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BOTSCHAFT VON PAPST PAUL VI.
ZUM 83. KATHOLIKENTAGES

 

Unserem ehrwürdigen Bruder
Bernhard Stein
Bischof von Trier

Zur Feier des 83. deutschen Katholikentages gilt Unser von Herzen kommender Gruß Unseren Mitbrüdern im Bischofsamt, den Priestern und Ordensleuten, den Abordnungen der staatlichen und städtischen Behörden, den Vertretern der christlichen Kirchen, den Männern und Frauen des katholischen Deutschlands und vor allem der Jugend, die in der Zukunft die Sendung der Kirche in dieser Welt erfüllen wird. Es ist von Bedeutung, dass der diesjährige Katholikentag in der altehrwürdigen Bischofsstadt Trier an der Mosel feierlich begangen wird. Trier ist die Pforte, durch die im Zeitalter der Märtyrer das Christentum seinen Weg nach Deutschland gefunden hat. Trier ist reich an Denkmälern einer großen geschichtlichen Vergangenheit, reich an Zeugnissen eines starken christlichen Glaubens. In Trier, diese Tatsache ist Uns eine ganz persönliche Freude, wurde der hl. Ambrosius geboren, dessen Nachfolger Wir auf dem Bischofsstuhl in Mailand sein durften.

In diesem traditionsreichen Rahmen wurde der Katholikentag unter das Leitwort gestellt: "Gemeinde des Herrn". Sicherlich ein Thema, das zum Nachdenken anregt und auf Verwirklichung drängt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich ja zur Aufgabe gestellt, ein neues Selbstverständnis der Kirche in dieser Welt auszusprechen. Mehr als in früheren Zeiten muss die Kirche deshalb heute als eine zwar hierarchisch aufgebaute, aber dennoch brüderliche Gemeinschaft der Glaubenden offenbar werden. Der Herr, der seine Kirche mit seinem Blut erkauft hat (1 Pt 1, 18), muss die Mitte dieser Gemeinschaft sein und bleiben.
Die Kirche «erfährt sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte engstens verbunden» (Gaudium et spes, 1). Als «sichtbare Versammlung und geistliche Gemeinschaft geht sie den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam und erfährt das gleiche irdische Geschick mit der Welt» (Gaudium et spes, 40). Es ist deshalb «für die Rettung der menschlichen Gesellschaft wichtig und für die Kirche von Nutzen, dass beide sich kennenlernen und lieben» (Ecclesiam suam, Einl.). Ja, die Kirche ist «gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gemeinschaft» (Gaudium et spes, 40).

Um aber dieser Aufgabe gerecht zu werden, muss sich die Kirche bis in die einzelne Gemeinde hinein als engverbundene Gemeinschaft wissen, die sich um den Herrn schart und sich durch ihn in Dienst genommen weiß. In diesem Unserem Grußwort möchten Wir deshalb ein Bild, unvollständig und umrisshaft, von jenen einenden Kräften entwerfen, die die Gemeinde des Herrn formen und immer enger an ihn binden müssen: der eine Glaube, die Zugehörigkeit zur einen Kirche und die alles verbindende Kraft der Liebe.
Das die Gemeinde des Herrn einende Band ist das Bekenntnis des einen Glaubens. «Ein Herr und ein Glaube» (Ef 4, 5). Der unerschütterliche und feste Glaube an Gott, an sein heiliges und unveränderliches Wort, das die Kirche durch die Jahrhunderte bewahrt hat und lehrt, ist die Grundlage, auf der sich das geistliche Leben der Gemeinde entfaltet und Früchte bringt. Immer wieder weisen Wir in Unseren Ansprachen auf die großen Versuchungen des modernen Menschen hin, Gott aus seinem Leben zu verbannen, einen Ersatz für ihn in den Gütern und Werten dieser Erde zu suchen. Es bietet sich Uns auch immer wieder Gelegenheit, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die dem Glauben von Seiten jener Bestrebungen her drohen, die sich von der Tradition lossagen wollen, nicht nur von überkommenen äußeren Formen, die der zeitgemäßen Anpassung bedürfen, sondern vom Fundament des Glaubens selbst, von Christus, dem alleinigen Lehrer.

Da es aber Aufgabe der Kirche ist, wie das Konzil ausdrücklich erklärt: «Gott den Vater und seinen menschgewordenen Sohn präsent und sozusagen sichtbar zu machen» (Gaudium et spes, 21), wird damit allen Priestern und Laien die Verpflichtung zum « Zeugnis eines lebendigen und gereiften Glaubens» auferlegt, «der so weit herangebildet ist, dass er die Schwierigkeiten klar zu durchschauen und zu überwinden vermag» (ebd.). Es geht darum, die Kenntnis des Glaubens zu vertiefen, immer mehr einzudringen in die ewigen Wahrheiten, und aus diesem Wissen in froher Überzeugung das Leben zu gestalten. Die vom Konzil eingeleitete Erneuerung der Liturgie wird dabei eine wichtige Hilfe sein.
Das die Gemeinde des Herrn einende Band ist aber auch die Zugehörigkeit zur einen Kirche Christi. Das Konzil sagt ausdrücklich, dass «jene der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert werden, die, im Besitz des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft» (Lumen gentium, 14).

Alle Glieder der Kirche, Priester wie Laien, müssen sich dessen bewusst sein und alles daran setzen, diese Einheit zu wahren und zu vertiefen. In der Kirche muss der Dialog lebendig bleiben. Er darf aber nicht dazu führen, dass sich die Glieder der Kirche entzweien, dass sich Meinungen bilden und Auffassungen zu Wort kommen, die der lehrenden und leitenden Autorität in der Kirche offen widersprechen und unter den Gläubigen Verwirrung stiften. Die von Christus gewollte hierarchische Ordnung der Kirche ist eine Ordnung des Dienens. Autorität ist ebenso Dienst an der Sendung der Kirche, wie es die vom Konzil ausdrücklich gewollte Mitverantwortung und Mitarbeit der Laien ist. Alle müssen deshalb nach den Worten des hl. Paulus zusammenwirken, dass keine Spaltungen aufkommen, sondern alle eines Sinnes und einer Meinung sind (vgl. 1 Kor 1, 10).
Das die Gemeinde des Herrn einende Band ist schließlich die Liebe, die ihren höchsten Ausdruck im Sakrament der Liebe, der heiligen Eucharistie, findet. Wir möchten hier eigentlich nicht so sehr von der nach außen hin gerichteten Liebestätigkeit sprechen, wo die deutschen Katholiken durch ihre bischöflichen Werke wahrhaft Anerkennenswertes geleistet haben. Das wache Auge für die Not des Mitmenschen schafft Bindungen, schlägt Brücken über Kontinente und ist die Voraussetzung für Frieden und Fortschritt. Wir möchten hier an die Liebe erinnern als das Lebensprinzip der kirchlichen Gemeinschaft, an jene Grundhaltung, die unser Denken, Reden und Handeln als Christen bestimmt. Von der ersten Christengemeinde berichtet die Apostelgeschichte: «Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele» (Apg 4, 32).

Nicht Aufbegehren und Kritik, sondern die Einheit in der Liebe wird der Welt Zeugnis geben von der Wahrheit der christlichen Lehre. Deshalb hat auch Christus den Vater gebeten: «Lass auch sie vollkommen eins sein. Dann wird die Welt erkennen, dass du mich gesandt hast und sie geliebt hast, gleich wie du mich geliebt hast» (Joh 17. 23). Die Liebe ist nicht nur die aufbauende, sondern auch die treibende Kraft der christlichen Gemeinschaft, die sie eint in der Überwindung aller Schwierigkeiten des irdischen Lebens, in der Forderung nach Gerechtigkeit und Freiheit, in der Annahme des täglichen Kreuzes, in der Sehnsucht nach den ewigen Gütern, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.
Liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Männer und Frauen des katholischen Deutschlands, liebe Jugend! Setzt euch mit aller Kraft ein, den Auftrag der Kirche in dieser Welt zu erfüllen! Der Herr, zu dem ihr in den Gottesdiensten des Katholikentages aufschaut, bleibt bei seiner Kirche auch in verworrenen und dunklen Zeiten, er bleibt die Mitte seiner Gemeinde.

Als diese seine Gemeinde habt stets das Beispiel der urchristlichen Gemeinschaft vor Augen, von der die Heilige Schrift sagt: «Die ersten Christen hielten fest an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brotbrechen und am Gebet . . . Sie hielten alle zusammen und hatten alles gemeinsam . . . Täglich verweilten sie einmütig im Tempel und brachen in den Häusern das Brot . . . Sie priesen Gott und waren beim ganzen Volk beliebt . . . Der Herr aber führte ihnen täglich die zu, die das Heil erlangen sollten» (Apg  2, 42-47).
Der Herr möge euren Bemühungen und Gebeten Erhörung und Gnade gewähren! Dazu erteilen Wir euch allen, Unseren Mitbrüdern im Bischofs- und Priesteramt sowie allen zum Katholikentag versammelten Gläubigen von Herzen den Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 1. September 1970

PAULUS PP. VI

 

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