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HEILIGE KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

 

Beobachtungen zum "Abschlussbericht" der ARCIC

 

Animadversiones quas Sacra Congregatio pro Doctrina Fidei, de mandato SS.mi super enuntiatis ultimis Commissionis vulgo ARCIC cognominatae, de Eucharistica doctrina, de sacris Ordinibus atque de subiecto auctoritatis in Ecclesia, exaravit et omnibus Conferentiis Episcoporum die 2 Aprilis transmisit

27. März 1982

INHALTSANGABE

A) Gesamtbewertung:

1) Positive Aspekte.
2) Negative Aspekte.

B) Die Lehre betreffende Schwierigkeiten

I. Eucharistie:

1) Eucharistie als Opfer.
2) Realpräsenz.
3) Aufbewahrung und Anbetung der Eucharistie.

II. Amt und Ordination:

1) Amtspriestertum.
2) Sakramentalität der Ordination.
3) Ordination von Frauen.

III. Autorität in der Kirche

1) Interpretation der petrinischen Texte des Neuen Testaments.
2) Primat und Jurisdiktion des Bischofs von Rom.
3) Unfehlbarkeit und Indefektibilität.
4) Allgemeine Konzilien.
5) "Rezeption".

C) Weitere Punkte im Hinblick auf den künftigen Dialog:

1) Apostolische Sukzession.
2) Sittenlehre.

D) Abschlussbeobachtungen

 

 

Beobachtungen zum "Abschlussbericht" der ARCIC

Die Kopräsidenten der Anglikanischen Römisch-Katholischen Internationalen Kommission (ARCIC) haben seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. den Abschlussbericht der zwölfjährigen Kommissionsarbeit über die Themen der eucharistischen Lehre, des Amtes und der Ordination sowie der Autorität in der Kirche übersandt. Auf Bitte des Heiligen Vaters hat die Heilige Kongregation für die Glaubenslehre (SCDF) eine auf die Lehre bezogene Untersuchung des Berichtes durchgeführt, und die Schlussfolgerungen werden in den folgenden Beobachtungen dargelegt.

A. Gesamtbewertung

1) Die Kongregation muss vor allem die positiven Aspekte der Arbeit, die die ARCIC in zwölf Jahren eines in vieler Hinsicht vorbildlichen ökumenischen Dialogs geleistet hat, voll anerkennen. Indem die Gesprächspartner eine unfruchtbar polemische Mentalität zurückgestellt haben, sind sie in einen geduldigen und sorgfältigen Dialog getreten, um die offen zugegebenen Schwierigkeiten in Bezug auf die Lehre mit der Perspektive zu überwinden, die volle Gemeinschaft zwischen den beiden Gemeinschaften wiederherzustellen; zugleich war es eine bemerkenswerte Anstrengung in Richtung auf die Aussöhnung. Besonders erwähnenswert sind:

I) die Qualität der die Lehre betreffenden Annäherung, die in einem ernsthaften Versuch einer konvergierenden Interpretation der von jeder Seite als grundlegend erachteten Werte erreicht wurde;

II) der Umstand, dass die ARCIC eine Reihe von Beobachtungen, die die Glaubenskongregation vorher zu den Erklärungen von Windsor, Canterbury und Venedig vorgelegt hatte, beachtet hat und sich bemüht hat, darauf in zwei Serien von Erläuterungen über die Eucharistie, das Amt und die Ordination (1979) und über die Autorität in der Kirche (1981) zufriedenstellend zu antworten.

2) Die Kongregation ist dennoch verpflichtet, auf einige negative Aspekte der von der ARCIC verfolgten Methode hinzuweisen:

I) Der erste Aspekt mag gering erscheinen, obwohl er nicht ohne Bedeutung für die Leser des Dokuments ist. Die ARCIC hat es nicht für nötig gehalten, die Erklärungen selbst zu korrigieren; stattdessen hat sie ihre Anpassungen in zwei Serien von Erläuterungen geäußert. Daraus ergibt sich ein Mangel an Harmonie und Homogenität, der zu verschiedenen Lesarten und einem nicht gerechtfertigten Gebrauch der Kommissionstexte führen könnte.

Noch wichtiger sind die folgenden Anmerkungen, denn obwohl sie die verwendete Methode betreffen, haben sie auch eine Bedeutung für die Lehre.

II) Die Zweideutigkeit des Ausdrucks "wesentliche Übereinstimmung" ("substantial agreement").

Das englische Adjektiv soll nichts anderes als "wirklich" oder "echt" bedeuten. Aber die Übersetzungen dieses Wortes legen zumindest in den romanischen Sprachen ("substantiel", "sostanziale") – besonders wenn man die Bedeutung dieser Begriffe in der katholischen Theologie bedenkt – nahe, darin eine grundlegende Übereinstimmung über wirklich wesentliche Punkte zu sehen (und weiter unten wird deutlich, dass die SCDF in dieser Hinsicht legitime Vorbehalte hat).

Eine weitere Quelle von Zweideutigkeit findet sich in folgendem Umstand: ein Vergleich der drei Texte (Erläuterungen, Salisbury 1979, 2 und 9; Autorität in der Kirche I, Venedig 1976, 26) zeigt, dass die als "wesentlich" bezeichnete Übereinstimmung keineswegs vollständig ist, wenngleich sie von der ARCIC als wirklich umfassend betrachtet wird. Dies gestattet es nicht, zu erkennen, ob die verbleibenden Differenzen oder die im Dokument fehlenden Dinge in den Augen der Mitglieder der ARCIC nur zweitrangige Punkte betreffen (zum Beispiel die Struktur der liturgischen Feiern, theologische Meinungen, kirchliche Disziplin, Spiritualität) oder ob es sich um Punkte handelt, die authentisch den Glauben betreffen. Auf jeden Fall muss die Kongregation feststellen, dass es mitunter die zweite Hypothese ist, die eintritt (zum Beispiel im Fall der eucharistischen Anbetung, des päpstlichen Primats, der marianischen Dogmen), und dass es hier nicht möglich ist, sich auf die "Hierarchie der Wahrheiten" zu berufen, von denen Abschnitt 11 des Dekrets Unitatis redintegratio des Zweiten Vatikanischen Konzils spricht (vgl. die Erklärung Mysterium ecclesiae, Nr. 4, 3).

III) Die Möglichkeit einer doppelten Interpretation der Texte.

Einige Formulierungen des Berichts sind nicht hinreichend explizit, und deshalb können sie sich für eine doppelte Interpretation eignen, in der beide Seiten unverändert den Ausdruck der eigenen Position finden.

Diese Möglichkeit gegensätzlicher und schlussendlich unvereinbarer Lesarten von Formulierungen, die scheinbar beide Seiten zufriedenstellen, stellt die Frage nach der tatsächlichen Zustimmung der beiden Gemeinschaften, sowohl der Hirten als auch der Gläubigen. Wenn nämlich eine Formulierung, auf die sich die Experten geeinigt haben, unterschiedlich interpretiert werden kann, wie kann sie dann als Grundlage der Versöhnung auf der Ebene des kirchlichen Lebens und der kirchlichen Praxis dienen?

Wenn die Mitglieder der ARCIC von dem "Konsens, den wir erreicht haben" sprechen (Vgl. Eucharistische Lehre, Windsor 1971, 1), ist darüber hinaus nicht immer klar zu erkennen, ob das den tatsächlich bekannten Glauben der beiden im Dialog stehenden Gemeinschaften betrifft oder eine Überzeugung, zu der die Mitglieder der Kommission gelangt sind und zu der sie ihre Mitgläubigen hinführen wollen.

Um die genaue Bedeutung einiger Punkte der Übereinstimmung zu bewerten, wäre es in dieser Hinsicht nützlich gewesen, wenn die ARCIC ihre eigene Position gegenüber den Dokumenten, die maßgeblich zur Bildung der anglikanischen Identität beigetragen haben (Die 39 Artikel der Religion, das Book of Common Prayer, das Ordinale), in den Fällen, in denen die Aussagen des Abschlussberichts mit diesen Dokumenten unvereinbar zu sein scheinen, angegeben hätte. Die fehlende Stellungnahme gegenüber diesen Texten kann zu Unsicherheiten über die genaue Bedeutung der erreichten Übereinstimmung führen.

Zuletzt muss die Kongregation feststellen, dass aus katholischer Sicht im Abschlussbericht der ARCIC eine gewisse Anzahl von Schwierigkeiten bei den Lehrformulierungen bleibt, von denen einige die eigentliche Substanz des Glaubens betreffen. Diese Schwierigkeiten – ihre Beschreibung und ihre Begründung – werden jetzt in der Reihenfolge der neuen Texte des Abschlussberichts aufgezählt (Eucharistische Lehre Amt und Ordination; Erläuterungen, Salisbury 1979, Autorität in der Kirche II; Autorität in der Kirche: eine Erläuterung, Windsor 1981).

B. Von der SCDF festgestellte Schwierigkeiten in Bezug auf die Lehre

I – Eucharistie (vgl. Erläuterungen, Salisbury 1979)

1) Eucharistie als Opfer

In den Erläuterungen, Nr. 5, hat die ARCIC ihre Gründe für den Gebrauch des Begriffes anamnesis dargelegt und die Präzisierung der anamnesis als Opfer in Bezug auf die Tradition der Kirche und ihrer Liturgie als rechtmäßig anerkannt. Insofern dies jedoch in der Vergangenheit Gegenstand einer Kontroverse war, kann man sich nicht mit einer Erklärung zufriedengeben, die einer Lesart Raum lässt, die einen wesentlichen Aspekt des Geheimnisses nicht umfasst.

Der Text sagt ebenso wie die Erklärung von Windsor (Nr. 5): "Die Kirche geht in die Bewegung der Selbsthingabe (Christi) ein" und das eucharistische Gedächtnis, das darin besteht, "ein vergangenes Ereignis in der Gegenwart zu verwirklichen", ist "die wirksame Verkündigung der machtvollen Taten Gottes durch die Kirche". Man fragt sich jedoch, was tatsächlich mit den Worten gemeint ist: "Die Kirche geht in die Bewegung der Selbsthingabe (Christi) ein" und "ein vergangenes Ereignis in der Gegenwart verwirklichen". Damit die Katholiken an diesem Punkt ihren Glauben zur Gänze ausgedrückt sehen, wäre die Klarstellung nützlich gewesen, dass die Realpräsenz des Opfers Christi, die durch die Worte des Sakraments vollbracht wird, also durch das Amt des Priesters, der "in Persona Christi" die Worte des Herrn spricht, eine Teilhabe der Kirche, des Leibes Christi, an der Opfertat ihres Herren so einschließt, dass sie sakramental in ihm und mit ihm sein Opfer darbringt. Ferner besteht der Versöhnungsaspekt, den das katholische Dogma der Eucharistie zuschreibt und der von der ARCIC nicht erwähnt wird, eben gerade in diesem sakramentalen Opfer (vgl. Konzil von Trient: DS 1743, 1753; Johannes Paul II., Schreiben Dominicae cenae, Nr. 8, 4).

2) Realpräsenz

Mit Genugtuung stellt man fest, dass zahlreiche Ausdrücke die Realpräsenz des Leibes und des Blutes Christi im Sakrament klar bekräftigen, zum Beispiel: "Vor dem eucharistischen Gebet antwortet der Gläubige auf die Frage: 'Was ist das?' mit: 'Das ist Brot.' Nach dem eucharistischen Gebet antwortet er auf dieselbe Frage: 'Es ist wahrhaftig der Leib Christi, das Brot des Lebens.'" (Erläuterungen von Salisbury, Nr. 6; vgl. auch die Erklärung von Windsor, Nr. 6 und 10).

Bestimmte andere Formulierungen, vor allem einige von jenen, die die Verwirklichung dieser Realpräsenz auszudrücken versuchen, scheinen nicht angemessen auszudrücken, was die Kirche mit dem Begriff "Transsubstantiation" bezeichnet ("jene wunderbare und einzigartige Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in den Leib und der ganzen Substanz des Weines in das Blut, wobei lediglich die Gestalten von Brot und Wein bleiben" – Konzil von Trient, DS 1652; vgl. Paul VI., Enzyklika Mysterium Fidei , AAS 51 [1965], S. 766).

Es ist wahr, dass die Erklärung von Windsor in einer Fußnote sagt, dass dies als "eine geheimnisvolle und radikale Veränderung" aufgefasst werden muss, die von einer "Verwandlung in der inneren Wirklichkeit der Elemente" bewirkt wird. Aber dieselbe Erklärung spricht an anderer Stelle (Nr. 3) von einer "sakramentalen Gegenwart durch das Brot und den Wein", und die Erläuterungen (Nr. 6b) sagen: "Sein Leib und sein Blut werden durch das Wirken des Heiligen Geistes gegeben, der sich Brot und Wein aneignet, so dass sie die Speise der neuen Schöpfung werden." Man findet auch die Ausdrücke: "die Assoziation der Gegenwart Christi mit den geweihten Elementen" (Nr. 7) und "die Assoziation der sakramentalen Gegenwart Christi mit dem geweihten Brot und Wein" (Nr. 9). Diese Formulierungen können mit dem Verständnis gelesen werden, dass Brot und Wein auch nach dem eucharistischen Gebet in ihrer ontologischen Substanz Brot und Wein bleiben, selbst wenn sie zur sakramentalen Vermittlung des Leibes und Blutes Christi werden [1]. Angesichts dieser Beobachtungen scheint es daher nötig zu sagen, dass die wesentliche Übereinstimmung, die die ARCIC mit so viel Sorgfalt darlegen will, einer weiteren Klärung bedarf.

3) Aufbewahrung und Anbetung der Eucharistie

Die Erläuterungen (Nr. 9) räumen die Möglichkeit von Unterschieden nicht nur in der Praxis der Anbetung Christi im aufbewahrten Sakrament, sondern auch in den "theologischen Urteilen" darüber ein. In der katholischen Kirche ist die Anbetung des Allerheiligsten Sakraments jedoch Gegenstand einer dogmatischen Definition (vgl. Konzil von Trient, DS 1643, 1656). Es könnte hier eine Frage aufkommen, welchen Status in der Anglikanischen Gemeinschaft die "Schwarze Rubrik" genannte Disposition des Book of Common Prayer hat: "… das Brot und der Wein des Sakraments verbleiben in ihren natürlichen Substanzen und dürfen daher nicht angebetet werden."

II - Amt und Ordination (vgl. Erläuterungen, Salisbury 1979)

1) Amtspriestertum

Die Erläuterungen (Nr. 12) unterscheiden zwischen dem gemeinsamen Priestertum des Volkes Gottes und dem Priestertum des geweihten Amtsträgers, und sie stellen klar, dass nur der Priester befähigt ist, in der eucharistischen Feier zu handeln, und zwar auf folgende Weise: "Nur der geweihte Amtsträger steht der Eucharistie vor, in der er im Namen Christi und für seine Kirche die Schilderung der Einsetzung des Letzten Abendmahles wiedergibt und den Heiligen Geist auf die Gaben herabruft." Doch bedeutet diese Formulierung nur dann, dass es sich um einen Priester im Sinne der katholischen Lehre handelt, wenn gemeint ist, dass durch seine Vermittlung die Kirche sakramental das Opfer Christi darbringt. Darüber hinaus wurde vorher bereits festgestellt, dass das Dokument eine solche sakramentale Opfergabe nicht expliziert. Da das priesterliche Wesen des geweihten Ministers vom Opfercharakter der Eucharistie abhängt, macht ein Mangel an Klarheit in Bezug auf den zweiten Punkt eine effektive Übereinstimmung in Bezug auf den ersten problematisch (vgl. Konzil von Trient, DS 1740-1741, 1752, 1764, 1771; Johannes Paul II., Schreiben Dominicae cenae, Nr. 8, 4 und 9, 2).

2) Sakramentalität der Ordination

Die ARCIC erkennt das sakramentale Wesen des Weiheritus an (Nr. 13) und sagt ferner, dass "diejenigen, die geweiht werden …, ihr Amt von Christus durch denjenigen erhalten, der in der Kirche mit dessen Weitergabe betraut ist." Allerdings erklärt sie nicht mit hinreichender Deutlichkeit, dass es sich – trotz eventueller Schwierigkeiten eines historischen Nachweises – um eine Lehre des Glaubens der Kirche handelt, dass das Ordo-Sakrament von Christus eingesetzt worden ist: In der Tat lässt die Anmerkung 4 der Erläuterung von Canterbury, die auf die 39 Artikel der Religion verweist (Art. 25), den Schluss zu, dass die Anglikaner eine solche Einsetzung nur für die beiden "Sakramente des Evangeliums", also für Taufe und Eucharistie, anerkennen.

Man kann hier feststellen, dass die Frage nach der Einsetzung der Sakramente und nach der Weise, in der diese erkannt werden kann, eng mit der Frage der Interpretation der Heiligen Schrift verbunden ist. Die Tatsache der Einsetzung kann nicht einzig in den Grenzen der Gewissheit, zu der die historische Methode gelangt, betrachtet werden, sondern muss auch der authentischen Interpretation der Schrift, die der Kirche zukommt, Rechnung tragen.

3) Ordination von Frauen

Wie die ARCIC festgestellt hat, hat es seit der Erklärung von Canterbury von 1973 Entwicklungen in Bezug auf die Ordination von Frauen gegeben (vgl. Erläuterungen, Nr. 15). Die neuen kanonischen Vorschriften, die jüngst zu dieser Frage in einigen Sektoren der Anglikanischen Gemeinschaft eingeführt worden sind und die diese als einen "langsamen aber stetigen Zuwachs des Konsenses der Meinungen" (vgl. den Brief von Dr. Coggan an Paul VI. vom 9. Juli 1975) bezeichnen konnte, stehen der "gemeinsamen Tradition" der beiden Gemeinschaften formell entgegen. Ferner betrifft das Hindernis, das sich daraus ergibt, die Lehre, denn die Frage, ob jemand geweiht werden kann oder nicht, ist eng verbunden mit der Frage nach dem sakramentalen Wesen des Ordo.[2].

III - Autorität in der Kirche (Erklärung II und eine Erläuterung, Windsor 1981)

1) Interpretation der petrinischen Texte des Neuen Testaments

Es ist nötig, die Bedeutung des Umstandes zu unterstreichen, dass die Anglikaner anerkennen, dass "ein Primat des Bischofs von Rom nicht im Gegensatz zum Neuen Testament steht und Teil von Gottes Absicht in Bezug auf die Einheit und Katholizität der Kirche ist". (Autorität II, Nr. 7).

Ebenso wie für die Einsetzung der Sakramente muss allerdings bedacht werden, dass es für die Kirche nicht möglich ist, als effektives Kriterium der Lektüre der Schrift nur das, was von der historischen Kritik anerkannt wird, anzunehmen und damit zuzulassen, dass die Homogenität der Entwicklungen, die in der Tradition erscheinen, zweifelhaft bleibt.

In dieser Hinsicht ist das, was die ARCIC über die Rolle des Petrus schreibt ("eine besondere Stellung unter den Zwölf", Nr. 3; "eine Rolle besonderer Wichtigkeit", Nr. 5), der Wahrheit des Glaubens, die die katholische Kirche auf Grund der wesentlichen petrinischen Texte des Neuen Testaments (Joh 1, 42; 21, 15; Mt 16, 16; vgl. DS 3053) anerkennt, nicht angemessen und genügt den Bedingungen der dogmatischen Definition des Ersten Vatikanischen Konzils nicht: "Der selige Apostel Petrus … [hat] den wahren und eigentlichen Jurisdiktionsprimat von ebendiesem unserem Herrn Jesus Christus direkt und unmittelbar empfangen." (Konstitution Pastor aeternus, Kap. 1, DS 3055).

2) Primat und Jurisdiktion des Bischofs von Rom

Indem sie den Ausdruck "ius divinum" kommentiert, den das Erste Vatikanische Konzil in Bezug auf den Primat des Papstes, des Nachfolgers Petri, gebraucht, sagt die ARCIC, dass "er zumindest bedeutet, dass dieser Primat Gottes Absicht für diese Kirche ausdrückt" und dass "er nicht so verstanden werden muss, dass er impliziert, dass der universale Primat als dauerhafte Einrichtung direkt von Jesus während seines irdischen Lebens begründet wurde" (Autoriät II, Nr. 11). Auf diese Weise entspricht die ARCIC nicht den Anforderungen des Begriffes "Einsetzung" in der Wendung des Ersten Vatikanischen Konzils: "aus der Einsetzung Christi, des Herren, selbst" (Konstitution Pastor aeternus, Kap. 2, DS 3058), die verlangt, dass Christus selbst den universalen Primat verfügt hat.

In dieser Hinsicht sollte man feststellen, dass die ARCIC das Zweite Vatikanische Konzil nicht genau interpretiert, wenn sie sagt, dass das "Konzil erlaubt, dass gesagt wird, dass einer nicht mit dem römischen Bischofssitz in Gemeinschaft stehenden Kirche aus Sicht der römisch katholischen Kirche nichts fehlen mag, außer dass sie nicht zu der sichtbaren Manifestation der vollen christlichen Gemeinschaft gehört, die von der römisch katholischen Kirche bewahrt wird" (Nr. 12). Gemäß der katholischen Tradition ist die sichtbare Einheit nicht etwas Äußeres, dass zu den Partikularkirchen hinzugefügt wird, die schon in sich selbst das volle Wesen der Kirche besitzen und verwirklichen würden; diese Einheit betrifft die innerste Struktur des Glaubens und durchdringt all seine Aspekte. Das Amt, diese Einheit im Einklang mit dem Willen des Herren zu bewahren, zu fördern und ihr Ausdruck zu verleihen, ist daher ein konstitutiver Bestandteil des authentischen Wesens der Kirche (vgl. Joh 21,15-19). Die Jurisdiktionsvollmacht über alle Partikularkirchen wohnt diesem Amt daher inne (ist also "iure divino") und ist nicht etwas, das ihm aus menschlichen Gründen zukommt, oder um geschichtlichen Bedürfnissen zu entsprechen. Des Papstes "volle, höchste und allgemeine Vollmacht über die Kirche, die er immer frei ausüben kann" (Konstitution Lumen gentium, Nr. 22; vgl. DS 3064), die je nach den geschichtlichen Erfordernissen unterschiedliche Formen annehmen kann, kann niemals fehlen.

Der Bericht der ARCIC erkennt an, "dass man einen universalen Primat in einer wiedervereinten Kirche braucht" (Autoriät II, Nr. 9), um die Einheit der Partikularkirchen zu sichern, und dass "in einer künftigen Einheit ein universaler Primat" vom Bischof von Rom "ausgeübt werden könnte" (vgl. Autorität I, Nr. 23). Solch eine Anerkennung muss als eine bedeutende Tatsache in den Beziehungen zwischen den Kirchen betrachtet werden, aber – wie man oben gesehen hat – bestehen weiterhin wichtige Unterschiede zwischen Anglikanern und Katholiken in Bezug auf das Wesen dieses Primats.

3) Unfehlbarkeit und Indefektibilität

Zuerst muss festgestellt werden, dass der von der ARCIC gebrauchte Begriff der "Indefektibilität" nicht dem vom Ersten Vatikanischen Konzil gewählten Begriff gleichkommt (vgl. Autorität in der Kirche I, Nr. 18).

Für die ARCIC liegt die Gewissheit des Gläubigen über die Wahrheit der Lehre des Magisteriums der Kirche letztlich in der Treue zum Evangelium, die er darin erkennt, anstatt in der Autorität der Person, die diese vorträgt (vgl. Autoriät II, Nr. 27; Erläuterungen, Nr. 3).

Die Kommission weist besonders auf eine Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Gemeinschaften über den folgenden Punkt hin: "Trotz unserer Übereinstimmung über die Notwendigkeit eines universalen Primats in einer vereinten Kirche akzeptieren die Anglikaner nicht, dass der garantierte Besitz einer solchen Gabe göttlichen Beistandes im Urteil notwendigerweise mit dem Amt des Bischofs von Rom so verbunden ist, dass dessen formelle Entscheidungen als gänzlich sicher anerkannt werden können, bevor sie von den Gläubigen rezipiert worden sind" (Autorität II, Nr. 31).

Wie das oben angeführte Zitat zeigt, ist eine Übereinstimmung zwischen dem anglikanischen Verständnis von Unfehlbarkeit und dem von den Katholiken bekannten Glauben noch nicht erreicht. Die ARCIC besteht zurecht auf der Tatsache, dass "die Lehre der Kirche verkündet wird, weil sie wahr ist, und nicht wahr ist, bloß weil sie verkündet wurde" (Autorität II, Nr. 27). Der Begriff "Unfehlbarkeit" verweist allerdings unmittelbar nicht auf die Wahrheit, sondern auf die Gewissheit: Er besagt, dass die Gewissheit der Kirche über eine Wahrheit des Evangeliums ohne irgendeinen Zweifel im Zeugnis des Nachfolgers des heiligen Petrus gegenwärtig ist, wenn er sein Amt ausübt, "seine Brüder zu bestärken" (Lk 22, 32; vgl. Konstitution Lumen gentium, Nr. 25, DS 3065, 3074).

Nur von hier lässt sich verstehen, warum ARCIC zu der Aussage kommt, dass viele Anglikaner die Definition der unbefleckten Empfängnis und der Aufnahme der seligen Jungfrau Maria in den Himmel nicht als Dogmen der Kirche anerkennen, wohingegen sie für die katholische Kirche wahre und authentische Dogmen sind, die zur Fülle des Glaubens gehören.

4) Allgemeine Konzilien

Die Erläuterung von Windsor wiederholt einige Dinge, zu denen die SCDF bereits einen Kommentar vorgelegt hat: "Nur diejenigen Entscheidungen allgemeiner Konzilien werden verbürgt, 'Fehler auszuschließen' oder 'vor Fehlern geschützt zu sein', die 'grundlegende Fragen des Glaubens' zum Inhalt haben, die 'zentrale Heilswahrheiten formulieren' …" (Nr. 3). Die Erklärung von Venedig wird hier durch die Aussage verschärft, dass die Kommission – weit davon entfernt, zu implizieren, dass allgemeine Konzilien nicht irren können – "sich wohl bewusst ist, dass sie 'manchmal geirrt haben'" (Nr. 3).

Was hier von den allgemeinen Konzilien gesagt wird, ist nicht exakt: die Sendung, die die Kirche den in einem Konzil vereinten Bischöfen zuerkennt, ist nicht auf "grundlegende Fragen des Glaubens" beschränkt; sie erstreckt sich auf den gesamten Bereich des Glaubens und der Moral, in dem diese "Lehrer und Richter" sind (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution Lumen gentium, Nr. 25). Darüber hinaus unterscheidet der Text der ARCIC in den Konzilsdokumenten nicht zwischen dem, was wirklich definiert ist, und anderen Überlegungen, die sich in ihnen finden können.

5) "Rezeption"

Für den Fall einer "ex cathedra"-Definition des Bischofs von Rom weist der Bericht (Autorität II, Nr. 29) auf einen Unterschied zwischen der katholischen Lehre und der anglikanischen Position hin. "Die Katholiken schließen, dass das Urteil fehlerfrei ist und dass die Proposition wahr ist. Falls die zur Zustimmung vorgelegte Definition nicht offenkundig eine legitime Interpretation des biblischen Glaubens ist und auf einer Linie mit der rechtgläubigen Tradition liegt, halten es die Anglikaner für nötig, die Rezeption der Definition dem Studium und der Diskussion vorzubehalten.

Andererseits spricht die ARCIC dort, wo sie die Definitionen der Konzile und ihre Rezeption behandelt, so, als ob sie tatsächlich zu einer Formulierung der Übereinstimmung gelangt sei, indem sie zwei Extrempositionen vermeidet (Erläuterungen, Nr. 3). Aber diese Formulierung macht die Rezeption durch den Gläubigen zu einem Faktor, der unter dem Titel eines "letzten" oder "endgültigen Anzeichens" zur Anerkennung der Autorität und des Wertes der Definition als genuiner Ausdruck des Glaubens beitragen muss (vgl. auch Autorität II, Nr. 25).

Wenn dies nach dem Bericht die Rolle der "Rezeption" ist, muss gesagt werden, dass diese Theorie nicht im Einklang mit der katholischen Lehre steht, so wie sie in der Konstitution Pastor aeternus des Ersten Vatikanischen Konzils ausgedrückt ist, wo es heißt: "[Der Römische Bischof besitzt] jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition der Glaubens- oder Sittenlehre ausgestattet sehen wollte" (DS 3074), und auch nicht mit der Konstitution Lumen gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils, nach der die zu einem ökumenischen Konzil versammelten Bischöfe sich einer solchen Unfehlbarkeit erfreuen und ihre Definitionen nach der gehorsamen Zustimmung des Glaubens verlangen (vgl. Nr. 25).

Es ist wahr, dass die Konstitution Dei Verbum des Zweiten Vatikanischen Konzils von einem "einzigartigen Einklang" spricht, der "im Festhalten am überlieferten Glauben, in seiner Verwirklichung und seinem Bekenntnis" "zwischen Vorstehern und Gläubigen zustanden kommt", doch sie fügt hinzu: "Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes authentisch auszulegen, ist allein dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird. Das Lehramt steht also nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nur lehrt, was überliefert ist, da es ja dieses <Wort Gottes> nach göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes ehrfürchtig hört, heilig bewahrt und treu erklärt und all das, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus dieser einen Hinterlassenschaft des Glaubens schöpft." (Nr. 10).

C. Weitere Punkte im Hinblick auf den künftigen Dialog

1) Apostolische Sukzession

Dieses Problem stand im Zentrum der gesamten ökumenischen Diskussion und liegt Mittelpunkt des ökumenischen Problems; in der Konsequenz betrifft es alle Fragen, die die ARCIC behandelt hat: die Wirklichkeit der Eucharistie, die Sakramentalität des priesterlichen Amtes, das Wesen des römischen Primats.

Der Abschlussbericht behauptet einen Konsens über diesen Punkt (vgl. Erklärung von Canterbury, Nr. 16), aber wir können fragen, ob der Text eine hinreichende Analyse der Frage bietet. Es handelt sich also um ein Problem, das noch einmal aufgegriffen werden und gründlicher untersucht werden sollte, vor allem aber sollte es der Wirklichkeit des Kirchenlebens und der Praxis in den beiden Gemeinschaften gegenübergestellt werden.

2) Sittenlehre

Völlig korrekt hat sich der von der ARCIC geführte Dialog auf die drei Themen konzentriert, die historisch Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Anglikanern waren: "auf die Eucharistie, auf die Bedeutung und Funktion des Amtspriestertums und auf das Wesen und die Ausübung der Autorität in der Kirche" (Einleitung zum Abschlussbericht, Nr. 2).

Da das endgültige Ziel des Dialogs jedoch in einer Wiederherstellung der kirchlichen Einheit besteht, wird es nötig sein, ihn auch auf andere Aspekte auszudehnen, die ein Hindernis für die Wiederherstellung dieser Einheit darstellen. Es wird angemessen sein, hier der Sittenlehre einen wichtigen Stellenwert zu geben.

D) Abschlussbeobachtungen

1) Über die im Abschlussbericht der ARCIC erreichte Übereinstimmung

Zum Abschluss dieser die Lehre betreffende Untersuchung, denkt die SDCF, dass der Abschlussbericht der ARCIC zwar eine bemerkenswerte ökumenischen Anstrengung und eine nützliche Grundlage für weitere Schritte auf dem Weg der Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und der anglikanischen Gemeinschaft darstellt, jedoch keine ausdrückliche und substantielle Übereinstimmung über einige essentielle Punkte des katholischen Glaubens bildet:

a) denn der Bericht erkennt ausdrücklich an, dass das eine oder andere katholische Dogma von unseren anglikanischen Brüdern nicht akzeptiert wird (z. B. die eucharistische Anbetung, die Unfehlbarkeit, die marianischen Dogmen);

b) denn die eine oder andere katholische Lehre wird nur teilweise von unseren anglikanischen Brüdern akzeptiert (z. B. der Primat des Bischofs von Rom);

c) denn bestimmte Formulierungen des Berichts sind nicht explizit genug, um sicherzustellen, dass sie Interpretationen ausschließen, die nicht im Einklang mit dem katholischen Glauben stehen (z. B. die Eucharistie als Opfer, die Realpräsenz, das Wesen des Priestertums);

d) denn einige Behauptungen des Berichts sind ungenau und nicht als katholische Lehre annehmbar (z. B. die Beziehung zwischen dem Primat und der Kirchenstruktur, die Lehre von der "Rezeption");

e) denn schließlich sind einige wichtige Aspekte der Lehre der katholischen Kirche entweder nicht oder nur indirekt behandelt worden (z. B. die apostolische Sukzession, die "regula fidei", die Sittenlehre).

2) Zu den nächsten konkreten Schritten, die zu unternehmen sind

Die SCDF denkt, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung empfehlen:

a) dass der Dialog weitergeführt wird, denn es gibt hinreichende Gründe für die Annahme, dass seine Fortsetzung fruchtbar sein wird;

b) dass er in Bezug auf die bereits angesprochenen Punkte, bei denen die Ergebnisse nicht zufriedenstellend waren, vertieft wird;

c) dass er auf neue Themen ausgeweitet wird, vor allem auf diejenigen, die für die Wiederherstellung einer vollen Kircheneinheit zwischen den beiden Gemeinschaften nötig sind.

 

 

 

[1] One may also recall in this regard the Anglican Lutheran statement of 1972, which reads: "Both Communions affirm the real presence of Christ in this sacrament, but neither seeks to define precisely how this happens in the eucharistic action (including consecration) and reception, the bread and wine, while remaining bread and wine, become the means whereby Christ is truly present and gives himself to the communicants" (Report of the Anglican Lu­theran International Conversations 1970-1972, authorized by the Lambeth Conference and the Lutheran World Federation, in Lutheran World, vol. XIX, 1972, 393).

 

[2] In the Declaration Inter insigniores of 15 October 1976, one will find the reasons for which the Church does not consider herself authorized to admit women to ordination to the priesthood. It is not a question of socio-cultural reasons, but rather of the "unbroken tradition throughout the history of the Church, universal in the East and in the West", which must be "considered to conform to God’s plan for his Church" (cf. nos. 1 and 4).