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 Pontifical Council for the Pastoral Care of Migrants and Itinerant People

People on the Move

N° 98, August 2005 

 

 

Ökumenische Dimensionen 

in der Instruktion

„Erga migrantes caritas Christi“

 

S.Exz. Msgr. Josef VOSS

Vorsitzender der Kommission für Migration

der Deutschen Bischofskonferenz

 

Diese Instructio des „Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs“ vom 3. Mai 2004 ist von ihrer Zielrichtung her nicht ein Lehrschreiben, das sich mit Fragen des katholischen Glaubens und der Ökumene auseinandersetzt, sondern hat eine praktische, eine pastorale Zielrichtung: Wie kann die Kirche in der Sorge Jesu um die Menschen den Migranten und den Menschen unterwegs heute gerecht werden? – Von daher werden in dieser Instructio ökumenische Fragen als solche nicht thematisiert.

Aber die ökumenische Herausforderung und Aufgabe ist das kostbare Vermächtnis, das uns der verehrte Papst Johannes Paul II. hinterlassen und aufgegeben hat: nämlich mitzuarbeiten an der sichtbaren Einheit der Kirche im Glauben aus einer neuen Umkehr zum Evangelium Jesu Christi. Diese Ausrichtung der Instruktion wird bereits in der Einleitung vorgezeichnet:

„Wir haben deshalb diese Instruktion ins Auge gefasst, die vor allem auf die neuen spirituellen und pastoralen Bedürfnisse der Migranten antworten und die Erfahrung der Migranten immer mehr zu einem Mittel des Dialogs und der Verkündigung der christlichen Botschaft machen möchte. … Wir gehen auch auf die besonderen Erfordernisse der immer zahlreicheren Emigranten von Gläubigen der katholischen Ostkirchen ein. Es besteht ebenso die Notwendigkeit einer ökumenischen Sicht des Phänomens, da es in den Migrationsströmen Christen gibt, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, und einer interreligiösen Sicht aufgrund der immer höheren Zahl von Migranten anderer Religionen, im besonderen von Muslimen. Schließlich dürfte es notwendig sein, eine Pastoral zu fördern, die für neue Entwicklungen in unseren pastoralen Strukturen offen ist, zugleich aber die Gemeinschaft zwischen Mitarbeitern in der Seelsorge und der örtlichen Hierarchie sicherstellt“ (EmcC 3.).

Von daher befasst sich dieser Beitrag ausdrücklich mit den ökumenischen Dimensionen, die die vorliegende Instruktion prägen.

In einem ersten Kapitel möchte ich den umfassenden und grundlegenden Kontext darstellen; das zweite Kapitel befasst sich mit den ökumenischen Dimensionen der Instruktion; im dritten Kapitel folgen einige Konsequenzen. Bei diesen Ausführungen stehen einige kirchliche Erfahrungen aus der Migrationsarbeit in Deutschland im Hintergrund. 

1. Der umfassende Auftrag. 

Das ökumenische Bemühen geht ausdrücklich dahin, mitzuwirken, dass die Kirche, die Jesus Christus gegründet hat und die in der katholischen Kirche subsistiert, jene sichtbare Einheit im Glauben und jene Gemeinschaft wieder findet, die Jesus von ihr will:

„1. Die Einheit aller Christen wieder herstellen zu helfen, ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils. Denn Christus der Herr hat eine einige und einzige Kirche gegründet, und doch erheben mehrere christliche Gemeinschaften vor den Menschen den Anspruch, das wahre Erbe Jesu Christi darzustellen; … Eine solche Spaltung widerspricht aber ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen.

Der Herr der Geschichte aber, der seinen Gnadenplan mit uns Sündern in Weisheit und Langmut verfolgt, hat in jüngster Zeit begonnen, über die gespaltene Christenheit ernste Reue und Sehnsucht nach Einheit reichlicher auszugießen“ (Dekret über den Ökumenismus 1).

Vor diesem Hintergrund befasst sich die ökumenische Bewegung mit dem Miteinander der christlichen Kirchen und christlichen Gemeinschaften und könnte somit als ein innerchristliches Anliegen bezeichnet werden; sie darf aber nicht auf diese innerchristliche Fragestellung eingeengt und reduziert werden, sondern muss in einem größeren Kontext gesehen werden.

1.1 Der biblische Befund.

Die Instructio „Erga migrantes caritas Christi“ geht von der in der Bibel grundgelegten Glaubensüberzeugung aus, dass die Menschen eine große Menschheitsfamilie sind; die Migrationsarbeit der Kirche ist nicht nur ein moralischer Anspruch, sondern sie ist Teil des Heilsplanes, den Gott mit der Welt geht: „Dadurch, dass die Migrationen die zahlreichen Mitglieder der menschlichen Familie einander näher bringen, sind sie tatsächlich ein Element im Aufbau eines immer umfangreicheren und vielfältigeren Gesellschaftskörpers, gleichsam als eine Fortsetzung jener Begegnung von Völkern und Rassen, die durch die Gabe des Heiligen Geistes an Pfingsten kirchliche Brüderlichkeit wurde“ (EmcC = „Erga migrantes caritas Christi“ 12).

Die uralte Erzählung von der Erschaffung der Welt und der Erschaffung des Menschen stellt dar, wie die Welt von ihrer Ordnung her nach dem Willen Gottes sein sollte und wie den Menschen in der Welt das Leben gelingen kann - im Vertrauen und in Freundschaft zu Gott, dem Schöpfer der Welt und dem Freund der Menschen und im Vertrauen zum anderen Menschen in Gerechtigkeit und Frieden.

Dass die Welt und das Miteinander der Menschen nicht so sind, wie sie sein sollten, gehört zur Lebenserfahrung der Menschen; sie leben nicht in Gerechtigkeit und Frieden miteinander. Die natürlichen Lebenszusammenhänge unter den Menschen wie auch unter den Völkern sind gestört. Notwendige Lebensordnungen sind nicht nur zufällig einmal, sondern dauernd gefährdet, so dass sich der Mensch in seinem Leben bedroht fühlt und bis in die Mitte seines Lebens verstört ist und Angst hat.

Die Bibel weiß darum und bezeichnet die Mächte der Lebensstörung und -zerstörung mit dem Wort Sünde. Sünde und Tod gehören eng zusammen. Letztlich lässt sich die Sünde zurückführen auf eine Überheblichkeit, in der sich das Geschöpf über den Schöpfer stellt; die Sünde liegt aber nicht nur im individuellen Fehlverhalten, sondern zeigt sich auch in zerstörenden Strukturen von Machtmissbrauch und Ungerechtigkeit in der Welt; im Zusammenhang mit Migration sind vor allem zu nennen totalitäre Systeme, nationalistische Ideologien, Armutsgefälle, unsoziale Wirtschaftsordnungen und Kriege.

Die Frage Gottes an Kain: „Wo ist dein Bruder Abel?“ bleibt ebenso aktuell wie die Reaktion Kains: „Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders?“ (Gen 4,9). Darin steckt die Grundhaltung: Was geht mich der andere Mensch an? Wo das menschliche Miteinander so zerstört ist, hat der Mensch kein Zuhause mehr. Von Kain heißt es weiter, dass er rastlos und ruhelos auf der Erde war, bis er die Stadt Henoch gründete (Gen 4). Die Geschichte vom Turmbau zu Babel ist die Geschichte von Menschen, die sich einen Namen machen wollen, indem sie einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel bauen. Die Folge ist, dass sie einander nicht mehr verstehen und über die ganze Erde zerstreut werden. Die Sprache Babel steht für die Verwirrung der Sprachen in der Welt, damit aber auch für die konfliktreiche Vielfalt und Abgrenzung von Sprachen und Kulturen sowie das Sich-Absolutsetzen von Völkern und Nationen. Migration, Flucht und Fremde gehören zu den Bedingungen des Lebens in unserer gestörten Welt – sowohl im individuellen Bereich als auch in der sozialen und politischen Ebene. 

1.2 Zur Sendung der Kirche in der Migrationsarbeit.

Die dogmatische Konstitution über die Kirche sagt im ersten Kapitel: „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (1).

Wenn man diese Aussage des Konzils ernst nimmt, dann ist Migrationsarbeit seitens der Kirche nicht nur ein moralischer Auftrag, von dem sich die Kirche eventuell distanzieren könnte, sondern sie gehört wesentlich zur Sendung der Kirche, nämlich in dieser gestörten Welt prophetisch darzustellen, wie die eine Menschheit aus vielen Sprachen und Nationen das eine Volk Gottes sein kann in Gerechtigkeit und Frieden. 

Alle Formen von Spaltung und Vertreibung und Flucht und Fremde sind Zeichen einer gestörten Welt. Die eine Menschheitsfamilie zu sein aus vielen Sprachen und Nationen und Kulturen ist eine Etappe auf dem Wege zu dem einen Volk Gottes, gehört zur inneren Sendung der Kirche, gehört wesentlich zum Heilsauftrag der Kirche.

So stellt es auch die Instructio dar: „Die Kirche hat in den Migranten immer das Bild Christi gesehen, der gesagt hat: ‚Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen’ (Mt 25,35). Ihre Lebensumstände sind für die Kirche also eine Herausforderung an den Glauben und an die Liebe der Gläubigen, die so angehalten werden, die von den Migrationen herrührenden Übel zu heilen. Sie reizt dazu, den Plan zu entdecken, den Gott mit den Migrationen verwirklicht, auch wenn sie manchmal von offensichtlichen Ungerechtigkeiten verursacht sind“ (EmcC 12).

Dieser umfassende Zusammenhang ist zu bedenken, um die ökumenischen Dimensionen der Instructio recht beurteilen zu können. Es geht eben nicht nur um eine innerkirchliche Angelegenheit, sondern um das Heil der Welt. Darum bemüht sich die Kirche in einem recht verstandenen Ökumenismus nicht nur um die gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, sondern um eine gute Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens, zum Aufbau einer erneuerten Menschheit.

1.3 Heilsgeschichte - auch eine Geschichte der Migration.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, wie die vorliegende Instructio ihre Aufgabe sieht: „Wir können also das gegenwärtige Migrationsphänomen als ein sehr bedeutsames ‚Zeichen der Zeit’ betrachten, als eine Herausforderung, die es beim Aufbau einer erneuerten Menschheit und in der Verkündigung des Evangeliums des Friedens zu entdecken und zu schätzen gilt“ (EmcC 14).

Wir haben noch nicht genügend verinnerlicht, dass die Geschichte des alten und des neuen Israels, der Kirche, eine Geschichte der Migration ist.

Die Geschichte Israels weist die ganze Bandbreite menschlicher Erfahrungen auf. Wanderung und Flucht gehören zum menschlichen Leben. Es ist kein Zufall, dass sowohl die Glaubensgeschichte Israels als auch die Geschichte der Kirche als eine Geschichte der Migration betrachtet werden können. Auswanderung aus der Heimat aufgrund von Not, von Erfahrung von Unterdrückung, Fremde und Heimatlosigkeit sowie die Befreiung in eine neue Zukunft hinein, das sind die Grunddaten einer Theologie in Israel und bleiben gültige Erfahrungen in seiner Glaubensgeschichte.

Diese Geschichte setzt sich fort im Neuen Testament. Nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte machte die junge Kirche ähnliche Erfahrungen. Aufgrund einer heftigen Verfolgung mussten die Angehörigen der Urgemeinde aus Jerusalem fliehen. Migranten und Flüchtlinge, die nach Phönizien, Zypern und Antiochien kamen, brachten dorthin die Frohe Botschaft von Jesus Christus. In Antiochien gingen die judenchristlichen Migranten und Flüchtlinge auf die Griechen zu. Diese nahmen die neue Botschaft an und verstanden sie im kulturell religiösen Kontext neu. Es fanden noch heftige Auseinandersetzungen statt, bis dieser Prozess von der judenchristlichen Gemeinde akzeptiert wurde (Apg 11 und 15).

Aufbruch, Auswanderung, Migration, Flucht und Fremde sind nicht vorübergehende Phänomene einer bestimmten Zeit, sondern sind und bleiben Grundgegebenheiten des Lebens in der Welt. Sie dürfen auch nicht einseitig negativ gesehen werden. Migration bedeutet auch Begegnung mit anderen Menschen, mit anderen Sprachen und Kulturen. Sie bedeutet auch Erweiterung des Horizontes und Ergänzung. Daraus erwachsen neue Chancen für Wachstum und Reife.

Wenn es darum in der Nummer 12 der Instructio heißt: Die Kirche hat in den Migranten immer das Bild Christi gesehen, der gesagt hat: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25,35), so ist das nicht nur ein moralischer Appell. Vielmehr ist Gott in Jesus von Nazareth Mensch geworden und hat das Schicksal der Menschen geteilt bis zum Letzten, auch bis dahin, dass er selbst nicht zu Hause geboren wurde, sondern in Bethlehem, wo kein Platz für ihn war; er selbst musste fliehen vor Herodes und war „politischer“ Flüchtling nach Ägypten hin; er wurde aus der Stadt herausgeführt und gekreuzigt, hängend zwischen Himmel und Erde. Gott hat in Jesus von Nazareth das Schicksal der Menschen geteilt. In Jesus von Nazareth hat Gott selbst ein menschliches Gesicht angenommen, gerade auch das Gesicht des Fremden und des Flüchtlings. Und in ihm hat Gott den Menschen angenommen, jeden Menschen. Gott hat die Menschheit angenommen und darin liegt ihr Heil und ihre Hoffnung. In dieser Perspektive ist Migrationsarbeit der Kirche zu verstehen.  

2. Ökumenische Herausforderungen.

Die Darlegung dieses umfassenden Kontextes war notwendig, um die Ökumenischen Dimensionen der Instructio recht gewichten zu können. Es geht nicht nur um die pragmatische Frage der mehr oder weniger guten Zusammenarbeit der Kirchen und der kirchlichen Gemeinschaften, sondern um die Heilssendung der Kirche in eine verstörte und oft zerrissene Welt. Es geht letztlich um das Heil der Menschen, und dass diese Welt wieder ein wenig mehr heil wird. In der Kirche soll anfangshaft, verborgen und doch wirklich Gottes Reich beginnen zu wachsen, das „Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“. Die Instructio eröffnet eine solche heilsgeschichtliche Perspektive: 

„(12)… Dadurch, dass die Migrationen die zahlreichen Mitglieder der menschlichen Familie einander näher bringen, sind sie tatsächlich ein Element im Aufbau eines immer umfangreicheren und vielfältigeren Gesellschaftskörpers, gleichsam als eine Fortsetzung jener Begegnung von Völkern und Rassen, die durch die Gabe des Heiligen Geistes an Pfingsten kirchliche Brüderlichkeit wurde.

Wenn einerseits die Leiden, die Migrationen begleiten, in der Tat Ausdruck der Geburtswehen einer neuen Menschheit sind, zeigen andererseits die Ungleichheiten und das Ungleichgewicht, deren Folge und Ausdruck die Migrationen sind, in Wahrheit den Riss, der durch die Sünde in die Menschheitsfamilie kam, und erweisen sich daher als ein schmerzhafter Aufruf zu wahrer Brüderlichkeit.

(13.) Diese Sicht führt uns dazu, die Migrationen in die Nähe jener biblischen Ereignisse zu stellen, die die Etappen des mühsamen Wegs der Menschheit hin zur Geburt eines Volkes jenseits von Diskriminierungen und Grenzen kennzeichnen, dem die Gabe Gottes für alle Völker anvertraut und das für die ewige Berufung des Menschen offen ist. Der Glaube erkennt darin nämlich den Weg der Patriarchen, die, getragen von der Verheißung, zum zukünftigen Heimatland streben, und den Weg der Israeliten, die mit dem Durchzug durch das Rote Meer aus der Sklaverei befreit werden und mit dem Auszug zum Volk des Bundes werden …

(14.) Wir können also das gegenwärtige Migrationsphänomen als ein sehr bedeutendes „Zeichen der Zeit“ betrachten, als eine Herausforderung, die es beim Aufbau einer erneuerten Menschheit und in der Verkündigung des Evangeliums des Friedens zu entdecken und zu schätzen gilt“.

2.1 Die gemeinsame Grundlage.

Diese Perspektive ist von großer ökumenischer Bedeutung, weil sie die Grundlage ist, die über alle Grenzen den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gemeinsam ist und sie verbindet. Zugleich ist sie wirksam für ein gemeinsames Zeugnis der Christen gegenüber der Welt und für den kirchlichen Dialog „ad intra und ad extra“ (EmcC 27). Aus der jüdisch-christlichen Glaubenstradition erfährt z. B. die Rede von der unantastbaren Würde des Menschen und von den sich daraus ergebenden Menschenrechte ihre letzte Begründung. Die Würde des Menschen, mit dem sich letztlich Gott in Christus selbst identifiziert, ist Dreh- und Angelpunkt aller Migrationsarbeit der Kirchen und der kirchlichen Gemeinschaften.

Das hat sich aus dem Erfahrungsfeld des Verfassers ausdrücklich gezeigt in der Erarbeitung und Veröffentlichung des Dokumentes „… und der Fremdling, der in Deinen Toren ist“ - Gemeinsames Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht; herausgegeben vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, 1997.

2.2 Die Ökumenische Perspektive in der Inkulturation.

Zur ökumenischen Perspektive gehört, die jeweilige Kultur ernst zu nehmen, in die sich das Glaubensleben inkulturiert hat. Darum ist es ein grundlegendes Anliegen der Instructio, dass die Migranten ihren Glauben jeweils in ihrer eigenen Kultur und Tradition leben können (EmcC 35).

Von daher legt es sich nahe, zunächst die beiden Ausprägungen des kirchlichen Glaubenslebens ernst zu nehmen, wie sie sich in der Geschichte herausgebildet haben: Einerseits in der lateinischen Kirche und andererseits in den katholischen Ostkirchen (EmcC 3). Darauf geht die Instructio ausführlich ein. Die Kirche greift diese Situation auf, indem sie neben dem Codex des Kanonischen Rechtes für die lateinische Kirche die Gesetzgebung für die katholischen Ostkirchen (CCEO) promulgierte (EmcC 3 und 24). 

Beide Gesetzbücher zielen darauf hin, den Migranten sowohl der lateinischen Kirche als auch der katholischen Ostkirchen eine ihnen jeweils entsprechende Seelsorge zu sichern und die notwendigen Strukturen dafür zu schaffen (EmcC 24), bis hin zur Errichtung eigener Eparchien (EmcC 26).

2.3 Notwendige pastorale Strukturen.

Die Kirche sieht sich in Pflicht genommen, die Seelsorge für die Migranten, die ihr angehören, durch entsprechende Strukturen zu sichern.

Das bedeutet nicht Abschottung und Isolation. Vielmehr hebt die Instructio pastorale Errungenschaften hervor, die die Kirche verteidigt und die zugleich zentrale Grundwerte und Menschenrechte sind, die gemeinsame Grundlage sind in einem demokratischen Rechtsstaat und über konfessionelle und religiöse Grenzen hinaus verbinden in einer echt ökumenisch ausgerichteten Migrationsarbeit (EmcC 27), ohne in falschen Relativismus zu verfallen (EmcC 30). Es heißt in der Nummer 27:

„Neben den kirchenrechtlichen Bestimmungen führt uns eine aufmerksame Lektüre der (kirchlichen) Dokumente … dazu, einige wichtige theologische und pastorale Errungenschaften zu unterstreichen, und zwar: Die Zentralität der Person und die Verteidigung der Rechte von Mann und Frau als Migranten sowie die ihrer Kinder; die kirchliche und missionarische Dimension der Migrationen; die Aufwertung des Laienapostolates; der Wert der Kulturen im Werk der Evangelisierung; der Schutz und die Wertschätzung der Minderheiten, auch innerhalb der Kirche; die Bedeutung des kirchlichen Dialogs ad intra und ad extra; den spezifischen Beitrag der Immigration für den allgemeinen Frieden. … In der Kirche müssen nämlich alle ihr  Â‚Vaterland’ finden“.

In der Nummer 30 wird ausgeführt: „Die kulturelle Vielfalt fordert so den gegenwärtigen Menschen auch zum Dialog und zur Auseinandersetzung über große existentielle Fragen auf, wie den Sinn des Lebens und der Geschichte, des Leidens und der Armut, des Hungers, der Krankheit und des Todes. Die Öffnung auf unterschiedliche kulturelle Identitäten bedeutet jedoch nicht, alle ungeprüft anzunehmen, wohl aber sie zu respektieren – weil sie zu der menschlichen Person gehören – und gegebenenfalls in ihrer Verschiedenheit zu schätzen. Die ‚Relativität’ der Kulturen ist übrigens auch vom II. Vatikanischen Konzil unterstützt worden (vgl. GS 54, 55, 56, 58). Die Pluralität bedeutet Reichtum, und der Dialog ist schon – wenn auch unvollkommene und ständiger Entfaltung bedürftige – Verwirklichung jener endgültigen Einheit, die die Menschheit anstrebt und zu der sie berufen ist“.

Eine solche Inkulturation kann allerdings nur gelingen, wenn sie in einer Kultur der Aufnahme gründet. Die eine Kirche aus vielen Sprachen und Kulturen – dazu genügt es nicht, dass Gemeinden sich mit Gesten brüderlicher Hilfe und Betreuung begnügen oder spezifische Gesetzesvorhaben für eine würdevolle Integration der Migranten unterstützen, so notwendig das ist. „Die Christen müssen nämlich Initiatoren einer wahren und wirklichen Kultur der Aufnahme sein (vgl. EEu 101 und 103), die die echten menschlichen Werte der anderen über alle Schwierigkeiten hinaus zu schätzen weiß, die das Zusammenleben mit jemandem, der von uns verschieden ist, mit sich bringt“ (EmcC 39).

2.4 Differenzierung in der ökumenischen Perspektive.

Angesichts eines religiösen Pluralismus sieht die Instructio für den Glauben die Gefahr eines Relativismus und Synkretismus auf dem Gebiet der Religion (EmcC 48). 

Vor diesem Hintergrund skizziert die Instructio spezifische Herausforderungen für eine ökumenisch orientierte Migrationsarbeit. Grundsätzlich geht sie davon aus, dass Pluralität Reichtum bedeutet (EmcC 30).

Im Hinblick auf die katholischen Migranten steht die Pastoral vor der Situation, dass Sprache, Ursprung, Kultur, Ethnie und Tradition sehr verschieden sind. Die Herausforderung besteht darin, dass zu der Entwurzelung durch die erzwungene Migration nicht noch die Entwurzelung aus dem eigenen Ritus oder letztlich aus einer bestimmten religiösen Identität hinzukommt (EmcC 49 und 50). Wie dieser Gefahr zu begegnen ist, dazu zeigt die Instructio verschiedene und zum Teil sich ergänzende Wege auf.

Besondere Aufmerksamkeit widmet die Instructio den katholischen Migranten des ostkirchlichen Ritus und weist ausdrücklich hin auf die Verpflichtung, den jeweils eigenen Ritus zu beachten (EmcC 52). Es geht darum, das Recht der Migranten des ostkirchlichen Ritus zu achten. Davon war auch schon vorher die Rede.

Und noch einmal weitet die Instructio den Blick auf die Migranten anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften

Sie geht grundsätzlich davon aus, dass die immer zahlreichere Präsenz christlicher Immigranten, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, eine Bereicherung ist und neue Möglichkeiten schafft, „die ökumenische Brüderlichkeit im konkreten Alltag zu leben und in Abgrenzung von einem oberflächlichen Irenismus und Proselytismus ein größeres gegenseitiges Verständnis zwischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu schaffen. Es geht darum, jenen apostolischen Geist der Liebe zu haben, der einerseits die Gewissen anderer respektiert und das Gute, das er findet, anerkennt, der aber auch auf den Zeitpunkt warten kann, um ein Werk einer tieferen Begegnung zwischen Christus und dem Bruder zu werden. (EmcC 56)

Es ist eine ökumenische Selbstverständlichkeit und zeugt von vielfältigen und langjährigen Erfahrungen in vielen Ländern, dass die katholische Kirche anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die mit ihr nicht in voller Gemeinschaft stehen, nach besten Kräften zu Hilfe kommt in schwierigen pastoralen Situationen und umgekehrt. Wo es notwendig ist, sollen Priestern, Amtsträgern und Gemeinden anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften seitens der katholischen Kirche Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden und die entsprechende Ausstattung geliehen werden, damit sie ihre Glaubensfeiern und Gottesdienste begehen können. Ähnliches gilt für die Nutzung katholischer Friedhöfe.

Hingewiesen wird auch auf die Möglichkeit pastoraler Begleitung und Hilfe in seelischen Notlagen. Die gemeinsame Erfahrung aus Zeiten der Verfolgung, des Lageraufenthaltes und der Not haben viele ökumenische Wege zueinander geebnet. Für die gesamte Arbeit unterstreicht die Instructio nachdrücklich den Grundsatz, den das Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus enthält: „Die Katholiken sollen der liturgischen und sakramentalen Ordnung der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften aufrichtige Achtung erweisen, so wie jene um die selbe Achtung gegenüber der katholischen Disziplin gebeten werden“ (EmcC 58).

Von besonderer Bedeutung ist die Ökumene des alltäglichen Lebens gegenseitiger Hilfe und Achtsamkeit und Achtung. Von besonderer Bedeutung können die großen liturgischen Feste der verschiedenen Konzessionen sein, die traditionellen Weltfriedenstage und Welttage der Migranten und Flüchtlinge sowie die jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen (EmcC 58).

2.5 Qualitativ anders mit nicht-christlichen Religionen.

Von den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften wesentlich unterschieden sind die Migranten anderer, nicht-christlicher Religionen.

Wiederum geht die Instructio von der Tatsache aus, dass sich in den Ländern alter christlicher Tradition die Zahl der Immigranten anderer Religionen immer mehr erhöht hat. Ausdrücklich verweist die Instructio auf die grundlegenden Aussagen der entsprechenden lehramtlichen Äußerungen der Kirche: Auf die päpstliche Enzyklika „Redemptoris Missio“, und auf die Instructio „Dialog und Verkündigung“ (EmcC 59).

Entscheidend ist: „Auch für die nichtchristlichen Immigranten setzt sich die Kirche in der humanitären Förderung und im Zeugnis der Nächstenliebe ein“ (ebd.). Das schulden wir aus christlicher Überzeugung der unantastbaren gleichen Würde eines jeden Menschen. Zugleich ist dieses Zeugnis der Nächstenliebe ein erster Schritt auf dem Weg der Evangelisierung.

Zur Sendung der Kirche gehört aber auch, in einen Dialog mit den anderen Religionen einzutreten in der Überzeugung, dass die Kirche der Weg des Heiles ist in Jesus Christus. 

Das erfordert allerdings, dass die katholischen Aufnahmegemeinden noch mehr ihre Identität schätzen lernen, dass sie ihre Treue zu Christus glaubwürdig leben, dass sie die Inhalte des Glaubens gut kennen, dass sie ihr missionarische Sendung neu entdecken und sich im Zeugnis für Jesus Christus und sein Evangelium einsetzen. Das heißt: Die katholischen Gemeinden, die katholischen Christen müssen dialogfähig und dialogbereit werden (EmcC 60).

Weiterhin ist es eine besondere Aufgabe der Christen, den Immigranten zu helfen, dass Sie sich in die sozialen und kulturellen Netze des Aufnahmelandes gut einfügen können, in dem sie u. a. deren Verfassung und Werteordnung akzeptieren. Es ist auffallend und begrüßenswert, dass die Instructio dabei eine kritische Haltung der Christen anmahnt: „Vor allem mit ihrem Lebenszeugnis sind die Christen aufgerufen, bestimmte Unwerte anzuklagen, die in den industrialisierten und reichen Ländern verbreitet sind (Materialismus und Konsumismus, moralischer Relativismus und religiöser Indifferentismus) und die religiösen Überzeugungen der Immigranten erschüttern können“ (EmcC 60).

Interessant und von besonderer Bedeutung sind vier Punkte, die die Instructio in der Arbeit mit Migranten anderer Religionen anmahnt. 

Sie zeugen von einem nüchternen Realismus und wehren jeder Blauäugigkeit:

- Um Missverständnissen und Verwirrungen von vornherein entgegenzutreten und aus Achtung vor den eigenen geweihten Stätten und auch gegenüber der Religion der Andersgläubigen sollen katholische Einrichtungen wie Kirchen, Kapellen und andere Orte der Evangelisierung und der Pastoral den nichtchristlichen Religionen nicht zur Verfügung gestellt werden.

Anders ist es mit Räumlichkeiten sozialer Art, wie Räume für Freizeit, Spiel und Sport und Sozialisation. Diese Räume können gerade der Sozialisation dienen und sollen auch Andersgläubigen offen stehen. 

- Wenn katholische Schulen Kinder von nichtchristlichen Migranten aufnehmen, dürfen diese Schulen ihre christliche Identität und ihr christliches Erziehungskonzept nicht verleugnen. Zugleich darf kein nichtchristliches Kind verpflichtet werden, an den katholischen liturgischen Veranstaltungen teilzunehmen.

Religionsstunden, die in Unterrichtsform durchgeführt werden, können Schülern dienen, den katholischen Glauben kennen zu lernen und ihm Respekt und Achtung entgegen zu bringen. 

- Von einer Heirat zwischen Katholiken und nichtchristlichen Migranten wird nachdrücklich abgeraten; für die pastorale Praxis wird auf ausführlichere pastorale Aussagen verwiesen. 

- Von großer Bedeutung ist der Hinweis, dass in der Beziehung zwischen Christen und Angehörigen anderer Religionen das Prinzip der Gegenseitigkeit gelten soll. Es ist ein Prinzip der Gerechtigkeit, aber auch eine Haltung des Herzens: Was nichtchristliche Migranten in Ländern christlicher Tradition erfahren, das sollen auch Christen in nichtchristlichen Ländern erfahren (EmcC 61 - 64). Diese vier Grundregeln sind für die gemeinsame ökumenische Arbeit in der Migration von großer Bedeutung.

2.6 Haltung gegenüber Muslimen.

Einen eigenen Abschnitt widmet die Instructio den muslimischen Migranten

Dieser Abschnitt ist von höchster Aktualität in der augenblicklichen Diskussion, ob die Türkei Vollmitglied der Europäischen Gemeinschaft werden soll.

Obwohl der Islam zu den monoteistischen Religionen gehört, sind die katholischen Gemeinden – damit aber auch andere Kirchen und kirchliche Gemeinschaften – eingeladen zur Unterscheidung. „Es geht darum, in den Lehren, den religiösen Verhaltensweisen und moralischen Normen des Islam zu unterscheiden zwischen dem, was gebilligt werden kann und dem, was nicht gebilligt werden kann (EmcC 65). Nüchtern weist die Instructio darauf hin, dass es neben den Übereinstimmungen gravierende Unterschiede gibt, von denen einige die legitimen Errungenschaften der Moderne betreffen: „Da wir besonders die Menschenrechte achten, wünschen wir auch, dass auf Seiten unserer muslimischen Brüder und Schwestern ein wachsendes Bewusstsein dafür entsteht, dass die Verwirklichung der grundlegenden Freiheiten, der unverletzlichen Rechte der Person, der gleichen Würde der Frau und des Mannes, des demokratischen Prinzips in der Regierung des Volkes und der gesunden Laizität des Staates unumgänglich ist. Ebenso muss ein Einklang erreicht werden zwischen der Sicht des Glaubens und einer rechten Autonomie der Schöpfung (EmcC 66).

Nicht weniger nüchtern aber notwendig sind die praktischen Hinweise im Hinblick auf die Ehen zwischen katholischen und muslimischen Partnern.

Im Hinblick auf die Taufe der Kinder wird ein scharfer Gegensatz konstatiert zwischen den Vorschriften der beiden Religionen (EmcC 67 und 68). 

Trotz dieser Schwierigkeiten und Gegensätze stellt die Instructio nüchtern fest, dass kein Weg an dem interreligiösen Dialog vorbeiführt: „Die heutigen Gesellschaften, die auch aufgrund der Migrationsströme religiös immer heterogener werden, erfordern von den Katholiken eine überzeugte Bereitschaft zum echten interreligiösen Dialog“ (EmcC 69). Das setzt eine entsprechende Bildung und Befähigung voraus.

„Der Dialog zwischen den Religionen darf aber nicht nur als Suche nach gemeinsamen Punkten verstanden werden, um miteinander Frieden zu schaffen, sondern vor allem als eine Gelegenheit, innerhalb der entsprechenden Gemeinschaften die gemeinsamen Dimensionen wiederzugewinnen. Wir verweisen auf das Gebet, das Fasten, auf die grundlegende Berufung des Menschen, auf die Öffnung zum Transzendenten, auf die Anbetung Gottes, auf die Solidarität zwischen den Völkern“ (ebd.).

Damit ist der bleibende Grund aufgezeigt für alle ökumenischen Dimensionen der Instructio:

„Jesus Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen, auf den das ganze Wirken der Kirche derart ausgerichtet ist, dass weder der brüderliche Dialog noch der Austausch und die Gemeinsamkeit ‚menschlicher’ Werte die kirchliche Verpflichtung zur Evangelisierung mindern können“ (ebd.).

 

3. Erfahrungen der katholischen Kirche Deutschlands in der ökumenischen Zusammenarbeit.

3.1 Geschichtlicher Hintergrund:

Die Geschichte der ausdrücklichen ökumenischen Zusammenarbeit in Deutschland wurde sehr geprägt von der Zeit des gemeinsamen Leids unter der Diktatur des Nationalsozialismus: Aus dem Widerstand gegen das Unrecht haben Christen der katholischen wie auch der evangelischen Kirche gemeinsam Zeugnis für den Glauben gegeben und haben als Märtyrer ihr Leben gelassen. Im großen Jubiläumsjahr 2000 hat Papst Johannes Paul in einer eindrucksvollen liturgischen Feier aller Märtyrer des 20. Jahrhunderts gedacht, über alle Konfessionsgrenzen hinweg.

In der ökumenischen Zusammenarbeit stand nach dem Kriege die Zusammenarbeit zwischen der Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) im Vordergrund. Das hat seinen Grund darin, dass Deutschland das Ursprungsland der Reformation ist und die Bevölkerung fast zu gleichen Teilen zur Katholischen Kirche bzw. zur Evangelischen Kirche Deutschlands gehört.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung setzte eine neue Phase ein mit der Anwerbung von „Gastarbeitern“: Aus den Mittelmeerstaaten, aus den Ländern des Balkans und aus der Türkei begann seit 1955 eine ökonomisch ausgerichtete Einwanderung von Ausländern einschließlich ihrer Familien.

3.2 Strukturen der ökumenischen Zusammenarbeit auf der deutschen Seite.

Die Arbeit mit Migranten und Flüchtlingen hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg in wachsender ökumenischer Zusammenarbeit zwischen der Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche Deutschlands entwickelt.

Diese ökumenische Zusammenarbeit hat eine neue Qualität erfahren, als durch die Einwanderung von Arbeitsmigranten und ihren Familien und durch die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern Angehörige der verschiedenen christlichen Kirchen und christlichen Gemeinschaften in unser Land kamen und auch ihre je eigene kirchliche Struktur aufgebaut haben. Alle christlichen Kirchen und christlichen Gemeinschaften haben sich zusammengeschlossen in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). 

Aufgabe einer Arbeitsgruppe war, ein gemeinsames Wort der Kirchen über Geschichte und Ursachen von Migration und Flucht, über ethische Prinzipien für die Arbeit mit Ausländern und Flüchtlingen und über Perspektiven für eine zukunftsfähige Ausländerpolitik. 

Als im Jahre 2000 die Bundesregierung eine Unabhängige Kommission „Zuwanderung“ einrichtete mit der Aufgabe, ein Konzept für ein zukünftiges Zuwanderungsgesetz zu erarbeiten, waren die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche Deutschlands in dieser Unabhängigen Kommission vertreten durch ihren jeweiligen Vorsitzenden der Kommission. Es stellte sich heraus, dass das Gemeinsame Wort der Kirchen mit seinen ethischen Prinzipien und seinen politischen Perspektiven in einem stillschweigenden Konsens Grundlage für die Diskussion in dieser Unabhängigen Kommission war. 

3.3 Erfahrungen und Konsequenzen.

Gerade im Hinblick auf die Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten hat die ökumenische Zusammenarbeit in Deutschland eine lange Tradition; sie hat sich bewährt und ist notwendig.

Sie ist die praktische Realisierung dessen, was Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Ut unum sint“ sagt: „Es kommt immer häufiger vor, dass die Verantwortlichen der christlichen Gemeinschaften zu wichtigen Problemen, die die menschliche Berufung, die Freiheit, die Gerechtigkeit, den Frieden, die Zukunft der Welt betreffen, gemeinsam im Namen Christi Stellung beziehen. Dadurch sind sie in einem tragenden Element der christlichen Sendung miteinander verbunden: nämlich die Gesellschaft auf möglichst realistische Weise an den Willen Gottes zu erinnern ... Es versteht sich von selbst, und die Erfahrung beweist es, dass unter gewissen Umständen die gemeinsame Stimme der Christen mehr Durchschlagskraft besitzt als eine Einzelstimme“ (43).

 

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