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PÄPSTLICHER RAT FÜR DEN INTERRELIGIÖSEN DIALOG

BOTSCHAFT ZUM RAMADAN
E ‘Id al-Fitr 1436 H. / 2015 A.D.

 

Christen und Muslime:
Gemeinsam gegen Gewalt im Namen der Religion

 

Liebe muslimische Brüder und Schwestern,

1. ich freue mich, Euch im Namen aller Katholiken in der Welt und auch persönlich die besten Wünsche für ein friedliches und freudvolles Fest des Fastenbrechens (‘Id al-Fitr) zu übermitteln. Während des Fastenmonats Ramadan pflegt Ihr viele religiöse und soziale Bräuche wie Fasten, Beten, Almosen geben, Hilfe für die Armen und Besuche bei Familienangehörigen und Freunden. Ich hoffe und bete, dass die Früchte dieser guten Taten Euer Leben bereichern mögen.

2.  Für einige von Euch und auch Angehörige anderer Religionsgemeinschaften wird die Freude des Festes vom Gedenken an die Lieben überschattet, die ihr Leben oder ihre Habe verloren haben oder als Folge von Gewalt körperlich, seelisch und geistig leiden. Ethnische und religiöse Gemeinschaften in einer Reihe von Ländern auf der Welt haben vielfältiges und ungemein ungerechtes Leid ertragen: Ermordung von Mitgliedern, Zerstörung ihres religiösen und kulturellen Erbes, Vertreibung aus ihren Häusern und Städten, Missbrauch und Vergewaltigung ihrer Frauen, Versklavung von Mitgliedern, Menschenhandel, Organhandel und selbst den Verkauf von Leichen!

3. Wir alle sind uns bewusst, wie schwer diese Verbrechen in sich sind. Was sie aber noch abscheulicher macht, ist der Versuch, sie im Namen der Religion zu rechtfertigen. Das ist eindeutig eine Instrumentalisierung der Religion zur Erlangung von Macht und Reichtum.

4. Natürlich haben die für die Sicherheit und öffentliche Ordnung Verantwortlichen auch die Pflicht, ihr Volk und deren Eigentum vor der blinden Gewalt von Terroristen zu schützen.

Aber auch die für Erziehungsaufgaben Zuständigen tragen Verantwortung: Familien, Schulen, Lehrpläne, religiöse Führer, religiöse Diskurse und Medien. Gewalt und Terror entstehen zunächst im Kopf der vom Wege abgekommenen Personen und erst danach werden sie ausgeübt.

5. Alle in der Erziehung der Jugend und in den verschiedenen Bildungseinrichtungen Tätigen sollten die Heiligkeit des Lebens und die daraus resultierende Würde eines jeden Menschen, ungeachtet seiner Ethnie, Religion, Kultur, sozialen Stellung und politischen Einstellung, vermitteln. Kein Leben ist wertvoller als das andere, nur weil es einer bestimmten Rasse oder Religion angehört. Deshalb darf niemand töten. Niemand darf im Namen Gottes töten; dies wäre ein zweifaches Verbrechen: gegen Gott und gegen den Menschen.

6. In der Erziehung darf es keine Zweideutigkeit geben. Die Zukunft eines Menschen, einer Gemeinschaft und der gesamten Menschheit darf nicht auf einer solchen Zweideutigkeit oder Scheinwahrheit aufgebaut werden. Entsprechend ihrer jeweiligen religiösen Tradition schauen Christen und Muslime auf Gott und beziehen sich auf IHN als die Wahrheit. Unser Leben und Verhalten als Gläubige sollte diese Überzeugung widerspiegeln.

7. Laut dem heiligen Johannes Paul II. haben Christen und Muslime „das Vorrecht des Gebets“ (Ansprache an die muslimischen Religionsführer, Kaduna, Nigeria, 14. Februar 1982). Unser Gebet ist dringend nötig für Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit in der Welt, für die, die vom rechten Lebensweg abgekommen sind und Verbrechen im Namen der Religion begehen, damit sie wieder zu Gott finden und ihr Leben ändern, wie auch für die Armen und Kranken.

8. Auch unsere Feste stärken uns in der Hoffnung für die Gegenwart und die Zukunft. Mit dieser Hoffnung blicken wir auf die Zukunft der Menschheit, vor allem wenn wir uns nach Kräften darum bemühen, dass unsere berechtigten Träume Wirklichkeit werden.

9. Im Namen von Papst Franziskus wünschen wir Euch, dass die Früchte des Ramadan und die Freude des ‘Id al-Fitr Frieden und Wohlergehen bringen mögen, indem sie Euer menschliches und spirituelles Wachstum fördern.

Euch allen ein frohes Fest!

Aus dem Vatikan, 12. Juni 2015

 

Jean-Louis Kardinal Tauran
Präsident

Padre Miguel Ángel Ayuso Guixot, M.C.C.I.
Sekretär