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 Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen Unterwegs

V. Weltkongress der Seelsorge für Zigeuner

Budapest, Ungarn, 30. Juni – 7. Juli 2003

Der Schutz der Rechte der Zigeuner in ihrem Nomadentum und im Rahmen der Integrationsprozesse[1] 

Rev. P. Antonio Perotti, CS

Direktor des Historischen Scalabrinianischen Instituts

Italien

Vorbemerkungen

Die Grenzen des Referates

Da das Thema sehr umfassend ist, werde ich mich trotz der weltumspannenden Dimension dieses Kongresses darauf beschränken, das Problem in dem juristischen Rahmen und vor dem sozial-politischen Hintergrund des europäischen Kontinents zu behandeln.Schon dies bedeutet ein ausreichend umfassendes und kompliziertes Unterfangen, um es hier korrekt darzustellen, wenn auch nur in einer Synthese. Ich werde darum darauf verzichten, eine vergleichende Darstellung Land für Land zu beginnen, da dies beinhalten würde, so unterschiedliche Situationen hier zu berücksichtigen wie sie zum Beispiel den jeweiligen nationalen Hintergrund in Westeuropa und in den Ländern Mittel- und Osteuropas charakterisieren. Es handelt sich um Situationen, die tief von der politischen Geschichte des Kontinents in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts geprägt sind. Sie haben die Integrationsprozesse und die Prozesse der freiwilligen oder erzwungenen Sesshaftwerdung, den persönlichen Status im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit, die Anerkennung des Statuts einer nationalen Minderheit für die Zigeunergemeinschaft in gleicher Weise beeinflusst und unterschiedlich geprägt, wie die der anderen offiziell anerkannten sprachlichen und kulturellen Minderheiten, sie bestimmten die Bevorzugung eines ethnischen anstelle eines wirtschaftlich-sozialen Ansatzes gegenüber den Zigeunern, das Bestehen oder Nicht-Bestehen von beratenden Organen und Vertretungen, ihren Sozialstatus usw.

Ich werde auf diese Unterschiedlichkeiten nur dort kurz eingehen, wo sie im Einzelnen Situationen betreffen, die mit dem Prozess der politisch-juristischen Vereinigung Europas, der gegenwärtig im Gang ist (von der Charta von Nizza aus dem Jahr 2000 bis zum derzeit diskutierten Projekt einer neuen europäischen verfassungsgebenden Versammlung), zu tun haben, bis hin zu der bevorstehenden Ausdehnung der Europäischen Union auf einige osteuropäische Länder und zu dem Phänomen der Wiederaufnahme des Nomadentums bei den Zigeunern in den Gebieten Osteuropas im Zusammenhang mit der jetzigen Migration in die Länder der Union und bis zum Phänomen der Asylbewerber und dem Schutz der humanitären Aufnahme, die in letzter Zeit die Zigeunergemeinschaften des Balkangebiets als Folge der ethnisch-religiösen Konflikte in diesem Gebiet betroffen hat.

Mein Beitrag wird sich ausschließlich mit den Schutzmaßnahmen beschäftigen, die von den jüngsten Bestimmungen der internationalen europäischen Organismen der Zusammenarbeit zwischen den Regierungen, der Gemeinschaft, der Legislative und den Organismen für Koordination, also vom Europarat, der Europäischen Union, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), Organisationen, die insgesamt betrachtet die Totalität der bestehenden Situationen innerhalb des alten Kontinents abdecken.

Alle diese internationalen Einrichtungen haben durch ihre internen Instanzen, wie zum Beispiel durch den Ministerrat, die Parlamentsversammlung, die ständige Konferenz der kommunalen und regionalen Gewalten, die Abteilung für Migration und die Roma-Zigeuner und die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (EKRI) des Europarats, durch das europäische Parlament und das europäische Observatorium für rassistische und fremdenfeindliche Phänomene der Europäischen Union und schließlich durch das Büro des Hochkommissars für die nationalen Minderheiten und das Büro für die demokratischen Einrichtungen und die Menschenrechte (BIDDH) der KSZE, - sie alle haben umfassendes Studienmaterial und Vorschläge zur Regelung dieser Probleme erarbeitet. 

Diese Institutionen und Instanzen haben sich nicht darauf beschränkt die allgemein anerkannten Prinzipien der internationalen Abkommen zu bestätigen, so vor allem das Europäische Abkommen des Europarats über die grundlegenden Rechte und Freiheiten, das inzwischen von der Gesamtheit der europäischen Länder unterzeichnet wurde.

Die Informationen und die Unterlagen zur bestehenden Situation, die in den einzelnen Ländern von den Zigeunergemeinschaften gesammelt wurden, sei es ganz allgemein, sei es konkret zu den neuralgischen Punkten wie zum Beispiel den persönlichen Status, das Recht auf Unterkunft, auf Gesundheit, Arbeit und auf eine Berufsausbildung, auf Schulbesuch und freien Zugang zu den öffentlichen Diensten sowie das Recht auf die Nicht-Diskriminierung, diese Unterlagen haben den Institutionen nämlich die Möglichkeit gegeben, Empfehlungen auszusprechen, die den Rechtsschutz in einen sehr präzisen Kontext stellen können. So kann ich zum Beispiel ein Werk zitieren, dass 1985 von Jean-Pierre Liégeois in Zusammenarbeit mit mehr als 40 europäischen Fachleuten, zu denen auch Vertreter der Zigeuner gehörten, veröffentlicht und 1994 von ihm auf den letzten Stand gebracht wurde.Der Europarat förderte dieses Werk und sorgte für seine Verbreitung.[2] Ich zitiere aus dem zusammenfassenden Bericht über den Schulbesuch, der 1986 vom Europarat in Auftrag gegeben und von ihm in fünf Sprachen verbreitet wurde. Dieser Bericht stellt eine globale Analyse der Schulsituation, ihren Gesamtzusammenhang und ihre verschiedenen Aspekten dar und fasst darüber hinaus die bestehenden Studienmöglichkeiten zusammen und legt die Ergebnisse einer breit angelegten Befragung von Familien, Zigeunerorganisationen und Lehrern vor, sowie die in diesem Bereich erzielten Ergebnisse.[3] Diese Untersuchung hat später als Grundlage für die Resolution gedient, die der Europarat und die Minister für das Erziehungswesen zu dem Thema „Der Schulbesuch der Zigeunerkinder und der Kinder der Reisenden“ verabschiedet hat.Jean-Pierre Liégeois bezeichnete diese Resolution als von „historischer Bedeutung“.

Tatsächlich beobachten wir in den letzten zehn Jahre eine immer größer werdende Teilnahme von Seiten der verschiedenen repräsentativen internationalen und nationalen Vereinigungen der Zigeuner bei der Sammlung von Informationen zur Situation des juristischen Schutzes und bei der Ausarbeitung von Vorschlägen angesichts von neuen Maßnahmen, die dem Schutz ihrer Rechte dienen sollen.

Zwei Versammlungen der beratenden nationalen Organe zwischen den Roma/Zigeunern und den Regierungen, die auf Anregung des Europarats zustande kamen und hier in Budapest im November 1996 und in Helsinki im November 1997 stattfanden, haben mit die Situationen und Vorschläge im Hinblick auf die Teilnahme dieser Gemeinschaften bei der Verstärkung ihres Schutzes besonders deutlich werden lassen.[4]

Der Gesamtzusammenhang der Rechte, die es zu schützen gilt, zwingt mich jedoch dazu, meinen Beitrag auf die wichtigsten und problematischsten Bereiche, in denen dieser Schutz am dringlichsten ist, zu beschränken. Vor dem Hintergrund der ganzen Vielfalt der Rechte der Zigeuner werde ich mich auf die folgenden konzentrieren: das Recht, die eigene Lebensweise zu wählen, das Recht auf einen garantierten persönlichen Status, der das Recht auf eine Nationalität/die Bürgerrechte mit einschließt, das Recht auf den Zugang zu einer Unterkunft, das Recht auf freie Beweglichkeit, das Recht auf den Zugang zu den Strukturen des öffentlichen Gesundheits-dienstes,das Recht auf Unterricht, das Recht auf die Erstellung der Normen, die sie selbst betreffen.

Rahmen der Darlegungen

Nachdem ich also die Grenzen meines Beitrags definiert habe, möchte ich am Ende dieser Einleitung an den besonderen Ansatz anknüpfen, der diesen internationalen Kongress inspiriert, den Ansatz, den ich von Anfang an als Rahmen für meine Darlegungen benutzen möchte.

Die verantwortlichen Organisatoren dieses Kongresses haben das Thema des Binoms Kirche und Zigeuner aus dem Blickwinkel der Spiritualität der Gemeinschaft in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt.

Die Gemeinschaft bedeutet ganz wesentlich den Respekt der Menschenrechte, den Respekt also vor dem Recht des Menschen, Mensch zu sein, die Anerkennung seiner Würde und seiner Sozialität und zwar auf der Grundlage der Gleichheit.

Ich habe von Würde und Sozialität gesprochen: weil sich auf diese zwei entscheidenden Attribute die Menschenrechte, aber auch ihre Grenzen gründen: Rechte und Grenzen die auch einen korrekten Begriff von den Integrationsprozessen beschreiben. Die Grundrechte und die grundlegenden Freiheiten verstehen wir nämlich als Ausdruck einer Vision der Menschheit, die dem Individuum die wesentlichsten Werte zuspricht. Ihre fundamentalen Grenzen sind ihrerseits Ausdruck einer Vision der Menschheit, die die wesentlichsten Werte den Gemeinschaften zuspricht (die möglicherweise wiederum innerhalb größerer politischer Gemeinschaften bestehen), Werte, die geschützt werden müssen. Diese gemeinschaftsorientierte Vision der Menschheit kommt aus der Erkenntnis, dass die soziale Natur der Menschen das Gegengewicht darstellt zu der atomistischen Vision des Individuums, wie es sich in unserem Konzept der grundlegenden Rechte und Freiheiten widerspiegelt.Wie auch der Fachmann für internationales Recht, J.H.H. Weiler [5] feststellt, gibt es natürlich viele Versionen nicht-religiösen und humanistischen Ursprungs dieser beiden Visionen.Für den Christen finden die erste ebenso wie die zweite Vision einen kraftvollen biblischen Ausdruck in der Genesis. Die Würde: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn.“ (Genesis 1, 27) Die Sozialität: „Dann sprach Gott, der Herr: es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt.“ (Genesis 2,18) Die persönliche Identität ist nicht nur ein individuelles Gut, sondern auch ein soziales (kollektives). Niemand kann alleine zu seiner Identität finden: dies ist ein Prozess, der eine interaktive Dimension voraussetzt, oder besser, eine intersubjektive.

Die Gleichzeitigkeit zwischen diesen beiden Dimensionen ist fundamental, auch um die Integrationsprozesse zu definieren. Was die Nomadengemeinschaften betrifft, so geht es um eine korrekte Selbstwahrnehmung auf Seiten der Zigeuner, auf der anderen Seite geht es um eine korrekte Wahrnehmung der Zigeuner von Seiten der Mehrheitsgesellschaft. Die einen wie die anderen müssen sich klar darüber werden, dass gleichzeitig beide Dimensionen vorhanden sein müssen.

Ich habe diesen Ansatz betont, um zu vermeiden, dass das Thema des Schutzes der Rechte eines Einzelnen losgelöst betrachtet wird von den Verpflichtungen, die ihm von seiner natürlichen Sozialität auferlegt sind.

Drei Notwendigkeiten für die Verteidigung der Rechte: Gesamtzusammenhang, kulturelle Vermittlung, ethisches Engagement

In diesem Sinn möchte ich das Thema des Schutzes der Grundrechte entwickeln und dabei nachdrücklich unterstreichen, dass es keinen Schutz ohne eine Beziehung auf den Gesamtzusammenhang geben kann und keine Beziehung auf den Gesamtzusammenhang ohne das Bewusstsein, dass der Schutz in den Beziehungen zwischen der Mehrheitsgesellschaft und der Zigeunergemeinschaft immer einen Eingriff in unsere kulturellen Vorstellungen voraussetzt und ethische Implikationen mit sich bringt. Diese beschränken sich nämlich nicht darauf, den Unterschied zu respektieren, während dieser an die Ungleichheit gebunden bleibt, sondern muss dazu tendieren, diese Ungleichheit durch Information und durch soziales und politisches Handeln aufzuheben.

Die Spiritualität der Gemeinschaft bedeutet also eine kulturelle Vermittlung und ein ethisches Engagement.

Ich nehme hier Bezug auf einige kulturelle Schlüsselsymbole, die den Begriffen zugrunde liegen, die oft in meinen Darstellungen über das Recht vorkommen, zum Beispiel, einen für das Einwohnermeldeamt tauglichen Namen haben, eine Nationalität, das Bürgerrecht, einen Wohnsitz, ein Privat- und Familienleben haben, eine kollektive Identität, eine Arbeit – oder die an Konzepten festmachen, die viele Bedeutungen haben können, wie das der „Integration“.

Was bedeutet für einen Zigeuner das Recht auf einen Wohnsitz und die Unverletzbarkeit des Wohnsitzes? Der Beitrag der Christen in der Diskussion über die Menschenrechte beschränkt sich in erster Linie darauf, die Inspirationen oder die Vision der Menschheit zu registrieren, die dem Individuum die wesentlichsten Werte zuspricht, ohne in angebrachter Weise das zu vertiefen, was das „kontextualisierte“ Recht unterstreicht, wenn man zu den sozialen und kulturellen Zusammenhängen übergeht.

Diesem Mangel an „kultureller Vermittlung“ in der Übertragung der juristischen Prinzipien muss man unserer Meinung nach die Schwierigkeiten zuschreiben, die wir dabei haben, die „formalen“ Rechte und Freiheiten in „reale“ Rechte und Freiheiten zu übersetzen: die Schwierigkeit von der Verkündung der Rechte zu ihrer normativen Anwendung auf konkrete Situationen überzugehen. Wir sind sehr gut darin, Rechte zu verkünden, aber sehr schlecht darin, ihnen die Form eines wirksamen Schutzes zu geben.

Seit dem Jahre 1949 hat die Notwendigkeit den „kontextualisierten“ Menschen zu schützen eine ganze Reihe von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten hervorgebracht, die unterstrichen haben, dass dieser Widerspruch zwischen formalen und realen Freiheiten seit jeher besteht. Diese Notwendigkeit hat nach und nach dazu geführt, dass Menschenrechte verkündet wurden, die die Unterschiedlichkeit der phänomenologischen Identität des Menschen betreffen, das heißt Rechte, die an die verschiedenen Lebensphasen gebunden sind (Alter, Krankheit, Behinderung), wie zum Beispiel die Rechte der Kinder, der Alten, der Kranken und der Behinderten, oder die gebunden sind an soziale Inhalte (die Rechte der Arbeitnehmer), an die sozialkulturelle und politische Identität (zum Beispiel die Rechte der Migranten, der politischen Vertriebenen, der sprachlichen und kulturellen Minderheiten, der Zigeuner…), oder gebunden an das Geschlecht (die Rechte der Frauen).

Die zunehmende Ausweitung dieser Rechte in der Geschichte zeigt auf der Ebene der Grundrechte den allmählichen Übergang von einer aufgeklärten Betrachtungsweise des abstrakten Menschen zu der des „kontextualisierten“ Menschen in seinen verschiedenen Lebensformen an. Vor allem die kulturellen Rechte, und insbesondere das Recht auf kulturelle Identität sind in der letzten Zeit immer wieder in den Debatten über die zunehmenden Ausweitung der Menschenrechte in der Geschichte zur Sprache gekommen.Man denke nur an die Europäische Charta zu den regionalen Sprachen oder Sprachen der Minderheiten des Europarats, ein Abkommen, das 1992 verabschiedet wurde, in dessen Rahmen auch die von den Zigeunergruppen hauptsächlich gesprochenen Sprachen mit vollem Recht Platz finden.[6] Eine Entwicklung, die den Übergang vom Universalismus einer abstrakten Natur zu einer historischen Natur deutlich macht.

Da es sich darum handelt, über den Schutz der Rechte der Zigeuner zu sprechen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit zuerst einmal der Korrektheit der semantischen Dimension der gebrauchten Wörter und Ausdrücke zuwenden.

Man muss es vermeiden, – wie es manchmal in den verschiedenen Büros der staatlichen Verwaltung passiert – dass der Zigeuner automatisch mit dem Migranten und dem Ausländer gleichgesetzt wird, und dass man auf den Zigeuner ohne jede Unterscheidung die gleichen Regeln anwendet, die den Integrationsprozess der beiden anderen Kategorien steuern. Auch die Tendenz, die Zigeuner als Nomaden zu betrachten, die vor allem in Lagern leben möchten, entspricht oft nicht der Realität.Die Notwendigkeit, zwischen der Situation der Gruppen mit einem Lebensstil des Unterwegsseins und den Problemen der Zigeuner zu unterscheiden, wenn über die Mobilität der Zigeuner diskutiert wird, ist schon im November l999, beim Summit in Tampere, hervorgehoben worden, in dem Dokument, welches die Situation der Zigeuner in den Ländern betrifft, die Antrag auf Beitritt zur Union gestellt haben.[7]

Auch wenn man sich über die Interferenzen und Überschneidungen, die mehr oder minder häufig sei es auf juristischem Gebiet, sei es auf sozialer und kultureller Ebene zwischen den verschiedenen Kategorien auftreten können (auch der Zigeuner kann ein Migrant oder Ausländer sein) im Klaren sein muss, ist es nötig, dass man sich auf zentraler, regionaler und lokaler Ebene des besonderen Status der wirklichen Absichten der betroffenen Personen bewusst wird.

Die Menschenrechte der Zigeuner

Wir beginnen nun, die Menschenrechte, die ohne Unterschied jedem Menschen zuerkannt werden, durchzugehen, wobei wir die Formen und die Bedingungen ihres Schutzes in Bezug auf die Zigeuner untersuchen.

Das Recht des Menschen auf eine Nationalität: ein sicherer persönlicher Status

Wir kennen die gemeinsame Position, die die Minister des Europarats und des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den persönlichen Status der Zigeuner eingenommen haben.[8]

Ausgehend von der Feststellung, dass viele Zigeuner auf große Schwierigkeiten stoßen, besonders, was ihr Umziehen und ihren Aufenthalt betrifft,, weil sie keine Bindungen zu einem bestimmten Staat haben, die für einen Wohnsitz oder die Nationalität ausreichen, haben diese beiden europäischen Instanzen den Staaten empfohlen, die Zugehörigkeit der staatenlosen Zigeuner an einen Staat zu erleichtern, was es ihnen einfacher machen würde, einen Wohnsitz aufzunehmen und den Schutz der eigenen Rechte durch das Netz der Konsulate in Anspruch zu nehmen, wenn sie sich im Ausland befinden. Es würde ihnen die freie Beweglichkeit erleichtern und die Zusammenführung der Familien.Es ist eine Wiederaufnahme der zwei Abkommen über den Status der Staatenlosen und die Reduzierung der Fälle von Staatenlosigkeit, die 1954 und 1961 in New York unterzeichnet wurden.[9]

Es gibt eine ganze Reihe von Kriterien, die der Ministerrat 1983 vorgeschlagen hat, um über die Bindung einer Zugehörigkeit zu einem Staat zu entscheiden: der Staat, wo der Nomade geboren ist oder aus dem er stammt, der Staat, aus dem die Familie stammt; der übliche Wohnsitz oder der Wohnsitz, an dem er sich öfters aufhält; die Anwesenheit in einem Staat, in dem die Mitglieder einer Familie sich aufhalten, die dem Zigeuner nahe steht.

Diese Bindung an einen Staat erlaubt es dem Zigeuner, von allen verwaltungsmäßigen Formalitäten Gebrauch zu machen, auch wenn er aus freier Entscheidung beschließt weiterhin ein Leben als Reisender zu führen. Die Freiheit dieser Wahl bildet die Basis für weitere juristische Konsequenzen. Sie zu verweigern bedeutet, die Zigeuner auf der Basis von diskriminierenden Kriterien zu konditionieren.

Die erste Voraussetzung für den Rechtsschutz für die Zigeuner ist also die, ihm das Erlangen einer Staatsangehörigkeit zu erleichtern. Dies ist dann der Ausgangspunkt, um den Zigeuner aus einer Situation der Staatenlosigkeit oder der Unbestimmtheit seiner Nationalität zu befreien.

Die Zigeuner in Europa werden heute auf ungefähr 8 Millionen geschätzt und ihre Behandlung ist ein Schlüsselpunkt bei der Erweiterung der Europäischen Union geworden. Von verschiedenen Ländern Osteuropas wurde als Vorbedingung für die Aufnahme in die Union gefordert, die Situation der Zigeuner zu verbessern.

Es ist erforderlich, dass jeder Zigeuner im vollen Sinne Bürger eines Staates ist, mit anderen Worten, dass er eine Nationalität hat und dass die Verfassung ihm gegenüber in all ihren Artikeln respektiert wird: Bewegungsfreiheit, die Freiheit, sich niederzulassen, das Wahlrecht usw. Die Verwaltung und die Rechtsprechung müssen in dieser Hinsicht wachsam sein: dass die Fälle der „Staatenlosigkeit“ und der „unbestimmten Nationalität“ geregelt werden und dass die Zigeuner keine derogative Ausweise bekommen, sondern Ausweise, die identisch sind mit denen aller anderen Bürger.

Die Staatsangehörigkeit eines bestimmten Landes ist heute um so wichtiger für den Zigeuner, wenn dieses Land Mitglied der Europäischen Union ist.

In einer Gesellschaft, in der die Nationalität identifiziert wird mit der Staatsbürgerschaft (der Zugehörigkeit zu einem Staat) und in der diese wiederum die Voraussetzung darstellt, um die weiterreichende Staatsbürgerschaft der Europäischen Union zu erlangen, die sich auf jedermann erstreckt, der über die Staatsangehörigkeit eines der Mitgliedsländer verfügt (europäische Staatsangehörigkeit), wird sie zu einem grundlegenden Element für den Status der Zigeuner in Europa, insbesondere wenn man dies vor dem Hintergrund der bevorstehenden weiteren Ausdehnung der Europäischen Union im Jahre 2004 auf 21 Länder sieht. Auch wenn die europäische Staatsangehörigkeit nicht exklusiv ist, sondern eine zusätzliche Staatsangehörigkeit darstellt (eine übergreifende Staatsangehörigkeit, die die Nationalität eines Mitgliedstaates voraussetzt), ist sie eine wichtige Staatsbürgerschaft, denn sie erweitert den Bewegungsraum für den Bürger, es ist eine Staatsbürgerschaft, die für die Mobilität und die freie Beweglichkeit gemacht ist und für ein Aufenthaltsrecht ohne Rücksicht auf die nationalen Grenzen. Es ist eine Staatsbürgerschaft, die den Beginn und den Auftakt einer zunehmenden politischen Teilnahme bedeutet. „Jeder Bürger der Union hat das Petitionsrecht vor dem europäischen Parlament.“ (Art. 138 D des Vertrags von Maastricht) und „Jeder Bürger der Union kann sich an den Vermittler der Gemeinschaft wenden.“ (art.138 E) Diese Staatsbürgerschaft wird vom Vertrag von Amsterdam aus dem Jahr 1998 noch bekräftigt, in dem die Rechte der Bürger durch das Verbot jeder Form der Diskriminierung und die Möglichkeit vor dem Gerichtshof in Luxemburg Einspruch einzulegen, wann immer das Abkommen oder die Richtlinien der Gemeinschaft verletzt werden, noch darüber hinausgehend geschützt werden. Die europäische Verfassung wird zur Folge haben, dass der juristische Schutz der von der Verfassung anerkannten Rechte von dem europäischen Gerichtshof in Luxemburg auf die einzelnen nationalen Rechtssysteme übergeht, wodurch ihre Anwendung beschleunigt und in den territorialen Zusammenhang gestellt wird. Dies ist ein außerordentlich wichtiger Punkt und eine zusätzliche Einspruchsmöglichkeit, die für die Mitgliedsstaaten des Europarats noch hinzukommt zu dem bei dem Europäischen Gerichtshof für die Menschenrechte in Straßburg im Falle einer Verletzung der Rechte, die von der Europäischen Konvention der Menschenrechte garantiert werden.

Das Recht auf Unterkunft und das Anerkennen des Nomadentums als freiwillig gewählte Lebensform

Über einen sicheren persönlichen Status zu verfügen, der an eine klar definierte nationale Zugehörigkeit geknüpft ist (Staatsbürgerschaft), ist jedoch noch nicht ausreichend, um zu verhindern, dass man als Nomade Diskriminierungen verschiedener Art und Form erleidet. Das Recht des Zigeuners anzuerkennen, dass er eine Nationalität haben muss, bedeutet zugleich das Nomadentum als eine freiwillige Lebensform anzuerkennen, und es muss dem Zigeuner, der die sesshafte Lebensform gewählt hat, das Recht auf eine Unterkunft unter den gleichen Bedingungen wie allen anderen Staatsbürgern zuerkennen. Diese beiden Möglichkeiten anzuerkennen, verlangt ein erzieherisches Engagement, um die Klischees und Vorurteile zu überwinden, die in der Mentalität der Mehrheitsgesellschaft verankert sind. Das Nomadentum wird noch immer als ein Ausdruck der „Asozialität“ aufgefasst und der Zigeuner wird auch wenn er sesshaft geworden ist, noch immer nur als ein zweitrangiger Staatsbürger angesehen, oder lateinisch als ein Infra-Bürger (also ein minderwertiger Bürger).

Es ist bekannt, dass in vielen europäischen Ländern (vor allem Osteuropas) die Zigeuner mehrheitlich sesshaft geworden sind, integriert sind in ihren Sozialwohnungen oder in ähnlichen Wohngelegenheiten mit dauerhaftem Charakter. Dies ist das Ergebnis der Zwangspolitik der früheren Regime.

Es handelt sich aber immer um eine diskriminierende Politik, wenn von dem Zigeuner verlangt wird, dass er sich endgültig niederlassen muss.

Das Recht des Zigeuners jedoch, der es vorgezogen hat, sesshaft zu werden – ein Phänomen, dass in ganz Europa verbreitet ist – ganz normale Unterkunftsbedingungen zu finden, wird nur selten respektiert.„Die Unterkunft,“ schreibt Jean-Pierre Liégeois 1994, „bleibt einer der negativsten Punkte in der aktuellen Situation: das Fehlen von Wasser, Elektrizität, die elementarsten hygienischen Bedingungen, Verschmutzung, Übervölkerung, nicht existierende Verbindungen mit der Stadt, der Zwang mit Materialien zu bauen, die schon zum Abfall gehören, das sind die Voraussetzungen für die typischen Aspekte einer Barackensiedlung, der gegenüber die Behörden mit der Zerstörung von dem Wenigen reagieren, das gebaut worden ist, auch wenn die Unterkünfte dank vieler Bemühungen, im Innern korrekt sind; es gibt Konflikte mit der Nachbarschaft, Entwicklung einer Ghettosituation, das Fehlen einer lokalen Verwaltung aus Wissensmangel, Mangel an Interesse, Mangel an Mitteln und an der Beteiligung der Zigeunerbevölkerung.“ [10]

Die Verbesserung der Wohnungsbedingungen der Zigeuner sollten eines der vorrangigen Ziele darstellen, auf das sich die Bemühungen der Regierungen konzentrieren: von der Verbesserung der Wohnungsbedingungen hängt nämlich ein großer Teil der Verbesserungen ihrer gesundheitlichen Situation, ihrer Erziehung und des Schulbesuches, der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung ab, da enge Verbindungen bestehen zwischen der Wohnungspolitik und den anderen Maßnahmen sozialer Art wie zum Beispiel dem Zugang zu Sozialschutz, zur Arbeit, zur Gesundheitsfürsorge und der Erziehung.

Die Mitgliedsländer sollten für die negativen Folgen, die die Auswirkungen des Übergangs zu einer Marktwirtschaft vor allem im Hinblick auf die Verwendung des Raumes in der Stadt und am Stadtrand auf die Unterkunftsbedingungen von bestimmten sozialen Kategorien, insbesondere die Zigeuner gehabt haben und noch haben, verbessernde und ausgleichende Maßnahmen treffen.

Diesbezüglich sollten Maßnahmen getroffen werden, damit die Roma in die Lage versetzt werden, ihre eigene Unterkunft durch die verschiedenen Mittel, Formen und Methoden zu erwerben, die den Zugang zu Unterkünften wie zum Beispiel Sozialwohnungen, Kooperativen, zum Eigenbau, öffentliche Unterkünfte oder zu Wohnmobilen ermöglichen.

Die Frage der Unterkunft ist aufs Engste mit all dem verbunden, was mit den Bedingungen für die Aufnahme der Nomaden, das Anerkennen ihrer Wohnmobile als „einer Wohnform“, dem Anerkennen ihrer Halteplätze zu tun hat, und stellt zweifelsohne aufgrund der ständig aktuellen Diskriminierungen, über die derzeit der Europäische Ausschuss für Migrationen des Europarats diskutiert, für die Zigeuner eines der akutesten und dringendsten Probleme dar. Ein Projekt für Empfehlungen, die dem Ministerrat vorgelegt werden sollen, ist seit dem vergangenen Jahr in Arbeit: es legt den Mitgliedsländern nahe, vor dem allgemeinen Hintergrund der Wohnungspolitik integrierte und zugunsten der Roma adaptierte Maßnahmen zu treffen, wobei davon auszugehen ist, dass in der Definition des Begriffes der Unterkunft der Begriff „günstige Unterkunft“ bereits eingeschlossen ist, wie dies in früheren Dokumenten des Europarats bereits geschehen ist: „In einer angemessenen Wohnung zu leben, bedeutet nicht nur einfach ein Dach über dem Kopf zu haben. Eine günstige Unterkunft muss ausreichend groß, hell, warm und belüftet sein, eine gewisse Intimität bieten, physisch zugänglich sein, die Möglichkeit bieten, in Sicherheit zu leben und die Möglichkeit, einer sicheren Beschäftigung nachzugehen, sie muss eine dauerhafte und stabile Struktur haben und über eine elementare Infrastruktur verfügen, sie muss vom ökologischen und sanitären Standpunkt aus angemessen sein (…) und all dies zu einem erschwinglichen Preis.“

Verschiedene allgemeine Prinzipien sollten von den Mitgliedsstaaten entsprechend diesem Projekt von Empfehlungen respektiert werden: 1. das Prinzip der Nicht-Diskriminierung; 2. die freie Wahl der eigenen Lebensform, Sesshaftigkeit oder Nomadentum oder Halbsesshaftigkeit und die Freiheit, den eigenen Wohnsitz wählen zu können; 3. das Recht aller auf eine „günstige Unterkunft“ (entsprechend der oben zitierten Definition); 4. dem sozialen Ausschluss und der Ghettobildung ist vorzubeugen und sowohl auf nationaler wie auf regionaler oder lokaler Ebene sind alle Maßnahmen auszuschließen, die darauf abzielen, die Roma auf ungeeigneten Geländen anzusiedeln oder erneut anzusiedeln, das heißt in großen Lagern am Rand der Städte oder Dörfer; 5. man muss die Gemeinschaften und Vereinigungen der Roma an der Konzeption und der Durchführung der Programme teilhaben lassen, die das Ziel haben ihre Wohnbedingungen zu verbessern; 6. man muss im Schoße dieser Gemeinschaften das Verantwortungsbewusstsein und die Weiterentwicklung der Fähigkeiten fördern, indem man die Partnerschaft auf allen Ebenen anregt (lokal, regional und national); 7. die Koordination auf dem Wohnungssektor zwischen allen Gesprächspartnern auf der Verwaltungsebene, den Organisationen der Roma und anderen, die in dem Bereich tätig sind; 8. man muss vor allem darüber wachen, dass die örtlichen Behörden ihrer Pflicht in diesem Bereich nachkommen können, dies gilt um so mehr, als es diese Behörden sind, die sich im wesentlichen mit den Fragen der Unterkunft befassen.

Es den örtlichen Behörden zu ermöglichen, der Ausübung ihrer Pflichten in diesem Bereich nachzukommen, bedeutet nicht nur sich in angemessener Weise an den Kosten zu beteiligen, damit die finanzielle Bürde (keine geringe Bürde!) gedeckt ist, die sich diese Behörden aufladen müssen, um Gelände und Strukturen zu schaffen, die für die Aufnahme dieser Menschen erforderlich sind, sondern man muss auch darüber wachen, dass von den örtlichen Behörden die Skepsis und die Zurückhaltung überwunden werden, die aus dem Fehlen eines politischen Willens und der Zusammenfassung von „Rivieraschi“ und Zigeunern entstehen. Die Tatsache, dass die internationalen Institutionen auf Wachsamkeit gegenüber den örtlichen Behörden in diesem Bereich bestehen, hat gute Gründe. In einem Weißbuch, das im April 1993 dem französischen Publikum von den Bürgermeistern der kleineren Gemeinden in Frankreich vorgestellt wurde, fordern sie die Gewählten der übrigen Gemeinden „zum Realismus“ und „zum Dialog“ auf, um das Problem der Schaffung von geeigneten Geländen, deren Zahl derzeit absolut unzureichend ist, zu lösen. „Wir möchten ein Signal an sie richten, um sie einzuschüchtern, damit sie endlich aufhören, in dieser Frage eine Vogel-Strauß-Politik zu betreiben,“ erklärte der Präsident der Vereinigung. Nach seiner Meinung müsste man etwa 30.000 Plätze schaffen, statt der jetzt gesetzlich bestehenden 3000, wenn man die illegalen Halteplätze von ca. 300.000 Nomaden und Halbsesshaften vermeiden will.

Das Problem liegt nicht so sehr in der Finanzierung. In Frankreich subventioniert der Staat die Einrichtung dieser Halteplätze zu 70%. Und das Weißbuch sagt, es fehlt auch nicht an geeigneten Plätzen.

Und doch verpflichtete das Gesetz Besson vom 5. Juli 2000 die Gemeinden mit über 5000 Einwohnern, derartige Gelände innerhalb der folgenden 18 Monate einzurichten.

Was das Thema der allgemeinen Rechte auf eine Unterkunft betrifft, so bezog sich der Europarat auf die Notwendigkeit, dass die Mitgliedsstaaten einen kostenlosen Anspruch für einen Rechtsbeistand einrichten, um zu verhindern, dass das Fehlen einer Einrichtung für juristische Hilfe die Möglichkeit der Zigeuner, ihre Rechte zu verteidigen, stark beeinträchtigt. Diesbezüglich wird den Staaten empfohlen, die NGOs nachhaltig zu unterstützen, damit sie den Roma auf der juristischen Ebene raten und Beistand leisten.

Die Einzelstaaten werden dazu aufgefordert, ihre gültige Gesetzgebung entsprechend anzupassen, um jedwede Anordnung oder Verwaltungspraxis zu unterdrücken, die sich in einer Diskriminierung der Roma auswirkt.

Besonderer Schutz wird für die Roma-Frauen empfohlen, ganz besonders der unehelichen Mütter, für die Opfer häuslicher Gewalt und für andere benachteiligte Gruppen von Frauen der Roma, um ihnen vorrangig zu einer Sozialwohnung zu verhelfen.

In dem Projekt der Empfehlungen werden den Mitgliedsstaaten in Bezug auf den Schutz und die Verbesserung der bestehenden Unterkünfte verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen.

Dazu gehört die Garantie, mit der den Zigeunern die Besetzung eines Grundstücks oder einer Unterkunft mit dem Zweck zugesichert werden muss, sie vor dem erzwungenen Ausschluss und vor zudringlichem Druck und illegalen Drohungen zu schützen.

Es werden auch Formen einer provisorischen Legalisierung von derzeit als gesetzwidrig betrachteten Unterkünften vorgeschlagen, im Sinne einer Übergangsregelung und angesichts anderer Verbesserungen; und im Falle, dass eine Legalisierung unmöglich ist, eine Suche – durch einen sozialen Dialog zwischen den Betroffenen, – die es verhindert, dass die Roma-Gruppen sich selbst überlassen bleiben und dass sie außerhalb des öffentlichen Systems der Hilfe und der Fürsorge stehen gelassen werden, auf das sie als Bürger des Landes, in dem sie leben, ein Recht haben. Die Sorge darum zu vermeiden, dass Menschen ohne eine Unterkunft bleiben, sollte in jedem Falle dem Recht auf Ausweisung vorangestellt werden, vor allem wenn Minderjährige betroffen sind.

Das Problem der Halteplätze ist sowohl für die Zigeuner wie auch für die örtliche Verwaltung besonders akut. Wenn man auf der einen Seite feststellt, dass das Nomadentum praktisch langsam verschwindet, so hat sich das Problem auf der anderen Seite in den letzten Jahren durch den starken Zustrom von Zigeunern aus Osteuropa mit erhöhter Dringlichkeit von Neuem gestellt.

Die Mitgliedsstaaten sollten sich darum bemühen, dass eine ausreichende Zahl von Halteplätzen oder Durchgangslagern zur Verfügung steht, die über eine angemessene Ausstattung mit den wesentlichen Dingen (Wasser, Elektrizität und Hygiene) verfügen. Physische Barrieren oder kontrollierte Ausgänge dürfen weder die Würde der Person noch die Bewegungsfreiheit verletzen.

Das Wohnmobil (oder das mobile Heim) der Nomaden ist zudem im Allgemeinen durch das Strafrecht geschützt, da es einem Wohnhaus gleichkommt.

Dieser Hypothese folgend dürfen die Hausbesuche durch die Polizei nicht nach Belieben erfolgen, die Hausdurchsuchungen müssen strengen Regeln folgen und Verhaftungen sind zu Hause in der Regel nachts nicht gestattet.

Der oben bereits zitierten Studie zufolge, die der Europarat im Jahre 2002 angeregt hatte, wird dieses Recht tatsächlich von keinem der Staaten garantiert, da sie sich weigern, ein Wohnmobil (oder mobiles Heim) mit einem Haus gleichzusetzen. Dadurch ergibt sich eine schwerwiegende Diskriminierung in der Behandlung der Nomaden. Diese Diskriminierung ist um so weniger zulässig, als sie ein grundlegendes Menschenrecht verletzt, das von dem Europäischen Abkommen über die Menschenrechte garantiert wird: das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung. (Art.8) Auch dies kann ein Druckmittel darstellen, das eingesetzt wird, um die Zigeuner dazu zu bringen, ihre Lebensweise aufzugeben, um sich stattdessen den Schutz des Gesetzes auf der Basis eines festen und traditionellen Wohnsitzes zu garantieren (Unterkunft).

Die Weigerung, das Wohnmobil einem Wohnsitz gleichzusetzen, hat nicht nur im Bereich des Schutzes der individuellen Freiheit Folgen, sondern auch, wenn es um all die Rechte geht, die mit der Wahrnehmung der sozialen Leistungen bei einer Bevölkerung verbunden sind, die oft das Opfer einer starken Verarmung ist, was eben diese sozialen Leitungen noch lebenswichtiger macht. Diese Situation betrifft ein Drittel der Staaten, die die Studie des Europarats in Betracht gezogen hat.

Das Recht auf Bewegungsfreiheit innerhalb und außerhalb vor dem Hintergrund der europäischen Gesetzgebung   

Im Inland

Zu dem Recht auf den garantierten persönlichen Status und also auf eine Nationalität/ Staatsbürgerschaft und zu dem auf den Wohnsitz kommen weitere wichtige Rechte wie das auf die Bewegungsfreiheit und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte, die Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit des Europarats waren. Im Jahr 2001 hat er beschlossen, eine Untersuchung über die rechtlichen Bedingungen der nomadisierenden Zigeuner durchzuführen. Kein wirtschaftliches oder soziales Recht kann wirksam ausgeübt werden, wenn der Anspruch auf dieses Recht nicht so gestaltet ist, dass man ihn in ihrer spezifischen Lebensform anerkennt. Die Bedingungen für den Zugang zu diesen Rechten werden im allgemeinen ausschließlich aus dem Blickwinkel einer sesshaften Bevölkerung konzipiert, ohne zu beachten, dass die Form ständiger Mobilität eines Teils der Zigeunerbevölkerung die materielle Grundlage für die wirtschaftlichen und sozialen Rechte darstellt.

Das Recht muss also die Freiheit der Bewegung schützen und dabei die Möglichkeit bieten, unter zufrieden stellenden Bedingungen zu verweilen, aber auch die Freiheit der Wahl des Wohnsitzes.

Aus einer Untersuchung über die Situation der Bewegungsfreiheit der Nomaden in 19 Mitgliedsstaaten, einschließlich Russlands, die der Europarat im Jahre 2002 angeregt hat, geht hervor, dass häufig Hindernisse für die Bewegungsfreiheit und das Verweilen bestehen, auch wenn die Zigeunerbevölkerung dieser Länder zu mehr als zwei Dritteln (71%) aus Staatsbürgern dieses Landes besteht und ein recht großer Teil davon ständig unterwegs ist, wie dies zum Beispiel auf Großbritannien zutrifft, wo ¾ der Zigeuner dieser Gruppe angehören. 

Untersucht man die Ergebnisse, wird deutlich, dass die Mechanismen, die das Fortbestehen dieser Hindernisse ermöglichen, nicht in der Gesetzgebung begründet sind, auch wenn sie in 28% der Fälle hier liegen. Sie finden ihre gesetzliche Grundlage ganz einfach in der Tatsache des Verwaltungsaktes.

Dies ist ein äußerst wichtiges Faktum, das erklärt, warum sich die Situation der Zigeuner im Wesentlichen der Kontrolle der nationalen Parlamente entzieht, die als Ausdruck des demokratischen Willens betrachtet werden und in diesem Sinn als wichtigste Garanten der grundlegenden Freiheiten gelten. Wäre die Einführung der demokratischen Praxis hier nicht zweckmäßig, der zufolge jede Regierung verpflichtet ist, in periodischen Abständen einen Bericht über die Zigeuner in ihrem Land zu erstellen und denselben einer parlamentarischen Debatte zu unterstellen?

Das Fehlen von einer präzisen Bezugnahme auf die Zigeuner in den juristischen Ordnungen der Verfassung und der Gesetzgebung bietet der Verwaltung die Möglichkeit, sich für eine Regelung zu entscheiden, die den Nomaden das Herumziehen verwehrt: die Hälfte der Hindernisse für das Reisen besteht in einer informellen Praxis, ohne den Anspruch einer Regelung. Der Unterschied in der Behandlung kann zwei Ziele verfolgen: die Kontrolle der Ausübung der freien Beweglichkeit, weshalb dann Maßnahmen getroffen werden, die darauf abzielen, Hinweise auf den eingeschlagenen Weg der Personen zu erhalten, indem man zum Beispiel für die Erlaubnis zu reisen den Besitz besonderer Erlaubnisscheine verlangt, um reisen zu dürfen (Italien, Holland und Großbritannien) und/oder die jeweilige Präsenz von Personen auf den Halteplätzen wird regelmäßig und systematisch überprüft (Belgien, Kroatien, Italien) oder man verpflichtet die Nomaden, sich bei den Behörden zu melden (so Italien und Frankreich).

Obwohl sich in den Mitgliedsstaaten des Europarates eine Tendenz abzeichnet, Aufnahmelager zu schaffen, die nur den Zigeunern vorbehalten sind, unterstellt ein Drittel dieser Staaten sie nur selten einem Recht, das einer längeren Verweildauer förderlich ist: in einigen Fällen wird die Verweildauer den örtlichen Behörden überlassen.

Diese Einschränkung ist um so diskriminierender, als einige Staaten, wie man der erwähnten Studie entnehmen kann, den Nomaden den Zugang zu den Zeltplätzen und den Plätzen für Wohnmobile verweigern, die oftmals die einzigen sind, die über brauchbare hygienische Einrichtungen verfügen. Das Gebiet der Halteplätze wird so zu einem Gelände, für das eine spezifische Behandlung gilt, was die Marginalisierung noch weiter verstärkt.

Wie sehr das Verweilrecht der Zigeuner geschützt ist, wird noch prekärer durch die Tatsache, dass im Falle einer Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts die Verweisung nicht von den juristischen Behörden, sondern einfach auf Initiative der Polizei beschlossen wird.

Die Förderung eines besonderen Aufenthaltsrechts für die Nomaden trifft zudem auf Probleme in der Durchführung. In Großbritannien zum Beispiel finden wir auf den öffentlichen Parkplätzen, auf denen das Halten mit Wohnmobilen gestattet ist, Parkplätze, die absolut unzureichend sind: wo das Halten auf privaten Parkplätzen mit Erlaubnis der Besitzer gestattet ist, wird diese Erlaubnis selten gegeben, und dort wo Zigeuner Landbesitz erworben haben, werden zu 90% die Erlaubnisse zur Niederlassung aufgrund von städteplanerischen Regeln verweigert.

Welches sind also die Vorschläge, die die Fachleute des Europarats bereits vorgeschlagen haben, die man auf diesem Gebiet machen kann, um einen besseren Schutz der Rechte der Zigeuner zu erreichen:

1. Man muss jedes Hindernis für die freie Beweglichkeit der Zigeuner abschaffen und vor allem besondere Ausweise für die Reisenden unterbinden, denn diese stellen tatsächlich Reisepässe für das Inland dar.

2. Man muss die Campingplätze nach besonderen Regeln für die Nomaden öffnen, die dies     wünschen (zum Beispiel im Winter)

3. Man muss außer in wirklich besonderen Fällen und in Notsituationen die provisorischen Lösungen ablehnen, die regelmäßig zu dauerhaften Barackensiedlungen verkommen, wo die Probleme sich nur immer von neuem stellen und dauerhaft verankern.Im Allgemeinen entsprechen die provisorischen Niederlassungen nicht den Vorschriften für Hygiene und Sicherheit.

4. Man darf von den Zigeunern keine anderen Ausweise verlangen als die Personalausweise, die für alle Bürger der Staaten gelten, wo sie in Kraft sind

5. Man muss einen Wohnsitz als „Bezugspunkt“ auf dem allgemein gültigen Personalausweis angeben, wenn dies vorgeschrieben ist

6. Man muss ihnen die Wahl des Wohnsitzes gestatten

7. Man muss dem „Wohnmobil“ oder dem „mobilen Heim“ des Zigeuners (Nomaden) den gleichen persönlichen oder sozialen Status zusprechen wie dem Wohnsitz der Sesshaften.

 8. Man muss die Ausweisung eines Zigeuners von einer vorherigen Beglaubigung durch einen Richter abhängig machen, es sei denn es handele sich um eine schwere und unmittelbare Bedrohung der öffentlichen Ordnung

9. Man muss den Zigeunervereinigungen die Möglichkeit geben, ihre individuellen Rechte vor den zuständigen Gerichten zu verteidigen

10.Man darf die genehmigte Aufenthaltsdauer nicht auf eine Frist begrenzen, die unterhalb der längsten Unterrichtsperiode zwischen zwei Ferienzeiten liegt; dies gilt vor allem für Gelände, die keine eigenen Ausbildungslokale haben.

Im Ausland

Wir haben schon zu Beginn unseres Beitrags über die freie Beweglichkeit der Zigeuner im Bereich der europäischen Gemeinschaft gesprochen. Vom Standpunkt des europäischen Rechts aus kann es keinerlei Einschränkung für das Recht eines Zigeuners, der Bürger eines Staates der Gemeinschaft ist, auf freie Beweglichkeit im Bereich der Union geben. „Jeder Bürger der Union hat die Freiheit, in jedem Mitgliedsstaat Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen und Dienstleistungen anzubieten.“ Dies bestimmt Artikel 15 der Europäischen Charta der Grundrechte (die Charta von Nizza).

Was die Beweglichkeit der Zigeuner betrifft, die Bürger eines dritten Landes sind, so zitiere ich Art.1 des Beschlusses des europäischen Parlaments vom 21.April 1994 über die Situation der Zigeuner in der Europäischen Gemeinschaft (A3-0124/94), der im ersten Absatz von den Regierungen der Mitgliedsstaaten ausdrücklich fordert, dass „alle Bürger eines dritten Landes, die ihren offiziellen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat haben, insbesondere die Zigeuner, die gleichen Rechte haben wie die Bürger der Union, „sich in der gesamten europäischen Union“ frei zu bewegen.“

Diese Resolution wurde vom Europäischen Parlament im Anschluss an das Übereinkommen zwischen Deutschland und Rumänien, das am 24. September 1992 unterzeichnet wurde, verabschiedet. Entsprechend diesem Abkommen, das nach der Gewährung eines Kredits in Höhe von einer Milliarde DM zustande kam, sind die rumänischen Zigeuner zwangsweise in ihre Heimat zurückgeschickt worden.

Die Empfehlung des § 8 beklagt diese Art von Zurückverweisungen in die Heimat zwischen den Mitgliedsländern der Union und den Staaten Mittel- und Osteuropas, „die am Ende die Zurückverwiesenen wie eine Ware behandeln.“

Art.15 § 3 der Europäischen Charta der Grundrechte bestätigt, dass: „…Die Bürger eines dritten Landes, die über eine Arbeitsgenehmigung auf dem Territorium der Mitgliedsländer verfügen, das Recht auf die gleichen Arbeitsbedingungen haben, die für die Bürger der Union gelten.“

Die Gruppe Cocen der Europäischen Union hat anlässlich des bereits erwähnten Summit von Tampere, im Dezember l999, vorgeschlagen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Ursache der Auswanderung der Zigeuner an der Wurzel anzugehen, damit das Vertrauen in die sozialen und politischen Strukturen in den Ursprungsländern wächst.

Das Recht auf Ausbildung und Erziehung

Ich möchte nun zu einem anderen Aspekt kommen: dem Schutz des Rechts auf eine Schul- und Berufsausbildung des Zigeuners. Wir können feststellen, dass die UNO-Konvention über die Rechte der Kinder, die am 2. September 1990 in Kraft trat, zu den am schlechtesten behandelten internationalen Konventionen überhaupt zählt, wenn es um die Zigeunerkinder geht, und dies in fast allen ihren Bestimmungen. Wir begrenzen uns darauf, hier ihr Recht auf Erziehung und Ausbildung hervorzuheben.

Die Empfehlung des Europarats an die Mitgliedsländer aus dem Jahr 2000 (R (2000) 4) ist diesbezüglich besonders klar, sowohl wenn es um die Untersuchung der jetzigen Situation in diesem Bereich geht, wie auch im Hinblick auf die Empfehlungen, die er zu ihrer Verbesserung vorschlägt.

Die Empfehlung erinnert an den hohen Prozentsatz von Analphabeten und Semi-Analphabeten, der in der Zigeunergemeinschaft schlimme Folgen hat, das Ausmaß des Schulversagens, den geringen Anteil von Jugendlichen, die ihren Hauptschulabschluss machen und das Fortbestehen von Faktoren wie dem Schulschwänzen unterstreicht nur, dass im Hinblick auf das Recht der Zigeuner auf Ausbildung noch schwerwiegende Lücken bestehen.

Lücken, die durch eine Vielheit von Faktoren und Vorbedingungen erklärt werden können, insbesondere durch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aspekte, durch Rassismus und Diskriminierung, und die verlangen, dass eine aktive Politik, die nicht nur die Erziehung der Erwachsenen und die Berufsausbildung betrifft, eingreift, um sie zu überbrücken, und die zugleich auf eine aktive Mitarbeit und verantwortliche Teilnahme der Zigeunervereine bei der Organisation von allen Aktivitäten, die mit der Schulausbildung ihrer Kinder zu tun haben, abzielt, ohne dass dies im Geiste des Assistenzialismus’ von außen stehenden Vereinigungen verlangt wird, wie dies heute häufig geschieht.

 In diesem Zusammenhang müssen wir an die vom Rat der Minister für das Erziehungswesen, der im Rahmen des Rates der EU am 22. Mai 1989 zusammengetreten war, bereits verabschiedete Resolution zum Schulbesuch der Zigeunerkinder erinnern (89/C 153/02). Der Inhalt dieser Resolution soll die Grundlage für jede Erarbeitung von Normen darstellen, die sich auf die Gesamtheit der Mitgliedsländer des Europarates beziehen. Es handelt sich um ein wichtiges Dokument für die Zigeuner, denn es unterstreicht, dass „ihre Kultur und ihre Sprache“ seit mehr als einem halben Jahrtausend zum kulturellen und sprachlichen Erbe der Gemeinschaft gehören. In einer Empfehlung des Ministerausschusses vom 3. 2. 2000 (R (2000) 4) werden verschiedene Prinzipien angekündigt, die diese Normen regeln sollten. Was nun die Strukturen betrifft, so wird die Notwendigkeit betont, dass die diesbezüglichen Erziehungspolitik begleitet werden muss von angemessenen Mitteln und Schulstrukturen, die unabdingbar sind, wenn man die Verschiedenheit der Roma- oder Zigeunergemeinschaften in Europa und die Lebensweise der Reisenden oder Halbreisenden berücksichtigen möchte. Diesbezüglich rät die Empfehlung, unter Umständen ein Schulsystem auf Entfernung zu Hilfe zu nehmen.

Es wird auch empfohlen die Vorschulerziehung zu entwickeln und zugänglich zu machen, um den Zigeunerkindern den anschließenden Zugang zur Schule zu garantieren.

Zu diesem Zweck wird vor allem empfohlen – als grundlegende Voraussetzung für den Erfolg dieser Maßnahmen – das Gespräch mit den Eltern und ihre aktive Beteiligung zu entwickeln, wobei möglicherweise kulturelle Vermittler, die der gleichen Zigeunergemeinschaft angehören, hilfreich sein können, um ihnen so den Zugang zu einem spezifischen Beruf zu ermöglichen. 

Eine weitere empfohlene Maßnahmen betrifft die Verbreitung von Informationen unter den Zigeunereltern bezüglich der Schulpflicht und der Maßnahmen, die den Familien von den Kommunen zu ihrer Unterstützung zur Verfügung gestellt werden können.

Um das Schulprogramm und das pädagogische Material entsprechend anzupassen, wird dazu geraten, die Teilnahme der Vertreter der Zigeunergemeinschaft an der Erarbeitung von Materialien über die Geschichte, die Kultur und die Sprache der Zigeuner zu ermutigen. Dort, wo die Sprache der Roma gesprochen wird, so wird empfohlen, sollte sie auch gelehrt werden.

Die Erziehung der Zigeunerkinder sollte Teil des allgemeinen Erziehungssystems sein. Zu diesem Zweck sollten Maßnahmen in den normalen Programmen zur Grund- und Weiterbildung der Lehrer vorgesehen werden, und es sollte versucht werden, auch in der Gemeinschaft der Zigeuner Grundschullehrer auszubilden. Die Mitgliedsstaaten sollten systematische Überprüfungen ihrer Erziehungspolitik in diesem Sektor durchführen, wobei eine Reihe von Kriterien zu berücksichtigen sind, unter anderem auch Kriterien für eine individuelle und soziale Entwicklung, die sich nicht auf eine Schätzung des Prozentsatzes des Schulbesuches und des Schulversagens beschränken.

Diese Empfehlungen setzen selbstverständlich voraus, dass die Mitgliedsstaaten ihre Minister für das Erziehungswesen zu einer größeren Aufmerksamkeit gegenüber der Erziehung der Zigeunerkinder sensibilisieren und auch eine angemessene Finanzierung im nationalen Budget vorzusehen.

Die Entwicklung des Schulbesuchs in den Zigeunergemeinschaften bietet ihnen durch die Entwicklung der geschriebenen Literatur und durch die Teilhabe an der Information die Möglichkeit, zu Beobachtern ihrer selbst zu werden und zu Beobachtern der Umgebung, die sie umgibt. Dann werden sie dieser Umgebung vielleicht auch klar machen können, dass das, was sie von ihr erwarten, nur ganz einfach Respekt ist vor ihrer Lebensform als Teil des Respekts vor dem allgemeinen Recht, wie Jean-Pierre Liégeois abschließend in seinem schon mehrfach zitierten Werk betont. Dies schließt, wie wir bereits festgestellt haben, im Rahmen der Europäischen Union das Recht auf das Erlernen der örtlichen offiziellen Sprache ein.

Was die Ausbildung und die Erziehung der Zigeunerkinder angeht (die im schulpflichtigen Alter werden heute in Europa auf 4 Millionen geschätzt) ist es dringend notwendig, dass die Regierungen das Problem in einer politischen Sicht klar angehen, mit Blick auf die demografische Zukunft Europas und seines Aufbaus, sowie der Erziehung zu einer demokratischen Bürgerschaft, die auf den Rechten und der Verantwortung der Bürger gründet. Die Aufwertung des menschlichen und kulturellen Reichtums, den diese 4 Millionen Kinder und Jugendliche potentiell darstellen, muss den Regierungen eine Dringlichkeit sein. Messen wir den Verlust für Europa, den 4 Millionen junge Zigeuner im schulpflichtigen Alter darstellen, von denen die Hälfte nie eine Schule besucht hat. Wer, wenn nicht die Zigeuner selbst, können ihre Sprache und Kultur retten – wie wir oben bereits erwähnt haben – die mehr als ein halbes Jahrtausend sprachliches und kulturelles Erbe der Gemeinschaft sind?

Das Recht auf Zugang zu den Systemen sozialer Sicherheit und Gesundheitsfürsorge 

Ich schließe diese Bemerkungen zum Schutz der Rechte der Zigeuner mit einem kurzen Hinweis auf den Schutz der Rechte der Zigeuner auf den Zugang zu den Systemen der sozialen Sicherheit, insbesondere im Hinblick auf das Recht der Zigeunerfrauen auf Zugang zu den Systemen der Gesundheitsfürsorge.[xi]

Ein wichtiger Aspekt der Armut, mit denen die Zigeunervölker in einer Reihe von Ländern konfrontiert sind, ist nach den Berichten des Europarats der für sie fast nicht vorhandene oder unangemessene Zugang zur medizinischen Versorgung. Der Bericht des Hochkommissars für die Nationalen Minderheiten aus dem Jahr 2000 unterstreicht im Hinblick auf die Situation der Roma und Sinti im Raum der KSZE diese Sorge und die Notwendigkeit, eine Gesundheitspolitik zu erarbeiten, die den wirklichen Bedürfnissen der Roma-Frauen Rechnung trägt und ihnen Zugang zur Gesundheitsfürsorge ohne Diskriminierung garantiert. Aus einer kürzlichen Studie dieses Hochkommissars geht hervor, dass die Lebenserwartungen der Zigeunerfrauen im allgemeinen um 10-17 Jahre niedriger sind als die der Mehrheitsbevölkerung, selbst in den hoch industrialisierten Ländern wie Irland. Die Schlussfolgerungen von Besuchen in 15 Mitgliedsländern, die das Ziel hatten, Vertreter der Behörden zu treffen, Vertreter der NGOs, der Roma-Frauen, der Sozialarbeiter, der Bediensteten im Gesundheitswesen, Wissenschaftler und praktizierende Ärzte, sind in einer vergleichenden Studie zur Situation des Zugangs der Roma-Frauen zur öffentlichen medizinischen Fürsorge gesammelt und im Laufe einer Schlusskonferenz vorgestellt worden, die im November 2002 stattfand. Der Europarat ist dabei, Empfehlungen zu diesem Thema vorzubereiten, die sich insbesondere mit der Gesetzgebung befassen, um einen nicht diskriminierenden Zugang zu ermöglichen, die Beteiligung der Roma-Frauen an dieser Ausarbeitung, die bestehenden Beziehungen, die berücksichtigt werden müssen zwischen Personalausweis, Staatsbürgerschaft und Gesundheit; die Gesundheitserziehung; der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Unterkunft. Die Empfehlung wird auf der Schlusskonferenz des Projekts fertig gestellt werden, die am 11. und 12. September 2003 in Straßburg stattfindet.

Schlussbemerkungen

Ich schließe diese Ausführungen, indem ich noch einmal die Bedeutung eines ganz besonderen Instruments für einen besseren Schutz der Rechte der Zigeuner unterstreiche: die Entwicklung der institutionellen Mittel, um eine aktive Rolle und eine Beteiligung der Roma-Gemeinschaften in den Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen, international, national, regional und lokal zu begünstigen.

Aus den internationalen Unterlagen, die mir zur Verfügung standen, geht hervor, dass es in der letzten Zeit einen aufrichtigen Wunsch der Zigeuner gibt, sich nachdrücklich im Sinne einer juristischen Integration in den nationalen Gemeinschaften zu engagieren, mit denen sie Beziehungen in ihrem Leben und in ihrer Arbeit haben.

Diese Haltung, die das Ergebnis einer Wandlung der Zigeuner ist, die Liégeois schon seit einigen Jahren angekündigt hat, wird entscheidend sein für den Erfolg der Integrationsprozesse.

In ihrer ganzen langen Geschichte, die „oft gekennzeichnet war von Marginalisierung und Episoden heftiger Diskriminierung der Zigeuner“, wie Johannes Paul II. es in der Rede unterstrich, die er auf der internationalen Konferenz am 26. September 1991 hielt, waren die Zigeuner eine Minderheit, die „den bewaffneten Kampf als Mittel, um sich durchzusetzen, immer abgelehnt hat: eine paradigmatische Minderheit mit einer übernationalen Dimension, die in einer einzigen kulturellen Gemeinschaft Völker zusammenfasst, die in der ganzen Welt verstreut sind und sich nach ihrer Volkszugehörigkeit, ihrer Sprache und Religion unterscheiden.“

Gefördert von der finnischen Regierung, bekam im Oktober 2002 die finnische Zigeunerin Miranda Vuolasranta einen Sitz für ein Jahr in der Generaldirektion für Soziale Kohäsion der Abteilung Roma/Zigeuner des Europarats (das älteste internationale Gremium, das sich bereits 1965 für die Förderung des Schutzes der Menschenrechte der Zigeuner eingesetzt hat). Dies und die im Jahre 1993 erneuerte Anerkennung der Internationalen Union der Zigeuner als Organisation mit beratender Funktion von Seiten der UNO, die Verfestigung der Zigeunerorganisationen und ihre Versuche eines Zusammenschlusses, die neue Orientierung der öffentlichen Gewalt, die sich das Fachwissen dieser Organisationen zunutze macht, sind positive Signale dieser Tendenz.

Zum Schutz ihrer Rechte muss man sich auf die Dynamik der Zigeuner stützen, ihre Fähigkeit und ihr Recht anerkennen, selbst ihre Zukunft unter Achtung ihrer Umwelt zu bestimmen. Man muss sie also als Subjekte und verantwortliche Staatsbürger und nicht als Gegenstand einer Politik behandeln.


[1] In meinem Beitrag werde ich die Ausdrücke “Roma” und “Zigeuner”, die vorwiegend vom Europarat benutzt werden, gleichbedeutend nebeneinander verwenden.

[2] Jean-Pierre Liégeois, Roma, Tsiganes, Voyageurs, Ed. Conseil de L’Europe, Strasbourg, 1994, S 315.J.P. Liégeois ist auch der verantwortliche Direktor des Bulletins < Interface>, vierteljährliche Ausgabe in mehreren Sprachen, gefördert von der Kommission der Europäischen Union, im Februar 1991, war es bis zu seiner Einstellung im Frühjahr 2001 eine Quelle interessanter Grundinformationen und eine Dokumentation über Basistexte, vorwiegend herausgegeben von der Europäischen Kommission, vom Europaparlament und vom Europarat.

Wir weisen hier auch auf zwei weitere Informationsquellen hin, die zwei Missionsberichte „La situation des gens du voyage dans l’Europe de Douze e les mesures proposée pour l’améliorer“ vom Juli 1992 und „La situation des Tsiganes en Europe de l’Est“ vom Dezember 1992 von Arsène Delamon, veröffentlicht vom französischen Ministerien für Soziale Angelegenheiten und Integration.

[3] La scolarisation des enfants tsiganes et voyageurs, Büro für offizielle Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaft, 1986

[4] Berichte von den Versammlungen ausgearbeitet von M.me Marcia Rooker (Budapest) und von M.lle Angélie Postolle (Helsinki)

[5] J.H. Weiler, Einleitung, Menschenrechte, Konstitutionalismus und Integration: Ikonografie und Fetichismus, in Rechte und Grenzen. Von der Konstitution bis zur Charta von Nizza.Verlag Comunità, Turin, 2002, S XXVI-XXVII.

[6] Die ‘Europäische Charta der Regionalsprachen und der Sprachen der Minderheiten’ handelt von dem Gebrauch dieser Sprachen in den Schulen, in den Massenmedien, in den Gerichtshöfen, in der Verwaltung und im Rahmen der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Aktivitäten. Obwohl die Sprachen ’ohne Territorium’ (Art.1 (c)), von der Kategorie der Regional- und Minderheitssprachen ausgeschlossen sind und obwohl die Sprache “Rom“ als eine Sprache ohne Territorium betrachtet wird, entspricht sie doch der Bestimmung in Art.1 (a), der als Minderheitssprache jene betrachtet, “die traditionell in einem Gebiet eines Staates von den Bürgern dieses Staates gebraucht wird, die eine zahlenmäßig kleinere Gruppe darstellen als die übrige Bevölkerung dieses Staates“.

[7] Cfr. “Situation of Roma in the candidate countries: background document“ von der Europäischen Union (Cocen Gruppe) beim Summit in Tampere, im Dezember 1999 angewandt.

[8] Empfehlungen n.R. (83) l des Komitees des Europäischen Ministerrates vom 22.Februar l983. Resolution des Europaparlamentes vom 24.05.1984

[9] UNO, Konvention über das Statut der Staatenlosen, unterzeichnet in New York am 28.9.1954 und die Konvention über die Verminderung der Fälle von Staatenlosigkeit, unterzeichnet in New York am 30.7.1961

[10] Jean-Pierre Liégeois, a.a.O. S. 309-310 

[11] Dieses Thema ist Gegenstand der Diskussion der ersten Begegnung der nicht-governativen Organisationen der Zigeuner-Frauen, die vom 28. bis 29. November 2002 in Wien stattfand, getragen von dem Europarat, den Organisationen für die Sicherheit und die Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und vom dem Europäichen Beobachter der Europäischen Union für das Phänomen des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit. Bei dieser Begegnung wurde auch entschieden ein Netzwerk der Information über die Zigeunerfrauen zu schaffen. Dieses Netzwerk ist am 8. März 2003 anlässlich des Welttags der Frau gestartet worden.

Es nehmen Zigeunerfrauen aus 18 Europäischen Ländern daran teil. Aus dieser Quelle haben wir auch die Informationen entnommen, die in diesem Referat verwendet wurden.Informationen über IRWN (International Roma Woman’s Network), e-mail the President: soraya.post@kortedal.goteborg.se

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