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Montag, 15. Mai

VORTRAG SEINER EMINENZ DARÍO KARDINAL CASTRILLÓN HOYOS PRÄFEKT DER KONGREGATION FÜR DEN KLERUS

DER PRIESTER, DIENER DER HOFFNUNG UND EPIPHANIE GOTTES UNTER DEN MENSCHEN

Meine lieben Brüder, es ist nun das dritte mal, das ich in diesen Tagen zu euch spreche, und ich bin auch dieses mal wieder voller Freude und Begeisterung, denn es ist schön, einander zu begegnen. Mit Achtung, Sympathie und Verehrung betrachte ich diese großartige und lebendige Versammlung. Wenn wir, die wir Christus in seinem einzigen Priestertum nachgestaltet sind, uns gegenseitig in einem Klima sakramentaler Brüderlichkeit betrachten, weitet sich unser Horizont über die Kirchen unserer Herkunfstländer hinaus, und unsere Versammlung wird um eine zutiefst missionarische Dimension bereichert.

Wir sind dem Vertreter Christi auf Erden auch in physischer Weise nahe, deshalb ist das Bild der Kirche, das uns zur Betrachtung gegeben wurde, um so lebendiger und vollständiger, und um so universeller und intensiver ist daher auch unser Gebet.

Unser Herz hebt zum Dank an:

Wohl denen, die du erwählst / Und in deine Nähe holst, / die in den Vorhöfen deines Heiligtums wohnen. / Wir wollen uns am Gut deines Hauses sättigen, / am Gut deines Tempels. / Du vollbringst erstaunliche Taten, /erhörst uns in Treue, / du Gott unseres Heiles […] (Ps 65,5-6).

Es ist in der Tat ein Wunder, daß es noch Menschen gibt, welche die Herausforderungen einer oft gleichgültigen und vom Materialismus gebeutelten Welt annehmen und die im Stande sind einen Lebensweg zu wählen bzw. in ihrem radikalen und entschiedenem Entschluß, Christus nachzufolgen, in Jungfräulichkeit, Gehorsam und Armut auszuharren und bereit zu sein, das ganze Leben dafür zu weihen, der Welt das Antlitz Gottes vorzustellen und die unentgeltliche und nimmer endende Barmherzigkeit Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, zu verkünden.

Es ist ein Wunder, daß es noch Menschen gibt, die während ihres ganzen Lebens tagtäglich den Ruf Christi verspüren, sich von seiner Einzigartigkeit faszinieren lassen und ungeteilten Herzens sich für ein inneres Leben der Hingabe entscheiden angesichts einer Gesellschaft, die in Nichtigkeit und Bedeutungslosigkeit herabsinkt. Es ist dies eine Entscheidung zur strengen und anspruchsvollen Perfektion, doch kann sie auch angesichts einer bequemen, resignierten und oft langweiligen Mittelmäßigkeit Freude bringen.

 

  1. Der Priester, Diener der Hoffnung für den Menschen des Dritten Jahrtausends

Jegliche Erwägung über den Priesterdienst sowohl vom ontologischen Standpunkt aus betrachtet, um seinen Inhalt zu definieren, als auch vom existentiellen Standpunkt aus betrachtet, um den Standort zu präzisieren, den das besagte Amt innerhalb der Kirche und in der Welt einnimmt, muß auf alle Fälle der Tatsache Rechnung tragen, daß sich jene Worte des heiligen Paulus auf alle Christen anwenden lassen, durch die der Heilige seine wundersame Vergöttlichung beschrieb: »nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir« (Gal 2,20).

Wir wissen, daß Christus Jesus, der ewig Hohepriester es so gewollt hat, daß an seinem einzigen und unteilbaren Priestertum die gesamte Kirche teil hat (vgl. 1 Petr 2,4-10; LG 10).

Aber der Heilsplan Gottes beinhaltet auch, daß das göttliche Leben innerhalb der Kirche mitgeteilt wird und zwar auf jenen Wegen, die von Ihm eigens dafür eingerichtet wurden: die Verkündigung des Wortes, die Sakramente und die Seelsorge sind ureigene und spezifisch priesterliche Akte Christi, des Hauptes, Meisters und Hirten der Kirche. Christus ist also in seiner Kirche anwesend und zwar nicht nur insofern er von seinem Gnadenthron, ja, von seinem Glorienthron aus, welcher sein heiliges und erlösendes Kreuz ist (vgl. Kol 1,20), alle Gläubigen an sich zieht und mit allen Menschen aller Zeiten einen Leib bildet, sondern auch insofern er immerzu in der Zeit gegenwärtig ist und zwar in herausragender Weise als Haupt, Meister und Hirt, der sein Volk unentwegt lehrt, heiligt und leitet. Eine solche Gegenwart verwirklicht sich durch das Weihepriestertum, welches Er dem Herzen seiner Kirche einpflanzen wollte: daher wird der Priester, der Christus durch die Taufe zusammen mit allen anderen Christen einverleibt wird und der durch die neue Konsekration des Weihesakramentes ipse Christus wird, um nicht nur in Christi Namen sondern durch Christi eigene Macht (vgl. PO 2) die Lehr-, Heiligungs- und Leitfunktion als Seelsorge über die anderen Glieder des mystischen Leibes Christi ausübt und zwar bis zum Ende der Zeiten. Im Priester lebt in sakramentale Weise wieder auf, daß Christus das Haupt ist; auf spezifische Weise verwirklicht sich erneut seine Herrschaft über Kosmos und Geschichte dessen »Alpha und Omega« (Apg 1,8), und dessen Anfang und Ende (Apg 21,6) das Wort Gottes ist, um der ganzen Schöpfung zu dienen, indem er alles neu macht und alles in heilem Zustand in das Haus des Vaters zurückführt (vgl. Eph 1,10).

Ich kann und will mich an dieser Stelle nicht der Aufgabe entziehen, in Kontinuität mit dem ordentlichen Lehramt der Kirche an einige Dokumente aus jüngster Zeit zu erinnern, die für uns besonders angesichts der heutigen Situation grundlegende Bedeutung besitzen: das Direktorium für das Amt und das Leben der Priester, das Rundschreiben über den Priester, Meister des Wortes, Sakramentenspender und Gemeindeleiter im Hinblick auf das Dritte Christliche Jahrtausend und die interdikasterialen Instruktionen über einige Fragen hinsichtlich der Zusammenarbeit von Laien mit dem Priester bei der Ausübung seines Amtes.

Daher können wir sagen, daß das Priesteramt im Hinblick auf das Dritte Jahrtausend besonders in jenem Licht, das durch die Heilige Pforte des Großen Jubiläums gefiltert wird, in erster Linie ein Amt der Hoffnung ist, weil es nämlich die ganze Erlösermacht Christi vergegenwärtigt, der »derselbe ist, gestern, heute und immerdar« (Hebr 13,8). Im Priesteramt spiegelt sich das Licht des fleischgewordenen Gottes, lumen gentium, das Licht der Liebe, der Hoffnung und der Wahrheit (vgl. Johannes Paul II., Brief an die Priester vom Gründonnerstag Novo incipienti nostro, n. 4, AAS 71, 1979, 398-400).

Das wahre Geschenk der Hoffnung ist Er, Christus Jesus, das Geschenk Gottes an die Welt; ihm gleicht sich der Priester ontologisch durch die Priesterweihe an. Ihm wird die Gewalt übertragen Minister der göttlichen Epiphanie unter den Menschen zu werden. So macht er – wie wir bereits zuvor gesagt haben – die Sendung des fleischgewordenen Wortes durch die Jahrhunderte hindurch dauerhaft, indem er allen im Heiligen Geiste das Antlitz des Vaters bekannt macht. Aus diesem Grund können wir auch sagen, daß das Hirtenamt in Wirklichkeit mit Christus und in Christus »eine Kundgebung des Gottes der Hoffnung des Menschen ist eine Kundgebung Gottes, der den Menschen befreit und ihm das Heil zuteil werden läßt (Johannes Paul II., Predigt in der Peterskirche am 6.I.1999).

Die Evangelisierung ist die traditio Evangeii, die in ihrer tiefen Bedeutung der paulinischen Theologie bedeutet: die duvnamiò Qeou=, das heißt, die Kraft Christi übertragen (vgl. Röm 1,16), und das geschieht vor allem und grundsätzlich durch das Wort, die Sakramente und die Seelsorge des geweihten Priesters, der ein »Gottesmann« ist (1 Tim 6,11) und ein »Diener Christi« (1 Kor 4,11).

Für die Priester von heute und die Priester aller Zeiten bedeutet, das Evangelium zu den anderen zu bringen, die Menschen Christus nahe bringen, in erster Linie, das Evangelium in sich selbst zu tragen, indem ich mich voll und ganz mit dem lebendigen Wort identifiziere, das Christus selber ist. Und diesem Ziel muß auch die Priesterausbildung zustreben und zwar die Grundausbildung als auch die Weiterbildung, mit einem Wort, die Ausbildung in all ihren Phasen: sie besteht in der spezifischen Heiligkeit des geweihten Dieners.

 

2. Das Priesteramt steht im Dienste des Menschen, es ist der erste und grundlegende Weg der Kirche.

Die Zeit erfordert es, und der Nachfolger Petri ruft das ganze Gottesvolk zusammen und beschwört es »das Werk Christi unter der Führung des Tröstergeistes weiterzuführen, denn Christus ist in die Welt gekommen, um Zeugnis von der Wahrheit zu geben, um zu retten und nicht um zu verurteilen, um zu dienen und nicht um bedient zu werden« (Zweites Vatikanischens Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes (GS), 3).

Die Welt hat es an der Schwelle des Dritten Jahrtausends mehr denn je nötig, erneut diese Gegenwart Gottes zu erfahren, ihm wahrlich auf dem Lebensweg zu begegnen und die Nähe seiner reichen und erbarmungsvollen Güte zu spüren (vgl. Eph 2,4).

Die Kirche ist Zeichen und wirksames Werkzeug der intimen Verbindung des Menschen mit Gott und der Einheit des ganzen Menschengeschlechtes (vgl. Zweites Vatikanische Konzil, dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nr. 1), sie ist »untrennbares Sakrament der Einheit (Cyprian, Epistula ad Magnum, 6: PL 3,1142), sie ist »Universalsakrament des Heiles« (dogmantische Konstitution Lumen gentium, Nr. 48), sie sieht ihre fundamentale Aufgabe darin, daß sie so handelt, daß jene Einheit sich ständig aktualisieren und erneuern kann und zwar durch die Liebe Christi im Heiligen Geist (vgl. Eph 2,14; Pastoralkonstitution GS, Nr. 45).

»Jeder gläubige Christ, jeder Sohn der Kirche sollte sich angesprochen fühlen von dieser gemeinsamen und dringenden Verantwortung, besonders aber gilt dies für die Priester, die auserwählt, geweiht und ausgesandt wurden, um die Gegenwart Christi in der heutigen Zeit herauszuheben, wofür sie zu authentischen Repräsentanten und Botschaftern werden« (Kleruskongregation, Direktorium für das Amt und Leben der Priester, Tota Ecclesia, 31. I. 1994, Nr. 7, L. E. V. 1994, S. 11).

 

3. Würde und Unersetzbarkeit des Weihepriestertums

Die Vorstellung eines Kristalls, der rings um sich das Licht der Sonne ausstrahlt, ist in diesem Zusammenhang sehr vielsagend. Dieses Bild greift auch der heilige Basilius auf, als er hervorheben will, daß die Seele des Apostels klar und rein« sein muß, um das Licht des Geistes und die Wahrheit des Glaubens reflektieren zu können: »Es ist wie bei den ganz durchsichtigen und klaren Körpern, die bei der Berührung mit einem Sonnenstrahl selbst ganz lichtvoll werden und selbst aus sich heraus neuen Glanz verströmen. So sind auch die Seelen, die in sich den Geist tragen und von diesem Geist erleuchtet sind, dadurch werden auch sie heilig und reflektieren die Gnade auf die anderen« (Der Heilige Geist, IX, 23). Das ist beim Priester auch äußerst notwendig, denn er ist nicht dazu berufen, irgend welche abstrakten Begrifflichkeiten zu verkünden, sondern die Wahrheit, die Person Jesu Christi, mit dem eine Gemeinschaft einzugehen der Mensch berufen ist; aber nur der Heilige Geist kann auch bewirken, daß sich dies bis zur bräutlichen Vereinigung realisiert. Der geweihte Diener ist somit dazu berufen, mit dem Geist zusammenzuarbeiten, damit dieses Wunder auch geschieht. Und je lehrreicher wohl seine Zusammenarbeit mit dem Parakleten sein wird, desto wirkungsvoller wird auch sein Dienst sein. »Die Apostel – sagt der heilige Johannes Chrysostomus – stiegen nicht wie Moses vom Berg herab, der in seinen Händen Tafeln aus Stein mitführte; sie kamen aus dem Abendmahlssaal heraus und trugen den Heiligen Geist in ihrem Herzen; überall boten sie die Schätze der Weisheit, der Gnade und geistige Gaben dar wie aus einer sprudelnden Quelle: und in der Tat gingen sie in die ganze Welt hinaus und predigten, als seien sie selbst das lebendige Gesetz, als seien sie selbst vom Heiligen Geist zum Leben erweckte Bücher« (Predigten zum Matthäusevangeium, I). Daher gehört auch das Weihepriestertum – wie bereits Paul VI. in Erinnerung rief (vgl. Botschaft an die Priester vom 30. VI. 1968 während der Schließung des Jahres des Glaubens) – zu einer institutionalen, von Gott gewollten Struktur, damit das göttliche Leben durch Gottes spezifische und von ihm selbst eingesetzte Diener die Menschen aller Zeiten erreicht: das ist also der priesterliche Dienst, und genau deshalb »ist er auch nicht irgend ein Beruf oder irgend ein Dienst, der für eine kirchliche Gemeinschaft einfach nur ausgeübt wird, sondern es ist ein Dienst, der auf ganz besondere Weise und angetan von einem unauslöschlichen Zeichen an der Macht des Priestertums Christi durch das Weihesakrament teil hat« (ebd.).

Die Anschläge auf das Weihepriestertum sind nicht gerade gering und sie treten unter verschiedenen Aspekten zum Vorschein. Ich glaube, daß das heutzutage eine der größten Gefahren für die Kirche Jesu Christi darstellt. Würde sich das Wesen des Weihepriestertums vertrüben und würde man folglich nach anderen, mit dem Wesen des Weihepriestertums unvereinbaren Formen der Eingliederung in das Dritte Jahrtausend suchen, so wäre das ungefähr dasselbe, wie wenn man dem Gottesvolk und überhaupt der ganzen Welt jene besondere Gegenwart Christi, des Meisters, Priesters und Hirten seiner Kirche vorenthalten wollte, welche aber lediglich durch die Person des geweihten Priesters gewährleistet ist.

Das ist eine absurde Hypothese, und das wissen wir auch, denn es würde auch das Verschwinden des allgemeinen Priestertums der Gläubigen bedeuten, welches im Weihepriestertum sein Antriebszentrum hat, auch würde es die Rückkehr gerade nicht zur Urkirche, sondern zu jener primitiven Zeit der Menschheitsgeschichte bedeuten, als das Gottesvolk noch geteilt war und umherirrte wie eine Herde ohne Hirten (vgl. Num 27,17; 1 Kön 22,17; 2 Kor 18,16; Mt 9,36).

Wir kennen hingegen die Verheißungen Gottes , die er seinem Volk durch die wirkungsvolle Gegenwart der Hirten zuteil werden läßt, die dieses Volk versammeln und leiten: »Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen« (Jer 3,15), so hat es Jeremias verheißen.

Echzechiel hat prophezeit: »Ich werde meine Schafe auf die Weide führen, ich werde sie ruhen lassen – Spruch Gottes, des Herrn. Die verlorengegangenen Tiere will ich suchen, die vertriebenen zurückbringen, die verletzten verbinden, die schwachen kräftigen, die fetten und starken behüten« (Ez 34,15 ff).

Man könnte von einem Einbruch göttlicher Macht und Weisheit in das Leben eines jeden Menschen sprechen, was sich in seiner ganzen Fülle erst in der Mission des fleischgewordenen Wortes verwirklicht und vermittels des Dienstes seiner Priester, deren ein jeder »alter Christus« ist, durch die Zeit hindurch fortgesetzt wird.

 

4. Der Heilige Geist im Priesteramt als erster Protagonist der Evangelisierung.

Um an dem anzuknüpfen, was wir zuvor über das Unterfangen der Neuevangelisierung gesagt hatten, so bindet sie – wie der Heilige Vater sagt – das ganze Gottesvolk ein und erfordert einen neuen glühenden Eifer, neue Methoden und eine neue Ausdrucksweise für die Verkündigung und das Zeugnis des Evangeliums; sie verlangt von den Priestern, daß sie radikal und in ihrer ganzen Dimension in das Mysterium Christi eintauchen und im Stande sind einen neuen Seelsorgestil zu verwirklichen (Nachsynodales Apostolisches Schreiben PdV, Br. 18).

Auf diese Erfordernisse reagiert der Heilige Geist mit den Worten des Propheten Jeremias: »Und ich will euch Hirten nach meinem Herzen geben« (Jer 3,15). Auch heute verheißt Gott seinem Volk die wirkungsvolle Gegenwart von Hirten, die dieses Volk versammeln und leiten nach seinem Herzen, dem Herzen Gottes, das sich uns in seiner ganzen Fülle im Herzen Jesu Christi, dem guten Hirten geoffenbart hat (vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben PdV, 28): Er besitzt nichts für sich selbst (vgl. Lk 9,59), er verfolgt keine Eigeninteressen (vgl. Joh 13,14-16), sondern er opfert sich vollständig für uns auf als Lösegeld für unsere Befreiung vom Tod und um uns teilhaben zu lassen am ewigen Leben (vgl. Joh 10,10 ff). er ist der Versöhner schlechthin.

Wir können sagen, daß in der Heiligung, die wir durch das Weihesakrament erfahren haben, die Gabe des Heiligen Geistes uns auf ganz spezifische und sakramentale Weise Christus, dem ewig Hohenpriester, dem Haupt und Meister, dem Bräutigam und Hirten seiner Kirche gleichgestaltet (vgl. KONZIL VON TRIENT, XII. Session, Kapitel II.; PIUS XII., Enzyklika Mediator Dei vom 20. 11. 1947;ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL, dogmatische Konstitution Lumen gentium, Nrr. 10,28; Dekret Presbyterorum Ordinis, Nr. 2). Erinnern wir uns daran, daß der geweihte Priester befähigt und geeignet gemacht wurde, nicht nur im Namen, sondern auch in der Person Christi selbst zu handeln und daß er dadurch teilhat an jener Autorität, durch die Christus selbst seinen Mystischen Leib erbaut, heiligt und leitet.

Durch das Weihepriestertum wird also die versöhnende und rettende Gegenwart Christi in der Welt fortgesetzt: die Salbung des Geistes, die wir bei der Priesterweihe empfangen haben, formt das Leben der Priester durch die Liebe des fleischgewordenen Wortes selbst. Dieses Wort bietet der ganzen Welt in den Priestern seinen ureigenen Lebensstil an (Vgl. Nachsynodales Apostolischens Schreiben PdV , Nr. 36).

Sehr leicht versteht man also nun, welche Seinsweise der Priester sakramental vor den Menschen annimmt, ohne daß er dabei aufhört, Bruder unter Brüdern zu sein, um ihnen berechtigterweise das Wort des einzigen Meisters zu verkünden, das an alle Menschen gerichtet ist, um jene Gesten des Verzeihens und der Versöhnung zu wiederholen und um ihnen das Heil nahezubringen und zwar vor allem durch die Taufe, die Beichte und die Eucharistie, denn so vergegenwärtigt der Priester die liebevolle Fürsorge Christi für die Menschen, die in dessen totaler Selbsthingabe gipfelt.

Das heilige Weiheamt läßt sich also nicht in die Reihe der ethischen zwischenmenschlichen Beziehungen einordnen, auch reiht es sich nicht einfach nur in die Liste menschlicher Anstrengungen auf der Suche nach Gottesnähe ein, nein: das heilige Weiheamt ist ein Gottesgeschenk und muß unwiderruflich in eine vertikale Linie eingeordnet werden und zwar in dem Sinne, daß es hier Gott selbst ist, der den Menschen aufsucht als dessen Schöpfer und Erlöser. Dieses Amt muß vor dem sakramentalen Hintergrund göttlicher Innigkeit gesehen werden, welche dem Menschen unentgeltlich zugänglich gemacht wird. Um es mit anderen Worten auszudrücken: der geweihte minister ist seinsmäßig heilig, und zwar sowohl hinsichtlich seines Ursprungs – denn es ist Christus selbst, der dieses Amt verleiht – als auch hinsichtlich des Inhaltes – nämlich der göttlichen Mysterien; er ist seinsmäßig heilig aufgrund der Weise selbst, in der dieses Amt verliehen wird: nämlich in sakramentaler Weise. Das ist also die einzige Perspektive, die es uns erlaubt, das Wesen dieses besagten priesterlichen Dienstes besonders in jenem kulturellen Kontext zu verstehen, in dem wir uns heute vorfinden.

In diesem Sinne antworten wir auf jene, die sich im Zuge der säkularisierenden Tendenzen und eines doktrinären und existentiellen Relativismus anmaßen zu behaupten, der Mensch genüge sich auf seinem Wege zur Glückseligkeit selbst und sei völlig autonom und unabhängig von einem fleischgewordenen Gott und dessen geweihten Dienern, mit der wohl bekannten Phrase aus den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils, daß nämlich einzig und allein Christus »dem Menschen den Menschen offenbart […] und ihn seine hohe Berufung verspüren läßt (Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 22).

Wir müssen wiederholen, daß Christus im Priester zugegen ist, um der Welt dafür als Zeichen zu dienen, daß die durch ihn bewirkte Versöhnung nicht ein Akt ist, der irgend einer Zeitepoche und einem bestimmten Ort zuzuschreiben ist, nein: dieser Akt übersteigt, insofern es eine einzigartige Versöhnungshandlung mit universaler Wirkkraft ist, die Kategorien des menschlichen Werdens, wird aber dauerhaft in der Zeit fortgesetzt, bis daß der jüngste Tag der Geschichte erreicht ist und Christus wiederkehrt (vgl. 1 Kor 11,26). Hierin wird auch die ökumenische und missionarische Dimension des Priesteramtes ersichtlich, wodurch alle Völker zu allen Zeiten einbezogen werden und jegliche Kultur transzendiert wird.

 

5. Der Priester in der Zeit des Wachsens der koinoniva mit Christus

»Die Neuevangelisierung braucht neue Verkünder des Evangeliums, und das sind die Priester, die sich bemühen, ihr Priestertum als einen spezifischen Weg zur Heiligkeit zu leben« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben PdV, Nr. 82).

Es ist daher unerläßlich, ein Leben des Gebetes und de Buße zu führen, eine ehrliche geistige Richtung einzuschlagen, zum Bußsakrament zurückzukehren und es regelmäßig zu empfangen und seine ganze Existenz auf die heilige Eucharistie auszurichten, sie in ihr zu verwurzeln und sich in ihr zu vereinen und zwar angetan mit einer starken aber doch auch einfühlsamen Marienfrömmigkeit.

Der heilige Gregor von Nazians sagt: »Man muß damit beginnen, sich selbst zu reinigen, bevor man die anderen reinigt. Zuerst muß man selbst unterwiesen sein, bevor man andere unterweist; Licht muß man selbst erst werden, um zu leuchten; man muß sich erst selbst Gott nähern, bevor man die anderen ihm nahebringen will; zuerst muß man selbst heilig sein, um dann andere zu heiligen« (Orationes 2,71: PG 35,480). Und das ist auch die Art von Versöhnung, die das Große Jubiläum von uns verlangt: zuerst müssen wir uns selbst versöhnen, um dann andere zu versöhnen, und hier muß wiederum hervorgehoben werden, daß unser Amt selbst zum Anspruch aber auch zur Quelle der Heiligung wird. Auf diese Einheit des Lebens müssen wir immer wieder abzielen. Christus selbst lebt im Priester (vgl. Gal 2,20): das ist die große Wahrheit, die unser Dasein mit Inhalt erfüllt und dessen Identität, Ausbildung und unseren Lebensstil, unsere Askese, sowie auch die Gemeinschaftsdisziplin definiert. Diese Wahrheit ist die Hoffnung für die Welt und ein Grund zur fortwährenden Begeisterung, was die Berufungen anbelangt. Diese Wahrheit müssen wir in die Welt hinaus schreien, wobei wir aber trotzdem ein demütiges und gleichzeitig glühendes Zeugnis abgeben sollen, das vom heiligen Stolz über unser Leben erfüllt ist!

 

6. Der Blick auf die Massen der Nichtlgaubenden und die Tatsache, daß selbst viele Gläubige einen – ich würde sagen - schalen und horizontalen Humanbegriff vom Weihepriestertum haben, obwohl diesem doch eine sakrale und hierarchische Dimension innewohnt, sowie auch deren Auffassung vom allgemeinen Priestertum der Getauften, muß uns einfach aufrütteln und uns reagieren lassen, so wie das auch Paulus aufgerüttelt und sein Herz mit missionarischem Eifer erfüllt hat, als er die Bitte des Mazedoniers erhörte, den er in einer Vision in Troas sah und der zu ihm sagte: „Hilf uns!"« (Apg 16,9).

Es gibt keine Gesellschaft, die nicht evangelisiert werden müßte: auch heute noch gelten die Worte, die der Heilige Vater 1985 an die Teilnehmer des VI. Symposions des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen richtete: »Dieses erneuerte Werk der Evangelisierung, welches wir unternehmen, reiht sich in eine organische und dynamische Kontinuität zur ersten Evangelisierung ein, nämlich in erster Linie jener Evangelisierung, die Christus selbst unternommen hat – vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 7 – und dann auch jener apostolischen Evangelisierung […]. Um eine wirkungsvolle Evangelisierung zu unternehmen, müssen wir uns auf das aller erste Modell der Apostel zurückbesinnen und uns von ihm inspirieren lassen (JOHANNES PAUL, Ansprache, 11. 10. 1985, Nrr. 2 und 8).

Die Erlösung Christi ist für jeden Menschen unerläßlich; wir sind gemäß dem göttlichen Heilsplan Kanäle und Werkzeuge, damit diese Erlösung in jedes Land hineinströmt und in jedes Herz eingegossen wird. Daher ist auch in uns die seelsorgliche Nächstenliebe von höchster Dringlichkeit: wir hasten auf den Weltenwegen dahin und sollen uns das »iniem veni mittere« zueigen machen, welches im priesterlichen Herzen Christi glühte.

Nicht das Alter sondern das Priestersein ist ausschlaggebend!. Selbstverständlich sieht man ein, daß ab einem gewissen Alter hinsichtlich der physischen Kondition und hinsichtlich gewisser Veränderungen innerhalb des Einsatzbereiches das Entstehen eines gerechten Wunsches nach verdientem Ruhestand da ist. Schwerlich würden aber absolute Erfordernisse lediglich aus Altersgründen aufgeschoben werden; auch wird niemand, wenn er wirklich Priester ist jemals ganz und gar und endgültig in Pension gehen können, denn das Priestertum ist eben nicht nur eine zeitbegrenzte Beschäftigung!

Ich sehe hier vor mir auch einige ältere Priester, und ich weiß, daß auch einige hier sind, die das neunzigste Lebensjahr erreicht und zum Teil auch schon überschritten haben. Ich weiß aber auch, welch jugendliches Herz und welch jugendlicher Wille sich unter diesen ehrerbietigen schlohweißen Häuptern und diesen gebrechlichen Körpern befinden. Lasset uns eilen »ad Deum qui laetificat iuventutem meam«!

 

Schluß

Das Jubiläum verpflichtet uns, umzukehren, um andere zu bekehren und ungeachtet jeglichen Alters sich erneut auf das große Abendteuer der Neuevangelisierung einzulassen. Die Kollonaden des Petersplatzes scheinen fast den ruhmreichen Marsch dieser Evangelisierung anzustimmen, es ist ein Marsch, der dem Rhythmus der spezifischen priesterlichen Heiligkeit folgt, denn sie sind die ersten und unerläßlichen Herolde des Evangeliums.

Und an diese Stelle möchte ich auch schließen: mein Wort soll nun zum Gebet werden, das zum ewig Hohenpriester empor steige: Herr, bewahre in deiner Liebe die Priester, die du als die Wächter deines Hauses, als die Künder deiner Wahrheit und als die Diener und Verwalter deiner heiligen Mysterien beschützt. Auch sie können der Verständnislosigkeit selbst der guten Menschen, der Feindseligkeit der Welt und der Unpopularität innerhalb der öffentlichen Meinung nicht entrinnen.

Umgib sie, oh Herr, mit einer geistigen Familie, die betet, die Verständnis aufbringt, die hilfsbereit ist und die sie unterstützt. Möge dein Volk sich an dem Geschenk treuer und heiligmäßiger Priester erfreuen können und möge ihm dieses Geschenk ein Trost sein. Möge sie die allerseligste Jungfrau Maria in der wunderbaren Kathedrale ihres unbefleckten Herzens vereint bewahren, wo du selbst zum Priester geweiht worden bist.

Herr, wir bitten dich mit den Worten der heiligen Theresa: gib ihnen die Macht, Brot und Wein zu wandeln. Gib ihnen die Macht, die Herzen zu verwandeln, und gib, daß sie auf die Frage der Leute: „wo kann man denn eigentlich Christus suchen?", was ja immer ein Echo der Ängste und Zweifel der Menschen ist, die selbe Antwort geben können, die seinerzeit auch schon der heilige Ambrosius gegeben hat: „im Herzen eines weisen Priesters!".

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