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 Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen Unterwegs

V. Weltkongress der Seelsorge für Zigeuner

Budapest, Ungarn, 30. Juni – 7. Juli 2003

 

Die stützenden Massnahmen

zur menschlichen und sozialen Förderung der Zigeuner

aus italienischer Sicht gesehen

 

Dott.ssa Giuseppina Scaramuzzetti

Italien

 

Allgemeine Überlegungen

Einleitung

„Auf jedem Kontinent finden wir Menschen wie die Zigeuner oder Menschen, die ihnen ähnlich sind. Auf jedem Kontinent machen sich die Menschen ihre Vorstellungen über die Zigeuner und über ein Zusammentreffen mit ihnen.“ (Okeley zitiert bei Sigona 2002:48). Diese Untersuchung möchte Überlegungen zu der Tatsache anstellen, dass diese Haltung ganz objektiv vorhanden ist und über die Art und Weise, wie diese Zusammentreffen sich entwickeln. 

„Eine Welt von Welten“ wird die Welt der Zigeuner[1] im Titel eines Buches genannt(Piasere 1999) und wir könnten die Welt der Sozialpolitik zugunsten der Roma „eine Welt der Widersprüche“ nennen, denn die Suche nach Lösungen für ein bestimmtes Problem führt sofort zu neuen Schwierigkeiten, die ihrerseits eine Lösung erfordern. 

Natürlich wird keine Initiative mit dem Ziel gestartet, Schaden anzurichten. Die Ziele sind immer positiv gewesen und ihr Auftreten auf der politischen und sozialen Bühne nach oder gleichzeitig neben Einstellungen, die Verfolgung und Unterdrückung bedeuten, sind ein Zeichen für den Fortschritt der zivilisierten Gesellschaft.[2] Und doch möchte ich fast behaupten, dass keine der Initiativen, die ich kennen gelernt habe, das Ziel erreicht hat, dass sie sich gesteckt hatten: sei es aus mangelnder Kenntnis des Zweckes oder der Zielgruppe, sei es, weil das Projekt eine zu kurze Laufzeit hatte. Dies trifft auf viele Fälle zu und ist ein entscheidender Faktor in einer Umgebung, wo man so häufig auf Diskontinuität trifft, wo man aber für alles lange Zeiträume einplanen muss. Es gibt sicher auch immer eine unbekannte Variable. Es gibt immer kritisierbare Aspekte, unterwegs trifft man auf unvorhergesehene Zwischenfälle, auf Situationen der Ablehnung, die kaum zu überwinden sind, man muss stets bereit sein, die Richtung zu korrigieren, um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.... Und es gibt Aspekte unserer Gesellschaft, die man nicht umgehen kann und die in einigen Fällen die Medizin bitterer machen als die Krankheit: der geringe Wille zur Flexibilität in den Institutionen, der regelmäßige Wechsel der zuständigen Sozialarbeiter, die politischen Veränderlichkeit, die Unsicherheit der finanziellen Zuschüsse. All dies sind Elemente, die sich kombiniert mit der Unbeständigkeit der Benutzer unter den Roma mit der Langsamkeit der Bürokratie zusammenprallen. Fast nie kann man eine abschließende Wertung mit den gleichen Benutzern und den gleichen Sozialarbeitern durchführen. Einige kurzfristige Projekte, die bei den Roma zu Abhängigkeit oder zum Abschieben von Verantwortungen geführt haben[3], haben deren innere Hegemonie geschwächt (Piasere, Akten, 1990:32) oder ihre Fähigkeit zur Selbstbestimmung doch zumindest eingeschränkt und unauslöschliche Narben hinterlassen. Jedem kurzen Zeitraum, in dem die Institutionen aktiv werden, folgt eine lange Zeit der Untätigkeit. (Sigona 2002:107).

Aus diesem Grund scheint es mir wichtiger, die Voraussetzungen der Initiativen zu betrachten, die Art und Weise, in der sie sich entwickeln, die Erfolgserlebnisse und die Misserfolge, die sich wiederholen, die Annäherung oder Entfernung, die sie zwischen den Roma und den Gadje oder zwischen Roma und anderen Roma schaffen, um dann einige emblematische Situationen genauer zu untersuchen, statt einen Überblick über die derzeitigen politischen Maßnahmen zu geben. Eingedenk meiner eigenen Erfahrungen und meiner eigenen Treffen, möchte ich von der folgenden Überlegung ausgehen: die sozialen Maßnahmen beginnen bei Voraussetzungen, die

  • den persönlichen Ansatz des Beobachters
  • die Idee und die Kenntnisse, die man von der Person hat, auf die sie sich beziehen,
  • das Ziel, das man zu erreichen wünscht,
  • den Standpunkt und die Erwartungen der Person, an die die Initiative gerichtet ist,
  • den weiteren sozialen Rahmen, in dem die Initiative eingreift,

betreffen.

Der Ansatz

Die Art des Ansatzes hängt von der beruflichen Umgebung und dem historischen Moment ab. Mit Ausnahme der Zigeunervereinigungen, von denen wir bei passender Gelegenheit sprechen werden, ist allen gemeinsam, dass sie der Welt der Gadje angehören und jedenfalls „von außen“ kommen, wenn auch in unterschiedlichem Maße. „Wenn wir ein System von Beziehungen betrachten, zu dem wir selbst gehören, werden wir zwangsweise über Dinge nachdenken, die uns betreffen. Es gibt keine unschuldige Betrachtungsweise, und sei es auch nur auf Grund der Bedeutung, die die Worte im Laufe der Jahrhunderte angenommen haben.“ (Brunello 1996, 12)

Die ersten, die sich in Italien um die Welt der Roma und Sinti gekümmert haben, waren mit Gewissheit Menschen aus dem Bereich der Kirche und Lehrer, denen dann Sozialarbeiter, Sprachwissenschaftler, Anthropologen, Psychologen, Soziologen und Politiker folgten. Jeder einzelne will Ziele erreichen, die in der Welt der eigenen Spezialisierung als unverzichtbar für die Zigeuner eingestuft werden, die unverzichtbar aber vor allem für sie selbst sind, für ihre Ideologie, die Durchführung ihrer Projekte, die Durchführung ihrer Forschung oder die Erarbeitung einer politischen Maßnahme. Jeder hat seine eigenen persönlichen Gründe gehabt, den Zigeuner aus dem Hintergrund, in den man ihn verdrängt hatte, aus dem Bereich, den Goffman den Bereich der Unaufmerksamkeit nennt, in den Vordergrund zu schieben. (Sigona 2002, 47) 

Mein eigener Ansatz – und damit stelle ich mich zugleich vor – ist etwas zwiespältig, denn während mich einerseits ein kirchliches Interesse bewegt, bringe ich andererseits meine pädagogische Ausbildung mit, meine Vergangenheit als Lehrerein und eine Leidenschaft für die Anthropologie, die jedoch in Wahrheit eher intuitiv als wissenschaftlich ist. Dass einige Personen mich für kompetent halten, liegt vor allem daran, dass ich fast dreißig Jahre lang zusammen mit drei anderen Personen (einem Geistlichen und zwei Laienschwestern) in einer kleinen Gruppe von slowenischen Roma gelebt habe, und dass ich einen Weg der Gegenüberstellung mit den anderen kleineren Gemeinschaften, die in Italien eine ähnliche Erfahrung machen, eingeschlagen habe [4]. Diese Gemeinschaften haben mit uns ihre umfassende Kenntnis anderer Gruppen geteilt, ich habe andere Gruppen kennen gelernt, die in Italien im sozialen Bereich arbeiten, und ich habe immer die Möglichkeit gehabt, mich mit vielen Freunden auseinander zu setzen.[5] Tatsache bleibt jedoch, dass meine Kenntnisse sich ausschließlich auf Italien beziehen, auch wenn die Informationen, die mich aus anderen europäischen Ländern[6] erreichen, zahlreiche Parallelen aufweisen und mein Ansatz in erster Linie experimenteller Art ist. 

Das Image des Zigeuners

Bis in die siebziger Jahre(aber die Kirche sprach schon von Inkulturation) war das Image des Zigeuners das eines Armen, der Hilfe braucht, oder auch das eines Abweichlers. Man behandelte ihn wie ein geistig unterbemitteltes Kind: die Kinder besuchten Sonderschulen, sie wurden gewaschen und in der Schule wurden ihnen andere Kleider angezogen; die Erwachsenen genossen eine mehr oder minder vergleichbare Behandlung. Das Wort „Zigeuner“ bezog sich auf ein allgemeines Stereotyp und rechtfertigte auch jene Verwaltungsbehörden, die alle in einer Stadt ansässigen Zigeuner in einem einzigen Lager versammelten. Die Zigeuner waren Menschen, die nicht „normal“ [7] leben wollten, sei es nun aufgrund der Schuld der anderen oder auf eigenen Wunsch. Daneben gab es andere Personen, Gadji [8], die guten Willens waren – denn dies wurde noch nicht als eine „Pflicht“ der Institutionen betrachtet oder als „ein Recht des Bürgers Zigeuner“ - Personen, die versuchten, die Lebensbedingungen der Zigeuner zu verbessern und der Normalität anzunähern, wenn Normalität eine Unterkunft bedeutete, Schulbesuch, eine feste Arbeit und kurze Röcke. Erst in einem späteren Moment begannen die Freunde der Minderheiten und die Pfleger des Respekts vor anderen Kulturen, auch die Zigeunergruppen in diese Kategorien einzuordnen und die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen zu beachten.

Die Anthropologen und dann auch die Ethnographen begannen, sich für die unterschiedlichen Aspekte ihrer Kultur zu interessieren, die sie entsprechend den Kriterien interpretierten, die sie auch auf andere Minderheitengruppen anwendeten, und sie beobachteten mit einer gewissen Faszination die wichtigsten Momente in ihrem Leben.

*Für den Anthropologen ist der Roma [9] eine interessante Person.

Die Soziologen beschäftigten sich damit, die Gründe und die Schuldigen für ihre gesellschaftliche Marginalisierung zu suchen, wobei sie nach und nach Gründe fanden – wie zum Beispiel das Ende der traditionellen Handwerke – die sich später als wenig ausschlaggebend erweisen sollen.

*Für den Soziologen ist der Roma eine marginalisierte Person, die ihren Platz in der Gesellschaft wiederfinden muss.

Die Lehrer – die sich auf das Wagnis einlassen, ein vorgegebenes Programm in einer Organisation, die auf didaktischem Material und Hausaufgaben basiert, zu unterrichten, - engagierten sich, oder besser, wurden von ministeriellen Rundschreiben (1996), von den Schulleitern und von Pädagogen, die sich für den interkulturellen Aspekt interessierten, dazu aufgefordert, die Gründe zu finden, warum es nicht möglich war, zu einen zufrieden stellenden Schulbesuch und Schulerfolg zu gelangen, und darum, neue didaktische Methoden auszuprobieren. Die Roma- oder Sinti-Schüler werden häufig als ein Problem betrachtet und sie werden zum Gegenstand von Mitleid, Verachtung oder Gleichgültigkeit.

*Der Lehrer fühlt sich nicht verantwortlich, wenn dieser Schüler nichts gelernt hat: er ist keine Person, auf deren Erfolg man etwas setzen kann.

Die Menschen, die sich in der Politik engagieren, suchen nach einem gesetzgeberischem Rahmen, der den Roma und Sinti die Möglichkeit bietet, ihre Rechte zu wahren und ihre Kultur zu schützen, insbesondere im Hinblick auf ihre Wohngewohnheiten. Besonders auf das Wohnproblem konzentrieren sich nämlich die regionalen Gesetze und die Rundschreiben des Innenministeriums, auch wenn sie sich tatsächlich mit dem Thema Schule und Ausbildung befassen. Es gibt jedoch keinen Fachmann der Politik und daher sind die Ansätze sehr unterschiedlich und hängen auch von der persönlichen Ausbildung und nicht nur von der Parteizugehörigkeit ab:

*einige Politiker betrachten den Roma als ein gefährliches Individuum (oder eine gefährliche Gruppe), der die Sicherheit der sozialen Ordnung bedroht und daher entfernt werden muss [10]

*andere betrachten ihn als einen Menschen, der unterstützt werden muss, damit er einen hinreichend würdigen Lebensstil im Rahmen der Legalität und in Harmonie mit der Gastgesellschaft erreichen kann, wobei das Wohlergehen der Gastgesellschaft sicher kein zweitrangiges Argument sein darf.

Für alle, vor allem aber für jene, die aktiv im Einsatz sind

*ist der Roma ein Mensch ohne Geschichte, der aus dem Nichts kommt.

Er ist eines Tages in ihre Aufmerksamkeit „hineingeboren“ und sie sind die ersten und die einzigen, die sich interessieren, ohne die eigene Initiative je mit einem vorherigen in Verbindung zu bringen, ohne daran zu denken, dass der Mensch, der vor ihnen steht, irgend wo gelebt haben muss, wo er bereits Beziehungen geknüpft hat.... Nur die Schule fordert die Unterlagen an und setzt sich manchmal mit den anderen Lehrern in Verbindung. Es ist mir nicht bekannt, dass die anderen Betreuer Informationen suchen, um zu erfahren, ob diese Personen bereits in einem sozialen Kontext eingefügt sind, welche Schwierigkeiten oder welche Erfolge es bei vorherigen Kontakten bereits gegeben hat. Ich verlange nicht, dass jemand Hunderte Kilometer überbrücken muss, aber Informationen aus den umliegenden Gemeinden, von Viertel zu Viertel zu sammeln, scheint mir selbstverständlich.

Das Ziel

Sich kennen lernen, um zu lernen, einander zu akzeptieren, das ist ein recht verbreiteter Slogan, aber er ist auch anfechtbar und ein Anthropologe wird normalerweise nicht diese moralische Linie vertreten. Sein Ziel ist es, vor allem das Wissen und ein Erkenntnisschema zu bekommen, das ihm die Möglichkeit gibt, Informationen zu ordnen und miteinander zu verbinden, Informationen zu verbreiten und sie anderen zur Verfügung zu stellen. Daher nimmt er an Arbeitsgruppen teil, in denen konkrete Situationen betrachtet werden und wo man über bereits realisierte Projekte reflektiert [11].

Der Soziologe möchte die Barriere und die Hindernisse niederreißen, die den Roma daran hindern, ein würdiges Leben zu führen, und er möchte ein Programm der sozialen Integration erarbeiten, weshalb er Initiativen und Projekte unterstützt, die diesem Ziel dienen. Die Institutionen, insbesondere die Gemeinden nutzen seine Arbeit, aber auch die NGOs (Non Governmental Organizations), die no-profit-Kooperativen, die in Italien folgende Tätigkeiten ausüben: die Verwaltung der Haltelager, schulische Hilfe für die Schüler in der Pflichtschule, Ausbildung/Arbeit und anderes.

Auch wenn die Schule in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen einer der Hauptgesprächspartner für die Zigeuner gewesen ist, so kann man doch behaupten, dass diese kulturelle Gruppe in der Schule sowohl vom anthropologischen wie vom soziologischen Standpunkt her kaum bekannt ist [12]. Auch hier herrscht die allgemein verbreitete Vorstellung vom Zigeuner vor und man darf behaupten, dass ein Interesse für den Zigeunerschüler bestenfalls das Ziel hat, ihn den Hauptschulabschluss erreichen zu lassen, damit er sich eine Arbeit finden und in die Gesellschaft eingliedern, also werden kann wie alle andern. Es wird kaum darauf geachtet, ob er auch die Mittel und Fähigkeiten erlangt, um über seine eigen Kultur nachzudenken und sich mit der herrschenden Kultur auseinanderzusetzen. Daher gibt es dann Jugendliche, die fast Analphabeten sind, aber über einen Hauptschulabschluss verfügen: welches Ziel können sie erreichen?

Ziel des Politikers ist es, Projekte durchzuführen, die möglichst viele Menschen befriedigen. Den jeweiligen Ideologien zufolge kann man dies auch durch Ausschluss erreichen: indem man die Zigeuner durch Ausweisung und die Schließung der Nomadenlager aus der Stadt entfernt; oder durch Assimilation: indem man Initiativen fördert, die ihre Verschiedenartigkeit aufhebt und sie wie die anderen werden lässt; oder durch Integration unter Achtung der Unterschiede. Oft ist nur der Ausschluss in Reichweite, die Assimilation trifft auf den Widerstand der Betroffenen und die Integrationsprojekte stoßen auf den Widerstand der Mehrheit der Gastgesellschaft, die einverstanden ist mit dem abstrakten Wert der Integration, es aber vorzieht, an diesem Prozess nicht teilzunehmen.

Der Standpunkt der Zielgruppe aus

All diese Initiativen, die oft über Vereinigungen und no-profit Organisationen laufen, wenden sich an eine Auswahl von einzelnen Zigeunern; in Italien sind dies entweder Roma (unterschiedlicher Herkunft) oder Sinti (die sich auch untereinander noch unterscheiden), die im großen und ganzen in zwei Gruppen fallen: diejenigen, die die Projekte passiv über sich ergehen lassen und versuchen, den größtmöglichen Vorteil daraus für sich zu ziehen, und diejenigen, die unmittelbar teilhaben wollen, sei es, um eine Führungsrolle in der Gruppe einzunehmen, sei es um eine privilegierte Stellung innerhalb der Gastgesellschaft zu erlangen und dabei auch materielle Vorteile zu genießen. Beide Gruppen betrachten die Verwendung von Geldern, die „für sie“ bestimmt sind (das heißt, für verschiedene Projekte bereit gestellt werden), mit großem Misstrauen, sie können die Mittel nicht quantifizieren und verstehen nicht, warum jemand, der ihnen immer feindlich gegenüberstand, Geld für sie ausgeben sollte, wie viel Geld für die laufenden Projekte erforderlich ist und ob es stattdessen jemanden gibt, der sich persönlich bereichert. Wenn es die Gadje sind, die mit dem Geld umgehen, so ist dieses Misstrauen nur ein Bruchteil des Misstrauens, der die gesamte Welt der Gadje trifft, wenn es aber Sinti sind, wird das Problem sich verschärfen [13], weil man sich in eine Situation der Abhängigkeit der einen von den anderen begibt, die nicht der Tradition entspricht.

Zu dem Misstrauen gegenüber der Verwendung des Geldes kommt die Parzellierung der Forderungen; jeder einzelne hat seine Erwartungen, wird die Probleme aus seiner eigenen Sicht schildern, der nicht nur von einem theoretischen Standpunkt abhängt, sondern von den freundschaftlichen und den Verwandtschaftsbeziehungen, von den jeweiligen Stimmungen und Verstimmungen, weshalb eine bereits laufende Initiative z.B. wegen eines Streits nicht fortgesetzt werden kann usw. Die Projekte der Selbstbestimmung schlagen häufig fehl, weil es jemanden gibt, der nicht mitmachen will, der seine Aufgabe nicht übernimmt, der auch an die gemeinsam gefassten Beschlüsse nicht gebunden sein will, aber auch, weil man nicht weiß, wann das, was heute beschlossen wird, durchgeführt wird, und wenn es so weit ist, werden die Bündnisse zwischen den Familien und die Disponibilität von dem dann aktuellen Anführer ganz anders aussehen.

Die jungen Anführer, diejenigen, die etwas gelernt haben und die für die kulturellen Ansprüche und das Recht, nicht diskriminiert zu werden, eintreten, sind für die Beziehungen zu den Gadje und führen in Wirklichkeit ein unabhängiges Leben, auch wenn sie manchmal zu Vereinigungen gehören, die sich soziale Ziele gesetzt haben.

Der Einfluss der sozialen Umwelt

Die Auswirkungen der sozialen und wirtschaftlichen Situation der Gastgesellschaft auf das Leben der Roma und damit auch auf die Möglichkeit, dass sie in ihrer eigenen Kultur wachsen, ist groß. In einem „Land der Sinti“ leben [14], in einem Land, das „gut ist für die Manghel“, oder in einem armen Land, aus dem auch die anderen Einwohner emigrieren, um dem Elend zu entkommen, macht einen großen Unterschied. Es macht einen Unterschied, denn es bedeutet, das fremde Roma einwandern werden oder auch nicht, mit denen man dann die Mittel teilen muss, die von den jeweiligen Initiativen der Sozialpolitik zur Verfügung gestellt werden oder auch nicht. Es macht auch einen Unterschied, ob man 10% der lokalen Bevölkerung ausmacht oder in so geringer Zahl existiert, dass man noch nicht einmal als Minderheit betrachtet wird.

Aus dem erwähnten Fragebogen geht zum Beispiel hervor, dass alle Länder im sogenannten Westeuropa betroffen sind von der Einwanderung der Roma aus Rumänien: auch wenn sie im oben betrachteten Sinn weniger bekannt sind, interpellieren sie aufgrund ihrer Notsituation mit großer Dringlichkeit an die sesshafte Gesellschaft der Mitgliedsländer und häufig zieht die Antwort die bereits bestehenden Beziehungen zwischen den Gadje und den Roma nicht in Betracht.[15] Man reagiert wie im Falle eines Erdbebens (ich denke dabei an die Art und Weise in Italien, die ich kenne). Die Tatsache, dass sie in einer Notsituation leben, erlaubt Übergangslösungen, die Ghettosituationen schaffen und die als Provisorium gedacht sind, aber wie bei den Erdbeben weiß man nicht, wie lange sie tatsächlich andauern werden. 

Der wirtschaftliche Zusammenbruch der östlichen Länder hat zu einer Zunahme der rassistischen Gewalttätigkeit geführt. Die Roma gehörten zu den ersten, die arbeitslos wurden, und mit ihnen die übrigen Bewohner der Außenbezirke der Städte, in denen sie wohnten: dies hat zu einer Haltung der Ablehnung und der Intoleranz geführt.[16] Die Tatsache, dass eine so hohe Zahl von rumänischen Kindern in den Waisenhäusern im Stich gelassen wird (45% der Insassen) bedeutet, dass die Armut rundum die Menschen dazu bringt, die schwächeren Elemente zu opfern (Piasere, atti), im Gegensatz zu den Gemeinplätzen, in denen von der Gebundenheit der Roma an ihre Kinder die Rede ist. 

Durch die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, zuerst in Bosnien, dann in Kosovo, gehören die Roma aus jenen Ländern zu den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen und sie haben in Italien die großen Lager der Roma aus Bosnien, Mazedonien und Kosovo in Turin, Brescia, Mestre, Florenz, Pisa und Neapel gefüllt. Das Lager in Neapel kam in trauriger Weise in die Titelzeilen, als die Bewohner des Stadtviertels Scampi es anzündeten. [17]

Auch die lokale Gesetzgebung bestimmt die Entscheidungen der ausländischen Roma: zuerst einmal die Bestimmungen zur Einwanderung, die den Status der Heimatvertriebenen und der Flüchtlinge definieren. Viele der sozialen Aktionen, die sich an diese ausländischen Roma richten, betreffen darum den Rechtsschutz, um für sie irgend eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.

Auf die gleiche Weise führen bestimmte Entscheidungen der Innenpolitik nicht unerhebliche Unterschiede zwischen den Zigeunern der verschiedenen Länder ein. Wir dürfen nicht vergessen, dass allein die Tatsache, ob das Nomadentum erlaubt oder verboten war, die Zigeunerkultur lange vor der aktuellen Situation in die eine oder andere Richtung gedrängt hat. Aus diesem Grund gibt es Geschichten über die Sesshaftmachung in Spanien und in Süditalien und eben in den ehemals kommunistischen Ländern. Dies hat nicht nur das Wohnen beeinflusst, sondern auch die Wahl der Arbeit, den Schulbesuch, den Sprachgebrauch und die Wahl der Kleidung.

Auch die Arbeitsbestimmungen, bestimmte Pflichten im Hinblick auf die Vernichtung umweltschädlicher Stoffe (für die Sammler von Alteisen), den Eintrag in der Handelskammer (für den Erwerb und den Verkauf verschiedener Gegenstände) bis zur Steuer für die Benutzung von öffentlichem Gelände (für reisende Schausteller oder Händler) und zur Steuerquittung (Karussells) treffen die Staatsbürger Roma und Sinti, bzw. die Sinti als Karussellbesitzer genau wie alle anderen Staatsbürger.

Die Gleichberechtigung

Die Abschaffung der Hindernisse

In Italien sollten die gesetzgeberischen Initiativen, die die Roma und Sinti betrafen, seit Beginn der siebziger Jahre das Ziel haben, das durchzusetzen, was die Italienische Verfassung in Art.3 bestimmt: „Die wirtschaftlichen und sozialen Hindernisse überwinden, die, da sie tatsächlich die Freiheit und Gleichheit der Bürger einschränken, eine freie Entwicklung der Persönlichkeit und eine wirksame Teilnahme an allen Arbeiten der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Organisation des Landes behindern.“ Hindernisse wirtschaftlicher und sozialer Art sind zum Beispiel solche, die einen „erfolgreichen“ Schulbesuch oder die Möglichkeit, Lösungen für die Wohnsituation oder der jeweiligen Kultur entsprechende Arbeitsmöglichkeiten zu finden schwierig gestalten (nicht zuletzt die Arbeit der reisenden Schausteller, die auf immer stärkere Hindernisse trifft) oder Probleme schaffen, die eigene Sprache und die eigenen Gebräuche als positive Andersartigkeit ohne Scham zu erhalten.

Ein erstes Rundschreiben des Innenministeriums im Jahr 1973 forderte die Bürgermeister dazu auf, die Hindernisse für das Verweilen der Nomaden zu beseitigen; das Thema wurde von der Anordnung des Jahres 1985 wieder aufgegriffen, wo man folgende Punkte als vorrangig bezeichnet: die Eintragung ins Einwohnermeldeamt, den Schulbesuch, die Aufhebung der Verbote zu verweilen; kritisiert wird der Gebrauch der Anordnung zur Räumung „die sich darauf beschränkt, das Probleme der Nomaden und die Probleme der Hygiene und der öffentlichen Gesundheit zu verschieben,“ statt sie zu lösen.

Zwanzig Jahre später bleiben noch die gleichen Hindernisse zu überwinden. 

Einige Kommunen haben Büros für Ausländer und Nomaden eingerichtet, die sich mit allen Problemen der Zigeuner befassen, auch mit denen der Sinti, obwohl die Sinti schon immer italienische Staatsangehörigkeit hatten; dies nur um festzuhalten, wie sehr die Zigeuner als Ausländer betrachtet werden.

Die regionale Gesetzgebung

Seit 1984 haben einige italienische Regionen Gesetze erlassen, die dem Schutz der Volksgruppen und der Kultur der Roma gelten. Von zwei verschiedenen Kräften wurde hier Druck ausgeübt [18], die normalerweise gegeneinander wirken, sich in diesem Fall aber verbunden haben: der Druck der Zigeuner und der der Nicht-Zigeuner als Folge der Tatsache, dass in den italienischen Städten nach und nach alle kleineren und selbstverwalteten Halteplätze geschlossen wurden. Die Roma und Sinti wussten nicht mehr, wo sie halten sollten und verlangten deshalb einen Halteplatz. Sie waren bereit, dafür gewisse Regeln zu akzeptieren: ihre Kinder in die Schule zu schicken und sich zu verpflichten, nach Arbeit zu suchen. Die Gadje hielten es für richtig, die Roma aus ihrer so prekären Situation zu befreien und überließen ihnen also Halteplätze, allerdings zu ihren eigenen Bedingungen.

Dies ist das venezianische Gesetz: „Die Region Venetien hat die Absicht, in angemessener Form einzugreifen, um die Kultur der Roma zu schützen. Hierzu gehört das Recht auf das Nomadentum, und auf das Recht innerhalb des regionalen Territoriums zu verweilen.“ Dieser Satz wird in anderen Gesetzen so oder ähnlich wieder aufgenommen. Da die Gesetze zur öffentlichen Sicherheit das Halten an beliebigen Orten verbietet, bedeutet Recht auf Nomadentum, Recht auf das Verweilen in den offiziellen Lagern. Auch das Recht auf das Verweilen ist oft irreal: dort wo die Verwaltungen nicht daran denken, Plätze auszustatten, kann es vorkommen, dass man auf einen Behördenvertreter trifft, der sagt: „Nomaden sind sie? Dann sollen sie nur herumziehen!“ Es ist bezeichnend, dass die jährlich bereit gestellten Mittel, so begrenzt wie sie sind, in einigen Regionen nicht einmal genutzt werden. Einige Kommunen ziehen es vor, aus eigener Initiative zu handeln, um nicht von den regionalen Hinweisen eingeengt zu werden.

In gleicher Weise wird auch der Schutz der Kultur häufig zu einer unrealisierbaren Utopie. Wenn der Schutz der Kultur das Recht bedeutet, entsprechend den eigenen inneren Bedürfnissen zu existieren und sich zu entfalten, dann erscheint es merkwürdig, dass die Behörden, wenn sie sich nicht jedem Eingreifen gegenüber taub stellt, so sehr darum bemüht sind, den Lebensstil der Roma und der Sinti dem der Gastgesellschaft anzupassen. Vorrangige Aufmerksamkeit gebührt dem Halteplatz für die Sesshaften, wobei diese Priorität als selbstverständlich gilt, und man geht von dem Gesetz weiter zu den Anordnungen auf dem Halteplatz, die allem erdenklichen Unheil vorbeugen sollen: in vielen Fällen versuchen sie, das Leben der Zigeuner und ihren Aufenthalt durch eine Reihe von Vorschriften und Verboten zu regeln, die die Bedingungen des Zutritts, die Art und Weise des täglichen Lebens und die Strafen bestimmen.[19] Diese Gesetze und Anordnungen bestätigen im allgemeinen tatsächlich nur Regeln der öffentlichen Ordnung, denen die Roma und Sinti schon unterstehen – wie jeder andere Bürger, während sie In Wirklichkeit eine wahrhaftige Diskriminierung bedeuten, und sie weisen eine Reihe von Maßnahmen auf, die darauf abzielen vor allem die sesshafte Bevölkerung vor Menschen zu schützen, die man für gefährlich hält. Manchmal hätte man auch gerne unterschieden zwischen „guten“ und „bösen“ Zigeunern und sah zum Beispiel einen ethnischen Ausweis vor, um zu unterscheiden, wer das Recht hatte in ein Lage einzutreten und wer nicht.[20] Eine Art von Davidsstern, um zu entscheiden, wer ins Ghetto darf.

Als die besseren Rechte erweisen sich die weniger „definierten“ Gesetze, die weniger Barrieren errichten und die sich den verschiedenen Situationen besser anpassen. Die Ankunft von ausländischen Roma im letzten Jahrzehnt in Italien, Roma, die lange Perioden der Sesshaftigkeit hinter sich hatten und eine Tendenz aufwiesen, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Zigeunergruppen zu ignorieren, macht viele der Gesetze wenig geeignet. Das Gesetz von Friaul-Venedig führt eine interessante Beobachtung ein: man schlägt vor, „die besonderen kulturellen Werte, die historische Identität und die Wandlungsprozesse, die derzeit bei den Roma zu beobachten sind,“ zu schützen, wodurch man sich die Möglichkeit offen lässt, das Gesetz weiter zu entwickeln und neuen Situationen anzupassen.

Herumziehen und verweilen [21]

„Früher reiste man mit Pferd und Wagen von Stadt zu Stadt. Am Abend hielt man manchmal an irgend einem Bauernhof, um zu übernachten. Die Bauern erlaubten uns, in den Stall zu gehen oder in einen Schuppen und sie gaben uns Stroh zum Schlafen, eine Suppe und die Milch für die Kinder...“

Dieser Satz von Bibì Alda, eine Sinta-Frau aus Piemont, ist von vielen Sinti aus Venetien und der Lombardei, von den Romora aus Slowenien, den Roma aus den Abruzzen und aus Kalabrien so oft wiederholt worden....

Neben dem normalen Bedauern, dass die glücklichen Zeiten vorüber sind, ist allen Völkern das Bedauern darüber gemeinsam, dass es das Nomadentum nicht mehr gibt: unsere Straßen, all die Dörfer, die ich kannte...aber auch die Selbstbestimmung, reisen und verweilen können, sich mit einigen Familien, mit denen die Beziehungen so gut sind, zu Gruppen zusammen schließen können.... Entscheiden können, wo, wie und mit wem man sein eigenes Leben leben möchte.

In Italien haben auch die Sinti Zeiten der Reise mit Zeiten der Sesshaftigkeit abgewechselt, anders als dies heute möglich ist. Einige Passanten hielten an und wechselten mit ihnen ein paar Worte, manchmal brachten sie auch etwas.

Dann haben sich die Städte und die Länder verändert. Jeder Meter Land hat seine Funktion, es gibt keine freien Flächen mehr. Die Brunnen verschwinden, die öffentlichen Toiletten... Man muss mit den Behörden um die Genehmigung für den Aufenthalt verhandeln.

Die alten Sinti, auch solche, die sich fern gehalten haben von der Politik der großen Städte und den traumatischen Erfahrungen einiger Xoraxané-Roma, meinen, dass „es durch die Lager keinerlei Neuigkeiten mehr gibt, es macht keinen Spaß mehr zu reisen, es fehlt die Überraschung“ und Oliviero, ein Sinto aus der Lombardei sagte: “Je mehr man still steht, desto weniger Wechsel gibt es, auch wenn es nur wenige gibt, denen ein längerer Aufenthalt gefällt. Die Halteplätze werden zu Bidonvilles, wo die Leute sich gehen lassen; es ist viel besser stattdessen zu reisen, mit dem Wenigen, was nötig ist, aber reisen.“        

Herumziehen und verweilen und in den Lagern anhalten betrifft tatsächlich nur einen minimalen Prozentsatz der Roma und Sinti, die in Italien leben. Kalabrien, Kampanien, die Basilikata, Molise und die Abruzzen kennen seit langem Roma, die in Häusern leben. Auch in anderen Regionen gibt es Gruppen von Sinti oder Roma, die in Häusern leben, die ihnen selbst gehören oder den Kommunen. Man spricht häufiger von den Lagern, weil hier die problematischeren Situationen anzutreffen sind.

Das „Nomadencamp“ (siehe Anlage)

Die größten Lager, wie das von Turin Mitte der achtziger Jahre, haben die größten Widersprüche ans Licht gebracht: „Ich habe eine Verwarnung bekommen, denn ich habe meinen Sohn beherbergt, der keine Aufenthaltsgenehmigung hat.“ „Jeden Tag kommen Verwarnungen und Ausweisungen: einmal, weil man sich nicht im Arbeitsamt gemeldet hat, ein anderes Mal, weil man die Impfungen nicht gemacht hat, wieder ein anderes Mal, weil man nicht arbeiten geht... Heute habe ich eine Verwarnung bekommen, weil eines meiner Kinder so viele Tage nicht in der Schule war, sondern zu Hause gewesen und deswegen nicht versetzt worden ist.“  [22]

Das Lager ist nicht nur ein Kontrollinstrument, sondern auch ein Instrument durch das man eine target group, eine besondere Kundengruppe schafft...“ (Sigona 2002, 13), eine Kundengruppe mit dem Minimum an sozialen und schulischen Leistungen.

„Die ausgestatteten Halteplätze, die am Stadtrand liegen, bilden eine künstliche Struktur, die entsprechend dem Bebauungsplan eine Kommune gebaut wird, der seine Lage und seine Ausdehnung festlegt und in einigen Fällen bestimmt der Bebauungsplan auch eine bestimmte räumliche Verteilung der einzelnen Behausungen, die sich auf seinem Gelände befinden, im Verhältnis zueinander. Die „Nomadenlager“ waren vorher Gelände, die der Müllabfuhr dienten oder Gelände, an denen sich unerlaubte Schrebergärten befanden, es handelt sich meist um kommunales Gebiete, wo man feststellt, dass man mit Menschen lebt, mit denen man freiwillig nicht gelebt hätte. Die unerlaubten Halteplätze waren anonyme Plätze, die vertraut wurden, weil du es warst, der beschloss, dort zu leben. Im Laufe der Jahre werden es Gelände, die periodisch besetzt werden von denen, die in den offiziellen Lagern nicht halten dürfen oder wollen, wobei sie die Familiengruppen, die in den offiziellen Lagern angesiedelt sind, vermeiden, weil sie mit ihnen im Streit liegen. Die offiziellen Halteplätze der Roma sind Gelände, wo die Nicht-Roma wahrscheinlich niemals leben würden, und Wohnorte, die den Roma vertraut werden, weil sie dort eine Organisation von nachbarschaftlichen Beziehungen herstellen, die die Aufteilung des Geländes in Familienhöfe vorsieht. Im Innern eines Hofes, deren Zusammensetzung und Ausdehnung variabel sind, entstehen besondere familiäre und nicht-familiäre Beziehungen.“ [23]  

In der Mehrzahl der Lager der Roma, sei es den rechtswidrigen Niederlassungen, sei es den offiziellen, die überlaufen sind, [24], hat sich eine unerträgliche Situation ergeben. Das Verhalten der Verwaltungen richtet sich vor allem auf eine gebietsmäßige Kontrolle und die Kombination aus zerrütteten Verhältnissen und Kontrolle haben zu verstärkten Schwierigkeiten geführt, Orte zu finden, an denen man sich niederlassen kann. 

Einige Gemeinden haben die von dem Gesetz 390/92 bereitgestellten Mittel zugunsten der Evakuierten aus dem ehemaligen Jugoslawien benutzt und Lager eingerichtet, die halb Flüchtlings- und halb Nomadenlager sind.[25] Da es keine Alternativen gibt, haben die Roma versucht, dort Platz zu finden, auch weil dies mit Unterstützung der Vereinigungen die Erlangung der nötigen Unterlagen erleichterte. [26] Auch wenn es sich um eine Ghettosituation handelte, bot sie doch die Möglichkeit, einer außergewöhnlichen Situation den Anschein eines normalen Lebens zu geben. Aber niemand betrachtet das Modell eines Lagers als Endstation seines Lebens, man sagt: bis ich mir ein Haus kaufe, ein Stück Land...bis ich die Ausweise bekomme, bis ich endlich Arbeit gefunden habe…

Abstand halten zu dem Modell „Lager“ bedeutet auch, eine Vervielfältigung der Möglichkeiten anzustreben, bedeutet, selbst Alternativen vorzuschlagen. Die Vielfältigkeit der Möglichkeiten dient dazu, auf verschiedene Weise Kriterien der Angemessenheit zu schaffen, entsprechend der Unterschiedlichkeit der Situationen, der Bedürfnisse und der Lebenspläne der Betroffenen. Es bedeutet auch, die Vorstellung abzulehnen, dass einer Bevölkerungsgruppe eine besondere Wohnform zugeschrieben wird. Die Lösungen müssen sowohl der Nachfrage nach Sesshaftwerdung entgegenkommen wie auch dem Wunsch nach Nomadentum, den unterschiedlichen Bedürfnissen, die von den verschiedenen Gruppen geäußert werden.   

Angesichts der Schwierigkeiten, die großen Lager zu verwalten, geht derzeit die Entwicklung eher hin zu kleineren Lagern, die auf familiärer Ebene organisiert werden. Angeraten wird auch, jede Form der urbanistischen Marginalisierung zu vermeiden; tatsächlich gibt es nur wenige Räume, die nicht schon zu anderem bestimmt und geeignet sind, und sie liegen in wenig reizvollen Gegenden (die Titel: I popoli delle discariche, d.h. Die Völker der Müllhalden von Piasere und L’urbanistica del disprezzo, d.h. Die Stadtplanung der Verachtung von Brunello sprechen diese Tatsache klar und deutlich aus), daher die Folge: wenige und übervölkerte Lager mit noch mehr Gruppen zusammen. Da zudem die Anordnungen, die den Verbleib im Territorium der Kommune außerhalb der zugelassenen Räume verbieten, sei es auch nur in Erwartung, dass zugelassene Gelände geschaffen werden, sehr verbreitet sind, bleiben einige Gruppen, die früher einmal in einer Stadt „vorbeikamen“ endgültig ausgeschlossen. Das Ergebnis ist, dass es wenige Lager gibt, die gesetzeskonform ausgestattet sind, und daneben aber viele „wilde“ und schlecht ausgestattete Lager bestehen, die Gegenstand von Klagen gewesen sind in „ERRC Il paese die campi. La segregazzione razziale die Rom in Italia“ ERRC Das Land der Lager. Die Rassentrennung der Roma in Italien. (Oktober 2000)

Jenseits der Lager

Das Modell der kleineren Lager auf familiärer Basis, das in diesen Jahren was die Größe der Lager betrifft zum Vorbild geworden ist - also keine klassischen „Nomadenlager“ – hat sich auch im Hinblick auf den familiären Charakter der Niederlassung, im Hinblick auf die Schaffung eines häuslichen Rahmens, die Möglichkeit zur Autonomie, die vielfältige Nutzbarkeit und die Möglichkeit, Beziehungen mit der erweiterten Familie aufrecht zu erhalten, als sehr positiv erwiesen. Dies ist auch bei eigenständiger Eingliederung auf gekauftem Gelände, also bei Eigenbesitz zu beobachten. Die Verwaltungspolitik könnte die private Initiative der Betroffenen unterstützen und die Bedingungen für eine Niederlassung schaffen, Hindernisse aus dem Weg räumen usw.

Mein Eindruck ist, dass die Roma und Sinti außerhalb der Lager – Brunelli sagt in seinem Buch, dass das Wort „Lager“ an prekäre und provisorische Bedingungen erinnert – versuchen, wieder Herr ihres Lebens zu werden, ihre Autonomie und Selbstbestimmung wieder zu erlangen wie zu der Zeit, als sie mit ihren Wagen unterwegs waren.

Ich habe auch den Eindruck, dass die Roma und Sinti „außerhalb der Lager“ aufhören, eine undefinierbare Masse zu sein, die der übrigen Bevölkerung Angst einflößt, sie bekommen wieder ein Gesicht, einen Namen, sie können willkommene oder unwillkommene Nachbarn werden, aber aufgrund einer persönlichen Beziehung auf der Basis der Gleichheit.

Man kauft eine Unterkunft oder man mietet sie oder man kauft ein Grundstück. Man hält an, als wäre es für immer: man organisiert sich, man versucht gute Beziehungen zu den Nachbarn herzustellen, die keine Zigeuner sind. Vielleicht bleibt man für Jahre dort. Dann geschieht etwas, irgend etwas: Probleme mit den Nachbarn, ein Todesfall, die Kinder wollen wieder auf die Reise gehen, man lässt sich von neuen Vorschlägen verlocken und in Nullkommanichts lässt man alles hinter sich. Die Bäume, von denen man jeden einzelnen gewollt und gepflanzt hat, der künstlerisch geplante Zaun, der vertraute Freund, der kein Zigeuner ist, man betrachtet sie plötzlich mit den Augen eines Außenstehenden, mit Abstand und die Gründe, um wegzugehen gewinnen die gleiche Macht, die vorher jene hatten, die einen zum Bleiben überzeugten.

Man wird ein wenig herumreisen, dann wird man einen neuen Ort finden, in einem anderen Land, vielleicht wird man noch einmal für Jahre anhalten und wieder wird dieser Ort Heimat werden.

Derweil wird man auf dem eigenen Grundstück und im Hof vor dem eigenen Haus den Wohnwagen oder das Wohnmobil eines Freundes oder eines Verwandten beherbergen und man wird selbst anderswo Gastfreundschaft finden, wenn man aus irgendeinem Grund eine Weile woanders zubringen muss.

Wohnungen im Erdgeschoss mit einem Hof, die gleiche Art von Unterkünften, aber unterschiedliche Arten zu wohnen, jeder lebt auf seine Weise, jeder mit seiner eigenen Sauberkeit. Die Gründe: die Suche nach Raum, die Landwirtschaft, erschwingliche Kosten, Räume, die leer standen, die Möglichkeit zu wohnen und dabei Beziehungen zwischen den Familiengruppen herzustellen. Zu den Beziehungen gehören auch die zu den eigenen Toten: in dem Moment, wo beschlossen wird, sie auf dem örtlichen Friedhof zu begraben, wird der Ort „symbolisch markiert“ (Piasere, 1999), bedeutungsvoll für die betroffene Familie.

Der Schulbesuch

Warum erreicht der Schulbesuch der Kinder, die in einem Nomadenlager leben, in keinem Land befriedigende Ergebnisse? Warum gehen die Kinder der Roma zur Schule oder auch nicht? Betrachtet die Familie die Schule als eine erzieherisch wertvolle Umgebung?

Die Politik Titos forderte die Roma dazu auf, sich so weit wie möglich im sozialen und wirtschaftlichen System des Landes zu integrieren. Alle Kinder mussten in die Schule gehen und viele haben es wirklich getan. Was die Kinder betrifft, so konnten unter den ersten Einwanderern in Turin viele schon lesen und schreiben und es schien, dass sie auch Gelegenheit gehabt hatten, weiterführende Schulen zu besuchen. Warum wiederholt sich in Italien nicht der gleiche regelmäßige Schulbesuch oder besser: der gleiche Lernerfolg?

„Warum,“ so fragen die Lehrer der Grundschulen, „haben die Sinti, die sauber sind, Piemontesisch sprechen, seit Jahrhunderten in Turin leben, italienische Staatsangehörige sind (wobei sie dann auch gleich um eine Bestätigung für das, was sie gesagt haben, bitten, denn „man weiß ja nie“), die Sinti, die keine Nomaden sind (sie benutzen den Ausdruck, wie um zu sagen: “Sie sind nicht schmutzig, man würde die Sinti-Mütter, die ihre Kinder in die Schule begleiten, von den „anderen“ nicht unterscheiden), die seit viel längerer Zeit zur Schule gehen als die Roma, doch ein Schulprofil haben, das unter dem der Roma liegt (in den erreichten Leistungen, aber vor allem was den regelmäßigen Schulbesuch betrifft)?“ „Müssten sie die kulturelle Bedeutung der Schule nicht längst verstanden haben, auch um morgen ein besserer Nomade zu sein?“

Ein wenig Geschichte

Der erste Prozess einer systematischen Einschulung der Kinder der Sinti und Roma wurde im Jahre 1965 nach einer Übereinkunft zwischen dem Kultusministerium, dem Institut für Pädagogik der Universität Padua und der „Opera Nomadi“ mit der Einrichtung von besonderen Klassen „Lacio drom“ begonnen. Der verantwortliche Leiter der Grundschule, dott. Arcadi, bewies eine besondere Feinfühligkeit als er schrieb: „Wir haben uns darüber geeinigt, über Sonderschulen zu sprechen, nicht weil die Zigeunerkinder weniger begabt als andere sind.... sondern weil dies eine Formel ist, die uns eine größere Anpassungsfähigkeit im Hinblick auf die Klassenbildung gestattet, im Hinblick auf die Altersgruppen erlaubt sie es uns, eine Schule vom Kindergartenalter bis zum Alter von 16 Jahren zu haben und sie ermöglicht uns andere Stundenpläne und Kalender.“ [27] Wenn man sehen möchte, wie man es anstellt, sich von den guten Absichten der Förderer einer Initiative zu entfernen, genügt es, den hierauf folgenden geschichtlichen Verlauf und die Gegentendenzen zu betrachten. In der Erzählung von Sinti aus verschiedenen Städten (Reggio Emilio und Verona zum Beispiel) wird deutlich, dass die Zigeunerkinder streng von den anderen Kindern getrennt gehalten wurden. In diesen Schulen hatte das Essen, Duschen und verschiedene Hilfeleistungen, die nur für die Zigeuner galten, die gleiche Daseinsberechtigung wie das Lesen und Schreiben.

Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre wurden die Sonderschulen abgeschafft, die Schüler wurden in normale Klassen eingegliedert und ihnen wurden die sogenannten „insegnanti di sostegni“, spezielle Lehrer zur individuellen Hilfe zur Seite gestellt. Das ministerielle Rundschreiben vom Juli 1986 unterschied sehr wohl zwischen den Sinti- oder Roma-Schülern und behinderten Schülern, bestätigte aber diese Tatsache unter Hinweis darauf, dass sie aus verschiedenen Gründen nötig sein könnten, zum Beispiel wegen unregelmäßigen Schulbesuchs, mangelnder Kenntnisse des Italienischen usw.

Zehn Jahre später hörten die einzelnen Schulbehörden auf, besondere Lehrer für die „Nomaden“ „bereitzustellen“. Projekte zur kulturellen Vermittlung waren ziemlich verbreitet so wie auch andere Initiativen der öffentlichen oder privaten Sozialdienste, um den Sinti- und Roma-Kindern in ihrer Schulzeit zu helfen.

Man hat jedoch immer den Eindruck, dass es sich hierbei um Vorgehensweisen handelt, die von der Frage ausgehen, wie man diese Kinder an die Institution Schule anpassen kann, ohne nach den Gründen zu fragen, weshalb sie niemals als Benutzer und Protagonisten, sondern immer nur als zwangsweise Betreute behandelt werden.

Der Zigeunerschüler

Es gibt einen Unterschied zwischen der Einschulung eines Schülers, der sich als Sinto präsentiert und einem Schüler, der dieses Etikett des Andersseins nicht trägt. Ich bringe ein Beispiel. 1978 wurde in Verona eine Gruppe von slowenischen Roma in eine normale Schule eingeschult, während in einer nahegelegenen Schule eine Klasse Lacio Drom existierte. Die Kinder in der normalen Schule erreichten einen normalen Lernerfolg, das heißt entsprechend ihren Fähigkeiten. Diese ehemaligen Schüler sind jetzt Eltern von Kindern, die die gleiche Schule besuchen, die keine Sonderschule ist, aber die jetzt trotzdem durch ihre Lage im Territorium als Schule des „Lagers“ identifiziert wird. Diese Schüler besuchen die Schule nur gelegentlich und ihre Leistungen sind schwach, obwohl sie Kinder von Erwachsenen sind, die die Schule besucht haben.

Der gleiche Unterschied in der Leistung wird in einigen Forschungsarbeiten von dem gleichen Kind berichtet, je nachdem, ob es in einzelnen Fällen einfach als Schüler, in anderen als Zigeunerschüler betrachtet wird. Es scheint, dass sich nicht nur die Lehrer anders verhalten, sondern auch das Kind will ein anderes Bild von sich geben und die Familie hat andere Erwartungen.

Die einzige schulische Erfahrung der meisten Roma- und Sinti-Kinder, die in den Lagern leben, besteht im unregelmäßigen Schulbesuch der Grundschule. Der Ansatz kostet ungeheure Mühe und im Innern der Schule wird unbewusst der gleiche Konflikt wieder aufgenommen, der in der Welt der Erwachsenen zwischen Zigeuner und Nicht-Zigeuner besteht.

Die Schulerziehung wird in vielen Fällen ein Versuch, diese Kinder zu schützen (zu „retten“), indem man ihnen ein Erziehungsmodell vorschlägt, dass im Widerspruch zu dem der Familie steht. Den Roma-Kindern gefällt die Gewohnheit der Gadje, zärtlich mit ihren Kindern zu sein, darum verlangen sie häufig eine physische Beziehung, die sie in ihrer Familie nicht erwarten können.[28] Der Schulbesuch eines Kindes hängt manchmal davon ab, ob das Kind es schafft, die physische Beziehung der Zärtlichkeit von Seiten des Lehrers, von der wir sprachen, in einer fremden Umgebung zu verarbeiten.

Die schulische Umgebung

Carlotta Saletti beschreibt den bestehenden Gegensatz zwischen der schulischen und der häuslichen Umgebung sehr gut. Was in vielen Fällen von den Roma-Familien als erzieherisch wichtig in der schulischen Ungebung gesehen wird, entspricht nicht immer dem, was die Schule als eine erzieherische Gelegenheit sieht. Die mangelnde Übereinstimmung zwischen Zuhause und Schule wäre dann nur für die Eltern ersichtlich, die es dem Kind unter gewissen Bedingungen erlauben, an einem erzieherischen Prozess in einer Umgebung teilzuhaben, die von sich aus nichts Erzieherisches hat: zum Beispiel die Gegenwart älterer Geschwister oder anderer Roma-Kinder; die Gegenwart der „alten Lehrer“, die auf die Kinder „aufpassen“; die Gegenwart des kulturellen Vermittlers, der unmittelbar über die körperliche Unversehrbarkeit des eigenen Kindes wacht. Und schließlich, aber sicher nicht weniger wichtig, die verantwortliche Rolle, die dem Kindern von den Erwachsenen übertragen wird, und damit die Wichtigkeit, die seiner eigenen Entscheidung zukommt, ob er die schulische Umgebung besuchen will oder nicht. Wichtig ist bestimmt immer der Schutz der Erziehung des Kindes in der Familie. 

Für die Schule sind dies keine Werte, sondern Unwerte. Die Schule vermeidet es häufig, mehr als ein „Nomadenkind“ in der gleichen Klasse oder in der gleichen Gruppenaktivität aufzunehmen; dem Kind wird gesagt, dass es in der Schule nicht in seiner Sprache sprechen darf und man verhindert, dass es Fremdsprachen lernt, weil das als unnütz betrachtet wird; man verweigert ihm seine familiäre Identität, während man eine beliebige akzeptiert; sie fordert zum regelmäßigen Schulbesuch auf; sie wäscht die Kinder, denn sie müssen sauber sein, um sich schulisch integrieren zu können. Diese Gewohnheit, die allen Klassen Lacio Drom gemeinsam war, schien der Vergangenheit anzugehören, aber in einigen Gemeinden wird es noch immer so gehandhabt.

Bevor sie zur Schule gehen, „ziehen sich einige Kinder nicht um oder sie werden nicht umgezogen, denn so sagen einige Eltern: „In der Schule werden sie in jedem Fall gewaschen und von Kopf bis Fuß umgezogen;“ einige werden jeden Morgen umgezogen und dann nach einer Stunde jeden Morgen von Neuem in der Schule umgezogen, bevor sie ihr Klassenzimmer betreten; einige kämmen sich alleine, einige kämmen sich nie und hassen es, sich in der Schule kämmen zu lassen; einigen laufen die Mutter oder der Vater im ganzen Lager hinterher, weil sie nicht in die Schule gehen wollen; einige wachen auf, stehen auf, steigen in den Schulbus und haben nur die eine Sorge, dass auch die Geschwister in den Schulbus steigen könnten.... [29]

In dem Projekt in Verona kann man lesen: „Das Zigeunerkind erhält in seiner Familie eine Erziehung, damit es ein wirklicher echter Zigeuner wird. Der Erzieher in der Schule ist sich oft nicht klar darüber, dass er Modelle vorschlagen muss, die zumindest nicht im krassen Widerspruch stehen zu denen der Familie, eine Haltung, die das Kind in jedem Erziehungsprozess zum Außenseiter stempeln würde.“ Gibt es einen Lehrer, der sich darüber Sorgen macht, dass es an den Rand gedrängt wird? Zudem vermittelt er oft den anderen Schülern nicht etwa die Idee, dass dieses Kind zu einer anderen Kultur gehört, sondern nur, dass dieses Kind in einer schwierigen Situation lebt und dass es werden muss wie sie.

Die Folge ist, dass die Beziehung bestenfalls mit „vorsichtigem Misstrauen“ auf beiden Seiten erlebt wird und in der Sorge, dieses Misstrauen auf ein Minimum zu reduzieren: minimaler Schulbesuch, vor allem was die Stundenzahl betrifft auf der einen Seite, minimales Interesse (nicht persönlich, sondern institutionell) auf der anderen Seite.[30] Der mangelhafte Schulbesuch ist häufiger ein Problem der jüngsten Kinder. 

Wie Ana Gomes anmerkt, entwickelt sich die Schule in den achtziger Jahren zu einem sozialen Rahmen von Verpflichtungen und Mobilität zugleich. Noch bevor die Genehmigung zum Verweilen im Nomadenlager erteilt wird (das heißt, bevor ausgestattete Gelände für das Verweilen der „Nomaden“ zur Verfügung standen, wo diese Verweilgenehmigung Voraussetzung für den Schulbesuch ist), besaßen die Familien Roma und Sinti die Erlaubnis, wenn nicht gar die Pflicht, ihre Kinder in die Schule zu schicken und der Schulbesuch wurde zu einer Verpflichtung, die als Instrument eingesetzt wurde, um die Genehmigung zu erhalten, im Lager zu verweilen. Eine Entscheidung der Kommune Turin im Jahre 1984, die zum ersten Mal einige grundlegende Fragen im Zusammenhang mit der Reglementierung der Genehmigung zum Verweilen in dem Halteplatz in Arrivore festlegt, sieht in seinem Wortlaut vor, dass die Verlängerung der Ausweise abhängig ist von der Erfüllung der Schulpflicht der Kinder.

Die kulturelle Vermittlung

Ein Kind der Roma oder Sinti, dass in der Schule eine Figur erkennt, die zu seinem eigenem Milieu gehört, wird sein schulisches Leben weniger als ihm selbst fremd erleben und es wird keine Probleme haben, die Autorität einer Person anzukennen, die seine Familie und seine Gewohnheiten kennt. 

Es wird sich andererseits geschützt fühlen vor jenen Formen der Diskriminierung, die es auch in der Schule antreffen kann, und es wird das Gefühl haben, dass man ihm hilft, über die eigenen Erfahrungen und die seines Volkes mit den Mitteln und der Würde zu sprechen, durch die sie diese den anderen verständlich machen kann. [31]

Ein Hinweis des Europarats unterstreicht die Bedeutung der kulturellen Mediation, insbesondere im Hinblick auf die Zigeunerkinder.

Es ist auch wichtig, in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Gemeinschaft schon daran gedacht hat, in diesem Sinne eine Funktion der Verteidigung zu übernehmen. Das Kind wird in die Schule geschickt, wenn es bereit ist. Und zu diesem Zweck muss es etwas lernen, das ihm die Möglichkeit gibt, alleine in der Schule zu sein.

Sehr häufig sind die älteren Geschwister für die jüngeren verantwortlich, oder, wenn diese nicht vorhanden sind, übernehmen Vettern und Kusinen oder Onkel und Tanten diese Verantwortung. Die Eltern vertrauen den Kindern die präzise Aufgaben an, sich in der Schule um die Geschwister zu kümmern: in den ersten Tagen muss der ältere Bruder/die Schwester immer bei dem Jüngeren bleiben, und wenn die Lehrer nicht gestatten, dass er/sie im gleichen Klassenraum bleiben, muss er/sie in Abständen in die Klasse kommen, um zu kontrollieren, ob alles in Ordnung ist.

Häufig organisieren die Lehrer den Schulbesuch der Jüngeren so, dass die älteren Geschwister nicht benachteiligt werden, indem sie die beiden Kinder die gleiche Klasse besuchen lassen (entweder die Klasse des älteren Kindes oder die des Neuankömmlings) und sie lassen des jüngere Kind allmählich lernen, alleine im eigenen Klassenraum zu bleiben. Es ist zudem Aufgabe der kommunalen Behörden, dafür Sorge zu tragen, dass die Kinder der gleichen Kernfamilie in der gleichen Schule eingeschult werden [32] und dafür, dass Kinder aus Familien, von denen man weiß, dass sie in ständigem Streit miteinander liegen oder die eine stark konfliktbeladene Beziehung haben, in unterschiedliche Schulen geschickt werden. Auch die didaktischen Leiter forderten in den achtziger Jahren von den zuständigen städtischen Behörden, dass die Kinder „auf der Basis ihrer ethnischen und verwandtschaftlichen Zugehörigkeit“ [33] auf die verschiedenen Schulen verteilt würden.         

Wie fühlt sich ein kultureller Vermittler in der Schule?

„.... meine Anwesenheit in der Schule ist für viele Eltern eine Gelegenheit geworden, jemanden dort anzutreffen, der mit ihrer familiären Umwelt vertraut ist, wenn er auch nicht „zur Familie“ gehört – und der sich um die Kinder in dieser Umgebung, die dem des Lagers so fremd ist, kümmert. So vertrauen mir die Eltern ihre Kinder an und die Kinder behalten mich als Bezugsperson im Auge. Die Sache war jedoch nicht einseitig: das erste Mal, dass ich in eine Schule kam, in die Kinder gingen, die zu der erweiterten Familie des Hofes gehörten, in dem ich lebte (meine Nachbarn oder meine kleinen Gäste), spürte ich ein starkes Gefühl der Verantwortung für sie...

Dies bedeutet, die Kinder in der Schule (oder in anderen Umgebungen der Gadje) zu beschützen, in der Schule keine Nachrichten aus dem Alltagsleben zu verbreiten, die die Eltern absichtlich nicht der Schule mitteilten, und zugleich die Gemeinschaft zu verteidigen. Gegebenenfalls hätte ich immer erzählen können, was die Eltern mir erlaubten, an die Schule weiterzugeben, um so einer klaren Bitte um Schutz nachzukommen. Was ich erzählen würde, wäre vielleicht für die Lehrer nicht unbedingt wahr, aber es wäre auch im Auge der Familien sicher nicht falsch.“ (Saletti)

In Verona sah das Projekt vor, in der Schule einen Lehrer anzustellen, der über ein Diplom in der Kultur der Roma verfügte, und sah vor, dass:

eine bereits bestehende und nicht speziell für die „Nomaden“ geschaffene Einrichtung der Sozialarbeit, die bereits im erzieherischen Bereich in dem Gelände tätig ist und bereits Beziehungen mit der Behörde unterhält, im Sinne einer würdigeren und korrekten sozialen Integration in der Beziehung zwischen Schule und Kommune vermittele;

dass diese Tätigkeit der „Mediation“, auch wenn sie mit der Erfahrung der Vermittlung zwischen der Kultur der Mehrheit in der Gesellschaft und der Kultur der Roma beginnt, auszuweiten ist auf andere Minderheiten, die im Gelände vorhanden sind;

dass man vorrangig Sozialarbeiter beschäftigt, die zu der gleichen kulturellen oder Sprachgruppe gehören wie der Schüler, vorausgesetzt sie verfügen über den Abschluss, den die italienische Schule verlangt, oder im Falle von Ausländern, dass sie einen gleichwertigen Abschluss haben;

dass autonome oder übergreifende Informationsträger aktiv tätig werden durch Unterrichtsstunden in Geschichte und Kultur, Filmvorführungen, musikalische Darbietungen oder auch durch eine Ausweitung der behandelten Themen auf Parallelen aus der Umgebung der Minderheitenkultur.

Die Tatsache, dass der Lehrer, der diese Informationen vermittelt, selbst der Kultur der Roma angehört, erleichtert es den Schülern, eine „respektvollere Haltung“ den Schülern gegenüber einzunehmen, die dieser gleichen Gruppe angehören und wird einer Abschwächung der Vorurteile förderlich sein.

Dies kommt den Roma-Kindern zugute, vor allem aber auch der Institution Schule, die auf diese Weise in die Lage versetzt wird, ihre Aufgabe zu erfüllen, die darin besteht, alle Bürger zu erziehen und zu unterrichten, vor allem jene, die im schulpflichtigen Alter sind.

Die Roma und Sinti, die mit den Institutionen zusammenarbeiten

Die „Opera Nomadi“ organisiert in Turin im Jahr 1996 einen 200-stündigen Kurs für kulturelle Vermittler. Der Kurs steht allen Roma und Sinti offen, die im Lager ansässig sind. 15 Personen nehmen teil. Ziel ist es, einen Kommunikationskanal herzustellen, der als Zwischenglied funktioniert zwischen den Behörden und der Gemeinschaft. Die Absicht ist also, den Vermittlern selbst Arbeitsmöglichkeiten in der Kommune oder ganz allgemein in den Institutionen zu bieten, die sich mit den Roma und Sinti befassen (Jugendgefängnisse und Gefängnisse im allgemeinen, Schulbusse, Sozialdienste usw.). Endziel ist es, neue Berufsfelder anzubieten, die nicht die Einzelperson ersetzen sollen, sondern die in einem ersten Moment die Eingriffe und die Benutzung der Sozialdienste von Seiten der Betroffenen erleichtern sollen. Im Laufe der folgenden Jahre haben verschiedene Vereinigungen und private Organisationen Kurse für die Ausbildung von kulturellen Vermittlern angeboten. Weniger häufig waren die Arbeitsmöglichkeiten für die berufliche Figur, die diese Ausbildung absolviert hatte.

Die Umgebung, die die besten Gelegenheiten bietet, ist die Schule.

Wir haben schon von der Roma-Lehrerin gesprochen, der für vier Jahre in Verona gearbeitet hat. Auch in Mantua und wahrscheinlich auch in anderen Städten innerhalb der Lager gibt es Vermittler, die der gleichen ethnischen Gruppe angehören, so wie in Reggio Emilia, Mailand und Lanciano die Präsidenten der Zigeunervereinigungen selbst Sinti oder Roma sind. 

Hier sind ein paar allgemeine Probleme festzuhalten:

  • im Hinblick auf die Gesellschaft der Gadje

„Tatsache ist, dass du nie so sein wirst wie wir,“ sagten einige Kollegen zu der Roma-Lehrerin in Verona und sie war nicht sicher, ob sie nicht vielleicht Recht hatten, gleichzeitig spürte sie aber auch den Druck, ihre eigene Umgebung zu verteidigen, ohne recht zu wissen, wie akzeptabel sie wirklich ist, ob sie verstanden werden kann, wie sehr sie dich gegenüber den Gadje unterstützt, ohne dich zu blamieren, ohne dich zu verleugnen....

  • im Hinblick auf die eigene Familie

Die Institutionen erwarten, dass der Vermittler sich leidenschaftslos allen gegenüber gleich verhält, aber der Vermittler ist Kind von dem... und der..., die ihrerseits verwandt sind mit.... oder in Feindschaft liegen mit... Hier ein Beispiel:

„An der Baracke kommen der eine oder der andere der zwei kulturellen Vermittler an, die die Kinder im Schulbus begleiten; sie bleiben draußen stehen und rufen die Kinder mit lauter Stimme - oder sie treten ein – je nachdem, welche familiären Beziehungen in dem Moment zwischen den Erwachsenen bestehe. Es sind zwei Jugendliche, die in dem gleichen Lager ansässig sind und für die Vereinigungen oder die Organisation arbeiten, die in dem Jahr die Ausschreibung für den Busdienst zur Schule gewonnen hat. Die zwei Vermittler haben laut Vertrag die Aufgabe, die Kinder zu Hause abzuholen, sie in den Bus steigen zu lassen, sie bis zum Eingang der Schule zu begleiten, sie nachmittags wieder abzuholen und in der Beziehung zwischen der Schule und dem Einzelnen zu vermitteln.“ (Saletti)

Das bedeutet, dass der Vermittler in einigen Fällen über ein hohes Ansehen verfügt, in anderen über gar keines, dass er im Rahmen seiner Vereinigung angeklagt werden wird, seine eigene Familie zu begünstigen (Trevisan), aber was für die Gadje ein Grund zur Schande wäre, ist für einen Roma eine Pflicht, und wer ihn heute anklagt, wird morgen das Gleiche tun.

  • Im Hinblick auf die Zigeunerumgebung

Der Vermittler unterliegt der sozialen Kontrolle seiner Umgebung, des Lagers, die jede seiner Tätigkeiten durch einen Schwur im Namen der Toten blockieren kann. In einer Stadt wurde der Schulbusdienst abgebrochen, weil der Sinto, der sich darum kümmern musste, von einem Schwur getroffen wurde; in einer anderen Stadt ist der Wechsel zwischen den Vermittlern, die im Schnitt etwa ein oder 1 1/2 Jahre im Dienst bleiben, auf den gleichen Grund zurückzuführen. 

Diese Menschen befinden sich zwischen zwei Feuern: Misstrauen in der Welt der Gadje, die dem Vermittler „mehr“ trauen, aber doch nicht ganz; Misstrauen in der Welt der Zigeuner, die immer kontrollieren möchte, wie viel aus der eigenen Welt hinausgetragen wird, wie viel von seiner Funktion der Vertretung und von seinem Auftrag er bereit ist in Frage zu stellen, wie viel von seinem Einkommen er bereit ist zu „waschen“ und in seiner Umgebung zu verteilen. Ein echter Roma ist der, der nicht versucht außerhalb der eigenen Familie zu kommandieren, oder der sogar kommandiert, indem er so tut, als kommandiere er nicht,[34] wie könnte man also im Namen der Gadje kommandieren?

Es gibt keine Beziehung zwischen dem Einzelnen und der sozialen Gruppe wie in der Welt der Nicht-Zigeuner, sondern eine Beziehung zwischen dem Einzelnen innerhalb seiner Familie und der sozialen Gruppe.

Der Vermittler ist nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern er vertritt auch seine Familie mit allen Verhaltensweisen, die jeder Einzelne in seiner Familie mitbringt. Mag sein, dass er sie nicht teilt, aber er wird vor anderen Personen niemals jemandem Vorwürfe machen, noch viel weniger vor einem Gadje. Das Treffen bleibt auf einer Grenzlinie stehen, wo die privilegierte Hälfte die der eigenen Umgebung ist, die ihrerseits immer bereit ist, die eigenen Mitglieder bei sich aufzunehmen.

Anders ist die Situation von denen, die sich bereits in einer natürlichen Position des Vermittlers befinden, weil sie in einer gemischten Ehe leben, und es ist kein Zufall, das sich in dieser Position diejenigen befinden, die mit großem Erfolg in den Zigeunervereinen mitarbeiten, insbesondere Roma, deren Frauen Gadje sind.

Schlussfolgerungen

Es wäre schön gewesen hier eine Reihe von erfolgreichen Situationen auflisten zu können, gut gelungene Projekte, die ein jeder entsprechend den Erfordernissen des eigenen Landes nachahmen könnte. Stattdessen haben wir in diesem Beitrag vor allem die Schwierigkeiten beleuchtet, haben wir versucht, die Fallstricke ausfindig zu machen, über die man nicht stolpern darf. Die wichtigsten Schlussfolgerungen, die wir ziehen können, sind die folgenden:

Wenn wir die Andersartigkeit kennen gelernt haben, dürfen wir sie nicht immer den Menschen, die wir treffen zuschieben. Sie darf nicht zu einem Käfig werden, indem die Roma und Sinti sich befinden, sodass sie wenn sie auf andere Art leben wollen, auf andere Art wohnen wollen, ihre Kinder auf eine nicht ethnisch gekennzeichnete Schule schicken wollen, dies nicht tun können, weil sie sich dann von dem Bild abwenden, dass die besten Forscher von ihnen erarbeitet haben.

Wenn man eine Gruppe von Romà kennen gelernt hat, Roma oder Sinti, darf man nicht allen die gleichen Eigenschaften zuschieben.. Die regionalen Gesetze haben in dem Wort „Nomade“ eine typische Eigenschaft der Kultur der Roma charakterisiert, einige behaupten, dass sie nicht zutrifft, dass einige keine Nomaden sind, andere behaupten, dass man die Sesshaften den Nomaden vorzieht, dass das Nomadentum tatsächlich unterdrückt wird: das eine wie das andere mag richtig sein, man kann nicht verallgemeinern. Es mag sein, dass in der Beobachtung gemeinsame Eigenschaften deutlich werden, doch muss dies „nachher“ geschehen, nicht a priori, sonst halte ich es für nicht korrekt.

Unsere Sozialpolitik geht von einer pyramidalen Struktur unserer Gesellschaft aus: jede Gruppe hat einen Vertreter, diese Vertreter haben dann einen Vertreter usw. Dann kommt man vom Gipfel wieder auf die Basis zurück. Bei den Roma ist das nicht so, vielleicht kann man die Schwierigkeit beim Zusammentreffen der beiden gesellschaftlichen Situationen gar nicht vermeiden – es ist ein Dialog zwischen einer Gemeinschaft, die auf der Konzentration der Macht beruht, und einer akephalischen, kopflosen Gemeinschaft, wie Piasere sie nennt [35] – aber man kann versuchen, die Unterschiede abzuschwächen, indem man versucht, kleine Lösungen auf lokaler Ebene zu finden, viele kleine Pyramiden, die sich auch von einem experimentellen Standpunkt aus als die besten Lösungen erwiesen haben. Der Blick auf das Ganze darf außerdem nicht zu einer Verallgemeinerung führen, sondern sollte die Möglichkeit bieten, aus der Erfahrung der einen zu lernen, um die anderen zu verstehen


Emblematische Wohnsituationen  

Die folgenden Wohnsituationen haben wir ausgewählt, weil sie sich nach der Art ihrer Ausstattung, der Assistenz, der Besucher, der Beratung der Personen, die sie besuchen, und nach ihrer Möglichkeit zur Selbstbestimmung unterscheiden und weil sie emblematisch für viele andere Situationen sind, die wir finden können.

Anlage 1

Die Lager in Turin und Strada Arrivore[36]

Durch das Büro für Ausländer und Nomaden werden seit 1983 regelmäßige Volkszählungen und Kontrollen in den offiziellen und den widerrechtlichen Halteplätzen durchgeführt. Die Stadtpolizei beschreibt auf vorgedruckten Formblättern das Stadtviertel, die Örtlichkeit und die Art der Halteplätze; sodann die Nationalität, die Art und die Zahl der Fahrzeuge, die Niederlassungen, die mutmaßliche Zahl der Personen und andere eventuelle Besonderheiten des Lagers (die ausgeübten Tätigkeiten, die hygienische Situation, die Situation, was die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit betrifft), „eventuelle Beschwerden der Bürger“ [37] und die Ausstattung (die sanitären Anlagen, Schule und Sozialfürsorge). Ezio Marcolungo, untersuchte in einer Erhebung, die er im April/Mai 1983 durchgeführt hat nicht nur die Örtlichkeit, wo die „Niederlassung“ sich befindet – wie er es definiert – sondern außerdem die Volkszugehörigkeit der Kernfamilie, die Zahl der einzelnen Personen, der Wohnwagen, der Baracken oder Zelte, das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der sanitären Anlagen, von Brunnen und die besuchten Schulen. Nicht selten wurden die Volkszählungen auch nach Altersgruppen durchgeführt, wobei neben der Zahl der Minderjährigen auch die Zahl der Kinder im schulpflichtigen Alter (von sechs bis 14 Jahre) angegeben wurde. 

Bei der Definition der registrierten Gruppen werden manchmal ethnische Kriterien zugrunde gelegt, manchmal die ausgeübten Tätigkeiten, andere Male die Religion, die Sprache oder das Datum der Einwanderung in Italien. Die Definitionen sind nicht immer klar und häufig erweisen sie sich als ungenau. 

Mit der Entscheidung des Kommunalrats von 1984 hat die Kommunalverwaltung die Einrichtung der Lagerplätze der Nomaden in den Gebieten am Stadtrand, fast immer auf kommunalem Grund und Boden: ehemalige Müllkippen, Grundstücke für die kaum ein Interesse der Bebauung besteht, Gelände, die zu Parks bestimmt sind (also nur vorübergehend als Lagerplätze nutzbar gelten). Für die Romà und Sinti haben die Orte in der Stadt, wo man verweilen darf und wo man nicht verweilen darf andere Kriterien als die angeblichen Kriterien der Bewohnbarkeit, die die kommunalen Behörden anlegen. Es gibt Orte, die verlassen werden, weil sich dort schwerwiegende Ereignisse abspielten, und/oder in den Lagerplätzen gibt es einfach Orte, an denen man seine Baracke besser nicht baut. Der Tod eines Menschen geht in vielen Fällen dem Abbau, Stück für Stück, und dem Verbrennen der Baracke, in dem dieser Mensch lebte, voraus. Danach werden sich die Familienangehörigen eine neue Behausung in einem anderen Teil des Lagers bauen, wenn sie nicht sogar das Lager oder auch die Stadt ganz verlassen.

In den folgenden Jahren 1984 und 1985 blieb die Gesamtzahl der Anwesenden in den Lagerplätzen im Stadtgebiet unter 900 Personen. In der Zwischenzeit begann die Stadtverwaltung damit, die betroffenen Personen in den hierfür ausgestatteten Lagerplätzen zusammen zu fassen.

Was die Regelung der Ausweise betrifft, so geht es vor allem um die Roma, mehr als um die Sinti, und die Hauptprobleme, um die sich das Büro für Ausländer und Nomaden kümmert, sind die Erlaubnis, im Lager zu verweilen und danach natürlich die Anmeldung und die Aufenthaltsgenehmigung. Mit der Zuweisung des Wohnsitzes im Bereich der Halteplätze verstärkt sich die formelle und politische Kontrolle durch die kommunalen Behörden gegenüber den Roma und Sinti, die sich im Stadtbereich aufhalten. Der Wohnsitz behindert die Bewegungen im Territorium, formalisiert also die physische Präsenz der Familie im Territorium, sie gibt Zugang zu Rechten (wenn nicht gar Privilegien und Pflichten): sanitäre, erzieherische (Erfüllung der Schulpflicht) und berufliche (Berufstätigkeit), usw.

In vielen Fällen ist das Interesse des Einzelnen am Wohnsitznachweis gebunden an die Möglichkeit, ein Auto als Besitz auf den eigenen Namen eintragen zu können (ansonsten wird das Auto nach Bezahlung auf einen vorbeikommenden Gadje eingetragen), und natürlich an die Erneuerung der Aufenthaltsgenehmigung. Viele Roma, die aus dem Balkangebiet kommen, scheinen mit offiziellen Einreisegenehmigungen ins Land gekommen zu sein. Die Mehrheit ist jedoch ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung und dies aufgrund der weitgesteckten Verfügungsgewalt, mit der die zuständige Polizeibehörde in jenen Jahren die Genehmigungen erteilte.

Mit der Eröffnung des letzten Halteplatzes 1988 gibt es vier ausgestattete Lager in der Kommune von Turin: Flughafen, Arrivore, Le Rose und Sangone. In der Stadt gibt es zudem zwei weitere Halteplätze für Sinti, Sinti-Karussellbetreiber und Karussellbetreiber (im Beruf oder in Pension), die nicht von der Kommune, sondern von zwei Gewerkschaften betreut werden.

Das „Nomadenlager“ auf der Straße von Arrivore entsteht aus einem als provisorisch geplanten Halteplatz auf einem Gelände von etwa 2500 Quadratmetern im Innern eines Gebietes von über 4000 Quadratmetern, dass zur öffentlichen Grünfläche bestimmt war. Doch nach und nach dehnt sich der Halteplatz langsam aus und wächst über seine Grenzen hinaus. Im Laufe der ersten Jahre übersiedeln die Familien Kanjaria in einen anderen Halteplatz, während die Familien der Xoraxané Romà immer zahlreicher werden. Im Lager treffen nach und nach immer mehr Familien ein (die zum Teil mit den ersten Familiengruppen verwandt sind, zum Teil aber auch nicht), die ihren eigenen Wohnsitz im Innern des Halteplatzes organisieren, deren Grenzen in sehr durchlässiger Art erweitert werden. Es handelt sich hierbei um Familiengruppen, die zuvor in anderen Halteplätzen (für die Verwaltung widerrechtliche Halteplätze) in der Stadt, am Stadtrand oder in anderen Städten ansässig waren. Die Betreuer der kommunalen Verwaltung, die mit der Koordinierung im Lager beschäftigt waren, erzählten, dass die Zahl der Anwesenden schnell zunahm und im Laufe von wenigen Jahren von 100 auf 200 anstieg. Wenn man die Archivunterlagen, die im Büro für Ausländer und Nomaden gesammelt worden sind, durchsieht, scheint es, dass zwar die Zahl der Anwesenden in den achtziger und neunziger Jahren wirklich kontinuierlich anstieg, dass man aber zugleich eine starke Mobilität im Hinblick auf die tatsächlich anwesenden Familien beobachten konnte. Viele Familien verließen das Lager und zogen weiter, einige blieben für mehrere Monate oder einige Jahre. 1985 ist die Mehrzahl der Familien, die auf dem Halteplatz Arrivore leben, seit wenigstens zehn Jahren in Italien anwesend; sicherlich ist die Ankunft von Familiengruppen von Flüchtlingen für den großen Anstieg der Zahl der Einzelpersonen mitverantwortlich, die dort ab Anfang 1992 ansässig sind. Innerhalb des Lagers bewahren sie ihre Identität, die sie deutlich von den anderen unterscheidet. Sie wohnen anders, haben eine andere Religion, eine andere Sprache, sie kleiden sich anders und sie verhalten sich anders gegenüber der Schulpflicht der Kinder, obwohl sie aus den gleichen Ländern kommen. Sie werden „kaloperi“ genannt und gelten als arme Bauern. Im Augenblick, als die Untersuchung durchgeführt wird, befinden sich nach Auskunft des Büros für Ausländer und Nomaden etwa dreihundertzwanzig Einzelpersonen, bzw. dreiundsiebzig Familien im Lager ansässig. Im Lager findet man Bosnier, Serben, Rumänen und Gadje.

Der physische Raum des „Nomadenlagers“ definiert die Familienidentität und er wird von ihr definiert. In dem „Nomadenlager“, in dem die Untersuchung durchgeführt wurde, haben wir es mit den Xoraxané Romà zu tun, die bosnische Staatsangehörigkeit haben, es sind „Ergasi, Argati, Rundasi, Kaloperi“, zum größten Teil nicht praktizierende Moslems. Vom Standpunkt der Institutionen aus definiert das „Nomadenlager“ stattdessen einen Ort, der weder eine ethnische, noch eine kulturelle, sondern eine politische Identität definiert, den „Nomaden“, den „Nicht-Staatsbürger“ und ganz bestimmt den Zigeuner.

Der Halteplatz entsteht als ein sozialer Raum, der aufgezwungen wird (das widerrechtliche Verweilen ist verboten) und den Zugang zu gewissen Rechten bietet (das Halten im Lager bietet die Möglichkeit, einen Wohnsitz zu haben, also Ausweise und die Aufenthaltsgenehmigung); er wird zu einem Raum der Gemeinschaft (wo man sich um wirtschaftliche Kontakte mit der Gesellschaft der Gadje bemüht); er ist der ideale Halteplatz, denn er reguliert den sozialen Fluss in seinem Innern. Andere Kriterien, die familiären und die kulturellen, werden die Sozialstrukturen am Halteplatz selbst definieren, sowohl was die Zahl der Anwesenden betrifft (aber vor allem, indem bestimmt wird, welche Personen im Lager sind, denn einige Familiengruppen werden ausgeschlossen), wie auch in der räumlichen Anordnung der Wohnsitze. Die Verwandtschaftsverhältnisse verlangen nämlich eine genaue räumliche Verteilung der Baracken im Lager (so sammeln sich jeweils die verschiedenen erweiterten familiären Gruppen in getrennten Wohngruppen) und einigen ist es wegen der Spannungen zwischen den Familien unmöglich, sich im Lager aufzuhalten. Vor allem in diesen Fällen haben wir es dann mit Nomadentum zu tun, wobei sich eine Familie von dem einem zu einem anderen Haltplatz begibt, möglicherweise auf Zeit auch in eine andere Stadt oder in widerrechtliche Lager reist und gelegentlich auf dem ursprünglichen Haltplatz wieder auftaucht. Das Lager bekommt so in seinem Innern eine Organisation, die keinerlei institutionellem Projekt gegenüber verantwortlich ist und keiner Kontrolle von außen unterliegt.

Anlage 2

Verona – Strada La Rizza [38]

In den frühen sechziger Jahren lebt hier neben den Sinti, den Roma aus den Abruzzen und einzelnen Gruppen Khorakhané eine Gruppe von slowenischen Roma, die in der Nachkriegszeit die italienische Staatsangehörigkeit erworben hatten. Nach einigen Erfahrungen mit den kommunalen Lagern, wo alle Gruppe nebeneinander lebten, tolerierte man, mit ein paar Unterbrechungen durch Räumungsbescheide, das spontane Verweilen der Roma und Sinti mit italienischer Staatsangehörigkeit. Als 1984 in Venetien das regionale Gesetz verabschiedet wurde, baten die slowenischen Roma die Kommune, sie möge jeder familiären Gruppe ein Gebiet zuweisen, dass die Funktion und die offizielle Position einer Sozialwohnung habe. Nach langen Verhandlungen wurde das Gebiet von Strada La Rizza entsprechend ausgestattet und in acht Plätze unterteilt, 4 und 4, jeweils einander gegenüberliegend mit einer Sackgasse in der Mitte (dies, der einzige Ausgang in Trichterform, hat sich als ein großer Fehler herausgestellt), und jeder Platz wurde einer Familie zugewiesen. Der Ausgangspunkt lag darin, die Plätze so auszustatten, dass sie die Modalität des spontanen Verweilens widerspiegelten.

Nach einigen Jahren von „intensiver Assistenz“ – die schon in dem vorhergehenden nicht ausgestatteten Halteplatz begonnen hatte - , Kurse zur Alphabetisierung der Erwachsenen, nachschulische Aktivitäten im Innern des Lagers, das Anstellen von Roma für die Reinigung der Schulen, finanzielle Hilfe, wurden diese Familien nach einem Wechsel in der Verwaltung vergessen. Jede führte ihr eigenes Leben, und bestimmte alles selbst: das Einschreiben der Kinder in der Schule, selbständige oder abhängige oder gar keine Arbeit, man pflanzte Bäume und baute Baracken oder Fertighäuser und verteidigte die  eigene Autonomie gegen jene Behörden, die aus diesem Gelände ein Nomadenlager machen wollten, oder besser „das Nomadenlager von Verona“. Sie wollten von der Annahme ausgehen, den Geboten des regionalen Gesetzes schon nachgekommen zu sein und keine weiteren Pflichten zu haben, zum Beispiel der Gruppe der Sinti gegenüber. Das Vergessen der Menschen war total, größer als das der Gadje im gleichen Viertel: die Betreuer, die für das Gebiet zuständig waren, setzten keinen Fuß in das Lager und keiner wusste, ob auf diesen Plätzen Kinder lebten, die nicht der Schulpflicht nachkamen, oder Alte, die Hilfe brauchten.

Im Augenblick gibt es eine fortschrittliche Verwaltung, die an den Schutz und nicht an die Selbstbestimmung glaubt, die Gruppen von Slowenen auf den ausgestatteten Plätzen unterstützt (Roma, die aus anderen Städten kommen, Verwandte von jenen, die an den Plätzen leben und die zuvor periodisch entfernt wurden), Bosnier und Rumänen, die sie nicht unterbringen konnte. Nebeneinander finden sich hier Gruppen, die Hilfe in Anspruch nehmen und unabhängige Gruppen, Leute, die alles, was sie verbrauchen, bezahlen: Gas, Licht und Wasser, und Leute, die nichts bezahlen, nicht weil ihr Einkommen berücksichtigt wird, sondern aus Gründen der Zugehörigkeit. Es scheint eine Situation, die das Experiment zum Scheitern bringen wird, aber im Augenblick ist noch alles in der Entwicklung….

Anlage 3

Trient [39]

Der Halteplatz wurde im Dezember 1992 eingerichtet. Er hat etwas über 4000 Quadratmeter und umfasst 25 Stellplätze. Jeder Stellplatz war für einen Wohnwagen geplant, aber da sehr viel mehr Wohnwagen da sind, gibt es nun wirklich wenig freie Fläche. Die Wohnwagen sind im Kreis aufgestellt und dazwischen, liegt eine Grünfläche als Verkehrsinsel. In der Nähe vom Eingang findet sich ein Gebäude aus Mauerwerk, in dem der Kindergarten, die nachmittägliche Betreuung der Schüler und die Büros der Betreuer untergebracht sind. Auf der anderen Seite liegen die verschiedenen sanitären Anlagen.

Die Mehrzahl der Familien sind Sinti aus der Lombardei, Gackane und Estrajxarja, die schon seit mehreren Jahrzehnten in Trient sind und vorher in nicht eingerichteten Lagern lebten. Den hier Ansässigen war es nicht möglich, zu wählen wo und in der Nähe von wem sie ihre „kampina“ aufbauen wollten, aber die Sinti haben sich untereinander arrangiert und die Stellplätze miteinander getauscht. Bemerkenswert in diesem Lager ist die Zahl der Personen, die an den öffentlichen oder privaten Sozialdienst gebunden und hier tätig sind: zwei Kooperativen der sozialen Solidarität, vier Vertreter der Kommune Trient, die Pfarrei und zwei Vertreter des Schulamtes. Das Lager wird von einer Kooperative verwaltet und die Betreuer wechseln sich ab, um einen Dienst von 11 Stunden täglich zu garantieren. Auch die Person, die für die Ordnung und Sauberkeit der Stellplätze zuständig ist, ist von der Kooperative angestellt.

Ein Sinto Estrajxari sorgt für den Kontakt mit den Behörden und nimmt Teil am Kommunalrat, der sich mit dem Provinzgesetz 15/85 zum Schutz der Zigeuner beschäftigt. Nicht alle erkennen ihn in seiner Funktion als Vertreter an, ohne ihn jedoch deswegen ersetzen zu wollen. 

Die Arbeit der Betreuer betrifft in erster Linie bürokratische Probleme: das Bezahlen der Rechnungen, die Verlängerung der Genehmigungen, das Einschreiben in der Schule… Sie werden bei jedem Problem und wann immer nötig um Hilfe gebeten.

Anlage 4

Pisa [40]

In Pisa im Ortsteil Tortellini bildete sich Mitte der achtziger Jahre spontan ein Lager von bemerkenswerten Dimensionen, in dem sich Mazedonier, Serben, Bosnier und Kroaten niederließen. Es befand sich in einer chronisch widerrechtlichen Situation und kleinere Gruppen sonderten sich immer wieder von dem großen Kern ab, um andere Plätze zu suchen. 1991 bestimmte eine Entscheidung des Bürgermeisters die endgültige Räumung des Lagers. Einige Romà schlossen sich den Gruppen von Verwandten in Modena, Foggia und Florenz an, andere verteilten sich auf kleine isolierte Gruppen. Die Attentate im Jahr 1995 mit den Papierbomben, die einmal in einem Märchenbuch versteckt waren, und einmal in einer Puppe, die ein Passant an einer Ampel verschenkte, gehörten zu den Gründen, die die Romà dazu veranlassten, an ihre Verteidigung zu denken und sich erneut in einem großen, provisorischen Lager zuerst in Coltano und dann in Tobolo zusammenzuschließen, Orte, in denen Wohnungen entstanden waren,.

Derzeit sucht die Verwaltung in Pisa nach Lösungen, die keine erzwungene Entfernung beinhalten und hört die Erwartungen der Betroffenen an, wobei zwischen den sesshaften und den reisenden Gruppen unterschieden wird, man die Verwandtschaftsbeziehungen und die Kenntnisse der privaten und öffentlichen sozialen Dienste berücksichtigt.

Diese Romà praktizierten in Kosovo, Mazedonien und Bosnien kein Nomadentum. Die Mazedonier zum Beispiel, kommen aus dem dicht bevölkerten Viertel Shuto Orizari in Skopje, einer Niederlassung mit politischer, administrativer und assoziativer Autonomie, durch die sie eher den Randgebieten der großen Städte in der islamischen Welt ähnelte, als einem Nomadenlager. Die unterschiedliche Wohnweise entsteht aus der Notwendigkeit, den Ort zu verlassen und ist durch die Umstände bedingt.

Mögliche Lösungen für die Wohnsituation, die die Kommune Pisa vorsieht, umfassen neben den Lagern auch die Erneuerung von verlassenen Gebäuden und Häusern, um die unterschiedlichen Erwartungen der Betroffenen zufrieden zu stellen. Ein Problem, dass allen gemein ist, ist die Aufenthaltsgenehmigung, darum muss es unsere vorrangige Sorge sein, ihnen juristischen Schutz zu bieten.   


Die zitierten Werke

Abitazionein “Rom e sinti unßintegrazione possibile”, 2.Bericht über die Integration der Einwanderer in Italien.Ausschuss zur Integration der Einwanderer.

Barontini Michele „I campi nomadi a Pisa“ in L’urbanistica del disprezzo, hrsg. von Piero Brunello, Manifestolibri 1996, Rom

Gomes Ana, “Etnografia scolastica tra Sinti a Bologna: una descrizione preliminare” in Italia Romani, Bd. 1 hrsg. von L.Piasere, CISU 1996 Rom

Gomes Ana, Beitrag zum 1.Teil des Projekts “Luna Park” in Verona 1997, Schulamt

„Le città sottili“, Projekt der Stadt Pisa, Nov. 2002

Piasere Leonardo, “Povertà e ricchezza” in Kongressakten UNPRES, Bologna 1990

Piasere Leonardo, “Autorità e potere” in Kongressakten UNPRES, Giulianova 1994

Piasere Leonardo, Un mondo di mondi”. Antropologia delle culture rom”, Ancora editore, Neapel 1999

Projekt der kulturellen Mediation erarbeitet von Piasere/Scaramuzzetti fèr die Grundschule Lenotti in Verona. Lehrerin: Pamela Hudorovich.

Saletti Carlotta, Bambini del „campo nomadi“, Rom, CISU, in Vorbereitung

Scaramuzzetti Giuseppina, “Germania 1992, rimpatriati gli zingari rumeni”, in “Servizio Migranti”, Zeitschrift der Stiftung Migrantes, Rom 1993

Scaramuzzetti Giuseppina, “Normale come me” in “Autogestione Politica Prima”, periodiche Veròffentlichung der Aktion Mag, Verona 2001/4

Scaramuzzetti Giuseppina, “Abitare” in “Servizio Migranti”, Zeitschrift der Stiftung Migrantes, Rom 2002

Sigona Nando, “Figli del ghetto” , Nonluoghi libere edizioni, Civezzano (TN) 2002.

Todesco Daniele, “Zingari e territorio: le politiche dei Comuni nel veronese”, Diplomarbeit der Höheren Schule für den Sozialdienst, Verona 1986.

Tomasi Piergiorgio, “La vita in un campo nomadi regolamentato: il caso di Trento”, in “Italia Romani”, 2.Bd. hrsg. von L.Piasere, CISU, Rom 1999.

Trevisan Paola, “Sinti in Emilia”, Bericht für das Projekt „The education of the gipsy childhood in Europe”.Institut für Sozialwesen der Universität Florenz, 2002

Verschiedene Autoren, ROM, Einzelnummer, Stiftung Migrantes, November 1989, S. 39-42.



[1] Ich habe versucht, das Wort “Zigeuner“ zu verwenden, auch wenn das nicht meine Gewohnheit ist und obwohl ich weiß, dass es von den Betroffenen verabscheut wird, um es nicht mit dem Autonym „Roma“ zu verwechseln, dem Namen, mit dem eine Gruppe sich selbst bezeichnet, und weil ich nicht weiß, ob die Teilnehmer dieses Kongresses bereit sind, den Gebrauch, den die Europäische Gemeinschaft von dem Begriff macht, indem sie ihn auf alle Zigeunergruppen ausdehnt, zu akzeptieren. In Italien bezeichnen die Namen „Roma“ und „Sinti“ praktisch alle Zigeuner, die im Gebiet anwesend sind. In anderen Momenten werde ich das Wort „Roma“ in einer anderen Bedeutung verwenden.

 [2] Schon angesichts der ersten Empfehlungen der Europäischen Gemeinschaft und der Resolution der Konferenz der lokalen und regionalen Behörden 1981 in Italien, schließt Todesco: „Das Eingeständnis und die Übernahme der Verantwortung ist schon der erste Schritt, um aus jahrhundertealten abgesteckten Wegen auszubrechen, die aus Ablehnung von Verantwortung und Anklagen und von modernen Lösungen, die sich alles einverleiben, bestand.“ (1986:25) 

 [3] Dies muss berücksichtigt werden, wenn Sigona auf S.108 sagt: Ein heute besonders interessanter Aspekt besteht in der Beziehung zwischen einer Politik, die sich ganz auf die Zivilisierung der Zigeuner konzentriert und darauf, die Lücke zu der modernen Industriegesellschaft zu schließen, und die daher den Sozialdiensten, den Organen der freiwilligen Helfer und der Assistenz eine extrem wichtige Funktion überträgt, und einer Situation, in der die Abhängigkeit und das Abschieben von Verantwortung bei den Roma so verbreitet ist.“

[4] Es handelt sich dabei um Gemeinschaften oder Einzelpersonen: Geistliche, Ordensleute und Laien, die zur UNPReS gehören, der Abteilung der Stiftung Migrantes, die die Gegenwart der Kirche in Italien inmitten der Roma und Sinti darstellen will

[5] Ich möchte hier einen stellvertretend für alle nennen, Leonardo Piasere, Dozent für kulturelle Anthropologie an der Universität Florenz, sowie die Forscher seiner Gruppe, die mir gestattet haben, ihr Projekt Opreroma einzusehen.The education of the gipsy childhood in Europe.Institut für Sozialstudien, Universität Florenz, 2002

[6] Fragebogen des Päpstlichen Rats ausgefüllt von den einzelnen Nationaldirektoren im Jahr 2001
[7] Scamuzzetti: Normale come me in: „Autogestione Politica Prima“, periodische Veröffentlichung der Aktion Mag, Verona 2001/4
[8] Gadje: Nicht-Zigeuner
[9] Das Wort wird hier als Stammesname verwendet (eine Menschengruppe, die in einer bestimmten Weise charakterisiert ist) und zugleich als Heteronom (Bezeichnung für eine Menschengruppe, die sich von uns unterscheidet)
[10] Plakate mit dem Vorschlag, die Zigeuner durch einen Volksentscheid aus Verona zu entfernen
[11] vergl. Opre roma
[12] Ana Gomes, Beitrag zum ersten Teil des Projekts „Luna Park“, 1997 Verona, Schulamt
[13] Paola Trevisan, das oben zitierte Projekt, Sinti in Emilia: 2.Teil
[14] Die Sinti sagen von einem Gebiet: das ist ein Sinti-Platz, um auszudrücken, dass in der Gegend schon immer Sinti waren und dass sie dort gut behandelt wurden; in dem gleichen Sinne sagen die slowenischen Roma „maare mistacia“, unsere Plätzchen
[15] Beispiel Verona (It.) – Um eine zumindest minimal anständige Lösung für eine Gruppe von rumänischen Roma zu finden (250: sehr viele für die Stadt) hat man die bis dahin verfolgte politische Richtung nicht weiter berücksichtigt: kleine homogene Gruppen, die man in Teilen der Stadt ansiedelt, die ihnen vertraut sind, und die ihre Beziehungen zu den Institutionen nach dem Prinzip der Selbstbestimmung gestalten. Die rumänischen Roma sind stattdessen in einem „Gebiet der Sinti“ angesiedelt worden, in dem schon eine sehr viel weniger zahlreiche Sinti-Gruppe lebte. Sie sind vollständig einem religiösen Institut anvertraut, dass mit der Verwaltung zusammenarbeitet. Für eine kleine „überzählige“ Gruppe, wurde eine Lösung gefunden, die sich auf die Wohnsituation einiger weniger slowenischer Roma-Familien stützt, die seit 13 Jahren auf diese Art organisiert sind. Die genannten Gründe sind: 1. Es handelt sich um einen Notfall, 2. Die Roma müssen untereinander gastfreundlich sein.
[16] Siehe Scaramuzzetti in Germania 1992, rimpatriati gli zingari rumeni, Rom 1993, “Servizio Migranti”, S. 115. Die Angriffe auf die Asylantenheime, vor allem auf die der Zigeuner in Rostock als Auftakt zu Akten des Rassismus und des Vandalismus, haben sich auf andere Regionen ausgedehnt; eine Bombe in Oberwart tötete 1995 vier Roma, im gleichen Jahr wurde in Pisa (Italien) einem Roma-Kind eine Puppe geschenkt, in der eine Papierbombe steckte.
[17] Das Buch von Sigona nimmt diese Tatsache zum Ausgangspunkt.
[18] Siehe ROM, Einzelausgabe, Stiftung Migrantes, November 1989, S.39-42
[19] In einigen Fällen, wie zum Beispiel in Turin, kamen die Regelungen der Halteplätze dem Regionalgesetz zuvor.
[20] Das ist 1997 in Rom und in Palermo passiert, ohne dass es tatsächlich durchgesetzt wurde. Wirklichkeit dagegen ist der Wächter, der allen den Zugang verweigert, die keine Erlaubnis haben, seien sie nun Roma oder Gadje (Cagliari z.B.)
[21] Scaramuzzetti in: Servizio Migrantes, Zeitschrift der Stiftung Migrantes, Rom 2002
[22] Rom, s.o.
[23] Rom, s.o.
[24] Abitazione, in “Rom e sinti un integrazione possibile”, 2.Bericht über die Integration der Einwanderer in Italien. – Ausschuss für die Integration der Einwanderer.
[25] Dies hat in einer Gruppe von politisch sehr aktiven Bürgern die Überzeugung hervorgerufen, dass diese Personen vom Staat eine tägliche Summe zu ihrer Unterstützung beziehen (gleichwertig mit der Summe, die den Institutionen bereit gestellt werden, die sich um sie kümmern); sie haben diese Nachricht überall verbreitet; sie haben vorgedruckte Postkarten verteilt, die nur noch unterschrieben und dann an den Präsidenten der Republik geschickt werden mussten: „Ich möchte auch ein Zigeuner Roma werden, um 35.000 Lire täglich zu erhalten.“
[26] Brunello vergleicht diese Situation mit der Einrichtung der Ghettos in den italienischen Städten im 16.Jahrhundert. 1996:17.
[27] Zitiert in dem Bericht von Paola Trevisan, Projekt Opreroma, S. 56
[28] Saletti, Trevisan, s. die oben zitierten Arbeiten
[29] Saletti, s.o.
[30] Progetto di mediazione culturale, hrsg. von Piasere und Scaramuzzetti für die Grundschule Lenotti aus Verona. Lehrerin: Pamela Hudorovich
[31] Piasere Scaramuzzetti, das oben zitierte Projekt
[32] Dort, wo die Kinder eines Lagers nicht eine einzige Schule besuchen, wie dies in den kleineren Städten üblich ist.
[33] Aus dem Protokoll eines Seminars der „Arbeitsgruppe „Nomaden“ vom 2.3.84. Turin.
[34] Piasere „Povertà e richezza“ in Kongressakten UNPRES, Bologna 1990.
[35] Piasere “Dialogo fra comunità a potere centralizzato e comunità tipo acefalo” in Kongressakten UNPReS, Giulianova 1994.
[36] Dieser Beitrag stammt aus dem oben zitierten Werk von Carlotta Saletti.
[37] Volkszählung vom 3.Mai 1883, durchgeführt im Stadtviertel 16 von der städtischen Polizei
[38] Beitrag der Referentin
[39] Mitteilungen von Piergiorgio Tomasi La vita in un campo nomadi regolamentato: il caso di Trento“ in Italia Romani Bd.2 hrsg. Von l.Piasere, CISU 1999 Rom.
[40] Die Informationen stammen von: Michele Barontini I campi nomadi a Pisa” in L’urbanistica del disprezzo hrsg. von Piero Brunello, Manifestolibri 1996 Roma und aus Le città sottili“, Projekt der Stadt Pisa, Nov. 2002.
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