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BOTSCHAFT VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE TEILNEHMER DES EUROPÄISCHEN SYMPOSIUMS
DER UNIVERSITÄTSDOZENTEN ZUM THEMA "FAMILIE IN EUROPA"

Freitag, 25. Juni 2004 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

1. Es ist mir eine Freude, Ihnen anläßlich des Europäischen Symposiums der Universitätsdozenten zu begegnen. Im Rahmen des Internationalen Jahres der Familie wollen Sie in diesen Tagen über Grundlagen, Erfahrungen und Perspektiven der Familie in Europa nachdenken und Ihre Überlegungen zu diesem Thema austauschen. An jeden von Ihnen richte ich meinen herzlichen Gruß. Besonders grüße ich Kardinal Camillo Ruini und danke ihm für die zuvorkommenden Worte, die er in Ihrem Namen an mich gerichtet hat.

Meine besondere Anerkennung gilt der Wahl dieses Themas, denn von der Familie wird die Zukunft Europas abhängen. Es läßt sich sagen, daß die Familie der Spiegel der Gesellschaft und somit auch des im Aufbau befindlichen Europas ist. Die Entfaltung der Familie ist und bleibt der wichtigste Gradmesser für die kulturellen und institutionellen Entwicklungen auf diesem Erdteil. Es ist daher mehr als angebracht, daß die Universitäten, und insbesondere die christlichen Dozenten, aufmerksam die familiäre Dynamik verfolgen und in den neuen Generationen verantwortungsvolle und tiefgehende Überlegungen hierzu anregen.

2. Im ersten Jahrtausend führte die Begegnung zwischen dem römischen Recht und der christlichen Botschaft zu dem, was wir als europäisches Familienmodell bezeichnen könnten; dieses fand später auch in Amerika und Ozeanien weite Verbreitung. Die Geschichte dieses Modells fällt mit der geschichtlichen Entwicklung der sogenannten westlichen Zivilisation zusammen: In der Tat traten gegen Mitte des vergangenen Jahrhunderts in den sozial wie wirtschaftlich höher entwickelten Gesellschaften beinahe explosionsartig verschiedene Phänomene zutage, die eine tiefe Krise anzeigen und deren Auswirkungen heute allen offenkundig sind (vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in Europa, 90). Angesichts dieser Krise bildete die Familie stets ein Element des Zusammenhalts und der Stärke, und sie blieb sogar in Zeiten heftigster Angriffe Gegenstand von Sehnsüchten, Wünschen, Plänen und nostalgischen Erinnerungen. In Wirklichkeit sind die Ursachen dieser Krise kultureller Art; das beweist unter anderem die Tatsache, daß sich die jungen Generationen heutzutage stark vom traditionellen Familienideal angezogen fühlen, aber beinahe unfähig zu sein scheinen, die damit zusammenhängende Verantwortung in angemessenem Umfang zu übernehmen.

3. Es wird somit die Bedeutung einer Tagung wie der Ihren ersichtlich, bei der die Institution der Familie von ihren philosophischen, rechtlichen und theologischen Grundlagen her untersucht wird, um die gegenwärtigen – oft problematischen und mitunter sogar dramatischen – Erfahrungen im Detail zu deuten und die vielfältigen Perspektiven zu erkennen, die sich für ein erneuertes Familienmodell eröffnen.

Genau dies ist jedoch die zentrale Frage: Kann heute noch von einem »Familienmodell« die Rede sein? Die Kirche ist davon überzeugt, daß es heute notwendiger denn je ist, die Bedeutung der Institutionen der Ehe und Familie zu betonen als eine Realität, die aus dem weisen Willen Gottes hervorgeht und ihren vollen Sinn und Wert in seinem Schöpfungs- und Heilsplans enthüllt (vgl. ebd.; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution Gaudium et spes, 48; Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 11–16). Diesbezüglich wird – neben den seelsorglichen Initiativen im engeren Sinn – die Rolle derer, die im Bereich von Forschung und Kultur tätig sind, höchst bedeutungsvoll, denn die Methode, die auf diesem Gebiet zur Anwendung kommt, ist der Dialog und der Austausch zwischen unterschiedlichen Disziplinen, die sich mit dem Thema Familie befassen.

4. Dieser Methode folgen Sie auch bei diesem Symposium, das vor allem auf den europäischen Kontext Bezug nimmt. Ich wünsche mir, diese begrüßenswerte Initiative möge dazu beitragen, daß die Familie im Europa von heute und morgen die ihrer höchsten Würde entsprechende spezifische Rolle angemessen erfüllen kann. Vor diesem Hintergrund versichere ich Sie meines besonderen Gebetsgedenkens und erbitte die Fürsprache der Heiligen Familie von Nazaret, Vorbild aller Familien.

Einem jeden und einer jeden von Ihnen wünsche ich eine fruchtbringende Arbeit und einen angenehmen Aufenthalt in Rom. Diesen Wunsch begleite ich mit meinem Segen, den ich auf Ihre Angehörigen und Freunde ausweite.

 



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