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INTERNATIONALER THEOLOGISCH-PASTORALER KONGRESS 
IM RAHMEN DES 4. WELTTREFFENS DER FAMILIEN IN MANILA 

ERÖFFNUNGSANSPRACHE VON KARDINAL 
ALFONSO LÓPEZ TRUJILLO

Manila, 22. Januar 2003


Das Evangelium der Familie und das Evangelium des Lebens 
in der Neuevangelisierung

Hochwürdigster Herr Kardinal Jaime L. Sin, Erzbischof von Manila, 
verehrte Delegierte, meine Damen und Herren

[Der Kardinal sagte zunächst in der Landessprache Filipino:] Lieber Kardinal Sin, ich danke Ihnen und Ihren Mitarbeitern für die Vorbereitung dieses 4. Welttreffens der Familien. Der Herr möge Ihnen überreiche Früchte schenken. 
[Er setzte daraufhin seine Ansprache auf englisch fort:] Es ist mir eine große Ehre, Sie im Namen des Heiligen Vaters zu begrüßen. Es ist Johannes Paul II., der uns im Namen Christi versammelt hat. Er ist der Papst der Familie und des Lebens. Seine besondere Liebe für diese großartige Sache, die die Familie ist, ist sein Geschenk an die Kirche und die Welt. Sein bedeutungsvolles Lehramt leitet und erleuchtet uns. Sein Enthusiasmus und seine Dynamik als Verteidiger der Familie und des Lebens spornt uns inmitten der Herausforderungen zur Hoffnung an. 

Der Heilige Vater Johannes Paul II. hat die Kirche zusammengerufen, daß sie ihren vollen Einsatz erbringe für diese dringende und anspruchsvolle Aufgabe der Evangelisierung, die in einer neuen Geisteshaltung den Inhalt von Evangelii nuntiandi aufnimmt und die Gemeinschaft der Gläubigen den Herausforderungen entgegentreten läßt. 

Das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi von Paul VI. (8. Dezember 1975) ist eine Frucht, die nach der Synode über die Evangelisierung herangereift ist. Es handelt sich sicher um das wichtigste Dokumente im Hinblick auf die Bischofssynoden, um das Dokument mit den größten Nachwirkungen. 

Der Heilige Vater Johannes Paul II. spricht von der Neuevangelisierung, die neu ist in ihrer Begeisterung, ihren Methoden und ihren Ausdrucksformen. Wir wollen jetzt überlegen, in welcher Hinsicht dies die Familien betrifft. 

a) Neu in ihrer Begeisterung 

Die erneute Gegenwart des Geistes, der alles erwärmt und neu schafft, ist notwendig: »Flecte quod est rigidum, fove quod est frigidum, rege quod est devium« [Wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt]. Die Begeisterung bei der Evangelisierung, die der Kraft des Pfingstereignisses entspringt und durch das Konzil geht, getragen vom Wissen um das Wort des Lebens und von der Leidenschaft einer neuen Verkündigung. In diesem Zusammenhang ist es nützlich, Abschnitt 47 des Schreibens Novo Millennio ineunte zu zitieren: »Mit besonderer Sorgfalt muß man sich der Familienpastoral widmen, die um so nötiger ist in diesem Augenblick der Geschichte, da eine verbreitete und tiefgreifende Krise dieser fundamentalen Institution zu verzeichnen ist. In der christlichen Auffassung von der Ehe entspricht die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau - eine gegenseitige und ganzheitliche, einzige und unauflösbare Beziehung - dem ursprünglichen Plan Gottes, der in der Geschichte durch die Verhärtung des Herzens verdunkelt worden war; doch Christus stellte durch die Enthüllung dessen, was Gott ›am Anfang‹ gewollt hat (Mt 19, 8), die Ehe in ihrem ursprünglichen Glanz wieder her. In der zur Würde des Sakraments erhobenen Ehe kommt sodann das ›tiefe Geheimnis‹ der bräutlichen Liebe Christi zu seiner Kirche zum Ausdruck (vgl. Eph 5, 32). Die Kirche darf in diesem Punkt dem Druck einer bestimmten Kultur, mag sie auch weit verbreitet und mitunter kämpferisch sein, nicht nachgeben.« 

Die Christen und besonders die Familien müssen erleuchtet sein und selbst leuchten wie glühende Lava, glühend, weil sie dem Mittelpunkt jenes Feuers der Liebe, das Gott selbst ist, nahe sind. Fern von Gott (in der Säkularisierung) wird alles wie erkaltete Lava, nach dem schönen Ausdruck von Hans Urs von Balthasar. 

b) Neu in ihren Methoden 

Die Kirche hat in allen Bereichen der Evangelisierung eine große Kreativität gezeigt. 

Der Ausdruck »Methoden« ist an sich ein sehr weiter Begriff, und diese müssen im Dienst am Evangelium stehen, das wie Salz und Hefe die Gesellschaft durchdringt. 

Es müssen in den vielfachen und erfolgreichen Erfahrungen in Diözesen, Pfarreien und apostolischen Bewegungen verschiedene Methoden entdeckt und gefördert werden. Diese wachsen, erstarken und bieten im Bereich der Familie und des Lebens eine anregende Vielfalt verschiedener Charismen. 

c) Neu in ihren Ausdrucksformen 

Es wird das komplexe Thema des Sprachgebrauchs behandelt: »Christus selbst ruft uns auf, die Frohe Botschaft in einer Sprache zu verkünden, die das Evangelium den heutigen neuen kulturellen Gegebenheiten immer näher bringt …« Wir stehen vor einer Vielfalt von Milieus (zum Beispiel das städtische, das ländliche)und vor einer neuen Kultur, die sich durchsetzt;ein besonderes Thema ist der Übergang von der Kultur des Wortes zu der des Bildes und allgemein alles, was sich aus dem Fortschritt der Kommunikationsmittel ergibt, die eine »forma mentis« heranbilden und bei denen die Kirche nicht abseits stehen kann. 

Die Familien- und Lebenspastoral muß nach einem Sprachgebrauch suchen, der einem Dialog entspricht, der von Nähe durchdrungen und zugleich der Wahrheit verpflichtet ist, der die Sympathie, die Sensibilität, das Engagement und das Verantwortungsbewußtsein gegenüber den Dramen, Spannungen und Konflikten in einer Kirche spüren läßt, die Mutter ist und deswegen die Wahrheit und den Willen Gottes nicht verschleiert. 

Ein Teil der kreativen Erneuerung der Familien- und Lebenspastoral (in einem Evangelium, das man nicht vom Auftrag der Familie trennen kann, weil das Leben Teil der Fortpflanzung ist) betrifft die Strukturen in den Kommissionen der Bischofskonferenzen und der Diözesen, als Impuls für eine organische Pastoral, in der die zentrale Stellung der Familie erkennbar ist und deren Gegenwart in den verschiedenen Dimensionen der Pastoral. Es muß eine funktionale Organisation vorhanden sein. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Vorbereitung der pastoralen Mitarbeiter.

Glücklicherweise nimmt die Zahl der Zentren und Institute für die akademische und pastorale Ausbildung zu. 

Die Neuevangelisierung und die Mission »ad gentes« sind eine Herausforderung an die Kirche von heute. Die christlichen Familien, die evangelisiert worden sind und die selbst evangelisieren, haben einen bevorzugten Platz in den christlichen Gemeinschaften, sei es in den Völkern mit einer alten Tradition als auch in den vor nicht langer Zeit evangelisierten. 

Angesichts der sich ausbreitenden Säkularisierung, die unter der Gestalt eines Neuheidentums in Erscheinung tritt, wird es nicht nur schwierig, persönlich an die im Glaubensbekenntnis enthaltenen und von der Kirche gelehrten Wahrheiten zu glauben und ihnen zuzustimmen, sondern es ist auch schwierig, sie auf das Leben zu übertragen. Die Neuevangelisierung setzt in der Tat bei diesem Bruch an, in dem häufig eine spontane und harmonische Übereinstimmung zwischen Glaube und Leben fehlt, wie es hingegen normalerweise dort der Fall ist, wo alles von einer soliden christlichen Kultur durchdrungen ist. 

Es werden neue Lebensstile eingeführt, die sich aus einer Reihe von Entscheidungen ergeben, die zumindest implizit mit dem christlichen Weltbild unvereinbar und im Namen eines Pluralismus gemacht worden sind, der zur Auferlegung oder zur Annahme von ethischen Normen führt, die von den christlichen Werten abweichen.

Im bekannten Brief an Diognet heißt es kurz zusammengefaßt: »Denn die Christen sind weder durch die Heimat noch durch Sprache und Sitten von den übrigen Menschen verschieden … Sie heiraten wie alle anderen und zeugen Kinder, setzen aber die geborenen nicht aus. Sie haben gemeinsamen Tisch, aber kein gemeinsames Lager.« (Brief an Diognet, 5 in: Bibliothek der Kirchenväter, Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, Bd. 1, 1913, 165.) Erkennen wir in diesem Abschnitt nicht eine schöne und eindrucksvolle Zusammenfassung des Evangeliums der Familie und des Lebens? 

Die Familie muß ein ansprechendes Zeugnis ihrer eigenen Identität werden, gegründet auf die Gemeinschaft der Liebe und des Lebens (»totius vitae«) zwischen einem Mann und einer Frau, in der gegenseitigen und vollkommenen Hingabe. Die Totalität der gegenseitigen Hingabe verleiht den charakteristischen Merkmalen dieser Gemeinschaft ihr Fundament und ihre Bedeutung: Die Totalität der Hingabe erfordert Treue und Exklusivität und bringt diese zum Ausdruck; es handelt sich um eine fruchtbare Gemeinschaft, die für das Geschenk des Lebens offen ist, gemäß ihrem Auftrag der ganzheitlichen Fortpflanzung, die nicht nur biologisch ist, sondern auch die Erziehung in dem »geistlichen Uterus« (vgl. Thomas von Aquin, Summa Teologica II-II, q. 10, art. 12) erfordert, die vor allem in den ersten Lebensjahren des Kindes von der Familie verkörpert wird. Eine Trennung zwischen den beiden Aspekten der liebenden Vereinigung und der Fortpflanzung (vgl. Humanae vitae, 10ff.) einzuführen ist auch ein Verrat an der Liebe, weil es wie eine Begrenzung der gegenseitigen, vollständigen und totalen Hingabe wäre, derer die Stabilität der Gemeinschaft bis in den Tod bedarf.  

Diese Aspekte werden heute bereichert durch eine theologische Reflexion und stehen in fester Beziehung zu jener reichen Fundgrube, die bis in die Tiefe erkundet werden muß in einer sich durch Zärtlichkeit auszeichnenden gegenseitigen Hingabe

Die Neuevangelisierung erfordert, daß die Familien sich organisieren, sich mobilisieren, verantwortungsvoll präsent sind im Bereich der Politik, auf der Suche nach echter Familienpolitik. Ein wichtiger Aspekt einer solchen Politik bezieht sich auf die Orientierung und die notwendigen Korrekturen, die die Kommunikationsmittel benötigen, besonders das Fernsehen, das wie ein Eindringling in das Innere der Familien vordringt und das Recht der Eltern auf Erziehung beeinträchtigt. 

Durch einen offenen Dialog mit den Politikern und Gesetzgebern müssen die Familien zum Verantwortungsbewußtsein aufrufen, und sie müssen ihre Ablehnung und Gegnerschaft zeigen in ihren Bemühungen, die Würde der Liebe und des Rechtes auf Leben zu schützen. Es sind verhältnismäßig viele Familien, die ihrem Auftrag treu bleiben, auch in jenen Ländern, die am meisten von den die Familie schwächenden Krisen betroffen sind. 

Die Neuevangelisierung muß zu einer Bekehrung führen, ausgehend vom Neuheidentum hin zur Wahrheit, zu Gott. Es handelt sich um eine persönliche und gesellschaftliche Bekehrung, die umgesetzt wird in einen dem Willen Gottes entsprechenden Lebensstil in der Hauskirche. 

Heute sind wir Zeugen von nicht wenigen Bekehrungen von Menschen, die sich dessen bewußt geworden sind, daß die Abkehr von der Wahrheit erniedrigt und zerstört. Viele Umfragen in verschiedenen Ländern zeigen, wie ein hoher Prozentsatz der Jugendlichen den Wunsch hat, eine stabile und würdige Familie zu gründen, in der sich jeder als Person verwirklichen kann. Das ist eine Bekehrung, die über die Erkenntnis führt, daß die Familie, in der die Person herangebildet wird, eine soziale Mittlerrolle spielt, die weder zu Ende ist noch zu Ende gehen wird. Auf diesem Weg der Persönlichkeitsentfaltung kommt man unter der Führung der Eltern dazu, Gott als Vater zu entdecken. 

Niemand ist in der Lage, so zu lieben wie er. Gott in der Familie zu entdecken, in der dynamischen Weitergabe des Glaubens im häuslichen Bereich bedeutet, als Christen zu wachsen und notwendigerweise jene Idole zu zerstören, welche die Säkularisierung - mit großer Anstrengung und zur Verwirrung vieler - unaufhörlich herstellt.

Schluß 

Wir leben in einer Zeit großer Herausforderungen. In einigen Gebieten hat die Säkularisierung versucht, die christliche Kultur auszulöschen, die Familien zu schwächen und sich gegen die Heiligkeit des menschlichen Lebens zu verschwören. 

Trotz allem besteht guter Grund zur Hoffnung. Die Lehre und das beeindruckende Beispiel von Papst Johannes Paul II. führen die Kirche und die Menschheit dazu, die Zukunft der Familie zu sichern. Unsere christliche Begeisterung hat viele Gründe: Abermillionen von treuen Familien, die glücklich sind über ihre Berufung in dieser wunderbaren christlichen Nation, den Philippinen, und in der ganzen Welt. Die Bischofskonferenzen und die Diözesen erkennen die absolute pastorale Priorität und die Zentralität der Familie an. Das Engagement der Evangelisierung in den Pfarreien und Bewegungen ist im Wachsen begriffen und brennt wie glühende Lava. 

Die Freude und der Einsatz aller hier Anwesenden ist ein deutlicher Beweis dafür, daß ihr daran glaubt und euch selbst vollkommen dafür hingebt, diese wunderbare Botschaft von der christlichen Familie zu verbreiten! Die Zukunft liegt in den Händen Gottes, und der Herr der Familie begleitet uns auf dem Weg.

 

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