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 Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen Unterwegs

V. Weltkongress der Seelsorge für Zigeuner

Budapest, Ungarn, 30. Juni – 7. Juli 2003

Die heutigen Herausforderungen

Neue Erziehungsprojekte in einer interkulturellen Gesellschaft

 

S.Exz. Msgr. Szilárd Keresztes

Bischöflicher Promotor

Ungarn

 

Die Bedingungen, die Erwartungen, die Schwierigkeiten, die positiven Ergebnisse und die Misserfolge in der Einschulung und der beruflichen Ausbildung der Zigeuner, wie auch die Verwirklichung der Erziehungsprojekte stellen den Kern des ganzen komplexen Problems dar, welches heute die nicht leichte Situation der Zigeuner charakterisiert. Von einem Erziehungsprojekt sprechen bedeutet, von sozialen und wirtschaftlichen Perspektiven sprechen, genauer gesagt, von der Zukunft des Zigeunervolkes.

Für mein Referat konnte ich lediglich von den Daten und den Erfahrungen hier in Ungarn ausgehen. Ich bin den Autoren zweier gründlicher Studien in diesem Gebiet sehr dankbar. Sie wurden vom Institut der Erziehungsforschung durchgeführt. Die eine analysiert die Probleme, die mit der Grundschule verbunden sind: “Zigeunerkinder in der Grundschule“ (Havas Gábor, Kemény István, Liskó Ilona: Cigány gyereker az általános iskolában. Oktatáskutató Intézet, Budapest, 2002); die andere, noch nicht abgeschlossene Studie, bezieht sich auf die Mittelschule: “Zigeunerjugendliche in der Mittelschule“ (Liskó Ilona: Cigány tanulók a középfokú iskolákban. Oktatáskutató Intézet, Kultatás közben, Budapest 2002). Die Daten und die Folgerungen dieser Studien werden uns helfen eine Gesamtbewertung der Lebensbedingungen des Zigeunervolkes im Land zu erstellen und die Aufgaben und den Beitrag der katholischen Kirche in dem Gebiet der schulischen Erziehung der Zigeuner in einem größeren Rahmen zu sehen. Meine Bemerkungen und Folgerungen sind, wenigstens zum Teil, für Osteuropa gültig, ich hoffe aber, dass sie auch nützlich sein können für die Festlegung der Schwierigkeiten und der erzieherischen Möglichkeiten der Jugendlichen Zigeuner in anderen Ländern.

1. Das Phänomen der Ausschließung der Zigeuner

Um die Probleme des Schulbesuches der Zigeuner zu verstehen, muss man von der Situation der Trennung zwischen Mehrheitsbevölkerung und Zigeunern sprechen, was man heute mit dem Wort Ausschließung/Absonderung ausdrückt.

Die politische Situation nach dem Zweiten Weltkrieg hat das Leben der Zigeuner in beachtlicher Weise verändert. Nach dem Sieg über den Faschismus bekam dieses Volk, was so viel gelitten hat, mehr Sicherheit. Sie brauchten den Holocaust nicht mehr zu fürchten. Die neue Verfassung erklärte in der Tat, die vollkommene Gleichheit aller Bürger des Landes und verbot jegliche Diskriminierung aus ethnischen Gründen. So hätten also auch die Zigeuner Hauptakteure ihres eigenen Schicksals und der Politik der Nation sein können. Doch die industrielle und soziale Umwandlung, die ohne Vorbereitung und mit gewaltsamen Mitteln voranging, hat die Lebensbedingungen der Zigeuner geändert.

In den Nachkriegsjahren wurde festgelegt und streng kontrolliert, dass alle Bürger einen festen Wohnsitz hatten. Diese Verordnung machte das Nomadenleben der Zigeuner schwer, die so nach und nach ihre traditionellen Gewerbe aufgeben mussten. Jeder musste einen Arbeitsplatz haben, der auch im Personalausweis offiziell eingetragen sein musste. Ohne Arbeit zu sein, war ein Verbrechen. In dieser Epoche hatte die Wirtschaft des Landes ein enormes Bedürfnis an Arbeitskräften. Da die Zigeuner nun keinerlei berufliche Qualifikation hatten, waren sie gezwungen Stellen als Hilfsarbeiter, besonders in der Landwirtschaft, im Bergbau, in der Metallindustrie und im Bauunternehmen, anzunehmen.

Im ersten Jahrzehnt nach dem Kriege begann eine große industrielle Migration. Von den ärmeren Zonen Ostungarns fanden Hunderttausende Arbeit in den Industriezentren, weit entfernt von ihren Wohnungen. Um die großen Industrieunternehmen wurden neue Wohnzonen für die Arbeiter gebaut und viele Arbeiterfamilien zogen dorthin, darunter waren auch viele Zigeuner. Mit dem Verfall des kommunistischen Wirtschaftssystems, verloren viele Menschen ihren Arbeitsplatz. Manche konnten in ihre Heimatdörfer zurückkehren. Die Zigeuner aber, die keine Möglichkeit hatten, ein neues Leben anzufangen, waren arbeitslos und somit noch mehr von der übrigen Gesellschaft getrennt, auch weil sie gezwungen waren in einem sehr verwahrlosten Milieu zu leben.

Gewöhnlich lebten ganze Kolonien von Zigeunern am Rande der Dörfer. Zwei/drei Generationen wohnten zusammen in kleinen Baracken, in einem sehr beengten Raum, ohne Hygiene und ohne Komfort. In der Nachkriegszeit wollte man diese primitiven Wohnsiedlungen ausrotten, und man baute Häuser für die Zigeuner. Aber auch diese Wohnungen lagen am Rande der Dörfer und Städte und so bestand die Ausschließung weiter. Auch als die Zigeuner in den Dörfern Wohnungen und in den Städten Häuser besetzten, bildeten sich kompakte Wohnblöcke, wo sie auch wieder ziemlich abgetrennt lebten. Die Gründe für diese Ausgrenzung sind einmal der Wunsch der Zigeuner, zusammen leben zu können, und auf der anderen Seite die Verweigerung der Gadsche, nicht in der Nähe der Zigeuner leben zu wollen. Heute leben etwa 60% der Zigeuner in einer abseits gelegenen Gegend, welche die Randsituation und die soziale Ablehnung ausdrückt und vertieft, wodurch eine gesunde Integration in die Mehrheitsgesellschaft nicht gefördert wird.

Den jüngsten Studien zufolge ist das größte Hindernis für die Einschulung der Zigeuner-Kinder und -Jugendlichen eben dieses ausgegrenzt sein. Ideal wäre, die Zigeunerschüler wenigsten nach dem zehnten Lebensjahr in Schulen und schulische Gruppen zu teilen, je nach ihrem allgemeinen Prozentsatz, so könnten sich in einer Schule oder einer schulischen Gruppe etwa 5-8% Zigeuner befinden. Mit einem solchen Prozentsatz wäre es den Lehrern möglich, die Schwierigkeiten, auf die man bei der Unterrichtung der Zigeuner stößt, zu überwinden und sie langsam an die Verhaltensweise der anderen zu gewöhnen. Mit Hilfe der Schule und der Mitschüler werden sie dann fähig sein, dem Unterricht zu folgen, wie die andern. Wenn aber der Anteil der Zigeuner diese ’tragbare’ Grenze überschreitet, senkt sich das Niveau der Unterrichtung, es vermehren sich die pädagogischen Schwierigkeiten, und die Eltern der Gadsche versuchen ihre Kinder in eine andere Schule zu schicken. Während die Zigeuner, aufgrund ihrer Lebensbedingung, gezwungen sind, ihre Kinder in die ihren Wohnungen nahe gelegenen Dorfschule zu schicken, können die andern auch weiter entfernt gelegene Institute wählen, und so vergrößert dieses Prinzip der freien Wahl der Schule die schulische Ausgrenzung der Zigeuner noch mehr.

2. Die Zigeuner im ungarischen Schulsystem

In Ungarn ist der Schulbesuch Pflicht, wenigstens bis zum 14. Lebensjahr mit dem Volksschulabschluss. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ziemlich strenge Verordnungen erlassen, um dieser Pflicht nachzukommen. Die schulische Erziehung der Zigeuner war immer der schwierigste Punkt in diesem Sektor. Die Statistiken verkünden uns aber einen gewissen Erfolg in diesem Prozess. Der Prozentsatz der Zigeunerkinder, die nie eine Schule besucht haben betrug Ende der 50iger Jahre 13%, Anfang der 60iger Jahre 9%, und in der zweiten Hälfte desselben Jahrzehnts 6%. Ende der 70iger Jahre waren es 2%, und in den 80iger Jahren 1%. Das zeigt eine kontinuierliche Entwicklung.

Was nun die Grundschule betrifft, so sagt uns eine Umfrage von l992, dass 44% der Zigeunerkinder eine Schule besuchten, wo ihr Anteil mehr als 25% ausmachte, während in jenen Schulen nur 6,3% der Gadsche Kinder waren. Die demografische Veränderung hat dieses Verhältnis stark modifiziert. l992 gab es 31 Grundschulen mit mehr als 25% Zigeunerkindern, während sich l999 dieser Prozentsatz verdoppelt hat. Heute besuchen 18% der Zigeunerkinder eine Grundschule, wo sie die Mehrheit ausmachen, 30% wohnen in Dörfern mit weniger als 1.000 Einwohnern, auch dort stellen sie die Mehrzahl dar.

Es wurde festgestellt, dass sich in den letzten Jahren die Tendenz der Absonderung der Zigeuner in den Schulen verstärkt hat. Der Grund für dieses Phänomen ist ihre soziale Situation, die Ausgrenzung, die Arbeitslosigkeit, die Trennung von ihrem Wohnsitz, die wachsende Gleichgültigkeit der Mehrheitsbevölkerung, hervorgerufen durch die Krise, die Absicht, sie fern zu halten, aber auch die Unfähigkeit der Zigeuner selbst, die Möglichkeit auszuwählen zu kennen, und ihre eigenen Interessen zu verteidigen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Erziehungspolitik während der Zeit des Kommunismus die Schaffung von speziellen Schulen und getrennten Klassen für die Zigeuner bevorzugt hat. Da dieses Erziehungsmodell hohe finanzielle Zuwendungen bekam, waren die Schulleiter sehr an seiner Förderung interessiert. Doch in kurzer Zeit sah man, dass dies nicht von Vorteil für die Zigeuner war, im Gegenteil, es brachte die erzieherische Entwicklung in Gefahr. Doch leider hat man bis heute weder die Art und Weise, noch die Methode gefunden, um diese Tendenz der Ausgrenzung zu überwinden. Der Kultusminister hat vor, in wirksamer Weise eine integrierte Erziehung der Zigeuner und der Ungarn zu unterstützen und die Sprache und Kultur der Zigeuner in den Schulen zu fördern.

Die schulische Erziehung der Rom-Kinder muss sich mit besonderen Schwierigkeiten auseinandersetzen: Aufgrund der sozialen Situation, beginnen diese Kinder in der Schule bereits mit einem großen Nachteil, was Anpassung und Einfügung betrifft. Weil sie nur mangelhaft die ungarische Sprache beherrschen und einen sehr begrenzten Wortschatz haben, tun sie sich schwer beim Erlernen von Lesen und Schreiben; außerdem sind ihre Eltern Analphabeten und können ihnen folglich bei den Schulaufgaben nicht helfen. Oft erkennen sie auch nicht, wie wichtig die schulischen Ausbildung ist, auch gibt das Familienmilieu weder ausreichende Motivierung noch die notwendige Vorbereitung auf die Aufgaben der Schule; in den Dörfern sind auch oft die Kleinkinder bereits in den familiären Erwerb eingebunden und so bleiben sie in der Zeit der Saisonarbeit oft der Schule fern; die sexuelle Reife der Zigeuner beginnt bereits in der Grundschule und lenkt ihre Aufmerksamkeit ab und führt sie oft zu einer frühen Heirat.

Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, gibt es zwei Erziehungsarten: Die Sonderklassen in den Schulen und die Schulen oder Klassen mit ‚Unterstützung’ innerhalb derselben Schule.

Die Sonderklassen (felzárkóztató oszztályok) sind für die Kinder bestimmt, die bei der Einschulung in die Grundschule ernste Schwierigkeiten haben, dem normalen Unterricht zu folgen. Diese Kinder werden in kleinen Gruppen unterrichtet, und sie sollten so nach einigen Jahren diesen Mangel aufgeholt haben, um dann in den normalen Klassen weiterzumachen. Um das zu erreichen ist der Einsatz von hoch qualifizierten Pädagogen mit besonderer Ausbildung in Psychologie gefragt, damit die Entwicklung der Kinder nach ihren persönlichen Bedürfnissen gefördert werden kann. Ebenfalls sind Pläne und besondere Mittel notwendig. Für diese Art der schulischen Förderung ist eine erhöhte Finanzierung gefragt, doch diese Mittel bleiben leider oft aus. Aus Mangel an Mitteln oder auch wegen Personalfragen führt diese Form der Entwicklung in den Sonderklassen nicht zum Aufstieg in die allgemeinen Klassen, sondern sie bleiben eine reduzierte Form der Unterrichtung und somit ein weiterer Faktor der Absonderung.

Die Schule und die Unterstützungsklassen müssen der Erziehung derjenigen dienen, die nicht in der Lage sind, dem regulären Unterricht der Grundschule zu folgen: Die Behinderten oder die geistig Rückständigen und die Kinder, die nach dem Kindergarten als nicht geeignet für die Grundschule erklärt wurden. Die Erklärung der “Eignung für die Schule“, wie auch die Bescheinigung des “nicht geeignet Seins“ werden von den Pädagogen des Kindergartens oder von besonderen Kommissionen erstellt.

Diese Art der Erziehung müsste den Jugendlichen, die wirklich unfähig sind, den allgemeinen Anforderungen der Schule zu entsprechen, eine Art von reduziertem Unterricht anbieten. Da diese Form der Unterrichtung eine zusätzliche Finanzierung erhält, sind die Schulen daran interessiert solche Gruppen zu bilden. Doch dies kann leicht als Mittel genutzt werden, die “schwierigen“ Schüler, also die, die Schwierigkeiten machen können oder die eine besondere Aufmerksamkeit verlangen, von den andern zu trennen. Die Zigeunerkinder sind oft Opfer dieser Abtrennung. Manchmal sind es die Lehrer, die Schwierigkeiten verhindern oder besonderen Mühen aus dem Wege gehen wollen, aber öfter sind es die Eltern der Gadsche-Kinder, die die Schulverwaltung unter Druck setzen, damit sie die Zigeuner aus den Gruppen, zu denen ihre Kinder gehören, wegnehmen. Da die normative Finanzierung der Schulen von der Zahl der Schüler abhängt, wollen die Schulen kein Kind verlieren, so schließen sie oft einen Kompromiss zum Schaden der Zigeunerkinder, indem sie für sie Unterstützungsgruppen bilden. Diese Tendenz können wir in vielen Schulen beobachten, und so werden diese Sondergruppen eine andere Form für die Ausgrenzung der Zigeuner. Oft können wir auch feststellen, dass einige Schulen den Zigeunern raten, für ihre Kinder eine andere Schule zu wählen und dabei auf die Tatsache hinweisen, dass dort “schon viele Zigeuner“ sind, oder dass “diese Schule die Zigeunerkinder gern hat“. Sehr oft werden die kirchlichen Schulen empfohlen.

Durch das Gesetz der ‚privacy’ von l993, ist es verboten, die Zigeunerschüler in den Schulen getrennt zu registrieren, deshalb sind die Daten, ihre Ausbildung betreffend auf die Erfahrung oder auf die Kalkulation gegründet. Die Zahl der Unterstützungsgruppen ist seit den 60iger Jahre in konstantem Anstieg. l985 gehörten etwa 18% der Zigeunerkinder dazu, im Jahre 2002 hatte die Zahl fast 22% erreicht. Nach den Daten der schon erwähnten Forschung waren in den untersuchten Gruppen 84,2% der Schüler Zigeuner, und nur 15,8% waren Nicht-Zigeuner.

In den Unterstützungsschulen und in den Grundschulen, wo die Anwesenheit der Rom die Mehrheit bildet, sind viel schlechtere Verhältnisse zu verzeichnen, als in den anderen Schulen. Im allgemeinen sind die Gebäude in schlechtem Zustand, oft fehlt es an notwendigem und obligatorischem Lehrmaterial, es besteht kaum eine Möglichkeit für eine Fachausbildung oder eine fakultative Ausbildung, und oft sind die Lehrer auch nicht ausreichend qualifiziert. Auch trifft die Finanzierung dieser Schulen auf große Schwierigkeiten, denn außer den Kosten für die Führung der Schule müssen noch viele soziale Bedürfnisse der Kinder, deren Eltern nicht in der Lage sind zu zahlen, gedeckt werden: Kleider, Ernährung, Schulbücher, Medikamente.

3. Pädagogische Aufgaben und erzieherische Herausforderungen

Aus all dem erkennen wir schon die Herausforderungen und die Aufgaben, die uns bevorstehen, um eine angebrachtere Bildung dieser Volksgruppe zu erreichen.

Die Eltern der Schüler und das familiäre Milieu helfen im allgemeinen der Schule nicht viel in der Erfüllung ihrer Aufgaben. Eltern ohne schulische Bildung verstehen nicht die pädagogischen Anforderungen und deshalb zeigen sie den Lehrern gegenüber ein gewisses Misstrauen. Im Kontakt mit der Schule sind sie nicht aktiv, sie sind auch nicht in der Lage ihren Kindern die nötige Hilfe zu geben. Dieses Misstrauen zeigt sich ganz deutlich, wenn es sich um Fehler und Vergehen der Schüler handelt. In diesen Fällen wollen die Eltern ihre Kinder gegen die Schule “verteidigen“. Sie nehme so klar Partei für ihre Kinder und stehen nicht auf der Seite der Lehrer. Da eine ganz enge Familienbindung besteht, lösen sich die Kinder, besonders die kleineren, nur schwer von dem familiären Umfeld. Das führt zu besonderen Schwierigkeiten im Kindergarten. Der Großteil der Zigeuner-Eltern ist nicht in der Lage untern den verschiedenen Bildungsmöglichkeiten zu wählen, und so gibt die Schule keinen ausreichenden Beitrag für die Zukunft der Jugendlichen.

Es ist von äußerster Wichtigkeit, das Vertrauen der Eltern zu erobern. Das verlangt Verständnis, Bescheidenheit und Geduld. Die schulische Erziehung kann nur wirksam sein, wenn die Lehrer von innen heraus das Familienleben der Schüler kennen. Hier genügt es nicht, nur einfach keine Diskriminierung oder keine Verachtung zu zeigen, denn nur eine volle Öffnung und eine unbegrenzte Bereitschaft können eine Atmosphäre schaffen, in der eine fruchtbare Erziehung gedeiht. Hier zeigt sich ein Gebiet, wo die evangelische Mission erzieherische Perspektiven geben könnte.

Als eine ganz spezielle Aufgabe muss die Bedeutung des Kindergartens hervorgehoben werden. Die sechsjährigen Kinder sollten nach einer Vorbereitung im Kindergarten in die Grundschule kommen. In Ungarn ist diese Vorbereitung Pflicht; so werden für diejenigen, die nicht den Kindergarten besucht haben Vorbereitungskurse organisiert. Die wichtigste Aufgabe des Kindergartens ist, die Zigeunerkinder an eine schulische Umgebung zu gewöhnen und an das notwendige Verhalten dort. Das verlangt einen Kindergarten, wo die Kinder in einer liebenden erzieherischen Umgebung und in einer sicheren Zuneigung wie in einer Familie leben können, und wo sie sich durch spielerische und motorische Aktivitäten auf die Aufgaben in der Schule vorbereiten können.

Die Aufgabe jedes Schultyps ist es, die Vorurteile und die Diskriminierung seitens der Nicht-Zigeunerschüler zu beseitigen, denn oft spiegeln sich die Vorurteile, die in der Familie aufgenommen wurden, in der Schule wider. Hier ist das Verhalten der Lehrer und vor allem das der Schulleiter entscheidend. Denn wenn sie strikt jede Art von Diskriminierung ablehnen und mit erzieherischer Vorsicht die Mentalität aller Schüler formen, dann kann man hoffen, dass die Schulen es fertig bringen, sich von diesem erzieherischen Hindernis zu befreien.

In den Schulen, wo sich Zigeuner-Schüler befinden, verlangt die pädagogische Arbeit eine spezielle Ausbildung der Lehrer im Gebiet der Psychologie, um die Mentalität der Zigeuner zu verstehen und den jungen Rom bei ihrer persönlichen Entwicklung zu helfen, und um die Konflikte zwischen Zigeuner- und Nicht-Zigeuner-Schülern, zwischen Eltern und Schule herauszufinden. Eine ganz besondere Aufgabe ist es, den jungen Zigeunern zu helfen, ihren Minderwertigkeitskomplex, die ‚Niederlagen’ oder das Versagen in der Schule zu überwinden. Diese Schüler beginnen die Schule mit einem bemerkenswerten Nachteil, was die Sprache betrifft; deshalb müssen die Lehrer vorbereitet sein, die grammatischen Fehler zu verbessern und ihren Wortschatz zu bereichern. Diese Aufgabe darf nicht begrenzt sein auf den Sprachunterricht, sondern sie müsste Teil der anderen Unterrichtsfächer sein. Auch sollten die Lehrer die Geschichte, die Kultur und die Kunst der Zigeuner kennen, Materien, die, wenn alle Schüler darin unterrichtet würden, ein Klima schaffen könnten, was für die Ausbildung der Zigeuner von Vorteil wäre.

Zusammenfassung

In diesem Vortrag wollte ich die Herausforderungen und die Aufgaben, die mit der schulischen Ausbildung der Zigeuner verbunden sind, darlegen. Ich bin mir bewusst, dass es sich hier um ein sehr negatives Bild handelt, welches uns vor zahlreiche Fragen stellt und Zweifel und Fehler aufzeigt. Aber es kristallisieren sich auch Grundlagen einer Pädagogik heraus, die fähig sind das Leben und die Kultur unserer Zigeunerbrüder zu verwandeln.

Aus den in diesen Seiten enthaltenen Bemerkungen, stellt sich die Notwendigkeit, ich möchte sagen die Dringlichkeit einer Liebe und einer uneingeschränkten Verpflichtung den Zigeunern gegenüber heraus. Ich bin überzeugt, dass ihre Erziehung einen Dienst der christlichen Liebe und der seelsorglichen Mission der Kirche verlangt. Gerade das können wir den jungen Zigeunern anbieten, um ihre Lebenssituation zu verbessern und um sie als Kinder Gottes einzuschließen in die christliche Familie und die Gesellschaft.

Gott sei Dank fehlt es nicht an Initiativen und positiven Ergebnissen. Es gibt Beispiele von christlichen Schulen und Institutionen, die diese Ideale schon in die Wirklichkeit umsetzen. Ich glaube, dass die Berichte des Rundtisches über die Schule diese meine Gedanken ergänzen und Euren erzieherischen Bemühen helfen werden.
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