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ANSPRACHE VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DEN RÖMISCHEN KLERUS

Aula Magna, Lateran-Universität
 21. Februar 1980

 

Liebe Brüder im Priesteramt!

"An alle in Rom, die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus" (Röm 1, 7).

Mit diesen Worten des hl. Paulus richte ich zu Beginn dieses brüderlichen Gesprächs an euch meinen herzlichen Gruß in Christus.

1. Ich habe diese heutige Begegnung mit euch sehr gewünscht. Wir nehmen damit Bezug auf die Tradition ähnlicher Begegnungen zu Beginn der Fastenzeit, sei es mit den Exerzitienmeistern, sei es mit dem römischen Klerus; aber gleichzeitig suchen wir auch nach einer Dimension und einem Rahmen, die sich von denen vorangegangener Begegnungen etwas unterscheiden. Deshalb ist der Ort unserer Begegnung hier im Lateran, wo sich der Sitz des Bischofs der Diözese Rom und die römische Bischofsverwaltung befinden. Hier ist der Mittelpunkt der Diözese, das heißt der Ortskirche Rom.

Diese Tatsache möchte ich besonders unterstreichen. Die Kirche hat ihre universale und zugleich ihre lokale Dimension. "Die Diözese ist der Teil des Gottesvolkes sagt das Zweite Vatikanische Konzil , der dem Bischof in Zusammenarbeit mit dem Presbyterium zu weiden anvertraut wird. Indem sie ihrem Hirten anhängt und von ihm durch das Evangelium und die Eucharistie im Heiligen Geist zusammengeführt wird, bildet sie eine Teilkirche, in der die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist" (Christus Dominus, Nr. 11)

Auch wenn die Kirche von Rom, eben als Sitz des hl. Petrus, eine für die Universalität der Kirche fundamentale Bedeutung besitzt, ist sie doch zuerst und vor allem die Kirche eines "Ortes": die Kirche in Rom. So hat Christus sie gewollt. So hat Petrus sie hier begonnen, und so haben sie alle seine Nachfolger als Erbe übernommen.

2. Es ist wahrlich nicht das erste Mal, daß ich betone, mich vor allem als Bischof von Rom zu fühlen und daher den Dienst an dieser Kirche als meine erste Pflicht und Aufgabe anzusehen. Erfüllen kann ich diese sehr umfangreiche Aufgabe nur dank der täglichen und unermüdlichen Mitarbeit des Kardinalvikars, des Erzbischof-Vizegerenten, der Weihbischöfe, die alle im bischöflichen Dienst mit mir zusammenwirken und die pastorale Arbeit systematisch mit mir teilen. Der größte Teil dieser Verpflichtung lastet bekanntlich auf ihren Schultern, und deshalb will ich ihnen heute mein aufrichtiges Einverständnis und meinen lebhaften Dank zum Ausdruck bringen.

Zu einem Teil versuche ich jedoch, soweit ich kann, meinen persönlichen Beitrag zu leisten, nämlich durch den Besuch der Pfarreien. Freilich wird auch dabei ein beachtlicher Teil der Arbeit von den Bischöfen der einzelnen Zonen durchgeführt: man kann sagen, daß die ganze lange und methodische Vorbereitung des Besuches ihrem Eifer und ihrem Einsatz anvertraut ist. Mir bleibt gewissermaßen der Schlußakt, das Schlußwort, das zugleich immer eine Synthese ist. Soweit es mir meine übrigen Verpflichtungen erlauben, habe ich versucht und versuche ich, Pfarrbesuche so oft als möglich durchzuführen. Dank dieser Besuche habe ich mir auf diesem mir zunächst nahezu unbekannten Gebiet bereits eine gewisse Orientierung erworben. Ich bin dabei, Rom als die Diözese des Papstes, als meine Kirche kennenzulernen; und bei diesen sonntäglichen Begegnungen mit den verschiedenen Gemeinden des Gottesvolkes und der römischen Gesellschaft mache ich eindrucksvolle Erfahrungen hinsichtlich ihrer Bedürfnisse, ihrer Ängste, ihrer Erwartungen. Im ersten Jahr, also bis Ende Dezember vorigen Jahres, habe ich 18 Pfarreien besucht. Ich erwähne die Besuche in Garbatella und am Testaccio; in San Basilio und San Luca; in San demente in den Prati Fiscali und in der Addolorata in Villa Gordiani; im Spinaceto, in der Rustica, im Trullo, bei der Madonna del Divino Amore, bei den Zwölf Aposteln. In diesem Jahr habe ich bereits die Pfarrei der Immacolata im Stadtviertel Tiburtino, die der Muttergottes von Guadalupe, die Pfarrei Christi Himmelfahrt in Quarticciolo, San Timoteo in Casalpalocco und schließlich die Pfarrei San Martino ai Monti besucht.

Bei diesen Besuchen bin ich mit den Pfarrern, mit den Priestern, die ihnen im Amt beistehen, und mit den Gläubigen zusammengetroffen: den Vätern und Müttern, den Jugendlichen, den Kindern, den Kranken, den verschiedenen in der Pfarrei engagierten Gruppen, den Katecheten. Jeder dieser Besuche gibt mir im einzelnen wieder neue Gelegenheit zur direkten Zusammenarbeit mit euch Priestern der Kirche in Rom. Und diese persönlichen Erfahrungen möchte ich unserer heutigen Begegnung zugrundelegen, die keine Audienz, sondern eine Aussprache sein soll.

3. Ich will vor allem versichern, daß ich diese kurzen Stunden, die ich bei den Besuchen in den römischen Pfarreien der unmittelbaren Zusammenarbeit mit euch widmen kann, auch wenn sie sich im Verhältnis zu meinen übrigen Tätigkeiten objektiv und relativ bescheiden ausnehmen, dennoch als wesentlich und grundlegend für meine apostolische Sendung ansehe. Der Sendungsauftrag des Bischofs besteht darin, daß er seiner Kirche vorsteht, daß er ihr Hirte ist, und zwar mit der Hilfe der Priester als den direkten Mitarbeitern seines Amtes. "Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi" (Lumen gentium, Nr. 27), formulierte das Konzil. Das ist die theologische Sicht des Hirtenamtes des Bischofs in der Kirche. Die Priester sind die Erfüllung und die Ergänzung jenes Priestertums, das er in der Fülle des Hirtenamtes nur Jesus Christus besitzt es in ontologischer Fülle gegenüber seiner Kirche besitzt. Die Priester sind seine Söhne, weil er sie durch die Priesterweihe gewissermaßen zum priesterlichen Leben erweckt; darauf sind sie seine Brüder im Priesteramt.

"Vobis sum episcopus, vobiscum sum sacerdos" (Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Priester) daran habe ich euch mit den Worten des hl. Augustinus (vgl. Serm. 340, 1: PL 38, 1483) in dem Brief erinnert, den ich am Gründonnerstag des vergangenen Jahres an alle Priester der Kirche gerichtet habe. Und jeder Besuch, den ich einer Pfarrei der Diözese abstatte, bringt mir diese apostolische Wahrheit des Lebens der Kirche neu zu Bewußtsein und verbindet mich in der Einheit des hierarchischen Dienstamtes, die wir in unserer Kirche in Rom bilden, immer enger mit euch. Außerdem läßt mich jeder Besuch immer tiefer über die Worte des hl. Augustinus nachdenken: "Denn nicht unseretwegen sind wir Bischöfe, sondern deretwegen, für die wir das Wort und das Sakrament des Herrn verwalten"; und an anderer Stelle: "Nicht unseretwegen, sondern der anderen wegen sind wir da" (Contra Cresconium Donatistam, II, 11: PL 43, 474).

4. Der Klerus von Rom ist wie in den verschiedenen Berichten festgestellt wurde stark differenziert und an verschiedene Bereiche apostolischer Arbeit gebunden. Nur ein Teil, und der prozentuell kleinere, widmet sich der Pfarrseelsorge. Es gibt ungefähr 5.280 Welt- und Ordenspriester in Rom. Aber nur 1.153 davon sind in der Pfarrseelsorge tätig. Hinzuzuzählen sind noch die Priesterstudenten, die neben ihrem Studium an den Päpstlichen Hochschulen einen gewissen Beitrag zur Pfarrseelsorge leisten. Auf der anderen Seite ist die Diözese Rom in Pfarreien gegliedert, die in der Terminologie, die Prof. J. Majka in seinem Buch "Soziologie der Pfarrei" anwendet, als "Riesenpfarreien" bezeichnet werden: In Rom gibt es 47 Pfarreien, die 15.000 bis 20.000 Gläubige umfassen; 31 mit 20.000 bis 30.000 Gläubigen; 14 mit 30.000 bis 40.000 Gläubigen; 5 mit 40.000 Gläubigen und darüber.

Auch dürfen wir bei diesem kurzen, aber notwendigen Überblick über die Situation der Diözese nicht vergessen, daß es 70 Pfarreien gibt, die über keine geeigneten Räumlichkeiten für den Gottesdienst verfügen und deren Gläubige in Sälen, Lagerhäusern usw. an der Feier der heiligen Messe und der Sakramente teilnehmen. Fünfzehn neuentstandene römische Stadtviertel sind noch immer ohne Gottesdiensträume.

Aus diesen wenigen, ungefähren statistischen Angaben ergibt sich der ganze Ernst der religiösen und pastoralen Probleme der Diözese. Es besteht tatsächlich ein objektives Mißverhältnis zwischen der Anzahl der Gläubigen und der Zahl der Priester, die sich der Seelsorge widmen. Nicht nur die allgemeine Seelsorge, sondern auch die spezialisierte zeigt prekäre Mangelerscheinungen trotz der gelegentlichen Verfügbarkeit anderer Priester und der Hilfe, wie sie von Ordensschwestern und engagierten Laien geboten wird. Was diesen Punkt betrifft, möchte ich mich an die lieben in Rom lebenden Ordenspriester wenden. Es sind augenblicklich ungefähr 3.644. Die Diözese erwartet viel von ihnen, von ihrer Hochherzigkeit, von ihrem Sinn für die Kirche, von dem apostolischen Eifer, der sie beseelt.

Es wurde kürzlich daran erinnert, daß in den ersten Januartagen dieses Jahres vom Vikariat die erste Tagung der Ordensmänner und Ordensfrauen Roms stattfand über das Thema "Anwesenheit und Sendung der Orden in der Ewigen Stadt". Dieses Treffen erbrachte fruchtbare Hinweise und Vorschläge. Es ist mein Wunsch, daß sich die Ordensmänner und Ordensfrauen Roms unter voller Achtung des besonderen Charismas ihrer Institute in die Gesamtpastoral dieser Diözese, auf welche die Augen der Welt gerichtet sind, einzugliedern verstehen.

5. Wenn ich heute ganz offen mit euch Priestern von Rom spreche, erachte ich es als meine Pflicht, euch meine aufrichtige Dankbarkeit und tiefe Bewunderung für das priesterliche Zeugnis der Hochherzigkeit, des Einsatzes und der Armut, das euch auszeichnet, zum Ausdruck zu bringen. Ihr müßt die Botschaft des Evangeliums in einer Stadt verkündigen, leben und zum Leben bringen, die zweitausendsiebenhundert Jahre Geschichte auf ihren Schultern, ja in ihrem Blut hat, und zu den vielschichtigsten und eindrucksvollsten der Welt gehört. Eine Stadt, in der sich der Zusammenprall und die Begegnung zwischen klassischer Welt und Christentum in beispielloser Weise vollzogen hat; eine Stadt, die heute eine richtige Metropole ist, die 1.881, also vor hundert Jahren, ca. 274.000 Einwohner zählte und heute mehr als zehnmal soviel - nämlich 2.900.000 - Bewohner hat; eine Stadt, in der die Spannungen und Gegensätze der modernen Gesellschaft, die Probleme der Urbanisierung, der Zuwanderung, des Wohnungsmangels, der Beschäftigung und Arbeit, der Gewalttätigkeit und des bewaffneten Terrorismus immer akuter sichtbar werden und aufbrechen.

Der Klerus von Rom, der aufgerufen ist, sich pastoral und missionarisch mit der gewaltigen Menge menschlicher und sozialer Probleme auseinanderzusetzen, ist zum großen Teil nicht homogen, weil er aus allen Regionen Italiens stammt. Diese Erscheinung, die sich in Rom vielleicht in höherem Grad als in einer anderen Großstadtdiözese der Welt zeigt, hat sicherlich auch ihre positiven Seiten: jeder Priester bringt verschiedene und vielfältige Traditionen, Erfahrungen, Lehren des geistlichen Lebens, der Pastoral mit sich. Das alles läßt sich nicht leugnen; ja besonders in Rom ist ein derartiges Phänomen gerechtfertigt. Aber es bringt gleichzeitig erhöhte Anforderungen mit sich, was die Schaffung und Wahrung der Einheit betrifft, die für die Seelsorge in dieser Stadt unerläßlich ist. Es gilt, mit Mut und Ausdauer entsprechende Bemühungen zu unternehmen, die zu einer einheitlichen Orientierung in der gesamten Pastoralarbeit führen; auf diesem Gebiet, das immer schwieriger und problematischer wird, muß miteinander studiert, überlegt, geprüft und gearbeitet werden. Eine dieser Bemühungen will auch diese unsere heutige Begegnung sein.

Diese Einheit muß vor allem die konkrete, persönliche Antwort eines jeden von uns auf die Bitte Jesu an den Vater sein: "Ut unum sint", "Damit sie eins sind" (vgl. Joh 17, 11. 21. 22). Es muß eine in gegenseitiger Liebe gereifte Antwort sein auf die Probleme, die den römischen Klerus betreffen: Probleme religiösen, kulturellen, seelsorglichen, menschlichen und wirtschaftlichen Charakters. Es muß eine Antwort sein, die zur Überwindung gewisser individualistischer Versuchungen beiträgt und uns offen und voll verfügbar macht für die von der Leitung empfohlenen oder vorbereiteten organischen Pläne und uns nicht in eine ständige Position der Kritik oder der Polemik gegenüber den Weisungen versetzt, die zweifellos nach einer durchdachten und langen Überlegung erfolgen.

Liebe Brüder! Bewahrt, um den Bischof geschart, die Einheit des Presbyteriums, die um so notwendiger in einer Diözese wie Rom ist, die durch ihre eigenen soziologischen und kulturellen Strukturen zu einem mitunter zweideutigen Pluralismus tendiert. "Wer aber die Einheit aufgegeben hat, verletzt die Liebe: und wer die Liebe verletzt, ist, was immer er Großes besitzen mag, selbst nichts", warnt uns der hl. Augustinus und fährt unter Zitierung des Hohenliedes der Liebe beim hl. Paulus (vgl. 1. Kor 13, 13 ff.) fort: "Umsonst besitzt einer alles, wer das eine, mit dem er alles genießen soll, nicht besitzt" (Serm. 88, 18, 21: PL 38, 550).

Inmitten der tiefgreifenden und ständigen Veränderungen auf allen Gebieten empfindet der Klerus das Bedürfnis, mit dem hektischen Tempo unserer Zeit Schritt zu halten: er hat das Bedürfnis, sich ununterbrochen auf dem laufenden zu halten, um bereit und wachsam zu sein, das Geschehen im Lichte des Wortes Gottes, also in christlicher Sicht, zu interpretieren.

Immer stärker wird die Dringlichkeit, ja die Notwendigkeit einer ständigen Fortbildung des Klerus wie auch der im Apostolat engagierten Laien auf religiösem und kulturellem Gebiet empfunden. Und wir müssen zugeben, daß Rom mit dem kulturellen Reichtum seiner Päpstlichen Universitäten und Hochschulen wahrhaft geeignete Initiativen bieten könnte. Auch hier wird es einer herzlichen gegenseitigen Bereitschaft und Zusammenarbeit bedürfen.

6. Zu den vorrangigsten Aufgaben, die dem Bischof, dem Presbyterium, der ganzen Kirche von Rom obliegen, gehört die der Priester- und Ordensberufe. In dem eingehenden Bericht wurde meine stetige Sorge für dieses Problem unterstrichen, und dafür danke ich. Bei der ersten Begegnung mit dem römischen Klerus habe ich euch mit großer Aufrichtigkeit und Klarheit mein Herz geöffnet und euch eindringlich gebeten, an dieser meiner Sorge teilzunehmen. Ich bin immer wieder auf dieses Thema zurückgekommen, noch vor wenigen Tagen, als ich zu den Mitgliedern des Rates und zu den Regionalsekretären sprach, die in Rom zusammengekommen waren, um gemeinsam über die Probleme der Förderung von Berufen durch die Italienische Konferenz der Höheren Oberen nachzudenken. Bei dieser Gelegenheit wandte ich mich in Gedanken an alle Priester und Ordensmänner, die "Tag für Tag, getreu den übernommenen Verpflichtungen, als demütige und verborgene Erbauer des Gottesreiches ruhigen, frohen Sinnes für ihre Berufung leben, die in ihren Worten, in ihrem Verhalten und in ihrem Leben die leuchtende Freude über die von ihnen getroffene Entscheidung ausstrahlen. Diese Ordensmänner und Priester sind es, die durch ihr Beispiel viele  dazu anspornen werden, das Charisma der Berufung an ihr Herz aufzunehmen" (vgl. O.R., 17. Februar 1980).

Die Diözese besitzt zwei Priesterseminare: das Seminario Romano Maggiore, das augenblicklich 85 Alumnen beherbergt, von denen 22 Römer sind; und das Seminario Romano Minore, in dem 13 Alumnen die feste Kommunität bilden: außerdem bilden 70 Jungen der Mittel- und Oberschulen die Berufsgemeinde; sie treffen sich häufig im Seminar. Um diese gruppieren sich 200 Jungen der Mittelschulen, mit welchen sich die Seminarmitglieder in den Pfarreien oder im Seminar treffen, um ihnen bei der Vertiefung der Vorbereitung zu ihrer Berufung behilflich zu sein.

Aus diesen statistischen Angaben ergibt sich die dringende Notwendigkeit einer Weckung von Berufen, einer bewußten, ständigen, überlegten und organisierten Bemühung, damit die Diözese Rom auch und in besonderer Weise auf diesem Gebiet fruchtbar und ertragreich sein möge; damit die an ruhmvollen Traditionen kultureller und geistlicher Bildung reichen Diözesanseminare immer mehr zum Reflex der Lebenskraft unserer Ortskirche werden. Die Lebenskraft und die Reife einer Diözese stehen im direkten Verhältnis zur Anzahl und Qualität ihrer Priester- und Ordensberufe. In den letzten fünfzehn Jahren sind aus den römischen Priesterseminaren 122 Weltpriester hervorgegangen. Wird die Diözese Rom so hochherzig sein, noch mehr heiligmäßige Priester für die Errichtung des Gottesreiches bereitzustellen?

7. Die verschiedenen Besuche in den Pfarreien gaben mir auch die Möglichkeit, festzustellen, daß in diesen Gemeinden engagierte Laiengruppen im Apostolat tätig sind.

Die Laien entdecken wieder die Pfarrei. Das ist eine tröstliche Tatsache, weil sie zeigt, daß die Gläubigen das Bedürfnis nach einem festen Bezugspunkt verspüren. An die 70 Vereinigungen auf nationaler Ebene sind in den einzelnen Pfarreien verschieden stark vertreten, während es ungefähr 100 örtliche Gruppen gibt, die im Apostolat engagiert sind. Diesen Gruppen, die im Bereich des christlichen Glaubens durch gemeinsames Gebet, ehrfürchtiges Hinhören auf das Wort Gottes, tätige Nächstenliebe zu den notleidenden Brüdern in besonderer Weise ihr Zeugnis geben wollen, gilt meine Ermutigung. Aber ich möchte, daß in keiner Pfarrei die Katecheten-Gruppe fehlt, die sich aus Erwachsenen Vätern und Mütter und Jugendlichen zusammensetzt, die sich ernsthaft vorbereitet haben und hochherzig bereit sind, den Kindern Katechese zu erteilen. "Die Pfarrgemeinde muß Motor und bevorzugter Ort der Katechese bleiben ... Ob man will oder nicht, die Pfarrei bleibt ein Hauptbezugspunkt für die Christen, selbst für die nichtpraktizierenden", schrieb ich in meinem Apostolischen Schreiben über die Katechese in unserer Zeit (Catechesi tradendae, Nr. 67). In unseren Pfarrgemeinden sind die Grundelemente jenes Gefüges vorhanden, das sie zu einer missionarischen Einheit der Glaubensverkündigung und der Katechese macht. Auch wenn die Statistiken angeben, daß der Grad der Durchdringung der großen Masse der Pfarrangehörigen niedriger ist, als man es wünschen würde, darf man dennoch nicht den Mut verlieren und muß dem Problem der Katechese große Anstrengung widmen.

8. Ich denke in diesem Augenblick besonders an die Jugendlichen, die bevorzugten Empfänger meiner apostolischen Sorge als Priester, als Bischof und als Hirt der Universalkirche. Wie ihr aus dem Bericht erfahren habt, sind von den 2.900.000 Einwohnern Roms 500.000 junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren! Und von diesen warten 200.000 auf eine Beschäftigung! Ihre menschlichen Probleme sind sehr ernst. Noch ernster sind ihre geistlichen Probleme. Es geht um ihre Erziehung und Reifung im christlichen Glauben, um ihre Vorbereitung auf die Ehe, um ihre Eingliederung in die Gesellschaft der Erwachsenen, von der sie bisweilen zutiefst enttäuscht wurden. Was wird die Kirche Roms, was werden die römischen Priester unternehmen, um in angemessener und moderner Weise den Idealen, den religiösen, kulturellen und sozialen Erwartungen dieser jungen Menschen entgegenzukommen, die großenteils von den Ideologien und Versuchen, die Gesellschaft um jeden Preis und mit allen Mitteln, auch mit Gewalt, zu ändern, enttäuscht wurden?

Ich wende mich an die jungen Priester in Rom, sie mögen dem Apostolat unter der Jugend ihre besten Kräfte weihen mit Hochherzigkeit, Enthusiasmus und Ausdauer, ohne sich von den unvermeidlichen menschlichen Mißerfolgen entmutigen zu lassen. Liebt die jungen Menschen! Hört sie an! Versucht sie zu verstehen! In ihnen stecken verborgene Schätze unerschöpflicher Hochherzigkeit und Begeisterungsfähigkeit. Weist sie auf Christus hin, den Mensch gewordenen Gott, unseren Bruder! Verkündet ihnen die Botschaft des Evangeliums mit der ganzen Kraft und Strenge ihrer Forderungen!

9. Liebe Brüder im Priesteramt! Mit viel Interesse und Aufmerksamkeit habe ich angehört, was mir eure Vertreter in eurem Namen über die Situation des römischen Klerus, die Pfarrgemeinden, das organische Diözesanprogramm, die Priesterberufe in Rom, die Präsenz der Ordensmänner und Ordensfrauen in der Stadt und die Lage der Jugendlichen dargelegt haben.

Ich habe meinerseits versucht, mich zur Stimme eurer Stimme, eurer Gedanken, eurer Wünsche, eurer Hoffnungen, besonders aber zur Stimme eures Bemühens zu machen, in dieser Kirche in Rom echte Priester Christi zu sein. Setzen wir miteinander unseren Weg des Glaubens, des pastoralen Einsatzes fort, gestärkt von der Kraft Christi, die sich in seiner menschlichen Schwachheit geoffenbart hat.

Heute feiert die Kirche das Fest des hl. Petrus Damiani, des strengen Einsiedlers von Fonte Avel-Jana, der von Gott berufen wurde, in die dramatischen Ereignisse der Kirche des Jahres 1.000, einer schwierigen und gefahrvollen Zeit der Geschichte, einzugreifen. Hören wir seine Aufforderung, die durch das Band der wechselseitigen Liebe geeinte Kirche zu lieben, und machen wir sie uns zu eigen: "Die Kirche Christi ist also durch das feste Band der gegenseitigen Liebe untereinander verbunden, so daß sie sowohl in den vielen eine als auch in den einzelnen durch das Mysterium die ganze ist .... Sie soll in allen eine und in jedem einzelnen die ganze sein: freilich ist sie in den vielen durch die Einheit des Glaubens einfach und in den einzelnen durch das Band der Liebe und die verschiedenen Gaben der Charismen vielfältig; weil eben alle aus einem kommen" (Liber qui appellatur "Dominus vobiscum", 5: PL 145, 235).

Möge in der Kirche Gottes in Rom die Vielfalt und Verschiedenheit der Charismen stets von der Liebe gefestigt werden! Vom Himmel beschütze uns die Jungfrau, Heil des römischen Volkes und Mutter der Zuversicht.

Dazu erteile ich euch meinen Apostolischen Segen.

 

 

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