Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - FR  - PT ]

ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER VON RUANDA

Freitag, 13. Dezember 2002

 


Herr Botschafter!

1. Mit Freude heiße ich Eure Exzellenz willkommen anläßlich der Überreichung des Schreibens, das Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Ruanda beim Hl. Stuhl akkreditiert.

Ich habe die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben, aufmerksam verfolgt und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Seiner Exzellenz Herrn Paul Kagame, dem Präsidenten der Republik, meinen Dank übermitteln würden für die guten Wünsche, die er mir durch Sie bekundet hat. Herzlich grüße ich zudem das gesamte ruandesische Volk und bitte Gott, ihm zu helfen, aus den Prüfungen der Vergangenheit herauszufinden. Lange Jahre hindurch war das Land der Willkür von Haß und Gewalt ausgeliefert, jetzt aber haben alle Glieder der Nation die Aufgabe, sich immer intensiver dafür einzusetzen, geeignete politische, wirtschaftliche und soziale Lösungen zu finden und verantwortungsvoll in die Tat umzusetzen. Durch die Förderung der nationalen Einheit unter Achtung der verschiedenen Gefühle und Meinungen werden sie es den gegenwärtigen und den zukünftigen Generationen ermöglichen, aufs neue zu lernen, als Geschwister in einem versöhnten und blühenden Land zu leben.

2. Sie erinnerten daran, Herr Botschafter, daß die Notwendigkeit einer gerechten Rechtssprechung zweifellos für jeden Staat das Fundament bildet, auf dem der wahre Friede und eine solide Demokratie im Dienst der umfassenden Entwicklung aller Bürger ohne jede Ausnahme aufgebaut werden können. Die Bemühungen, die in Ihrem Land zur Förderung der Gerechtigkeit unternommen werden, verdienen höchsten Respekt, und es wäre wünschenswert, daß sie Frucht bringen. Dies ist ein Beitrag zur Festigung der nationalen Einheit und zur Beseitigung einer Kultur der Straffreiheit, die mit Sicherheit Haß anfacht und die Ungleichheiten zwischen den Einzelpersonen und den ethnischen Gruppen verschärft. Es geht darum, den Ruandesen zu ermöglichen, den Weg der wirklichen Versöhnung und des Teilens vertrauensvoll und entschlossen einzuschlagen;zugleich soll man sich aber darum bemühen, die Wahrheit über die Umstände, die den Völkermord verursacht haben, mutig zu suchen und offenzulegen. Dies setzt insbesondere voraus, daß jegliche Form des Ethnozentrismus vermieden wird, denn dieser führt zur Herrschaft der einen über die anderen, und daß ein hoffnungsvoller Blick auf den Weg gerichtet wird, der noch zurückzulegen ist, um gemeinsam zum Frieden zu gelangen.

3. Der von Ruanda nun eingeschlagene Weg zum Wiederaufbau der Nation und zur Eintracht unter allen Einwohnern ist auch ein Weg der Demokratisierung. Er führt über eine immer größere Aufmerksamkeit für bestimmte Aspekte der Demokratie: die Verteidigung der öffentlichen Freiheiten, die Förderung des Pluralismus in der Politik, die Achtung der Würde und der Grundrechte von Einzelpersonen und Gemeinschaften. Gegenwärtig wird an der neuen Verfassung Ihres Landes gearbeitet. Möge dieses Dokument, das ein Ergebnis der Zusammenarbeit aller Bürger ist, die nationale Einheit untermauern, namentlich durch die Förderung und Sicherung jener menschlichen, sittlichen und geistigen Werte, die allen Ruandesen eine immer aktivere Beteiligung am Leben und Wachstum des Landes ermöglichen werden! Diese universalen Werte, wie etwa die Achtung vor dem menschlichen Leben, der Sinn für das Gemeinwohl, die Aufnahme der Repatrianten oder die Förderung der Familie, sind ein kostbares Erbe, das einen Quell der Hoffnung darstellt, und zwar nicht nur für Ruanda, sondern für die gesamte Region der Großen Seen, die dazu aufgerufen ist, die zur Begründung einer dauerhaften und solidarischen Entwicklung nötige Seelenstärke und den entsprechenden politischen Mut zu finden.

4. Die katholische Kirche hat sich im Laufe der Jahre dafür eingesetzt, pastorale Vorschläge auszuarbeiten, die dem Volk bei der Versöhnung helfen und eine innerliche Heilung der Personen fördern können. Es freut mich zu wissen, daß die Autoritäten Ihres Landes der Kirche gesichertere Möglichkeiten zur freien Ausübung ihres Sendungsauftrags gewähren wollen. Sie können sicher sein, daß sie sich unermüdlich in den Dienst des Friedens und der Brüderlichkeit unter den Menschen stellen möchte, indem sie deren Gewissen und Herz bildet, damit sie mit der gegenwärtigen Situation besser umgehen können. Auf diese Weise erfüllt sie ihren Evangelisierungsauftrag, teilt ihre Hoffnung für die Zukunft anderen mit und beteiligt sich am sozialen und geistigen Aufbau der Gesellschaft in Ruanda unter Achtung der örtlichen Traditionen.

5. Herr Botschafter, gestatten Sie mir, durch Sie einen herzlichen Gruß an die Bischöfe und die katholische Gemeinschaft Ihres Landes zu richten. Ich bin in Kenntnis gesetzt über die harten Prüfungen, die sie zusammen mit ihren Landsleuten durchlebt haben, und ich danke dem Herrn für ihre Beharrlichkeit und Treue in der Verkündigung des Evangeliums des Lebens und der Vergebung. In diesen Tagen, die ihrer Nation eine neue Zukunft verheißen, lade ich sie alle ein, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen, den Brüdern und Schwestern zu zeigen, daß Gott sie weder verlassen noch vergessen hat. Der Name jedes Ruandesen ist in die von den Kreuzesnägeln durchbohrten Handflächen Christi eingeschrieben (vgl. Apostolisches Schreiben Ecclesia in Africa, 143). Ich ermutige also die Katholiken Ruandas, und insbesondere die jüngeren Generationen, mutige und hochherzige Bauleute des Friedens zu sein und sich dafür einzusetzen, die Ursachen der Zwietracht zu beseitigen und eine immer blühendere und geeintere Gesellschaft wachsen zu lassen!

6. Zu Beginn Ihres Amtes beim Hl. Stuhl freue ich mich, Ihnen meine besten Wünsche auszusprechen. Seien Sie versichert, daß Sie hier bei meinen Mitarbeitern stets die aufmerksame und verständnisvolle Aufnahme finden werden, die Sie benötigen.

Auf Eure Exzellenz, auf Ihre Familie sowie auf das gesamte ruandesische Volk und die Verantwortungsträger im Lande rufe ich von ganzem Herzen die Fülle des göttlichen Segens herab.

 

© Copyright 2002 - Libreria Editrice Vaticana

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana