neu: Bereits der hl. Augustinus spricht davon, als er die wohlhabenden Christen auffordert, ihre Güter mit denjenigen zu teilen, die nichts haben. Mit eindrucksvollen Worten merkt er an: »In paupere se pasci voluit, qui non esurit« (Sermo 206,2). Und schließlich: »Castigatio volentis, fiat sustentatio non habentis« (Sermo 210,12).

Der Erfolg dieses Welternährungstages wäre nicht minder bedeutsam, wenn diejenigen, die im Überfluß leben, sich um einen in vernünftiger Weise eingeschränkten Lebensstil bemühen würden, um all jenen zu helfen, die über keine Nahrungsmittel verfügen. Der Verzicht auf übermäßig aufwendige Lebensgewohnheiten bei den einen wird zur Freiheit der anderen führen, die sich so der zerstörerischen Geißel des Hungers und der Unterernährung entziehen können.

Der Christ, der, »dem Wort unseres Erlösers gehorsam«, täglich das Gebet spricht, das der Herr selbst uns gelehrt hat, bittet Gott Vater um Brot, wobei er die Pluralform »uns« verwendet: »Unser tägliches Brot gib uns heute.« Er ist sich demnach sehr wohl bewußt, daß er sich nicht in der egoistischen Sicht seines eigenen Wohlergehens verschließen kann. Der göttliche Meister lehrte ihn, sich auch der Bedürfnisse anderer anzunehmen. Sein Gebet wird somit erst dann aufrichtig sein, wenn es sich in ein ehrliches Bemühen um konkrete Solidarität verwandelt.

Für Sie, Herr Generaldirektor, für die Vertreter aller bei der FAO akkreditierten Nationen, für die in dieser Organisation beschäftigten Personen und für all jene, die sich Ihrer hochherzigen Initiative anschließen, erbitte ich den reichen Segen des allmächtigen Gottes.

Aus dem Vatikan, am 4. Oktober 2000

 

 



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