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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE PILGER AUS MAILAND UND VENEDIG
ANLÄSSLICH IHRER HEILIGJAHRWALLFAHRT

Samstag, 5. November 2000

 

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Es ist mir eine Freude, euch anläßlich eurer Heiligjahrwallfahrt zu den Apostelgräbern zu empfangen. Insbesondere wende ich mich an euch, liebe Pilger aus der Erzdiözese Mailand. Ganz herzlich begrüße ich Herrn Kardinal Carlo Maria Martini, euren unermüdlichen Oberhirten, und danke ihm für die freundlichen Worte, mit denen er eure Empfindungen so trefflich zum Ausdruck gebracht hat. Auch danke ich ihm für die herzlichen Glückwünsche zu meinem Namenstag, die ich Ihnen, Herr Kardinal, der ja auch Sie den Namen Karl tragen, hiermit erwidere. Zudem möchte ich allen gratulieren, die den hl. Karl Borromäus als ihren Namenspatron verehren.

Meinen Gruß richte ich auch an die Weihbischöfe und die hier anwesenden Bischöfe des ambrosianischen Ritus, an die Priester, Ordensleute, Seminaristen und Pastoralassistenten sowie an die Vertreter der zivilen Behörden aus Region, Provinz und Kommunen, die heute mit euch zusammen diesen bedeutsamen Augenblick tiefer Freude und intensiver Spiritualität erleben wollten. Mein herzlicher Willkommensgruß gilt des weiteren den Pfarreivertretern der Diözesen Lugano, Novara und Bergamo, die von alters her den ambrosianischen Ritus befolgen, sowie den Ministranten eurer Pfarreien, die heute so zahlreich bei euch sind und somit diese Begegnung noch festlicher machen.

2. Ihr begeht eure Jubiläumsfeier in der Ewigen Stadt, die der hl. Karl als »die glorreichste vor allen anderen Städten« definiert hat und die unter der Führung einer großen und kräftigen Gestalt zwei wunderbare Augen hat, nämlich die Leiber der beiden Apostel (vgl. Acta Ecclesiae Mediolanensis, Bd. II, S. 88). Eure Wallfahrt fällt genau auf jenen Tag, an dem die Kirche seiner gedenkt. Ich erinnere mich noch an die Besuche in eurem schönen Dom, wo ich vor den sterblichen Überresten dieses großen Bischofs, die in der Krypta ihre letzte Ruhe fanden, niederknien durfte.

Im Geiste kehre ich nun an sein Grab zurück und lausche den wertvollen Weisungen, die er für die Wallfahrt im Heiligen Jahr erteilt. In einem seiner Hirtenbriefe zum Heiligen Jahr 1575 schreibt er: »Wenn ihr in Rom angekommen seid, gebeichtet und kommuniziert habt, rüstet euch in Ehrfurcht, um das heilige Jubiläum zu begehen, indem ihr von aller Neugier und Einbildung Abstand nehmt. Das Jubiläum ist ein Heiliges Jahr, ein Jahr größter Vergebung, ein Gnadenjahr des Herrn« (Acta E. M., Bd. II, S. 885). Wie damals bedeutet das Jubiläum auch heute eine günstige und wertvolle Gelegenheit zur wahren Umkehr.

3. Liebe Brüder und Schwestern, entdeckt Tag für Tag von neuem die barmherzige Liebe, die Gott jedem Menschen entgegenbringt. Entscheidet euch mit stets neuem Eifer für Christus, und fühlt euch immer mehr mit eurem Nächsten verbunden, vor allem mit all jenen, die eurer am meisten bedürfen. Erlebt diesen Beginn des dritten Jahrtausends gefestigt im Glauben, gestärkt in der Hoffnung und mit brennender Liebe. Es gibt viele Herausforderungen, die ihr in dieser epochalen Zeitwende in Angriff nehmen müßt!

So etwa die Herausforderung des Konsumismus: Eure Region lebt im Wohlstand; die Suche nach überflüssigen Gütern soll bei euch niemals die Überhand gewinnen, und sie lasse euch niemals die Bedürfnisse der Armen vergessen, die in eurer Nähe leben, sowie all derer, die weiter entfernt sind.

Die Herausforderung der Säkularisierung: Aus vielen Lebensbereichen scheint Gott heutzutage endgültig ausgeschlossen zu sein. Daher ist der Einsatz im Bereich der Evangelisierung so wichtig und dringend, da durch ihn die Wirklichkeit, in der ihr lebt, von christlichen Werten durchwirkt wird. Zudem wird allen die Möglichkeit zur Begegnung mit dem Wort Gottes und der Person Jesu Christi ermöglicht. Viele Menschen sind – vielleicht unbewußt – auf der Suche nach eben diesen tiefen geistigen Erfahrungswerten.

Zudem stellt sich die Herausforderung der multikulturellen Gesellschaft: Auch auf dem Territorium eurer Erzdiözese treffen viele Menschen aus verschiedenen Ländern, Rassen, Kulturen und Religionen aufeinander. Es wird von euch verlangt, daß ihr die Türen eurer Herzen jenen nicht verschließt, die euch um Aufnahme bitten. Wir glauben, daß die Gastfreundschaft und das Zeugnisablegen für die Liebe ein bevorzugter Weg ist, um über Jesus zu sprechen mit all denen, die ihn noch nicht kennen.

4. Euer Erzbischof hat soeben die vorrangigen Themen angeführt, die ihr für das nächste Pastoraljahr ausgearbeitet habt. Diese Themen erfordern das großzügige Mitwirken aller Mitglieder der diözesanen Gemeinschaft: der Jugendlichen, der Berufenen, der Priester und der Pastoralassistenten. Ich bitte euch, daß ihr euren geplanten Initiativen auch nachkommt und eure großzügige Mitarbeit zur Verfügung stellt, ein jeder nach seinen Möglichkeiten. Auf diese Weise kommt ihr alle gemeinsam auf dem Weg der Neuevangelisierung voran, und Gott wird allen euren Bemühungen überreiche Früchte des Guten gewähren.

Kirche von Mailand, hab keine Furcht angesichts der großen Herausforderungen der Gegenwart! Gehe mutig auf dem Weg der Neuevangelisierung voran, indem du dich in den liebevollen Dienst an den Armen stellst und in allen Bereichen der Gesellschaft ein christliches Zeugnis ablegst. Sei dir der langen und segensreichen Geschichte deiner Pfarreien, Oratorien und zahlreichen Vereinigungen bewußt. Möge das Evangelium stets in den kleinen und großen Entscheidungen des alltäglichen Lebens gelebt werden, und möge jede christliche Gemeinschaft in Treue zu ihren geistigen Traditionen das eigene fruchtbare apostolische Zeugnis erneuern.

Es begleite und unterstütze euch hierbei die allerseligste Gottesmutter Maria. Sie bitte ich, daß sie als fürsorgende Mutter über eure Familien und besonders über die Kranken und schwachen Menschen wache. Auch stehen euch die heiligen Schutzpatrone eurer Erzdiözese Ambrosius und Karl bei.

5. Nun wende ich mich an euch, liebe Pilger aus dem Patriarchat Venedig, und grüße vor allem meinen verehrten Bruder, Kardinal Marco Cè. Ich danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Diese Wallfahrt ließ euch erneut den Spuren der Apostel Petrus und Paulus folgen.

Der heutige Tag bietet euch die Gelegenheit, eure Treue zum Nachfolger Petri zu erneuern. Danke für euren Besuch und euer Gebet. Mit Gottes Liebe die Würde unserer Brüder achten Laßt euch in diesen Tagen, die von den einzigartigen Eindrücken des Jubiläums geprägt sind, vom Licht und der Freude Christi erleuchten. Nur er kann eure Herzen mit Hoffnung erfüllen. Nur er vermag es, in einem jeden von euch neuen apostolischen Eifer hervorzurufen, der euch befähigt, auf Herz und Geist aller einzuwirken, die euch in eurem alltäglichen Leben begegnen. Werdet, gemäß dem Beispiel eures Schutzpatrons, des hl. Markus, zu Aposteln des Evangeliums; verbreitet überall die Frohbotschaft durch ein unermüdliches Zeugnis brüderlicher Liebe und Fürsorge für die Bedürftigsten unter euren Nächsten. Sich den Bedürfnissen der anderen zu öffnen ist ein beredtes Zeichen jener Liebe, von der im Evangelium die Rede ist, der Liebe also, die auch die Herzen jener ergreift, die nicht glauben. Schöpft aus der unversiegbaren Quelle der göttlichen Liebe jene unerläßlichen Kräfte, um unermüdlich für die Würde jedes Menschen zu wirken. Die Liebe Christi ermutigt und unterstützt euch in euren Bemühungen, zusammen mit allen Menschen guten Willens eine Gesellschaft zu errichten, die allen Menschen Achtung entgegenbringt.

6. Das Jubiläum ermutigt uns zu einer umfassenden und tiefen geistlichen Erneuerung. Zur persönlichen Bekehrung muß eine wahrhaftige gemeinschaftliche Umkehr hinzukommen. Für eine fruchtbringende apostolische Tätigkeit ist der Beitrag eines jeden in Übereinstimmung mit dem pastoralen Weg des Patriarchen notwendig. Die Einheit stellt zusammen mit der Vielfalt einen großen Reichtum dar, durch den die Kirche ihre eigene unablässige und dynamische Entwicklung erfährt. Laßt euch nicht von Schwierigkeiten aufhalten, und laßt den Mut nicht sinken, wenn ihr bei der Verwirklichung dieses anspruchsvollen spirituellen Programms auf Hindernisse und mitunter auch auf Unverständnis stößt. Geht vertrauensvoll voran. Der Herr ist mit euch: er geht mit euch, und durch die Macht seines Geistes erneuert er euch beständig. Sorgt euch nur darum, ihm nachzufolgen, und bringt durch seine Hilfe allen – auch jenen, die fernstehen – die lebendige Botschaft vom Worte des Heils. Schreitet in euren apostolischen Bemühungen voran, und bedient euch hierbei eines jeden nutzvollen Mittels.

Geht voller Freude auf eurem Weg voran, liebe Brüder und Schwestern. Ihr könnt auf eine reiche und edle christliche Tradition zurückblicken. Viele Heilige und Selige haben eure Region zu einem Land der Heiligkeit gemacht. Folgt ihrem Beispiel nach, und geht weiter auf dem Pfad der Heiligkeit. Seid Apostel dieser eurer Zeit, und vertraut immer auf die Unterstützung Gottes.

Die Gottesmutter Maria, derer wir an diesem ersten Samstag im Monat November gedenken, soll euch Vorbild für euren Glauben sein. Sie sei der Stern, der eure Schritte leitet. In diesem Sinne versichere ich euch und eure Gemeinschaft meines besonderen Gebetes.

7. Schließlich richte ich einen Gruß an alle weiteren Pilger, die bei dieser Begegnung anwesend sein wollten. Einem jeden einzelnen von euch wünsche ich, daß euch euer Durchschreiten der Heiligen Pforte noch enger an Christus binden möge, der der einzige Erlöser des Menschen ist. Meine lieben Brüder und Schwestern, gerne schließe ich euch in mein Gebet ein, und von Herzen segne ich euch, eure Familien und alle Menschen, die euch nahe stehen.

           

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