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PASTORALBESUCH IN DER BUNDESREPUBLIK
DEUTSCHLAND (21.-23. JUNI 1996)

BEGRÜSSUNGSZEREMONIE

ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.

Internationaler Flughafen Paderborn-Lippstadt
Freitag, 21. Juni 1996

 

1. Zum dritten Mal führt mich mein Weg zu, Ihnen nach Deutschland, seitdem mir der apostolische Dienst des Nachfolgers des heiligen Petrus übertragen wurde. Es ist für mich eine besondere Verpflichtung und Verantwortung für die ganze Kirche Christi, die Schwestern und Brüder in aller Welt in ihrem Glauben zu stärken und das Band der Einheit zwischen dem Stuhl Petri und den Ortskirchen zu festigen und verlebendigen.

Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, danke ich aufrichtig für die sehr freundlichen Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben, und erwidere Ihnen von Herzen den Ausdruck hoher Wertschätzung, mit dem Sie mich im Namen Ihres Volkes zu meinem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland willkommen heißen. Mit Ihnen grüße ich Herrn Minister Rüttgers für die Bundesregierung, den Herrn Ministerpräsidenten Rau des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen sowie alle anwesenden Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft und alle Bürger in Ihrem Land.

Mein brüderlicher Gruß gilt insbesondere den kirchlichen Vertretern, vor allem dem geschätzten Herrn Erzbischof von Paderborn, den anwesenden Kardinälen und Herrn Bischof Karl Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Euch und allen Gläubigen bekunde ich meine innige Verbundenheit und Zuneigung.

2. Die Kirche, die sich weltweit zunehmend ihres vielgestaltigen geistlichen Reichtums bewußt wird, ist gerufen, die Erfahrungen der Hoffnung und der Liebe, die sie in ihren unterschiedlichen Gruppen und Gemeinschaften, vor allem in den Pfarreien und Diözesen macht, mitzuteilen und zur Stärkung ihrer universalen Gemeinschaft einzusetzen. Die Kirche in Deutschland hat sich, wie ich aus vielen Begegnungen weiß und wie ich selbst bei meinen beiden vorangegangenen Besuchen erfahren durfte, durch großes weltumfassendes Engagement ausgezeichnet und erfreut sich daher in vielen Kirchen, ja besonders in den jungen, dankbarer Beliebtheit. Auch die künstlerischen, intellektuellen und wissenschaftlichen Leistungen in Ihrem Land finden berechtigte Anerkennung und verdienen Respekt. Doch ist sich auch Deutschland bewußt, daß es in einer Welt zunehmender Vernetzung und gegenseitiger Abhängigkeit nicht minder darauf angewiesen ist, selbst zu empfangen und die Begabungen und Fähigkeiten anderer zum eigenen Nutzen entgegenzunehmen und fruchtbar zu machen. Dies gilt für viele Bereiche in Politik, Wirtschaft: und Gesellschaft; es gilt aber nicht zuletzt auch für den Bereich des geistlichen und kirchlichen. Lebens. Auch hier besteht die Aufgabe, das vorhandene Gute zu erhalten und zu stärken und manches, was ein zeitgemäßes, doch tief in den Erfahrungen der Kirche verwurzeltes Glaubensleben erschwert oder was die bleibenden Wahrheiten verdunkelt, zu überwinden und aus den vielen und frischen Erfahrungen anderer Ortskirchen zu schöpfen und zu lernen.

3. Aus diesen Überlegungen geht schon hervor, daß mein Besuch in der Bundesrepublik Deutschland auf der einen Seite der Kirche und den Katholiken gilt, vor allem denjenigen in der altehrwürdigen Erzdiözese Paderborn und in dem neuen Erzbistum Berlin. Doch wende ich mich nicht weniger herzlich auch an die Schwestern und Brüder derjenigen Gemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangen sind, an die Schwestern und Brüder der orthodoxen Kirchen und anderer christlicher Kirchen und Gemeinschaften, die in Deutschland vertreten sind. Ihnen allen gilt von dieser Stelle aus bereits mein aufrichtiger und freundschaftlicher Gruß. Schließlich wende ich mich an alle Frauen und Männer guten Willens, vor allem in den neuen Bundesländern, die keiner Kirche angehören. Ihnen allen gilt mein Besuch. Sie alle möchte ich mit meinem Wort erreichen, um alle guten Kräfte echter Menschlichkeit anzusprechen und einzuladen, dem göttlichen Willen und seinem durch die Vermittlung eines aufrichtig geformten Gewissens zur Geltung kommenden Wirken in seiner Schöpfung zum Durchbruch zu verhelfen, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Menschheit an der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend wirksam begegnen zu können. Niemand weiß so gut wie Sie in einem Land, das durch Jahrzehnte gewaltsam gespalten war und große innere Entfremdungen zu erleiden hatte, wie groß die Anstrengungen sein müssen, um Ihrem Land im Herzen Europas, dem ganzen Kontinent sowie der ganzen Welt eine friedliche und menschliche Zukunft zu sichern. Eine solche Zukunft in Frieden und Sicherheit, in Freiheit und Gerechtigkeit kann es nur geben, wenn sich die Menschen und Völker ihrer tragenden Gemeinsamkeiten bewußt werden. Die liegen nicht nur und nicht in erster Linie im strukturellen Angleichen der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Systeme. Diesem zumindest vorgängig muß es allen Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft darum zu tun sein, sich der gottgegebenen Wahrheit über den Menschen, die durch das Naturgesetz im Gewissen verhaftet ist, gemeinsam zu versichern. Nur aus einer solchen neuen und umfassenden Vergewisserung heraus kann es eine Zukunft der Menschheit geben, die alte und hoffentlich überwundene Zerrissenheiten endgültig heilt und einer Zeit die Tür öffnet, die einen Rückfall in zerstörerische Polarisierungen, wie Sie sie im eigenen Land über Jahrzehnte erdulden mußten, für immer vermeidet.

Daran tatkräftig mitzuwirken, ist unser aller Verantwortung. Wir Christen sind entschlossen, unseren unaufgebbaren Beitrag dazu zu leisten. Um die gläubigen Menschen in ihren Gemeinschaften zu ermuntern und zu stärken sowie um alle Menschen guten Willens einzuladen, sich in ihrem Gewissen nicht dem göttlichen Licht zu verschließen, bin ich zu Ihnen gekommen.

4. Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, und allen, die mich zusammen mit Ihnen durch ihre Anwesenheit beehren, danke ich noch einmal aufrichtig für den freundlichen Empfang und die mir hierdurch gewährte herzliche Gastfreundschaft in Ihrem Land für meinen nun beginnenden dritten Pastoralbesuch. Da ich erstmals in das vereinigte Deutschland komme, erfüllt mich die große Zuversicht und die freudige Erwartung, erste Früchte des neuen Zusammenwachsens des Kontinents in Ihrem Land zu erleben. Dem sehe ich mit Dankbarkeit und Hoffnung für Deutschland und ganz Europa entgegen. Bitten wir den allmächtigen Gott, er möge uns allen dafür seinen Segen und seinen göttlichen Beistand nicht versagen.

Gott beschütze die Bundesrepublik Deutschland!

 



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