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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DEN GENERALSEKRETÄR
UND DEN KOORDINATIONSAUSSCHUSS
DER VEREINTEN NATIONEN

Freitag, 7. April 2000

 

Herr Generalsekretär,
verehrte Gäste!

1. Mit großer Freude heiße ich Sie alle zu dem hier in Rom stattfindenden Treffen des Koordinationsausschusses der Vereinten Nationen herzlich willkommen. In tiefer Anerkennung Ihrer Arbeit für das Wohl der Völker in aller Welt bete ich zu Gott, damit Ihnen und allen, die an Ihren Beratungen teilnehmen, das Geschenk der Weisheit und Einsicht zuteil werde. Ihnen, Herr Generalsekretär, danke ich für die herzlichen Einführungsworte. Ihr »Millennium Report« wird für die Arbeit des Ausschusses in diesen Tagen zweifellos von großem Nutzen sein.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, hat uns das vergangene Jahrtausend eine Reihe ungewöhnlicher Herausforderungen hinterlassen. Sie sind nicht ungewöhnlich, weil sie neu sind, denn Kriege, Verfolgungen, Armut, Katastrophen und Epidemien hat es schließlich immer gegeben, sondern weil die wechselseitigen Abhängigkeiten in der Welt ihnen zunehmend eine globale Dimension verleihen. Diese erfordert neue Denkweisen und neue Wege internationaler Kooperation, um ihnen wirksam entgegenzutreten. Zu Beginn des neuen Jahrtausends verfügt die Menschheit durchaus über die notwendigen Mittel hierzu. Die Vereinten Nationen und die durch Sie vertretene große Familie der Sonderorganisationen sind das natürliche Forum für die Entwicklung dieser Mentalität und Strategie internationaler Solidarität.

Für das Erarbeiten dieser neuen Perspektive ist die Rolle des Koordinationsausschusses von grundlegender Bedeutung. Unter der Leitung des Generalsekretärs treten in diesem Gremium die maßgeblichen Mitglieder der jeweiligen Sonderorganisationen zusammen, um die verschiedenen Politiken und Programme zu koordinieren. Daher konzentrieren sich die Reflexionen und Bemühungen Ihres Ausschusses auf die möglichen Folgen der Globalisierung für die Entwicklung, auf die sozioökonomischen Ursachen humanitärer Notstände, die permanente Konfliktsituation in Afrika und in anderen Teilen der Welt und die Fähigkeit der Institutionen des UN-Systems, neuen internationalen Herausforderungen entgegenzuwirken.

2. Die uneingeschränkte Ausweitung des Welthandels und der außergewöhnliche Fortschritt auf den Gebieten der Technologie, der Kommunikationsmittel und des Austauschs von Informationen sind Aspekte jenes dynamischen Prozesses, der zum Abbau der Distanz zwischen den Völkern und Kontinenten beiträgt. Dennoch können nicht alle Nationen in gleichem Maße auf diese neue Situation Einfluß nehmen. Mehr oder weniger ausschlaggebend ist vielmehr ihr wirtschaftlicher und politischer Einfluß. Die neue Situation ist dergestalt, daß in vielen Fällen Entscheidungen von weltweiter Bedeutung nur von kleinen und begrenzten Gruppen von Nationen getroffen werden. Die anderen Länder versuchen oft unter großen Anstrengungen diese Beschlüsse mit dem in Einklang zu bringen, was im Interesse ihrer Bevölkerung liegt, oder sind lediglich bestrebt, wie in den schwächeren Ländern, sich diesen Entscheidungen anzupassen, was nicht selten mit negativen Auswirkungen für die Bevölkerung verbunden ist. Bei der überwiegenden Mehrheit der Nationen zeigt sich somit die verminderte Fähigkeit des Staates, dem Gemeinwohl zu dienen und gesellschaftliche Gerechtigkeit und Harmonie zu fördern.

Wirtschaftliche Globalisierung führt wiederum zu gesellschaftlicher und kultureller Globalisierung. In diesem Kontext erhalten die nichtstaatlichen Organisationen mit ihrem breiten Spektrum besonderer Interessen stets herausragendere Bedeutung im internationalen Leben. Zu ihren bisher größten Erfolgen gehört wahrscheinlich das von ihnen geförderte Bewußtsein eines notwendigen Übergangs von einer defensiven und auf die Wahrung spezieller und gegensätzlicher Interessen ausgerichteten Haltung zu einem das Ganze betreffenden Konzept von Entwicklung. Ein Beispiel hierfür ist das wachsende Bewußtsein der Industrienationen hinsichtlich ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Probleme der weniger entwickelten Länder. Die Kampagne zur Verringerung oder Aufhebung der Auslandsverschuldung der ärmsten Länder ist ein weiteres und keineswegs das einzige Beispiel eines wachsenden internationalen Solidaritätsbewußtseins.

3. Die Entwicklung dieses neuen Bewußtseins innerhalb der Gesellschaft bietet dem System der Vereinten Nationen die einzigartige Gelegenheit, als Begegnungsstätte der Staaten und der menschlichen Gemeinschaft und als Sammelpunkt von verschiedenen regionalen und partikulären Interessen und Erfordernissen in der Welt zur Globalisierung von Solidarität zu dienen.

Die Zusammenarbeit zwischen den internationalen und den nichtstaatlichen Organisationen wird dazu beitragen, daß die Interessen der Staaten und der verschiedenen in ihnen vertretenen Gruppen, so legitim sie auch sein mögen, nicht auf Kosten der Interessen oder Rechte anderer Völker, insbesondere der schwächeren, rechtlich vertreten oder verteidigt werden.

Die im Geist internationaler Solidarität verrichtete politische und wirtschaftliche Aktivität kann und muß zu freiwilliger Einschränkung einseitiger Vorteile führen, damit auch andere Länder und Völker in den Genuß dieser Vorteile kommen. Auf diese Weise kann dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohl aller gedient werden.

Am Anfang des 21. Jahrhunderts gilt es, eine Welt aufzubauen, in der Einzelpersonen ebenso wie Völker voll und ganz ihre Verantwortung gegenüber anderen Menschen, gegenüber allen Bewohnern dieser Erde anerkennen. Ihre Arbeit kann viel zur Stärkung des multilateralen Systems beitragen, um diese internationale Solidarität aufzubauen. Voraussetzung für all diese Bemühungen ist die Anerkennung der Würde und zentralen Stellung jedes Menschen als Mitglied der menschlichen Familie und, für die Gläubigen, als Kinder Gottes. Die Aufgabe besteht also darin, auf allen Ebenen der Gesellschaft dafür Sorge zu tragen, die logischen Folgen unserer gemeinsamen menschlichen Würde zu akzeptieren und deren Achtung in allen Situationen zu garantieren.

4. Anlaß zu tiefer Sorge ist in dieser Hinsicht die Tatsache, daß einige Gruppen versuchen, der internationalen Gemeinschaft Ideologien oder Lebensweisen aufzudrängen, die lediglich von kleinen Minderheiten in der Gesellschaft geteilt werden, ein Aspekt, der wohl insbesondere im Hinblick auf die Verteidigung des Lebens und den Schutz der Familie deutlich wird. Die Verantwortlichen der Vereinten Nationen müssen darauf achten, das nicht umzustürzen, was die Gemeinschaft und das internationale Recht zur Wahrung der menschlichen Würde und für den Zusammenhalt der Gesellschaft mühsam aufgebaut haben. Es handelt sich um ein gemeinsames Erbe, das niemand vergeuden darf.

Möge der Herr alle Bemühungen und Initiativen Ihres Ausschusses zur Koordinierung der Aktivitäten des UN-Systems begleiten. Möge Ihr Wirken von hochherzigem und eifrigem Streben im Geist globaler Solidarität erfüllt sein. Gott segne Sie, Herr Generalsekretär, und alle, die mit Ihnen an diesem Treffen teilnehmen!

 

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