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Dr. Manfred Lütz

Als Psychiater, Psychotherapeut und Theologe soll ich Ihnen, verehrte Katechetinnen und Katecheten aus meiner Perspektive etwas Hilfreiches für Ihre Tätigkeit sagen. Und da möchte ich Ihnen zunächst gestehen, daß ich Sie beneide für Ihre so großartige Aufgabe, Menschen Worte zu sagen, mit denen man leben und sterben kann. Im allgemeinen Geschwätz unserer Zeit sind solche Worte kostbare Schätze, echte Blumen auf einem Feld von Plastikblumen, Worte des Lebens. „Du hast Worte ewigen Lebens" sagt Petrus zum Herrn. Diese Worte ewigen Lebens, diese Worte Jesu Christi, dürfen Sie weitersagen. Sie reden im heiligen Auftrag Jesu Christi und seiner Kirche, die der weiterlebende Christus ist.

Als Psychiater und Pschotherapeut rede ich im Auftrag der Krankenkassen. Wenn ich in dieser meiner Rolle rede, verwende ich auch Worte, aber ich habe da keine Worte ewigen Lebens. Allerdings sind es hilfreiche Worte, die der Psychotherapeut verwendet, um Symptome von psychischen Krankheiten und Leiden zu lindern oder zu heilen. Es gibt inzwischen über 500 Psychotherapieformen. Nicht alle sind wissenschaftlich als wirksam erwiesen. Aber es ist kein Zweifel, daß die Psycho-Wissenschaften eine große Leistung der menschlichen Vernunft darstellen. Papst Johannes Paul II. hat immer wieder die alte katholische Lehre bekräftigt, daß die Kirche Vernunft und Wissenschaft als Gabe Gottes hochschätzt. Auch die Psychologie ist eine solche Wissenschaft, die wir zum Wohl der Menschen einsetzen können und sollen. Wissenschaftlich und seriös ist sie aber nur, wenn sie sich ihrer Grenzen stets bewußt ist. So ist Psychotherapie immer nur eine künstliche zielgerichtete Beziehung auf Zeit. Der Psychotherapeut nutzt dazu eine Technik, die er gelernt hat. Über den Sinn des Lebens hat er in seiner Ausbildung nichts erfahren. Denn über den Sinn des Lebens weiß die Psychologie nichts.

Ein altes Mütterchen irgendwo in einem Dorf, das kaum lesen und schreiben kann, das seine Kinder durch Krieg und Hunger gebracht hat, aber das in allen Fährnissen des Lebens nie die Hoffnung auf Gott aufgegeben hat, und dem das Rosenkranzgebet und die Heilige Messe Kraft in allen Nöten war, dieses alte Mütterchen hat mehr, viel mehr über den Sinn des Lebens zu sagen als jeder Psychotherapeut und sei er noch so gut ausgebildet.

Und übrigens auch mehr als jeder Theologe. Schon der heilige Thomas von Aquin der brillanteste Denker des Mittelalters hat seine höchsten theologischen Spekulationen am Ende daraufhin geprüft, ob die vetula, das alte Mütterchen, nach dem Ergebnis dieser Überlegungen leben würde - und wenn das nicht zutraf, hat er diese Überlegungen verworfen. Die größte Aufgabe aller Theologie ist es, dem gelebten tiefen Glauben der ganz normalen Christen zu dienen. Und das Lehramt der Kirche achtet darauf, daß die Theologie diesen Dienst auch leistet. Seriöse Theologie ist eine Theologie, die dem Glauben dient.

Entsprechend ist seriöse Psychologie eine Psychologie, die bescheiden ist und die dem Menschen dient. Eine Psychologie, die herrschen will, kann den Menschen abhängig machen und bringt Gurus hervor, die gegen teures Geld künstlichen Sinn verkaufen, und künstlicher Sinn ist Unsinn. Alles können wir heute kaufen, alles können wir herstellen, alles können wir wissen und kalkulieren, das eigentlich Entscheidende des Lebens können wir nicht kaufen, können wir nicht herstellen, können wir nicht kalkulieren.

Die Liebe eines Menschen oder den Sinn des Lebens können wir nicht kaufen, können wir nicht herstellen, können wir nicht kalkulieren. Die Liebe eines Menschen und den Sinn des Lebens muß man erfahren in der Begegnung mit Menschen und in der Begegnung mit Gott. Das macht das Leben so spannend und unkalkulierbar. Es ist die Gnade Gottes, die in Jesus Christus und seiner Kirche liebevoll auf uns zukommt. Dessen müssen wir uns jeden Tag neu bewußt werden. „Werdet, was Ihr seid!" sagt der heilige Augustinus. Wir alle haben diese Gnade in den Sakramenten erhalten und erfahren und es ist unsere Aufgabe, diese Gnade ausstrahlen zu lassen auf andere Menschen. Den Glauben in der Begegnung mit uns Christen erfahrbar zu machen. Das ist die zentrale Wirkung einer guten Katechese, daß die Menschen über das wichtige Glaubenswissen hinaus erfahren können, daß der Katechet jemand ist, der selbst glaubt, der das lebt, was er ist, der wirklich Zeuge der Botschaft Jesu Christi ist.

Der Psychotherapeut kann viel weniger und darf viel weniger. Er kann im besten Fall verklemmte Türen öffnen und den Weg aus dunklen Sackgassen heraus weisen. Über den eigentlichen Weg selber weiß er durch seine Ausbildung nichts, gar nichts. Dieser Weg ist Christus, der sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben". Und auf diesem Weg sind nicht die Psychotherapeuten, sondern Sie, liebe Katechetinnen und Katecheten, die kompetenten Reiseführer. Und Reiseführer sind nur dann wirklich kompetent, wenn sie ihre Kenntnis nicht nur aus Büchern haben, sondern aus persönlicher Erfahrung. Die Glaubenserfahrung der Katecheten ist das Benzin, mit dem die Katechese vorankommt. Dazu braucht man keine Psychologie.

Aber die Psychologie kann manchmal nützlich sein. Wenn der Nächste, den ich doch lieben soll, sehr unsympatisch ist, kann die Psychologie helfen zu verstehen, wie ein solcher Mensch vielleicht so unsympatisch geworden ist, so daß niemand ihn liebt, und dann kann ich ihn vielleicht einfacher lieben. Und die Psychologie kann helfen, einem Menschen aufmerksamer und verständiger zuzuhören, um nicht nur Fragen zu beantworten, die er gar nicht hat. Und die moderne Psychologie mit ihrer guten Tendenz , nicht immer nur auf die Defizite der Patienten zu starren, kann helfen, daß wir wieder mehr von den Kräften des Glaubens und der Kirche reden und nicht allzusehr die Dunkelheiten unserer Zeit beklagen, sondern den Blick mehr auf das Licht richten, das Jesus Christus auch in unsere Zeit gebracht hat, auf die Herausforderungen und Chancen, die uns unsere Zeit schenkt, den Glauben an Jesus Christus den Menschen zu verkünden.

Sie kennen alle die Emmausgeschichte. Zwei Jünger gingen von Jerusalem nach Emmaus und waren nur am Jammern. Ich bin in der Gegend einmal gewesen. Es sind 40 gebirgige Kilometer - ein Jammerrekord. Diese Jünger wußten alles, aber sie hatten nichts begriffen. Sie wußten sogar die Auferstehung schon, aber es hatte sie innerlich nicht bewegt. Da kam der Herr selbst zu ihnen und machte mit ihnen eine Katechese. Und wir sind uns einig, liebe Katechetinnen und Katecheten: Ohne irgendjemand von ihnen herabzusetzen, Jesus Christus ist der beste Katechet. Aber sogar der beste Katechet der Welt half diesen Jüngern nicht. Erst beim Brechen des Brotes im lebendigen Sakrament der Eucharistie erkannten sie den Herrn und wurden mitgerissen und all ihr Wissen wurde lebendig und sogar ihre Beine wurden lebendig und sie rannten mit überhöhter Geschwindigkeit nach Jerusalem zurück, um den Aposteln Zeugnis zu geben, daß sie den Herrn gesehen hatten.

In Emmaus hatten die Jünger kein neues Wissen erworben, sondern sie hatten den Herrn gesehen. In Emmaus wurde die Botschaft der Jünger eine Frohe Botschaft. Das Wissen allein und die guten Methoden, es zu vermitteln, reichen nicht aus. Man muß uns anmerken, daß es uns innerlich bewegt, daß wir uns freuen, Christen zu sein, daß wir uns freuen, katholisch zu sein. Die Psychotherapie kann höchstens die Schuhe der Emmausjünger ein wenig reparieren, vom Weg und vom Ziel weiß sie nichts. Experten für das Ziel sind vielmehr die Menschen, die den Weg Christi bis zum letzten Ende gegangen sind.

Darum hat uns Papst Johannes Paul II. in diesem Jubiläumsjahr die Märtyrer unserer Zeit besonders vor Augen gestellt. Ihr Lebenszeugnis ist eine lebendige Katechese, die den Katechismus nicht überflüssig macht, aber ihn mit Fleisch und Blut erfüllt.

Als Psychotherapeut und Katholik rufe ich Ihnen zu: Respektiert das Wort der Psychologie, aber liebt das Wort Gottes und schaut auf die Märtyrer, durch die das Licht Jesu Christi bis in unsere Tage hinein leuchtet.

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