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PÄPSTLICHER RAT FÜR DEN INTERRELIGIÖSEN DIALOG

BOTSCHAFT ZUM ENDE DES FASTENMONATS RAMADAN
‘Id al-Fitr 1427 H. / 2006 A.D.
 

Christen und Muslime:
in vertrauensvollem Dialog gemeinsam
die Herausforderungen unserer Welt annehmen

 

Liebe muslimische Freunde!

1. Es ist mir eine große Freude, zum ersten Mal als Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog diese Botschaft an Euch zu richten und Euch anläßlich eures Festes zum Abschluß des Fastenmonats Ramadan die herzlichsten Grüße des Rates zu übermitteln. Ich wünsche Euch Frieden, Ruhe und Freude in Euren Herzen, in Euren Häusern und in Euren jeweiligen Ländern. Diese Wünsche entsprechen denen, die Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. zu Beginn des Ramadan zum Ausdruck brachte, gegenüber den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten aus Ländern mit muslimischer Mehrheit und aus anderen Ländern, die Mitglieder oder Beobachter der Organisation der Islamischen Konferenz sind, sowie gegenüber Vertretern muslimischer Gemeinden in Italien.

2. Es ist schön, im Rahmen unseres ständigen Dialogs diesen bedeutsamen Augenblick mit Euch teilen zu können. Die besonderen Umstände, die wir kürzlich gemeinsam erlebt haben, zeigen deutlich, daß der Weg des echten Dialogs, so schwierig er mitunter auch sein mag, notwendiger ist denn je.

3. Der Fastenmonat Ramadan, den Ihr gerade beendet habt, war sicherlich auch eine Zeit des Gebets und der Reflexion über die schwierigen Situationen in unserer heutigen Welt. Während wir all das betrachten, was gut ist, und Gott dafür danken, ist es unmöglich, nicht auch die ernsthaften Probleme zur Kenntnis zu nehmen, die auf unserer Zeit lasten: Ungerechtigkeit, Armut, zwischenstaatliche und innerstaatliche Spannungen und Konflikte. Gewalt und Terrorismus sind eine besonders schmerzliche Plage. Wie viele vernichtete Menschenleben, wie viele Frauen, die zu Witwen geworden sind, wie viele Kinder, die einen Elternteil verloren haben, wie viele Kinder, die zu Waisen geworden sind Â… Wie viele an Leib und Seele verletzte Menschen Â… Wie vieles, das oft über Jahre hinweg unter Opfern und Mühen aufgebaut worden ist, wurde innerhalb weniger Augenblicke zerstört!

4. Sind wir als christliche und muslimische Gläubige nicht als erste dazu aufgerufen, unseren besonderen Beitrag zu leisten, um eine Lösung zu finden in dieser ernsten Situation und für diese vielschichtigen Probleme? Zweifellos steht die Glaubwürdigkeit der Religionen und auch die Glaubwürdigkeit der Verantwortlichen der Religionen und aller Gläubigen auf dem Spiel. Wenn wir unserer Aufgabe als Gläubige nicht nachkommen, werden viele Menschen die Nützlichkeit der Religionen und die Integrität der Männer und Frauen, die Gott verehren, in Frage stellen.

Unsere beiden Religionen messen der Liebe, dem Mitleid und der Solidarität große Bedeutung bei. In diesem Zusammenhang möchte ich die Botschaft der ersten Enzyklika Seiner Heiligkeit Papst Benedikts XVI., Deus caritas est (Gott ist die Liebe), mit Euch teilen. Sie greift die bezeichnendste »Definition« Gottes in der Heiligen Schrift der Christen auf: »Gott ist die Liebe« (1 Joh 4,8). Die wahre Liebe zu Gott ist untrennbar von der Liebe zum Nächsten: »Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht« (1 Joh 4,20). Die Enzyklika ruft diesen Punkt in Erinnerung und unterstreicht damit die Bedeutung der brüderlichen Nächstenliebe in der Sendung der Kirche: Um glaubwürdig zu sein, muß die Liebe wirksam sein. Sie muß allen zu Hilfe kommen, angefangen bei denen, die die größte Not leiden. Wahre Liebe muß allen Erfordernissen des täglichen Lebens entgegenkommen; sie muß auch nach gerechten und friedlichen Lösungen für die schwierigen Probleme suchen, die unsere Welt belasten.

5. Die Gläubigen, die sich einsetzen, um Menschen in Not zu helfen und um nach Lösungen für diese Probleme zu suchen, tun das vor allem aus Liebe zu Gott, »um des Angesichts Gottes willen«. Im 27. Psalm heißt es: »Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir Â…« (V. 8b–9a). Der Fastenmonat, den Ihr soeben beendet habt, hat Euch nicht nur aufmerksamer gemacht für das Gebet, sondern auch einfühlsamer gegenüber den Nöten anderer Menschen, besonders der Hungernden, und hat eine noch größere Hochherzigkeit gegenüber den Notleidenden gefördert.

6. Die täglichen Sorgen ebenso wie die ernsteren Probleme, denen die Welt gegenübersteht, verlangen unsere Aufmerksamkeit und unser Handeln. Bitten wir Gott im Gebet, uns zu helfen, diesen Problemen mutig und entschlossen gegenüberzutreten. Laßt uns dort, wo wir gemeinsam handeln können, nicht getrennt voneinander arbeiten. Die Welt und auch wir brauchen Christen und Muslime, die einander achten und hochschätzen und die Zeugnis geben von ihrer gegenseitigen Liebe und Zusammenarbeit, zur Ehre Gottes und zum Wohl der gesamten Menschheit.

7. Mit Empfindungen aufrichtiger Freundschaft grüße ich Euch und vertraue meine Überlegungen Eurer Reflexion an. Ich bitte Gott, den Allmächtigen, daß sie überall beitragen mögen zur Förderung der Beziehungen größeren Verständnisses und vermehrter Zusammenarbeit, die zwischen Christen und Muslimen entstanden sind, und daß sie so einen bedeutsamen Beitrag leisten zur Wiederherstellung und Festigung des Friedens sowohl innerhalb der Nationen als auch zwischen den Völkern, wie es dem tiefen Wunsch aller Gläubigen und aller Männer und Frauen guten Willens entspricht.

 

Erzbischof Pier Luigi Celata
Sekretär
Kardinal Paul Poupard
Präsident


 

 

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