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KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

 

NOTIFIKATION ÜBER DAS WERK
»MARY AND HUMAN LIBERATION«
VON PATER TISSA BALASURIYA OMI
*

 

Am 5. Juni 1994 gab die Bischofskonferenz von Sri Lanka in einer öffentlichen Stellungnahme bekannt, dass das Werk Mary and Human Liberation 1 von P. Tissa Balasuriya OMI Behauptungen enthält, die mit dem Glauben der Kirche im Bezug auf die Lehre über die Offenbarung und deren Weitergabe, über die Christologie, Soteriologie und Mariologie unvereinbar sind. Die Bischöfe forderten die Gläubigen sodann auf, von der Lektüre besagten Werkes Abstand zu nehmen. Die Reaktion des Verfassers war negativ: er erklärte, dass seine Schrift falsch interpretiert worden sei und verlangte einen Beweis für die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.

Da besagte irrige Ideen trotz der Erklärung der srilankischen Bischofskonferenz weiterhin unter den Gläubigen über die Grenzen Sri Lankas hinaus Verbreitung fanden, hat die Kongregation für die Glaubenslehre kraft der ihr obliegenden Verantwortung für den Schutz des Glaubens in der katholischen Welt beschlossen, einzuschreiten. Ende Juli 1994 ließ das Dikasterium dem Generaloberen der Oblaten von der unbefleckten Jungfrau Maria eine Reihe von Anmerkungen zu besagter Schrift zukommen mit der neuerlichen Feststellung, dass darin Behauptungen enthalten seien, die offensichtlich mit dem Glauben der Kirche unvereinbar sind. Desgleichen wurde der Generalobere aufgefordert, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere sollte er P. Balasuriya zu einer öffentlichen Richtigstellung auffordern.

In seiner Antwort vom 14. März 1995 hielt P. Balasuriya nicht nur an seinen Positionen fest, sondern behauptete darüber hinaus, die Kongregation hätte den Sinn der von ihm gelehrten Auffassungen missverstanden und verfälscht.

Um den Verfasser dazu zu bewegen, seine vollständige und uneingeschränkte Treue zum Lehramt unter Beweis zu stellen, ließ die Kongregation dem Generaloberen der Oblaten von der unbefleckten Jungfrau Maria im November 1995 den Text eines Glaubensbekenntnisses zukommen, das vor allem die lehramtlichen Festlegungen bezüglich jener Glaubenswahrheiten beinhaltet, die der Autor geleugnet oder falsch interpretiert hatte. Außerdem wurde erklärt, dass man im Falle, dass sich der Ordensmann bereiterklären sollte, besagtes Glaubensbekenntnis zu unterzeichnen, entscheiden würde, wie er am besten den Schaden wiedergutmachen kann, den er Gläubigen zugefügt hat. Widrigenfalls würde die Kongregation jedoch über die üblichen disziplinarischen Maßnahmen (can. 1364) hinaus die Veröffentlichung einer Notifikation in Betracht ziehen.

Im Mai 1996 ließ P. Balasuriya der Kongregation einen anderen Text zukommen, das »Feierliche Glaubensbekenntnis Pauls VI.«, das von ihm unterzeichnet und mit folgender Zusatzklausel versehen worden war: »I, Father Tissa Balasuriya OMI make and sign this Profession of Faith of Pope Paul VI in the context of theological development and Church practice since Vatican II and the freedom and responsibility of Christians and theological searchers, under Canon Law«. Abgesehen von der Tatsache, dass der Autor einen anderen Text vorgelegt hatte als den, der von ihm verlangt worden war, machte die Zusatzklausel die Erklärung ungültig, weil sie die universale und immerwährende Gültigkeit der Definitionen des Lehramts schmälerte.

Im Juni 1996 bat die Kongregation daher den Generalobern der Oblaten von der unbefleckten Jungfrau Maria erneut, P. Balasuriya aufzufordern, den ihm bereits zugeschickten Text des Glaubensbekenntnisses innerhalb einer Frist von drei Wochen ohne Zusatzklausel zu unterzeichnen.

In der Zwischenzeit teilte der Generalsekretär der srilankischen Bischofskonferenz mit, dass P. Balasuriya beim »State Mediation Board« wegen der Erklärung bezüglich Mary and Human Liberation und deren Veröffentlichung in katholischen Zeitschriften gegen die Bischofskonferenz, den Erzbischof von Colombo sowie die Herausgeber und den Leiter der Colombo Catholic Press ein Verfahren angestrengt hätte.

Am 16. Juli 1996 übermittelte der Generalprokurator der Oblaten von der unbefleckten Jungfrau Maria das Antwortschreiben mit Datum des 1. Juli, in dem P. Balasuriya mitteilte, das Berufungsverfahren gegen die Bischöfe eingestellt zu haben, weil er Grund habe zu glauben, die Frage würde kirchenintern neu überdacht werden. Damit spielte er wohl auf das Berufungsverfahren gegen die srilankischen Bischöfe an, das er am 13. Juni 1996 beim Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur angestrengt hatte, weil es seiner Meinung nach bei den Verfahren, die zu der Erklärung bezüglich seiner Schrift geführt hatten, verschiedene Unregelmäßigkeiten gegeben hätte. Das Gericht hat jedoch geantwortet, dass diese Frage nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallen würde. Auch die Kongregation für die Evangelisierung der Völker, an die sich P. Balasuriya am 17. Juli 1996 wandte, berief sich auf mangelnde Zuständigkeit und leitete sein Schreiben stattdessen der Kongregation für die Glaubenslehre weiter.

P. Balasuriyas bat die Kongregation für die Glaubenslehre bezüglich der Forderung, das Glaubensbekenntnis ohne Zusatzklausel zu unterzeichnen, um Bedenkzeit und versprach bis Ende September eine Antwort, die jedoch nie eingegangen ist.

Nachdem die Kongregation für die Glaubenslehre also die klare Weigerung P. Balasuriyas, seine Treue zum Glauben der Kirche öffentlich und unmissverständlich zu erklären, zur Kenntnis genommen hatte, teilte sie am 22. Juli 1996 bei einer Begegnung mit dem Generaloberen und Generalprokurator der Oblaten mit, diese Situation nicht länger auf sich beruhen lassen zu können und eine entsprechende Notifikation veröffentlichen zu wollen.

Eine weitere Gelegenheit, seine bedingungslose Treue zum Glauben der Kirche unter Beweis zu stellen, wurde P. Balasuriya am 7. Dezember 1996 gegeben, als er, zusammen mit dem Pater Provinzial seines Ordens, vom Apostolischen Nuntius in Sri Lanka vorgeladen wurde, der ihm den Entwurf einer Notifikation vorlas, die veröffentlicht würde, sollte er sich weiterhin weigern, das oben genannte Glaubensbekenntnis zu unterzeichnen. Dazu war der Ordensmann aber nicht bereit, sondern appellierte stattdessen an den Heiligen Vater und bat darum, dem Papst einen Brief zukommen zu lassen, in dem er erneut bekräftigte, dass sich alles, was er in dem Buch Mary and Human Liberation geschrieben hat, im Rahmen der Rechtgläubigkeit bewege.

Am 27. Dezember 1996 antwortete S.E. Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano mit einem im Namen des Heiligen Vaters verfassten Schreiben, in dem P. Balasuriya versichert wurde, dass der Heilige Vater die verschiedenen Phasen der Prüfung seiner Schrift durch die Glaubenskongregation persönlich mitverfolgt und die von dieser Kongregation herausgegebene Notifikation ausdrücklich approbiert habe.

Da nun also auch dieser letzte Versuch, P. Balasuriya zur Erklärung seiner Treue zum Glauben der Kirche zu bewegen, gescheitert ist, sieht sich die Kongregation zum Wohl der Gläubigen gezwungen, vorliegende  Notifikation zu veröffentlichen, in der die lehrmäßigen Aussagen der oben genannten Bemerkungen im Wesentlichen wieder aufgegriffen werden.

 

BEURTEILUNG DES WERKES
»MARY AND HUMAN LIBERATION«

Die Schrift von P. Balasuriya verfolgt, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen, den Zweck der »critique and evaluation of theological propositions and presuppositions« (S. IV) der mariologischen Lehre der Kirche. Dabei geht er so weit, Prinzipien und theologische Erklärungen zu formulieren, die eine Reihe schwerer Irrtümer enthalten, die in unterschiedlichem Ausmaß von der Wahrheit des Dogmas abweichen und folglich mit dem Glauben unvereinbar sind.

Der Verfasser erkennt den übernatürlichen, einzigartigen und unwiederholbaren Charakter der Offenbarung Jesu Christi nicht an, sondern stellt deren Voraussetzungen mit denen anderer Religionen gleichberechtigt nebeneinander (vgl. SS. 31-63). So behauptet er beispielsweise, dass einige mit Mythen zusammenhängenden »presuppositions« in a-kritischer Weise als geoffenbarte historische Fakten übernommen worden seien und – von den maßgeblichen Vertretern des Klerus ideologisch interpretiert – ins Lehramt einfließen konnten (vgl. SS. 41-49).

Darüber hinaus behauptet P. Balasuriya eine Diskontinuität in der Offenbarungsökonomie. So unterscheidet er »between the faith due in Christianity to what Jesus teaches and to what the Churches have subsequently developed as interpretations of his teaching« (S. 37).2 Daraus folgt, dass der von den verschiedenen Dogmen zum Ausdruck gebrachte Inhalt auf die gleiche Stufe gestellt wird wie die »von den Kirchen« angebotenen theologischen Interpretationen, die Frucht ihrer jeweiligen kulturellen und politischen Entscheidungen sind (vgl. SS. 42-45; 76-77). Daraus folgt de facto die Leugnung der Natur des katholischen Dogmas und folglich die Relativierung der darin enthaltenen geoffenbarten Wahrheiten.

Der Verfasser relativiert vor allem das christologische Dogma: Jesus wird einfach nur als »supreme teacher« (S. 37) dargestellt, »one showing a path to deliverance from sin and union with God« (S. 37),  »one of the greatest spiritual leaders of humanity« (S. 149), eine Person also, die uns ihre »primordial spiritual experience« (S. 37) mitteilt, deren Gottessohnschaft aber niemals ausdrücklich anerkannt (vgl. SS. 47, 104-105, 153) und deren Heilsfunktion nur in zweifelhafter Weise zugegeben wird (vgl. S. 81).

Aus dieser Sicht ergeben sich auch die Irrtümer bezüglich der Ekklesiologie. Indem er nicht anerkennt, dass »Jesus Christ wanted a Church — say the Catholic Church — to be the mediator of that salvation«  (S. 81), verkürzt P. Balasuriya das Heil auf ein »direct relationship between God and the human person« (S. 81), womit er auch die Notwendigkeit der Taufe leugnet (vgl. S. 68).

Ein wichtiger Aspekt des Denkens von P. Balasuriya ist seine Leugnung des Dogmas der Ursünde, die er als einfaches Produkt des theologischen Denkens der westlichen Welt betrachtet (vgl. SS. 66-78). Das steht im Widerspruch zur Natur dieses Dogmas und seiner wesentlichen Verbindung mit der offenbarten Wahrheit.3 Der Autor vertritt nämlich nicht die Meinung,4 dass die Bedeutung der dogmatischen Formeln stets wahr und unveränderlich bleibt, auch wenn sie klarer zum Ausdruck gebracht und besser verstanden werden kann.5

Auf der Grundlage dieser Behauptungen geht der Autor dann soweit, insbesondere die Mariendogmen zu leugnen. Die Gottesmutterschaft Mariens, ihre unbefleckte Empfängnis und Jungfräulichkeit, ebenso wie ihre leibliche Aufnahme in den Himmel6 werden nicht als zum Wort Gottes gehörende Wahrheiten anerkannt (vgl. SS. 47, 106, 139, 152, 191). In dem Versuch, eine Sicht Mariens zu bieten, die frei ist von allen »theological elaborations, which are derived from a particular interpretation of one sentence or other of the scriptures« (S. 150), spricht er der dogmatischen Lehre über die Person der seligen Jungfrau Maria faktisch jeglichen Offenbarungscharakter ab und leugnet damit die Autorität der Tradition als Vermittlerin geoffenbarter Wahrheit.7

Desgleichen muss auch festgehalten werden, dass P. Balasuriya einige Behauptungen des universalen außerordentlichen und ordentlichen Lehramtes leugnet bzw. relativiert und damit zeigt, dass er die Existenz einer Unfehlbarkeit des römischen Papstes und des Bischofskollegiums cum et sub Petro nicht anerkennt. Indem er den Primat des Nachfolgers Petri auf eine einfache Frage der Macht verkürzt (vgl. SS. 42, 84, 170), leugnet er darüber hinaus auch den besonderen Charakter dieses Dienstes.8

Anlässlich der Veröffentlichung dieser Notifikation fühlt sich die Kongregation verpflichtet zu erklären, dass  P. Tissa Balasuriya von der Integrität der Wahrheit des katholischen Glaubens abgekommen ist, nicht länger als katholischer Theologe betrachtet werden kann und sich auch die Strafe der Exkommunikation latae sententiae (can. 1364, § 1) zugezogen hat.

Papst Johannes Paul II. hat vorliegende Notifikation, die bei der Ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen wurde, im Rahmen der dem unterzeichnenden Präfekten gewährten Audienz approbiert und ihre Veröffentlichung angeordnet.

Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, 2. Januar 1997, Gedächtnis der Hll. Kirchenlehrer Basilius und Gregor von Nazianz.

+ Joseph Card. Ratzinger,
Präfekt

+ Tarcisio Bertone, emeritierter Erzbischof von Vercelli,
Sekretär

 

* OR, 5. Januar 1997, 2.

 

1. Die Schrift wurde veröffentlicht in der Zeitschrift Logos, 29, 1.-2. März / Juli 1990 (Colombo, Sri Lanka).

2. Dasselbe Konzept wird in der Antwort vom 14. März 1995, 8-9 wiederaufgegriffen.

3. Vgl. Concilium Tridentinum, Decr. De peccato originali, DS 1511-1512; Paulus VI, Sollemnis professio fidei, AAS 60 (1968), 434-445.

4.Vgl. Antwort, 11: »Are not the definitions of dogma made by Councils also particular expressions concerning ad ineffable, inexpressible, ultimate divine, and that according to the needs of those who do so, their particular philosophical terms and according to the culture of a given time? To absolutize them could result in a narrowness which the Vatican Council II wanted to avoid«.

5. Vgl. Sacra Congregatio pro Doctrina Fidei, Mysterium Ecclesiae, Nr. 5, AAS 65 (1973), 403-404.

6. Vgl. Concilium Vaticanum II, Dog. Konst.  Lumen gentium, Nr. 14; Symbolum Apostolicum, DS 10; Symbolum Toletanum, DS 189; Concilium Constantinopolitanum II, DS 422; Concilium Lateranense IV, DS 801; Concilium Ephesinum, DS 252; Pius IX, Ineffabilis Deus, DS 2803; Pius XII, Munificentissimus Deus, DS 3903.

7. Vgl. Concilium Vaticanum II, Const. dogm. Dei Verbum, Nr. 8-9.

8. Vgl. Concilium Vaticanum I, Const. dogm. Pastor aeternus, DS 3074; Concilium Vaticanum II, Const. dogm. Lumen gentium, Nr. 18.22.25.

 

 

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