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ANSPRACHE VON PAPST PIUS XII.
AN DEN NEUEN ÖSTERREICHISCHEN MINISTER*

Samstag, 30. November 1946

 

Herr Gesandter!

Einen Vertreter des nach Kriegsende neu erstandenen, um Wiedergewinnung von Freiheit und Selbständigkeit sich mannhaft mühenden Österreich im Hause des gemeinsamen Vaters der Christenheit wieder begrüßen zu können, ist Uns Anlass zu inniger Genugtuung und Freude.

Die Stimmung dieses Wiedersehens ist beherrscht von einer Mehrfalt sich gegenseitig ergänzender Erwägungen:

Zunächst von der dankbaren Erinnerung an ein — wie Sie schon andeuteten — durch lange Jahrhunderte bis in die nahe Gegenwart währendes fruchtbares Verstehen zwischen Kirche und Staat, ein Verstehen, von dessen vielfachen Segnungen die europäische Geschichte Kunde gibt und dessen Ergebnisse in feierlichen Vereinbarungen niedergelegt sind.

Sie ist beherrscht von der Rückschau auf jenen düsteren Zwischenakt herber Auseinandersetzung mit dem Ungeist einer Weltanschauung, die mit List und Gewalt auf österreichischem Boden zum Siege geführt wurde und in deren Terrorlehre und Terrorpraxis es keinen Raum gab für die unveräußerlichen Lebensrechte der Kirche Christi.

Vor allem jedoch ist sie beherrscht von dem erwartungsvollen Ausblick auf eine Zukunft, für die aus den Leiden und Lehren der jüngsten Vergangenheit heilsame Folgerungen sich all jenen aufdrängen, denen das wahre Wohl, die friedliche Weiterentwicklung und die kulturelle Sendung des österreichischen Volkes am Herzen liegen.

In dieser Stunde eines für beide Teile ersehnten Wiederbegegnens hören Wir aus dem Munde Eurer Exzellenz mit besonderer Genugtuung den Hinweis auf « den lebhaften Wunsch der österreichischen Regierung und des österreichischen Volkes nach einer immer engeren Gestaltung der Bande vorbehaltlosen Vertrauens und unverbrüchlicher Freundschaft ».

Wir bitten Sie, Herr Gesandter, Seiner Exzellenz dem Herrn Bundespräsidenten und den Mitgliedern der Regierung zu versichern, dass Wir Unserseits nichts unversucht lassen werden, um dieses dem Herzen der überwältigenden Mehrheit des österreichischen Volkes teure Ziel zu erreichen und vor etwaigen Hemmungen zu bewahren.

Wir glauben, Uns nicht zu täuschen, wenn Wir meinen, dass heute die Augen aller Wohlgesinnten noch viel mehr als früher dem trotz weitgehender Entmachtung europäisch bedeutsamen Österreich zugewandt sind — mit gespanntem Interesse, mit betonter Anteilnahme und mit unverkennbarem Wohlwollen.

Das heutige Österreich liegt im Spannungsfeld zwischen West und Ost, am Scheidepunkt überkommener und neuer Gesellschaftsideologien. Infolgedessen vollzieht sich sein Schicksal in Gegensätzen, die an die Leidensfähigkeit, die Lebenskraft, den Starkmut, die Heimat- und Glaubenstreue seiner Söhne und Töchter unerhörte Anforderungen stellen.

Gerade weil Wir wissen, wie schwer und bedroht der Aufstieg des österreichischen Volkes zu verdientem Glück inmitten eines von echter Befriedung noch weit entfernten Europas ist, hegen Wir den brennenden Wunsch, es mögen ihm nie die geistigen Kraftquellen verschüttet werden, die ihm aus der freien Betätigung seines angestammten Glaubens fließen.

Wir sind zuversichtlich, dass Euer Exzellenz der Erstrebung dieses hehren Zieles mit dem ganzen Einsatz Ihres Wollens wie Ihres umfangreichen Wissens dienen werden.

In dieser Erwartung rufen Wir Gottes Schutz und Beistand herab auf das sich aus tiefer Not zu neuem Aufstieg rüstende geliebte Österreich und erteilen Ihnen, Herr Gesandter, zum Antritt Ihres hohen Amtes in besonderem Wohlwollen den erbetenen Apostolischen Segen.


*Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, VIII,
 Ottavo anno di Pontificato, 2 marzo 1946 - 1° marzo 1947, SS. 341-342
 Tipografia Poliglotta Vaticana.

AAS 38 (1946), S.430-431.

L’Osservatore Romano 1.12.1946, S.1.

 



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