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ANSPRACHE VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DAS BEIM HEILIGEN STUHL
AKKREDITIERTE DIPLOMATISCHE KORPS

Montag, 14. Januar 1980

 

Exzellenzen!
Meine Damen und Herren!

1. Das herzliche Grußwort und die guten Wünsche, die Ihr Doyen eben in Ihrer aller Namen zum Ausdruck gebracht hat, sind ein ergreifendes Zeugnis; ich danke Ihnen dafür aufrichtig. Die von ihm entwickelte Perspektive geht allerdings weit über meine persönlichen Verdienste hinaus, aber ich freue mich mit Ihnen über das, was durch meine Tätigkeit   die Lebenskraft der Kirche und die besondere Rolle des Hl. Stuhls sichtbar machen kann.

Mein Gruß und meine Wünsche gelten allen und jedem einzelnen der hier anwesenden Diplomaten und ihren Familien, und nicht nur Ihnen persönlich, sondern auch den Völkern und Nationen, denen Sie angehören, den Ländern, die Sie vertreten, den Regierungen, in deren Namen Sie Ihre Funktion beim Hl. Stuhl ausüben. Ich weite heute meine Grüße auf alle Länder und alle Völker aus, auch wenn sie hier noch nicht vertreten sind. Manche Ihrer Länder sind in der Tat durch jahrhundertealte Traditionen mit der katholischen Kirche verbunden, weil sich die Söhne und Töchter dieser Nationen in der großen Mehrheit seit langem zum katholischen Glauben bekennen. In anderen ist die katholische Kirche nur mit einer bisweilen sehr kleinen Gruppe von Gläubigen vertreten, und dennoch halten die dortigen Regierungen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem Hl. Stuhl für angebracht. Mit besonderer Freude grüße ich die Länder, die solche Beziehungen im Laufe des vergangenen Jahres aufgenommen haben, auch wenn ihre Botschaften noch nicht eingerichtet sind. Ohne eine dieser Nationen, die uns gleicherweise teuer sind, zu übergehen, möchte ich vor allem Griechenland nennen mit allem, was dieser Name für die abendländische Kultur und das Christentum bedeutet. Schließlich muß ich noch an andere Länder denken, deren ganz katholischer Bevölkerung sehr daran läge, mit dem Hl. Stuhl engere Beziehungen zu knüpfen.

Mit einem Wort, die Zusammensetzung des Diplomatischen Corps erlaubt ein besseres und richtiges Verständnis des wichtigen Problems der Präsenz der Kirche in der heutigen Welt. Neben dieser Form bleibt die Dringlichkeit eines Apostolats aller Glieder der Kirche bestehen. Ein Apostolat, das sie durch ihr tägliches Zeugnis und ihr Wirken in allen weltlichen Bereichen ihres Lebens und ihres Berufes geben. Aber die diplomatischen Beziehungen gestatten auf anderer Ebene eine ebenso direkte wie diskrete Präsenz der katholischen Kirche als solcher und in ihrem Oberhaupt bei den verschiedensten Völkern, ihren Regierungen oder ihren Vertretern. Die Kirche achtet deren politische Systeme und zeitliche Verantwortlichkeiten. Sie bietet ihnen die Hilfe der geistlichen und moralischen Unterstützung und Forderungen an, für die sie Zeugnis ablegt und die zu verwirklichen sich ihre Söhne und Töchter bemühen. In diesem Sinn ist die Kirche bestrebt, zum Wohl der Bevölkerung eines jeden Landes beizutragen. Und umgekehrt begünstigt das Wirken jedes diplomatischen Vertreters die Erfüllung der Sendung, die die Kirche als ihre Aufgabe in der heutigen Welt ansieht. Denn diese berührt die verschiedenen Dimensionen des menschlichen Lebens und die verschiedenen Gemeinschaften, also auch die politische Dimension und die politischen Gemeinschaften.

2. Unsere Begegnung findet zu Beginn des neuen Jahres statt. Doch es ist gut, noch einen Blick auf das abgelaufene Jahr zu werfen und auf einige Ereignisse zurückzukommen, die für den Hl. Stuhl und vor allem für den, der zu Ihnen spricht, von tiefgreifender Bedeutung gewesen sind und denen noch lange entscheidende Wichtigkeit zukommt. Ihr Doyen hatte übrigens die Freundlichkeit, an sie zu erinnern. Es handelt sich um meine Reisen: es waren Gelegenheiten zu vertieften Kontakten mit den Völkern und ihren Regierungen, nicht zu reden von der neu gestärkten Verbundenheit mit den Ortskirchen, die stets das erste apostolische Ziel darstellte.

Da war zuerst mein Besuch in Mexiko im Zusammenhang mit der Konferenz von Puebla und um dem Wunsch der Konferenz der lateinamerikanischen Bischofe, besonders der mexikanischen, nachzukommen. Wenn ich dort meinen pastoralen Dienst erfüllen konnte, dann habe ich das auch dem Herrn Präsidenten von Mexiko zu verdanken, der mich trotz des Fehlens diplomatischer Beziehungen eingeladen hat, und den Verwaltungsbehörden, die die Durchführung des Programms mit Wohlwollen ermöglicht haben. Es war das erste Mal, daß der Nachfolger des Petrus seinen Fuß auf mexikanischen Boden setzte und sich als Pilger zum Heiligtum der Madonna von Guadalupe begab. Es war angemessen, dem katholischen mexikanischen Volk, das sich so große Verdienste erworben hat, Anerkennung zu bezeugen. Auch die sympathische Begegnung mit der Bevölkerung von Santo Domingo, die inzwischen von einem Wirbelsturm heimgesucht wurde, und schließlich die Zwischenlandung auf den Bahama-Inseln vergesse ich nicht.

Einer besonderen Verpflichtung hatte ich gleichfalls dem polnischen Volk gegenüber nachzukommen, was der Grund für meine Pilgerreise im vergangenen Juni war. Es war der erste Besuch eines Papstes in diesem Land und bei diesem Volk von Polen und, was noch mehr zählt, des ersten Papstes, der eben aus Polen stammte, des ersten slawischen Papstes. Wie soll ich die Stärke der Empfindungen ausdrücken, die diese Pilgerreise gekennzeichnet haben, ein Echo auf all das, was Geschichte und Gegenwart in sich schließen! Über einen mehr persönlichen Aspekt hinaus gehört diese Pilgerfahrt in die historischen Wege des Glaubens und der christlichen Tradition, die Zeugnis geben von der Verbindung zwischen der Nation und der Kirche, einer Verbindung, die nach so vielen Prüfungen der Geschichte in der augenblicklichen Situation weiterbesteht. Ich möchte auch das entgegenkommende und gastfreundliche Verhalten der staatlichen Behörden bei jenem Anlaß erwähnen.

Auf meiner Reise zu den Vereinten Nationen im Herbst fühlte ich mich verpflichtet, Irland zu besuchen, und das aus zwei Gründen. Die Kirche und die Christenheit verdanken dem irischen Volk viel für seine historischen Leistungen und seine gegenwärtige Glaubensstärke, und ich mußte diese Brüder und Söhne in ihrem Glauben festigen und sie in ihrer christlichen Identität ermutigen. Außerdem war die gegenwärtige Situation zugleich eine Herausforderung an mich, an Ort und Stelle nachdrücklich Friedensappelle, Appelle zu gegenseitigem Verzeihen und zur brüderlichen Zusammenarbeit in Gerechtigkeit auszusprechen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß sie eines Tages von diesen entzweiten und gequälten Brüdern und vor allem von den politisch Verantwortlichen gehört werden.

Sodann wollte ich mich nicht zum Sitz der Vereinten Nationen in New York begeben, ohne zu versuchen, mit der Kirche und der Gesellschaft der Vereinigten Staaten von Amerika Kontakt aufzunehmen und vorerst wenigstens die Bevölkerung einiger wichtiger Städte oder Landstriche zu besuchen und so meinen pastoralen Aufgaben nachzukommen. Den Empfang, den mir diese Massen der Katholiken, gewiß, aber auch anderer Konfessionen und Religionen bereiteten, habe ich sehr zu schätzen gewußt, und der beispiellosen Geste Präsident Carters und seiner Regierung, mich ins Weiße Haus einzuladen, habe ich vollen Wert beigemessen. Ich danke den politisch Verantwortlichen, die zum Wohl des Friedens den Austausch mit den religiös Verantwortlichen zu pflegen wissen.

Schließlich fand ich bei meiner jüngsten Reise in die Türkei gleichfalls bei den türkischen Behörden Verständnis, auch wenn die Bewohner nahezu alle Muslime sind und der Staat sich für eine neutrale Haltung gegenüber den Religionen entschieden und religiöse Angelegenheiten und politische Führung klar voneinander getrennt hat. Anlaß für meinen Besuch war zwar vor allem der Wunsch nach einer ökumenisch orientierten Begegnung mit dem Patriarchen von Konstantinopel, Seiner Heiligkeit Dimitrios I., sowie mit den anderen christlichen Gemeinschaften, speziell den Armeniern, doch war ich auch darauf bedacht, die freundschaftlichen Beziehungen zu dem Land und dem türkischen Volk, im besonderen den Persönlichkeiten der Regierung, zu fördern. Es war dies auch eine Gelegenheit, die großen Prinzipien des Zweiten Vatikanischen Konzils hinsichtlich der Beziehungen zu den nichtchristlichen Religionen und besonders im Hinblick auf den Islam neu zu bekräftigen.

Alle diese Besuche, Exzellenzen, wollten der Sache des Friedens dienen, und das ist auch der Grund, warum ich mir erlaubte, sie vor Ihnen in Erinnerung zu bringen. Sicher, sie bleiben völlig im Dienst religiöser, pastoraler und ökumenischer Ziele, aber zugleich schaffen sie dadurch, daß sie den Papst an verschiedene Punkte der Erde führen, Gelegenheit zu Begegnungen mit sehr verschiedenen Gesellschaftsformen, realen Situationen und auch politischen Systemen. Wie konnte man übersehen, daß sie die Annäherung begünstigen? Denn auch das ist eine Rolle der Kirche, die einen möchte, die der Brüderlichkeit unter den Menschen und Völkern dienen möchte, indem sie das überwindet, was sie trennt und manchmal auch in Gegensatz zueinander bringt.

3. Dieser Friedensmission war besonders mein Besuch bei der Organisation der Vereinten Nationen gewidmet. Die ständigen Bemühungen des Hl. Stuhls zur Sicherung und Stärkung des Friedens in der Welt haben dort einen weiteren Ausdruck gefunden. Es konnte sich nicht bloß darum handeln, eine Erklärung abzugeben, eine Botschaft zu verlesen, sondern auf der Linie der Enzykliken Pacem in terris und Populorum progressio und damit in der Fortführung des Wirkens Johannes' XXIII. und Pauls VI. die Suche nach den Fundamenten des Friedens zwischen den Nationen, zwischen den Ländern, zwischen den Systemen zu vertiefen.

Die Kirche hat natürlich ihre eigene Methode, das Problem des Friedens aufzugreifen, eine Methode, die ihrer lehrmäßigen und pastoralen Sendung entspricht und die in der Ansprache vor der UNO einen zusammenfassenden Ausdruck finden wollte ebenso wie in der jährlichen Botschaft zum 1. Januar dieses Jahr zum Thema „Die Wahrheit Kraft des Friedens"   sowie in der gesamten Haltung und Tätigkeit des Apostolischen Stuhls.

New York war für mich ebenso wie für meinen Vorgänger Paul VI.   die Begegnung des Papstes, des Oberhauptes einer universalen religiösen Gemeinschaft, mit den Vertretern nahezu aller Länder der Welt   eine in ihrer Art einzigartige Gelegenheit, der eine außergewöhnliche Bedeutung zukam. Sie machte offenbar, wie ich sagte, daß „die Organisation der Vereinten Nationen die religiös-moralische Dimension der menschlichen Probleme anerkennt und respektiert, mit denen sich die Kirche aufgrund ihrer Botschaft der Wahrheit und der Liebe, die sie der Welt bringen muß, beschäftigt" (Nr. 5). Die Kirche ihrerseits zeigt größtes Interesse für die Ideale, welche diese Organisation verfolgt, die allen Männern und Frauen, allen großen und kleinen Nationen die gleichen Rechte zusichern will und helfen möchte, sich gegenseitig zu achten und zusammenzuarbeiten. Ja, die Kirche weiß die Bemühungen der UNO um friedliche Zusammenarbeit unter den Nationen hoch zu schätzen. Da sie in dieser Organisation trotz ihrer Unvollkommenheiten oder Schwächen   nach den Worten Paul VI.   „den für die moderne Zivilisation und den Weltfrieden verpflichtenden Weg" sieht, wünscht sie ihr immer geeignetere Methoden und Mittel für die Erreichung eines so bedeutsamen Zieles und die überall anerkannte und respektierte Autorität, die sie unbedingt braucht, um ihre Aufgabe im Dienst aller erfüllen zu können. Das Gemeinwohl, das sie fördern soll, geht notwendigerweise über die Einzelinteressen einer jeden Nation hinaus.

Die Probleme, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt auftauchen, sind wahrlich besorgniserregend: sei es das Problem der verheerenden und gefährlichen Aufrüstung in der ganzen Welt oder das Problem bewaffneter Kämpfe an bestimmten Krisenherden Asiens, u.a. die Situation in Afghanistan in unmittelbarer Nachbarschaft zum Iran.

Ja, angesichts der dramatischen Ereignisse in Afghanistan, die die öffentliche Meinung der ganzen oder doch fast der ganzen Welt nicht zur Ruhe kommen lassen, kann man nicht umhin, sich nach den treibenden Kräften zu fragen, die so ernste und die internationale Entspannung bedrohende Vorkommnisse auslösen konnten. Kann man die Probleme eines Landes wirklich aus ihrem Gesamtzusammenhang lösen? Ist das nicht allen klar, aber in besonders ernster Weise denen, die die größere Macht besitzen und denen auch die größere Verantwortung zukommt? Ich sage das im Rahmen meiner geistlichen Sendung; um bei den einen wie bei den anderen das Bewußsein für die grundlegenden Forderungen eines friedlichen internationalen Zusammenlebens zu stärken, wozu die Achtung der Unabhängigkeit  eines jeden Landes ebenso gehört wie das Recht der Völker auf Selbstbestimmung entsprechend ihren patriotischen und religiösen Vorstellungen. Ich sage das zur Verteidigung der Bevölkerung, die die Verschärfung von Konflikten stets bezahlen muß. Ich sage das, um damit für mehr Wahrheit und Gerechtigkeit zu plädieren, wie ich es bereits in der Botschaft zum 1. Januar getan habe. Das also gilt übrigens auch für andere Krisenherde in Asien. Meine Sorge und meine Sympathie richten sich im besonderen auf das iranische Volk, dessen ruhmreiche Geschichte und dessen Überlieferung allgemein bekannt sind: wir alle wünschen ihm, daß es die gegenwärtigen Schwierigkeiten überwinde, und ich spreche die besten Wünsche für sein Leben, seinen Frieden und seinen Fortschritt aus."

Die anderen Kontinente werden deshalb keineswegs vergessen. Ich denke auch an die friedlichen Beziehungen zwischen den amerikanischen Staaten, vor deren Organisation ich anläßlich meines Besuches bei der UNO zu sprechen die Ehre hatte. Ich möchte auch nicht, daß der große afrikanische Kontinent bei der Sorge um die Menschheitsfamilie abseits stehen soll unter dem Vor-wand, die großen wirtschaftlichen Vorgänge spielten sich heutzutage anderswo ab. Afrika kannte und kennt noch immer furchtbare brudermörderische Gegensätze. Es scheint, als wollten mitunter gewisse Mächte daraus Gewinn ziehen; aber Afrika kann diese Gegensätze auch überwinden und zu positiver Übereinstimmung gelangen, wie die, welche man für Zimbabwe-Rhodesien zu schaffen bemüht war. Mit Geduld und oft mit begrenzten Mitteln betreibt Afrika seine Entwicklung; es muß seinen Weg in Frieden fortsetzen mit gegenseitiger uneigennütziger Hilfe, die seine Eigenart und die menschlichen und geistlichen Qualitäten seiner Kulturen respektiert. Im Laufe des vergangenen Jahres hatte ich die Freude, selbst mehrere Staatsoberhäupter dieses Kontinents hier zu empfangen.

4. Welcher Grundsatz inspiriert also den Apostolischen Stuhl, sich an die Politiker zu wenden oder sich mit politischen Dingen zu beschäftigen? Eine Aussage des II. Vatikanischen Konzils konnte das gut zusammenfassen: „Die Kirche, die in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden darf noch auch an irgendein politisches System gebunden ist, ist zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person" (Gaudium et spes, Nr. 76). Das ist auch eine der Grundlagen, auf denen meine erste Enzyklika Redemptor hominis beruht (vgl. Nr. 13).

Es stimmt, daß das Gemeinwohl einer Gesellschaft, einer Nation, auf vielfache Weise gefördert werden muß, da die sozialen Bedingungen insgesamt die Entfaltung der Gruppen und Personen ermöglichen und das Gemeinwohl so eine immer allgemeinere Ausdehnung nimmt. So „wächst das Bewußtsein der erhabenen Würde, die der menschlichen Person zukommt, da sie die ganze Dingwelt überragt und Träger allgemeingültiger sowie unverletzlicher Rechte und Pflichten ist" (Gaudium et spes, Nr. 26). Die Einleitung zur Charta der Vereinten Nationen bestätigt erneut ,,den Glauben (der Unterzeichnerstaaten) an die Grundrechte des Menschen, die Würde und den Wert der menschlichen Person". Von dem, was die Weisheit der Nationen anerkennt, muß die Kirche aus ganz besonderen und tiefen Gründen Zeugnis geben und seine Gewährleistung sicherstellen, weil Christus sich mit jedem Menschen verbunden hat und weil seine Sorge für jeden Menschen, den er erlöst hat, zur Sorge der Kirche geworden ist: Die Kirche kann nicht unempfindlich bleiben für alles, was dem wahren Wohl des Menschen dient, so wie es ihr auch nicht gleichgültig sein kann, wenn dieses bedroht wird" (Redemptor hominis, Nr. 13). Deshalb konnte ich auch in dieser Enzyklika wie in der Ansprache vor den Vereinten Nationen mit Nachdruck auf die Menschenrechte hinweisen und habe eine Reihe von ihnen aufgezält (vgl. Ansprache vor der UNO, Nr. 13); die Menschenrechte insgesamt entsprechen in der Tat dem Wesen der Würde des integral verstandenen und nicht auf eine Dimension verkürzten menschlichen Seins. Ich habe sehr oft Gelegenheit, auf dieses wichtige Thema zurückzukommen.

Überdies muß man diese Rechte richtig verstehen. Das Recht auf Freiheit z.B. schließt natürlich nicht das Recht auf Unmoral ein, als ob man u.a. das Recht auf die Unterdrückung menschlichen Lebens, wie im Falle des Schwangerschaftsabbruchs, oder die Freiheit zum Gebrauch schädlicher Stoffe für sich oder für die anderen beanspruchen dürfe. Man kann auch nicht von den Rechten des Menschen sprechen, ohne nicht auch seine entsprechenden Pflichten ins Auge zu fassen, die seine Verantwortung und seine Achtung der Rechte der anderen und der Gemeinschaft zum Ausdruck bringen.

Es sei mir noch gestattet, auf eines der menschlichen Grundrechte zurückzukommen, an dem der Kirche besonders viel liegt: das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit. Wie oft hat der Hl. Stuhl bereits Appelle, mitunter sehr dramatische Appelle, zugunsten von Personen, Gruppen, Kirchen erlassen, die des Grundrechts, privat und gemeinsam ihren Glauben zu bekennen, beraubt sind! Ich habe vor der Organisation der Vereinten Nationen in nachdrücklicher Form daran erinnert (vgl. Nr. 20). Der Hl. Stuhl hält es für seine Pflicht, sich immer wieder zu diesem Gegenstand an die Autoritäten aller Staaten sowie die internationalen Organisationen zu wenden. Denn es gibt noch heute zahlreiche Fälle echter Verletzung der religiösen Freiheit, ganz gleich welche Erklärungen dafür abgegeben werden, und ich selbst erhalte Beweise genug dafür. Desgleichen  meint der Hl. Stuhl, daß die religiösen Gemeinschaften ein besonderes Recht hatten, ihre Stimme hören  zu lassen, wenn es darum geht, die konkreten Anwendungen des Prinzips der Religionsfreiheit zu formulieren oder über ihre praktische Verwirklichung zu wachen.

5. Aber kommen wir nun auf den Zweck dieser Zusammenkunft zurück, den Beginn eines neuen Jahres, eines neuen Jahrzehnts. Ich komme jetzt endlich zu den herzlichen Wünschen, die ich Ihnen aussprechen will. Aufgrund des universalen  Charakters des Hl. Stuhls und auch der Universalität der Liebe Christi, von der Zeugnis abzulegen ich trotz meiner Unwürdigkeit in erster Linie beauftragt bin, wage ich meine Wünsche an die gesamte Menschheitsfamilie zu richten, an alle Völker, alle politischen, nationalen und internationalen Gemeinschaften, besonders an die Nationen und ihre Regierungen, die hier vertreten sind. Möge Gott ihnen allen gewähren, in Frieden und Wahrheit, der Vorbedingung des Friedens, glücklicheren und gerechteren Verhältnissen entgegegenzugehen dank einem ständigen materiellen, sozialen und moralischen Fortschritt!

Unsere Gedanken an alle gelten ganz besonders jedem Land, das derzeit unter einem bewaffneten Konflikt leidet oder wie Kambodscha noch immer unter dem Schock eines völligen, unsagbaren Zusammenbruchs steht.

Meine Wünsche gehen auch an Personengruppen, denen auf internationaler Ebene besondere  Aufmerksamkeit zukommt. Könnten namentlich die Kinder der verschiedenen Länder weiterhin der Sorge gewiß sein, die ihnen das Jahr des Kindes gewidmet hat!

In allzu vielen Ländern leiden diese Kinder in tragischer Weise an Hunger, und mit ihnen viele Erwachsene. Was wird mit den Generationen von morgen sein? Augenblicklich ist die Welternährungslage sehr ernst. Ich war im vergangenen Jahr auf freundliche Einladung des Generaldirektors am Sitz der FAO, um mit den Verantwortlichen dieser internationalen Organisation die Sorge um die dringend notwendige Vermehrung und gerechtere Verteilung der Nahrungsmittel zu teilen. Doch die hochherzigen Pläne, die den gegenwärtigen und künftigen Mangel beseitigen sollten, werden durch so viele Hindernisse gefährdet, die nicht so sehr den Möglichkeiten der Natur als vielmehr der Unzulänglichkeit der Menschen anzulasten sind: ihre Sorglosigkeit diesem Problem gegenüber, ihr Mangel an Solidarität, der schlechte Gebrauch, den sie von den zur Verfügung stehenden Mitteln machen. Das ist es aber gerade, was die Menschen anspornen und eine Zusammenarbeit aller Kräfte auslösen sollte. Statt dessen, was für ein Auf-wand für noch mehr Rüstung und todbringende Waffen! Welcher Mangel an Zusammenarbeit im Welthandel! Wie viele Energien werden in ideologischen, politischen Prestige- und Machtkämpfen vergeudet! Aber Macht für wen? Wozu? Für welches gemeinsame Wohl? Die kommenden Generationen werden von uns Rechenschaft fordern. Gott fordert von uns Rechenschaft. Könnten wir doch, Exzellenzen, wir, die wir heute an diesem symbolischen Ort des Friedens und der Liebe zusammengekommen sind, mit allen unseren Mitteln dazu beitragen, daß die angsterregende Tatsache des Hungers unserer Brüder einen vorrangigen Platz in der Politik unserer Länder einnimmt!

Meine Damen, meine Herren! Meine abschließenden Wünsche gelten Ihnen, Ihnen persönlich und Ihren Familien. Ich hoffe, Sie werden viel Befriedigung finden in Ihrer Funktion als Gesandte beim Hl. Stuhl, die eine Funktion eigener Art ist. Möge Gott Sie mit Freude und Frieden erfüllen!

 

 

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