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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE BISCHÖFE AUS BAYERN
ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Freitag, 28. Januar 1983

 

Liebe Mitbrüder in Bischofsamt!

1. Ihr seid nach Rom gekommen, um Eure Einheit mit dem Nachfolger Petri in lebendiger Begegnung zu bekräftigen. Vor zwei Jahren war uns eine solche Begegnung in Eurer Heimat geschenkt. Die Erinnerung daran erfüllt mich mit dankbarer Freude. Möge auch unser heutiges brüderliches Gespräch unter Gottes Segen stehen - auf die Fürsprache der ”Patrone Bavariae“.

Unser liebendes. Gedenken gilt in dieser Stunde denen, die seit dem letzten Ad-limina-Besuch. Eurer Konferenz abberufen wurden: meinem unvergessenen Vorgänger Paul VI., unserem ehrwürdigen Mitbruder Bischof Josef Stangl. Einen Gruß der Verbundenheit bitte ich dem verdienten Altbischof Dr. Gräber zu überbringen. Den vormaligen Oberhirten von Speyrer darf ich heute als Erzbischof von München und Freising begrüßen - mit den besten Wünschen und zugleich mit dem Dank an seine Diözesen, daß sie die Berufung seines Vorgängers für einen wichtigen Dienst an der Weltkirche bereitwillig mitgetragen haben. Den ersten Ad-limina-Besuch stellt unsere Begegnung für den Bischof von Regensburg dar; der heilige Wolfgang helfe ihm, Christi ”Wahrheit in Liebe zu verkünden“!

2. Liebe Mitbrüder! Die Begegnung zwischen den Bischöfen und dem Nachfolger Petri ist immer Anlaß, über die Richtung unseres Dienstes als Verkündigen des Evangeliums und Ausspender der Geheimnisse Gottes in unserer Zeit nachzudenken. Von meiner ersten Enzyklika über den ”Erlöser des Menschen bis hin zum Apostolischen Schreiben über die Familie habe ich immer wieder Gottes Sorge um den Menschen in den Mittelpunkt meiner Verkündigung gestellt. Man könnte all dies zusammenfassen in einem Wort des hl. Irenäus, welches sagt: ”Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch, das Leben des Menschen aber ist es, Gott zu sehen“. Beide Seiten dieses Wortes sind gleich wichtig: Nur der Mensch, der lebt und Leben hat, kann Gott zur Ehre gereichen. Gott ist nicht der Konkurrent des Menschen, seine Ehre geht nicht auf Kosten des Menschen; Gott ist um so mehr geehrt, je mehr der Mensch zu seiner Ganzheit und Fülle findet. Gottes Gebote sind keine Umzäunungen, die den Menschen vom Schönsten fernhalten, sondern Wegweiser zur Fülle. Sie zeigen, wie man Leben finden kann: ”Das Leben des Menschen ist es, Gott zu sehen“.

Weil es so ist, ist die Kirche in ihren sozialen Diensten, in ihrem Kampf um Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden um das irdische Wohlergehen des Menschen bemüht. Weil es so ist, bleibt sie aber nicht bei sozialer Aktion und Mitmenschlichkeit stehen, sondern öffnet dem Menschen den Blick Für Gott und führt ihn zum Gottesdienst. Der Gottesdienst ist kein Abgehen von der Sorge um den Menschen, sondern ihre innerste Mitte. Wo Gott aus der Sichtweite des Menschen gerät, entfernt er sich zugleich von den Quellen des Lebens.

3. Laßt mich im folgenden einige Gesichtspunkte dieses grundlegenden Themas weiterentfalten. Von der eucharistischen Liturgie gilt im besonderen, was das Konzil von der Liturgie im allgemeinen sagt: Sie ist Gipfel und Quell, von wo alles Wirken der Kirche kommt und wohin es zurückführt (Sacrosanctum Concilium, 10).  Deshalb liegt soviel daran, daß alle Gläubigen den wöchentlichen Ostertag der Kirche, den Sonntag, wirklich als Tag der eucharistischen Begegnung mit dem Herrn vollziehen können. In der Eucharistie versammelt sich nicht nur die örtliche Gemeinde; in ihr tritt der Herr selbst auf eine einzigartige Weise in unsere Mitte und beteiligt uns an seiner Verherrlichung des Vaters, die er im Opfer des Kreuzes vollzogen hat und als Erhöhter fortwährend vollzieht. Dieses Ereignis ist durch nichts anderes ersetzbar. Es ist wichtig, daß gerade in unserer Zeit das Bewußtsein davon Priester und Laien gleichermaßen erfüllt. Das Jubiläumsjahr, das in Kürze beginnen wird, sollte ein Anlaß sein, das österliche Geheimnis der Eucharistie in der Verkündigung neu zu erschließen, damit es auch im Leben mit neuem Ernst und mit neuer Freude angeeignet werden kann.

4. Daraus wird von selbst auch eine verstärkte Bemühung um Priesterberufe folgen, mit der eine ständige Sorge um die priesterliche Spiritualität und um das priesterliche Tun derer einhergehen muß, die mit dem Bischof zusammen das Presbyterium einer Diözese bilden. Ich weiß, daß Ihr viel getan habt und tut, um im Geist des Konzils auch andere Berufe der Kirche zu fördern, vom Diakonat angefangen bis zu vielfältigen Berufen der Mitwirkung in Verkündigung und Seelsorge, in denen gerade auch Frauen ihren Platz im aktiven Dienst der Kirche einnehmen können. Dies alles ist lobenswert und in unserer Zeit nötig. Es konkurriert auch, recht verstanden, gar nicht mit der Unersetzlichkeit des Priesterberufes, die vor allem aus der Unersetzlichkeit der Eucharistie folgt. So habt Ihr gleichzeitig mit solchen Bemühungen immer wieder zum Priesterberuf eingeladen und Euch gemüht, die unverwechselbaren Strukturen der einzelnen Berufe deutlich herauszustellen. Ebenso habt Ihr Euch bemüht, in den Seminarien eine Atmosphäre zu schaffen, die wirklich zum Priestertum hinfuhren kann. Ich kann Euch nur ermutigen, in diesem Bemühen mit allem Nachdruck fortzufahren.

Laßt mich hier einen Gesichtspunkt besonders unterstreichen. Das Beispiel, das diejenigen geben, die schon im Priesterberuf stehen, und die Möglichkeit, sich für ihn zu entscheiden, hängen eng miteinander zusammen. Daher ist die persönliche Beziehung des Bischofs zu seinen Priestern in dieser unserer Zeit besonders wichtig. Jeder Priester muß wissen, daß er nicht allein ist. Er muß immer wieder die Ermutigung und die Stärkung der brüderlichen Gemeinschaft derer erfahren, die mit ihm im gleichen Dienst stehen. Er muß erfahren können, daß der Bischof nicht der ferne Vorgesetzte einer großen Behörde ist, sondern die Mitte derer, die zusammen den Altar Jesu Christi als ihre Mitte wissen. Eine Ortskirche, die über verhältnismäßig Viele materielle Mittel verfügt wie die Eurige, hat ihre besonderen Chancen, aber auch ihre besonderen Gefährdungen. Eine der Gefahren ist es, daß der Apparat stärker wird als die Menschen. Aber für die Kirche ist das Prinzip persönlicher Verantwortung von grundlegender Bedeutung. Geistliche Führung liegt in der Kirche nicht bei einem Kollektiv, sondern immer bei Personen. Ich weiß, wie schwer es bei allen Verpflichtungen eines Bischofs in dieser Zeit ist, diesem Prinzip treu zu bleiben. Ich weiß, daß man nie alle zufriedenstellen kann. Aber ich bitte Euch doch darum, die Einfachheit des Evangeliums und seinen persönlichen Charakter immer wieder zur Geltung zu bringen. Die Ermutigung, die von solchen Zusammenhalt des Bischofs und der Priester untereinander ausgeht, ist wesentlich dafür, daß junge Menschen diesen Beruf entdecken und darin einen Ruf an sich selbst erkennen können.

5. Laßt mich auf einen weiteren Gesichtspunkt kommen. Nicht umsonst stammen die Worte Kult und Kultur von der gleichen sprachlichen Wurzel her. Die Verherrlichung Gottes hat den Menschen dahin gebracht, die Schönheit zu suchen, die Gottes würdig ist, und indem er sie suchte, ist er selbst besser und menschlicher geworden. Kult und Kultur gehören untrennbar zusammen. In Eurer bayerischen Heimat, liebe Brüder, ist diese Verflochtenheit von Kult und Kultur besonders lebendig. Es war daher sinnvoll, daß die für mit unvergeßliche Begegnung mit der Welt der Kultur im Rahmen meines Deutschlandbesuches in der Hauptstadt Eures Landes stattgefunden hat. Man wirft dem letzten Konzil vor, es habe eine ”Zerstörung der Sinnlichkeit“ gebracht, die Liturgie einer ”banalen Verletzbarkeit“ unterworfen; in einer ”Veralltäglichung des Sakraments“ habe es zu einer ”Zerstörung der Kultur“ beigetragen. Es ist hier nicht der Ort, in eine Auseinandersetzung mit diesen Behauptungen einzutreten. Gewiß hat es manches puristische Mißverständnis der Liturgiereform gegeben. Aber wenn das Konzil den Gebetscharakter der Liturgie unterstrichen und die Einbeziehung aller in das Hören, Reden und Tun vor dem Herrn, von ihm her und zu ihm hin gesucht hat, so wollte es damit den Aspekt der Verherrlichung keineswegs vermindern, bei der immer wieder das Wort des Priesters Esra an das versammelte Volk Israel wahr wird: ”Die Freude am Herrn ist unsere Stärke“ (2 Esd 8, 10).  Deswegen möchte ich Euch ermutigen, der Freude am Herrn Raum zu geben, die festliche Schönheit der Liturgie weiterzuhelfen, die es gerade in Eurem Lande gibt, und zugleich das religiöse Brauchtum nicht in profane Schaustellung abgleiten zu lassen, sondern immer wieder an seinen Ursprung zu binden, es in seiner religiösen Mitte zu verankern, damit Herz und Verstand gleichermaßen vom Glauben berührt werden.

6. Das Jahr der Erlösung rückt noch einen anderen Gesichtspunkt ins Bewußtsein. In meiner Ansprache an die vorhergehende Gruppe deutscher Bischöfe habe ich bereits darauf hingewiesen, daß das erste Wort der Frohen Botschaft lautet: Poenitemini - Bekehrt euch, tut Buße. Wo das Wort Sünde zu einer Art Fremdwort wird, da fehlt es dem Menschen an Wahrheit. Er dringt nicht mehr zum Kern seiner selbst vor und verliert damit die wahre Veränderungsbereitschaft, die Voraussetzung für das Kommen von Gottes Reich ist. Wenn der Mensch Sünde nicht mehr als eine ernsthafte und ihn ernsthaft angehende Realität ansieht, ist dies zugleich ein Zeichen, daß seine Wahrnehmung Gottes verdunkelt ist. In dem Augenblick, in dem Petrus in Jesus die Nähe Gottes selbst erkannt hatte, rief er aus: ”Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch“! (Luk 5, 8) Wo Gott erkannt wird, erkennt der Mensch sich selbst, erkennt er seine Sünde und so wird er der Erlösung fähig. Nutzt dieses Jahr, in dem zugleich die Bischofssynode die Fragen von Buße und Versöhnung bedenken wird, um die Verkündigung über Sünde, Buße, und Erlösung zu vertiefen! Nutzt es als eine Einladung zum Sakrament der Buße! Eine solche Auslegung des Erlösungsgeheimnisses auf den Ernst und die Freude von Buße und Bekehrung hin hat zugleich eine ökumenische Bedeutung in dem Jahr, in dem das Gedenken an die Geburt des Reformators Martin Luther vor 500 Jahren die ökumenische Frage besonders dringlich macht. So könnte auch deutlich werden, daß die Ablässe, die am Ursprung der Spaltung der Christenheit standen und nun gerade in diesem Jahr gleichsam wieder den Weg Luthers kreuzen, nichts anderes sein wollen als eine konkrete Antwort auf jene Grundwahrheit des Glaubens, die das Konzil von Trient in die Worte gefaßt hat: ”Das ganze christliche Leben ist ein beständiger Vorgang der Buße (DENZ.-SCHÖN. 1964). 

7. Kehren wir noch einmal zu dem Wort des hl. Irenäus zurück: Gloria Dei vivens homo, vita autem hominis visio Dei. Der Mensch muß also Gott wahrnehmen, um wirklich zu leben. Dieses Wahrnehmen Gottes hat viele Dimensionen, von denen ich einige anzudeuten versuchte. Es geschieht, wie gesagt, nicht durch die Ratio allein. Aber gleichzeitig gilt doch auch, daß die Vernunft bevorzugtes Organ geistigen Sehens ist. Von daher rührt die große Bedeutung der Theologie für Glaube und Kirche. - wie das Konzil mit den Vätern sagt - ”Typus der Kirche“ ist (Lumen Gentium, 63), Ich weiß, daß es in Eurem Land eine ungewöhnlich große Zahl von theologischen Fakultäten und eine ebenfalls außerordentlich große Zahl von Studierenden der Theologie gibt. Deshalb Lag mir daran, auf meiner Deutschlandreise auch in Kontakt zu treten mit den Professoren der Theologie. Es war eine glückliche Fügung, daß diese Begegnung, an die ich gerne zurückdenke, in Eurem große Marienwallfahrtsort Altötting stattgefunden hat. Ich brauche jetzt die grundsätzlichen Erwägungen zur Stellung von Theologie und Theologen in der Kirche nicht zu wiederholen, die ich damals vorgetragen habe. Ich möchte aber auf das Sinnbildliche dieses Begegnungsortes hinweisen: Wenn Maria dann wurde darin sichtbar, daß die Theologie immer im Raum der lebendigen Kirche reifen muß und daß die theologische Reflexion jenes innere ”Bedenken des Wortes“ (Luk 2, 19) braucht, dessentwegen die Väter Maria ”Prophetin“ nannten. Es wird sichtbar, daß Theologie im Raum der betenden Verherrlichung Gottes angesiedelt sein muß, um gedeihen zu können. Wie Kult und Kultur, so gehören Vernunft und Verherrlichung Gottes zusammen. Eure Sorge um die theologischen Fakultäten, um diejenigen, die dort lehren und lernen, wird gewiß gerade auf das Erhalten und Stärken dieses Zusammenhangs bedacht sein.

All diese Anliegen, liebe Mitbrüder, gebe ich Euch mit auf den Weg zurück in die tägliche Arbeit. Empfehlen wir alles, was ich in diesen Wochen mit Euch und den übrigen deutschen Bischöfen besprochen habe, dem göttlichen Geist, ”der Herr ist und lebendig macht“. Wenn ich nun Euch allen in dieser Stunde nochmals aus ganzem Herzen danke für Euren Einsatz im Dienst am Reiche Gottes, dann dürft Ihr aus der Stimme des Papstes sicher auch die Stimme des Guten Hirten selbst hören. Er sei Euer Lohn! - Für Euch und Eure Gläubigen, für Eure Mitchristen und alte Mitbürger erbitte ich von Herzen den Segen des dreifältigen Gottes.

 

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