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ANSPRACHE VON PAPST PIUS II.
AN EINE GRUPPE JUGENDLICHER AUS OSTBERLIN

Thronsaal,
Donnerstag, 28. März 1957

 

Sie kommen aus Berlin, sehr geehrte Herren und Damen, und Wir entbieten Ihnen Unseren freundlichen Willkommensgruß.

Wir weilten selbst lange genug in Ihrer Vaterstadt, um deren Geschicke mit besonderer Aufmerksamkeit und persönlicher Teilnahme zu verfolgen. Wir haben Berlin Ende 1929 verlassen. Das Jahrzehnt, während dessen Wir den Heiligen Stuhl beim Deutschen Reich vertraten, war für Berlin sehr bewegt. Allein die Zeit, die darauf bis heute folgte, war es wohl noch mehr. Von 1939 bis jetzt hat die Stadt jedenfalls ihre schicksalsreichste, aber auch ihre schicksalsschwerste Zeit durchlebt, und zwar ohne mit ihr zu einem Abschluss gekommen zu sein. Wir können Uns jedoch vorstellen, dass für jene von Ihnen — und es wird weitaus die Mehrzahl sein, die beruflich in der Politik stehen, die vergangenen Jahre in Berlin eine gute Schule mit eindrucksvollem Anschauungsmaterial gewesen sind.

Sie bekennen sich zur "christlichen Politik", also zu einer Politik, die auf christlichen Wahrheiten oder Grundsätzen als ihren letzten Grundpfeilern ruht. Zu ihnen gehört die Tatsache, dass alle Autorität sich von Gott herleitet und an Gott gebunden ist. Der Staat ist kein letztes, und es gibt keine Staatsallmacht, wohl aber eine Staatsmacht, und die "christliche Politik" hat einen starken Sinn für sie. Denn ohne Macht kann der Staat sein Ziel, durch eine von allen eingehaltene Rechts- und Sozialordnung das Gemeinwohl zu sichern und zu finden, nicht erreichen.

Zu diesen letzten Grundpfeilern gehört auch die Achtung der Menschenwürde, der unantastbaren Menschenrechte, der Rechte des Einzelnen wie der Familie — und dazu zählt die freie Ausübung der wahren Gottesverehrung und das Recht der Eltern auf das Kind und dessen gute Erziehung. Hier liegt der Grund, warum die Kirche sich für das Recht der katholischen Eltern auf eine ihrer Überzeugung entsprechende Schule einsetzen muss und auch bis zum Äußersten einsetzen wird. Wir haben dies vor kurzem ausgesprochen; Wir haben jedoch gerade jetzt allen Grund, es von neuem zu betonen.

Die Staatsmänner sind daran, das geeinte Europa zu schaffen. Ein großes Werk, und Wir haben immer wieder erklärt, wie sehr Wir jeden Schritt in dieser Richtung begrüßen. Möchten nur alle, die im öffentlichen Leben stehen und unmittelbar oder mittelbar auf solche höchste politische Ziele hinarbeiten, sich bewusst sein, wie sehr deren Bestand von der inneren Gesundheit der beteiligten Völker und Staaten abhangt. Diese innere Gesundheit ist aber nicht zu erreichen ohne starke religiöse Kräfte, die sich irgendwie bis in die letzten Zellen des gesellschaftlichen Organismus auswirken. Wenn schon nicht so vieles andere auf dem Gebiet der öffentlichen Sittlichkeit, so sollten wenigstens die innerstaatlichen Wirtschaftskämpfe, die immer bedrohlichere Formen annehmen, allen Beteiligten die Augen öffnen.

Ihnen und Ihrer Stadt Berlin erhoffen und erbitten Wir Gottes Vorsehung und Gnade, und erteilen von Herzen den Apostolischen Segen.


*Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, XIX,
19.Pontifikatsjahr, 2. März 1957 - 1. März 1958, SS. 69-70 Tipografia Poliglotta Vaticana; A.A.S., Bd. XXXXIX (1957), Nr. 5-6, SS. 287-288.

   



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