Index   Back Top Print

[ DE ]

RADIOBOTSCHAFT VON PAPST PIUS XII.
 ZUM 77. KATHOLIKENTAG*

Sonntag, 2. September 1956

 

Ehrwürdige Brüder!
Geliebte Söhne und Töchter des katholischen Deutschlands!

Mit freudiger Erregung richten Wir an den 77. deutschen Katholikentag zu seiner machtvollen Schlußkundgebung Unser Wort, um das Uns der von Uns hochgeschätzte Kardinalerzbischof von Köln gebeten hat.

Es soll ein Wort herzlichen Grußes sein an die dort anwesenden Kardinäle, Bischöfe und Priester; an alle, die aus ganz Deutschland, in großer Zahl auch von jenseits der Zonengrenze, zum Katholikentag im « Heiligen Köln » zusammengeströmt sind; an die Gäste endlich, die aus anderen europäischen Ländern und aus der ganzen Welt, aus allen Kontinenten sich zu eurer Festtagung eingefunden haben und ihr das eindrucksvolle Gepräge der allumfassenden Weltkirche verleihen.

Unser Wort soll weiter ein Wort der Anerkennung und des Dankes sein an eure mannigfaltigen freien Vereinigungen: Bruderschaften und Vereine, Verbände, Bünde und Werke, die als Katholische Aktion oder im Sinn der Katholischen Aktion während der zurückliegenden Jahre hochwertige Arbeit geleistet haben — für die religiöse Vervollkommnung ihrer Mitglieder, für die katholische Weltmission und die katholische Diaspora in der Heimat, für die Jugend, für Erziehung und Schule, für die Welt der Arbeit, für einzelne Stände und Berufe, in Werken der Fürsorge und Caritas, für Presse, Wissenschaft und andere Kulturbereiche. Kölns Bekennerbischof Clemens August von Droste zu Vischering, der durch seine mutige Tat die katholische Bewegung in Deutschland ins Leben rief, die tapferen Männer und Frauen, Priester und Laien, die derselben auf den Katholikentagen ihre Form gaben und eure Organisationen gründeten — drei jener führenden Gestalten, die dem ersten Kölner Katholikentag im Jahre 1858 stark sein Gepräge gaben, können Wir nicht umhin mit Namen zu nennen : Kölns damaligen Erzbischof Kardinal Johannes von Geissel, den innigen Verehrer Marias und mächtigen Förderer der katholischen Bewegung; den Priester und Gesellenvater Adolf Kolping; August Reichensperger, den Herold des Dombaues, zu den unerschrockenen Laienführern des katholischen Deutschlands im 19. Jahrhundert zählend — alle diese Männer und Frauen haben nicht umsonst gearbeitet. Was sie pflanzten, hat reiche Ernte eingebracht.

Unser Wort soll endlich sein ein Wort der Freude über die glücklich vollendete Wiederherstellung des Kölner Domes, sowie des Lobes der Wagemutigen, die dieses schwierige Werk geschaffen haben. Der Kölner Dom steht da als Anruf an alle: Empor die Herzen zu Gott! Er steht jetzt da als in Stein gehauener Dank an den Allmächtigen, dass Er Deutschland aus völligem Zusammenbruch in so kurzer Zeit gnädig wieder emporgeführt hat. Er steht wieder da als Wahrzeichen des katholischen Deutschlands und als Sinnbild der Kirche Christi, des hoch über die Völker emporragenden Banners.

« Signum levatum in nationes » (Is. 11, 12) unter dieses Merkwort habt ihr eure diesjährige Heerschau gestellt. In euren Arbeitskreisen und Versammlungen wird Schönes und Tiefes darüber gesprochen worden sein. Wir wollen kurz auf folgendes hinweisen:

Erstens : Die weltanschaulichen Stürme der letzten Jahrhunderte haben im außerkatholischen religiösen Bereich verheerend gewirkt. Sie haben auch gegen den Felsen gewütet, auf den Christus seine Kirche baute, und sie haben versucht, ihr Werk der Zerstörung in die Kirche hereinzutragen. Die Kirche musste sich unter bitteren inneren Kämpfen zur Wehr setzen. Sie hat aber den ihr von Christus anvertrauten Schatz an Wahrheit und Gnade, vom Glauben an den Dreieinigen Gott und die Gottheit Jesu Christi bis zum Glauben an die Auferstehung und das Ewige Leben nie auch nur antasten lassen. Sie hat vielmehr zum Gegenstoß ausgeholt und gerade in dieser religiös erkaltenden und verödenden Zeit die Ströme der eucharistischen Gnaden sich in einer Fülle über ihre Gläubigen ergießen lassen wie nie zuvor in ihrer Geschichte.

Wir glauben, dieses offene Bekenntnis dem Herrn der Kirche schuldig zu sein; nur sein Wille und seine Macht sind es ja, welche die Kirche durch alle Stürme unversehrt hindurch führen. Wir glauben jenes Bekenntnis schuldig zu sein auch denen, die, vielleicht ohne es selbst zu ahnen, schon nahe an den Toren der Kirche stehen, sowie allen — und es sind ihrer sehr viele und immer mehr —, welche die Angst vor den entfesselten Kräften der Natur, vor dem Dasein, vor der Zukunft, vor sich selbst drängt und treibt, nach einem festen Halt zu suchen. Die Kirche bietet ihn: sie selbst ist dieser feste Halt. Wer sich ihr anvertraut, verliert nichts von dem, was er an Echtem besaß. Was immer in anderen Bekenntnissen, auch nicht christlichen, an Wahrem und Gutem sich findet, ist beheimatet, hat seinen tiefen Sinn und seine Erfüllung in der katholischen Kirche. Sie bietet jenen Halt, ohne den Menschen in ein totalitäres System zu zwängen, unter voller Achtung seiner mit Geist und Freiheit begabten Natur, der Würde und übernatürlichen Berufung seiner Person. Auch für die Freiheit des menschlichen Wissens und Forschens kennt sie nur eine Grenze; jene, die Gott selbst durch seine Offenbarung, durch sein klares Wort gezogen hat.

Zweitens: Eine Kirche, die von sich sagt, dass sie das über die Völker emporragendes Zeichen sei, wird man heute fragen nach ihrem Beitrag zur Schaffung der sozialen Ordnung.

Die katholische Kirche kann ohne Überheblichkeit darauf hinweisen, dass sie im Lauf ihrer Geschichte Gewaltiges geleistet hat zum Aufbau und Besten des gesellschaftlichen Lebens, und die historische Forschung hat ihr dies schon längst bestätigt. Die Kirche hielt auch wahrlich die Augen nicht verschlossen vor der abgründigen sozialen Unordnung, die das Zeitalter der Technik und des Kapitalismus brachte. Dass sie allein die soziale Frage lösen könnte, hat sie nie verneint. Sie darf aber erhobenen Hauptes hinweisen auf die Werte, die sie zu deren Lösung bereitgestellt hat und bereithält. Ein solcher Wert ist ihre Soziallehre, bis zum letzten orientiert am Naturrecht und am Gesetz Christi. Sie hat sich bewährt und als sehr fruchtbar erwiesen, gerade auch bei euch, in Deutschland. Die Kirche braucht in wesentlichen Dingen an ihrer Soziallehre keinen Abstrich zu machen. Sie bleibt in Geltung.

Die Kirche hat immer stark betont, dass es zum Aufbau einer haltbaren sozialen Ordnung neben der Reform der Zustände auch der Gesinnungspflege bedarf : der Ausrichtung der Gewissen an einem unbedingt gültigen Ordnungsbild und der sittlichen Kräfte, um immer dem Gewissen entsprechend zu handeln. Die Kirche nimmt für sich in Anspruch, und sie hat erwiesen, dass sie Menschen solcher Gesinnung zu bilden vermag. Auch von hier aus gesehen ist der eucharistische Frühling, den die Kirche des zwanzigsten Jahrhunderts gebracht hat, sichtbar und greifbar das Werk der Göttlichen Vorsehung.

Drittens: An der Tatsache, dass die katholische Kirche seit Jahrzehnten, vor allem seit zehn Jahren unter einer der schwersten, jedenfalls unter der gefährlichsten Verfolgung steht, die je über sie hingegangen ist, an dieser Tatsache kann eine Kundgebung, gewaltig wie eure, die sich zudem unter die Losung stellt: die Kirche das hoch über die Völker emporragende Zeichen, nicht achtlos vorübergehen. Denn Jesus Christus hat seiner Kirche Auftrag und Sendung erteilt bis an das Ende der Zeiten auch unter dem Zeichen, dass sie die verfolgte Kirche sein werde. Kirchenverfolgung ist immer Teilnahme des mystischen Leibes Christi an den Wundmalen des Herrn, und dass es zwischen einem System, das den Atheismus, die Gottlosigkeit, zur Grundlage hat, und der der katholischen Kirche zum schwersten Zusammenstoss kam, darauf darf die Kirche mit Recht stolz sein.

Das ändert nichts daran, dass sie mit allen, die um des Glaubens willen Bitterstes erlitten und noch erleiden, selbst tief mitleidet. Die Kirche kann auch bangen um ihre Zukunft in den von der Verfolgung erfassten riesigen Räumen, denn dem Gegner stehen in den Zwangsmaßnahmen des totalitären Staates und den ausgeklügelten Methoden der seelischen Bearbeitung der Menschen, besonders der jungen Generation und der Kinder. Mittel zu Gebote wie keinem Kirchenverfolger vergangener Zeiten. Sie mahnt endlich die Gläubigen in den Ländern, in denen sie frei lebt, sich der Gefährlichkeit jenes Gegners bewusst zu sein, und warnt sie erneut vor dem Trugbild einer falschen Koexistenz in dem Sinn, als ob es zwischen dem katholischen Glauben, der Weltanschauung des Katholiken und jenem System zu einem Ausgleich, einer inneren Angleichung kommen könnte Es gibt eine « Koexistenz in der Wahrheit ». Wir haben bei früherer Gelegenheit von ihr gesprochen und fügen dem dort Gesagten hinzu: Die katholische Kirche nötigt niemand, ihr zuzugehören. Sie verlangt jedoch für sich die Freiheit, nach ihrer Verfassung und ihrem Gesetz im Lande leben, ihre Gläubigen betreuen und die Botschaft Jesu Christi offen verkündigen zu können. Dies freilich ist ihr unabdingbare Grundlage für jede ehrliche Koexistenz. Inzwischen kämpft sie weiter — nicht auf dem Feld der Politik und Wirtschaft, wie man ihr immer wieder fälschlich nachgesagt hat, sondern mit ihren eigenen Waffen : der Standhaftigkeit ihrer Gläubigen, dem Gebet, der Wahrheit und der Liebe. Sie opfert die Not der Verfolgung auf für das Heil der Verfolger selbst wie der Länder und Völker, in denen sie verfolgt wird.

Die Kirche, das Zeichen, das emporragt über die Völker — dieses Wort verpflichtet euch alle, geliebte Söhne und Töchter, denn man beurteilt die Kirche nach dem, was ihr seid — religiös und sittlich.

Ihr lebt in einer materialistischen Welt. Bezeichnend für sie ist, dass das Religiöse gering im Kurs steht. Man opfert wenig oder nichts dafür, opfert es selbst aber leichten Sinnes für jeden Diesseitswert. Kehrt das Verhältnis um! Setzt wieder Gott an die erste Stelle und lasst euch den Dienst Gottes, euren heiligen Glauben, etwas kosten!

Ihr seid die Katholiken eines hoch industrialisierten Landes. Euch ist die große Aufgabe gestellt, dieser neuen Welt der Industrie, ihren Werk- und Büroräumen, ihren Anlagen und ihrem ganzen Getriebe christliche Form und Gestalt zu geben. Die Welt der Industrie ist nicht Natur. Aber sie ist wie die Natur Gottes Herrschaftsgebiet. Auch in ihr ist der Mensch ganz angewiesen auf das Wirken der Gesetze, die Gott in die Dinge hineingelegt hat. Christus, durch den alles geschaffen, der Herr der Welt, ist Herr auch dieser Welt. Auch sie ist berufen, eine christliche Welt zu sein. An euch liegt es, ihr das christliche Gepräge zu geben.

Heute sind die Geschicke der Menschen auf der ganzen Welt eng miteinander verflochten wie nie zuvor. Umso größer sind die Gefahren, wenn die Menschen, so verschieden nach Rasse, Erziehung, Geschichte und Interessen, besonders wirtschaftlicher Natur, in Gegensatz und Feindschaft geraten. Die Katholiken auf der ganzen Welt können durch ihre Einheit im Glauben und in der Kirche eine gewaltige Kraft werden, um Frieden, auch sozialen Frieden, zu schaffen. Nur muss das Bewusstsein ihrer Zusammengehörigkeit lebendig in ihnen wirken. Pflegt alle dieses Bewusstsein. Denn der Welt, die aus sich den Frieden nicht schaffen kann, will Christus seinen Frieden schenken, aber durch euch, nicht ohne euer Zutun.

Wir schließen mit dem Lobruf des Völkerapostels: « Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit » (Hebr 13, 8). Euch alle dem mächtigen Schutz seiner gebenedeiten Mutter Maria empfehlend, erteilen Wir als Unterpfand der Gnade und Liebe des Herrn den anwesenden Oberhirten, Unseren Ehrwürdigen Brüdern, allen Priestern und den mit ihnen in der Seelsorge arbeitenden Laien, den hohen staatlichen und städtischen Vertretungen und Behörden, euch allen, geliebte Söhne und Töchter, sowie dem ganzen katholischen Deutschland aus der Fülle des Herzens den Apostolischen Segen.


*Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, XVIII,
 Diciottesimo anno di Pontificato, 2 marzo 1956 - 1° marzo 1957, SS. 393 - 398
 Tipografia Poliglotta Vaticana

 

© Copyright 1956 - Libreria Editrice Vaticana

 

 

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana