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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
 AN DIE BISCHÖFE AUS SAMBIA
ANLÄßLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

  3. September 1999

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

1. Mit großer Freude heiße ich euch, die Bischöfe Sambias, zu eurem »Ad-limina«-Besuch hier in Rom willkommen. Eure Gegenwart ist Ausdruck und Bestätigung jener Gemeinschaftsbande, die euch und eure jeweiligen Gemeinden mit dem Nachfolger Petri verbinden, der berufen ist, den Glauben seiner Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32). In brüderlicher Zuneigung grüße ich euch mit den Worten des Apostels: »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (Röm 1,7). Den gleichen Gruß richte ich durch euch auch an die Priester, die Ordensleute und Christgläubigen der Teilkirchen, denen ihr in Liebe vorsteht.

Unsere Begegnungen in diesen Tagen haben den selbstlosen Eifer gezeigt, mit dem ihr euer Hirtenamt erfüllt, und ich hatte Gelegenheit, Hoffnungen und Wünsche, Schwierigkeiten und Sorgen, Freuden und Erfolge eures Dienstes am Volk Gottes in Sambia zu teilen. Auch erinnerte mich euer Besuch an meine nunmehr zehn Jahre zurückliegende Pastoralreise durch euer Land, die mir ermöglichte, aus erster Hand »die Herzlichkeit eurer Beziehungen zueinander und euren sehnsüchtigen Wunsch nach einer von Achtung für die Würde jedes Menschen geprägten Gesellschaft erleben zu können« (vgl. Ansprache bei der Abschiedsfeier, Lusaka, 4. Mai 1989, Nr. 1). Damals war es mir eine ganz besondere Freude, Zeuge »der Festigkeit und Kraft der katholischen Kirche in Sambia zu sein« (vgl. ebd., Nr. 2), etwas, das ich nie vergessen habe.

2. In den zehn Jahren, die seit meinem Besuch vergangen sind, hat sich die dramatische Situation auf dem afrikanischen Kontinent, einschließlich Sambia, weiterhin verschlechtert, eine Tatsache, die von der Weltöffentlichkeit oft vergessen wird, die aber der Kirche und dem Papst stets zutiefst am Herzen liegt. Jahrhundertealte Plagen wie Krieg, Hunger, Armut und Krankheit bedrängen weiterhin die Völker Afrikas, und auch Sambia ist nicht verschont geblieben. Konflikte in benachbarten Staaten haben auch Sambia betroffen, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Vertriebenen, die in eurem Land Zuflucht gesucht haben. Aids wirft seinen Schatten auf euren Kontinent und fordert erschreckend viele Menschenleben. Die Fähigkeit, diese Probleme zu lösen, wird durch die erdrückende Last der Auslandsverschuldung weiterhin beeinträchtigt. In einer solchen Situation werden die Menschen oft zu Opfern von Angst und Verzweiflung, klammern sich an falsche Versprechen und Lösungen, die die Lage oft noch verschlechtern. Dennoch geht aus euren Fünf-Jahres-Berichten deutlich hervor, daß die Kirche Sambias trotz des großen Leids standhaft geblieben ist und mit neuem Leben und neuer Kraft wächst. Zweifellos ist das ein Anlaß zu Hoffnung, und ich danke dem allmächtigen Gott. Mehr denn je braucht Sambia nun die Kirche als Zeugin des gekreuzigten Christus, denn er allein ist das Licht, das keine Finsternis erfassen kann (vgl. Joh 1,5). Unlängst feierte euer Land das hundertjährige Jubiläum seiner Evangelisierung; und nun, nach hundertjährigem Wachstum, ist die Kirche mehr und mehr präsent und erfüllt ihre religiöse Aufgabe, ihren Dienst im Bereich des Bildungs- und Gesundheitswesens und bemüht sich um die ganzheitliche menschliche Entwicklung der Menschen. Dieser Einsatz ist von größter Bedeutung und wird auch weiterhin eine Herausforderung für das pastorale Leitungsamt sein. Aber als weise Hirten der Kirche seid ihr euch auch sehr wohl bewußt, daß darüber das noch grundlegendere Anliegen der Festigung der natürlichen Familie und ihrer heiligen Aufgabe als »ecclesia domestica« und der spirituellen kirchlichen Familie in ihrer heiligen Aufgabe als »ecclesia publica« steht. Von der erfolgreichen Verwirklichung dieser zweifachen Aufgabe – die in Wahrheit lediglich eine einzige ist – wird das Schicksal der kirchlichen Sendung in Sambia abhängen.

3. Mit Recht war die Familie somit Gegenstand eurer besonderen pastoralen Anliegen. Wie überall ist die Familie auch in Sambia heute mancherlei Belastungen ausgesetzt, deren Ursprung politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und auch kultureller Natur ist. Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel, externe kulturelle Einflüsse und traditionelles Brauchtum wie Polygamie bedrohen die Einheit und Stabilität der Familien Sambias. Gleiches gilt für Ehescheidung, Abtreibung, die Verbreitung einer für Empfängnisverhütung offenen Mentalität und das die Verschärfung des Aids-Notstands verursachende verantwortungslose Sexualverhalten. All diese Faktoren erniedrigen die Würde des Menschen auf eine Art und Weise, die die Verpflichtungen der ehelichen Gemeinschaft zunehmend erschweren, denn naturgemäß gründet die Ehe auf dem tiefen Sinn für den Wert des menschlichen Lebens und seiner Würde. Daher war euer jüngster Hirtenbrief über die Heiligkeit des menschlichen Lebens so aktuell. Zweifellos wird er zur Festigung des christlichen Zeugnisses in Sambia beitragen und das Bewußtsein im Hinblick auf dieses grundlegende Thema im ganzen Land stärken.

Ohne gesunde Familien ist keine Gesellschaft entwicklungsfähig; daher müssen alle kirchlichen Mittel und Institutionen eingesetzt werden, um den Familien Sambias zu helfen, in Treue und Hochherzigkeit als wahre »Hauskirchen« (vgl. Lumen gentium, 11) zu leben. Das gilt für katholische Schulen, die stets jene Werte lehren sollten, die der von Christen gelebten Sexualität ihren Sinn verleihen. Das gilt für Jugendprogramme, die auf dieser Grundlage gefestigt und aufgebaut werden und vor allem die Rolle und Würde der Frau hervorheben müssen. Das gilt für Ehevorbereitungskurse, die das Brautpaar mit der christlichen Bedeutung und der Schönheit ehelicher Liebe vertraut machen sollen. Ferner bedeutet es, daß pastorale Unterstützung auch jenen Familien zuteil werden soll, die von Schwierigkeiten betroffen sind. Die Zukunft Sambias ist die Zukunft seiner Familien.

Im allgemeinen erfordert die Unterstützung der Familie als Grundzelle der Gesellschaft ein entschlossenes Vorgehen, um jenen Schwierigkeiten entgegenzuwirken, mit denen Eheleute konfrontiert sind, einschließlich familienfeindlicher kultureller Belastungen und Politiken. Die gesamte Kirche muß sich nun mit aller Kraft einsetzen, um die Familien Sambias so stark zu machen, wie Gott es wünscht, damit auch die Zukunft der Nation so reich sein wird, wie Gott es wünscht.

4. Als Hirten richtet sich euer Amt hauptsächlich auf die Stärkung der geistigen Familie der Kirche, damit »die Kraft des Evangeliums, die jeden rettet« (vgl. Röm 1,16), alle Aspekte im Leben der Christgläubigen durchtränken und den Weg der Gesellschaft zu stets größerer Wahrheit, Gerechtigkeit und Eintracht erleuchten möge. In vieler Hinsicht wird die Kirche ein Zeichen des Widerspruchs in einer Situation sein, in der die Kräfte der Entfremdung nicht zu übersehen sind, und das verlangt von euch eine zutiefst geistige Sicht der Dinge und ein »heiliges, untadeliges und schuldloses Leben« vor Gott (vgl. Kol 1,22). Das nachsynodale apostolische Schreiben Ecclesia in Africa erinnert die Bischöfe an die Mahnung von Papst Gregor dem Großen, wonach »der Hirte vor allem durch ein vorbildliches und von Heiligkeit geprägtes sittliches Verhalten ein Licht für seine Gläubigen ist« (Nr. 98).

5. Da in der kirchlichen Familie so viel von der Führungsqualität der Geistlichen abhängt, müssen sie unbedingt die erste Sorge eures Dienstes sein. Eure Beziehungen zu ihnen sollten sich stets durch Einheit, Brüderlichkeit und Ermutigung auszeichnen. In der Priesterweihe sind sie mit Christus, dem Haupt und Hirten der Kirche, gleichgestaltet geworden. Daher teilen sie sein vollkommenes Aufopfern für die Herde und das Kommen des Reiches. Wie ihr sehr wohl wißt, erfordert das treue und fruchtbare Leben der priesterlichen Berufung ständige Weiterbildung. Aufgrund dessen habt ihr spezielle Programme für Priester, insbesondere für die neugeweihten unter ihnen, ausgearbeitet, um ihnen bei der Fortsetzung ihrer geistigen, pastoralen und spirituellen Bildung zu helfen. Zahlreiche eurer Priester haben bereits von diesen Programmen Gebrauch gemacht. Meinerseits möchte ich diese Initiative voll unterstützen und euch ermutigen, alles zu tun, um möglichst viele eurer Geistlichen in den Prozeß einzubeziehen.Priesterliche Existenz als Vorbild der Jugend Ständige persönliche Erneuerung ist eine wesentliche Komponente jedes christlichen Lebens, und bei Priestern ist sie mit einem eindeutigen Geist des Loslösens von allen weltlichen Dingen und Einstellungen verbunden. Ganz klar kommt das durch den priesterlichen Zölibat zum Ausdruck, jenen Wert, der als vollkommene Hingabe an den Herrn und seine Kirche sorgfältig bewahrt werden muß. Demnach muß jedes eventuell anstößige Verhalten strengstens vermieden oder, wo notwendig, korrigiert werden. Bei all dem ist die Seminarausbildung von größter Bedeutung, denn wenn die in jenem Stadium geschaffene Grundlage schwach ist, dann wird Sambia nicht jene eifrigen und selbstlosen Priester haben, die es jetzt braucht. Doch schon vor der Seminarausbildung entstehen und wachsen gute Priesterberufungen in wirklich christlichen Familien – was wiederum ein Grund für euch ist, bei der Familienpastoral keine Mühe zu scheuen.

6. Ein weiteres positives Zeichen in der Kirche Sambias ist die ständig wachsende Zahl der Berufungen für das geweihte Leben. Um auch hier jene Führung zu gewährleisten, die die kirchliche Familie braucht, möchte ich dringend dazu auffordern, bei der Auswahl und Ausbildung der Kandidaten größte Sorgfalt anzuwenden. Auch hier ist das Familienleben wiederum von wesentlicher Bedeutung: zahlreiche zum geweihten Leben berufene junge Frauen und Männer stammen aus Familien, die noch nicht lange mit dem christlichen Leben vertraut sind und kaum eine christliche Ausbildung haben. Im geweihten wie auch im priesterlichen Leben besteht die Gefahr, es als Mittel zu gesellschaftlichem Aufstieg oder aus Prestigegründen zu mißbrauchen. Die Kandidaten dürfen nicht der Versuchung nachgeben, sich für etwas Besseres zu halten als andere oder nach höherem materiellen Wohlstand zu streben. In solchen Fällen wird der eigentliche Charakter des geweihten oder priesterlichen Dienstes nur äußerlich angenommen, nicht aber auf zutiefst persönlicher Ebene verinnerlicht. Ausbildungsprogramme sollten die höchsten Ideale aufrechterhalten und wirklich beispielhaften Priestern und Ordensleuten anvertraut werden.

7. Während sich die geistige Familie der Kirche festigt, werdet ihr bessere Möglichkeiten haben, jenen ökumenischen Dialog und jene Kooperation zu verwirklichen, die notwendig sind, damit die verschiedenen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in gegenseitigem Einvernehmen und Achtung wachsen und die Christen jene Trennungen überwinden können, die ihre Sendung in diesem nun zu Ende gehenden Jahrtausend beeinträchtigt haben (vgl. Tertio millennio adveniente, 34). Auch bessern sich die Voraussetzungen für den Dialog mit dem Islam, der, obwohl eine Minderheit in eurem Land, stets an Einfluß gewinnt und in verschiedenen Teilen der Nation Moscheen, Schulen und Krankenhäuser errichtet. Unter diesen Umständen ist eine zweifache Antwort der Kirche unerläßlich – einerseits intensive und unablässige Evangelisierung und Katechese für Katholiken und andererseits aufrichtige Bereitschaft für den interreligiösen Dialog.

Eine wesentliche pastorale Herausforderung völlig anderer Art ist die durch die Verbreitung fundamentalistischer Sekten verursachte Schwächung und in manchen Fällen auch der Verlust wahrer christlicher Identität. Sie finden Nährboden in Zeiten gesellschaftlicher Erschütterungen und kultureller Entfremdung, wenn Angst und Hoffnungslosigkeit vorherrschen; sie sind dann am stärksten, wenn die Erfahrung der Kirche als Familie am schwächsten ist. Um ihren trügerischen Versprechen und falschen Lösungen entgegenzuwirken, braucht die Kirche in Sambia Programme, um den Gläubigen eine klare und korrekte Katechese zu bieten, die ihnen ein tieferes Verständnis jener Heilswahrheiten des Glaubens und wahren Verheißungen Christi vermitteln, die allein vertrauenswürdig sind. Im Rahmen solcher Programme könnte ein intensiverer Einsatz von audiovisuellem religiösen Material und Rundfunksendungen eurer Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesen nützlich sein. Intensivere Bemühungen dieser Art würden den Laien Sambias auch ermöglichen, ein stets sichtbareres öffentliches Zeugnis ihres katholischen Glaubens zu geben und so zu wahren Verkündern des Evangeliums in ihren Familien und Gemeinden zu werden.

Euer Einsatz für den Aufbau kleiner christlicher Gemeinschaften auf lokaler Ebene hat viel zur Intensivierung der aktiven Teilnahme der Laien am Pfarrgemeinde- und Diözesanleben beigetragen. In der Tat sind diese Gemeinschaften zu einem charakteristischen Merkmal der dynamischen Präsenz der Kirche in Sambia geworden. Hier möchte ich zwei wichtige Vereinigungen erwähnen, die sich für die Förderung der verschiedenen heute in Sambia aktiv tätigen Apostolatsbewegungen der Laien einsetzen: der Nationale Rat für die Laien und der Nationale Rat Katholischer Frauen. Auch das sind Zeichen des ständigen Wachstums der Kirche Sambias, die beweisen, daß ihr, liebe Brüder, euch die Worte aus dem Ritus der Bischofsweihe zu eigen gemacht habt: »Wie ein Vater und ein Bruder sollst du all jene lieben, die Gott dir anvertraut. […] Ermutige die Gläubigen zur Anteilnahme an deiner apostolischen Aufgabe, höre bereitwillig auf das, was sie zu sagen haben.«

Liebe Brüder, heute habe ich diese kurzen Gedanken mit euch geteilt und versucht, euch im Herrn Mut zu machen und in eurem Dienst an seinem Volk zu stärken. Während für euer Land das zweite christliche Jahrhundert beginnt und es sich auf den Übergang in das dritte Jahrtausend vorbereitet, steht Sambia vor der Herausforderung, sich als christliche Nation zu zeigen, und zwar nicht nur kraft einer offiziellen Erklärung, sondern vielmehr weil es ein Land ist, in dem der christliche Glauben in Wort und Tat gelebt wird, in dem das Gesetz der Liebe vorherrscht und in dem das Gebot des Herrn: »Laßt euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen« (vgl. Mt 5,16) von allen, die seinen Namen hören, treu befolgt wird. Euch und die Katholiken Sambias vertraue ich der liebevollen Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche, an. Möge euch das Anrufen ihres heiligen Namens zu noch größerem Dienst an Christus, ihrem Sohn, führen.

Euch, den Priestern, Ordensleuten und Christgläubigen eurer Diözesen erteile ich von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen.

 



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