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 Pontifical Council for the Pastoral Care of Migrants and Itinerant People

People on the Move

N° 106 (Suppl.-I), April 2008

 

 

INTERVIEW VON RADIO VATIKAN MIT ERZBISCHOF AGOSTINO MARCHETTO AUS ANLASS DES XXII. WELTKONGRESSES DES APOSTOLATS DES MEERES* 

 

Am 24. Juni beginnt in Gdynia (Polen), der 22. Weltkongress des Apostolats des Meeres. Aus dem Anlass ist heute Erzbischof Agostino Marchetto, der Sekretär des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, mit uns, von dem diese wichtige Initiative veranstaltet ist.

 

F : Exzellenz, können Sie uns kurz das Apostolat des Meeres präsentieren und einige Zahlen nennen?

A : Das Apostolat des Meeres ist ein kirchliches Werk bzw. eine apostolische Organisation mit mehr als 110 Seelsorgezentren für Seeleute in beinahe allen größeren Hafen der Welt. Man geht davon aus, dass heute allein in der Handelsschifffahrt mehr als 1,2 Milionen Seeleute beschäftigt sind, von denen die Mehrheit Katholiken sind, welche vornehmlich aus unterentwickelten Ländern stammen. In der Fischerei sind hingegen schätzungsweise 41 Milionen Menschen beschäftigt. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass heute der Welthandel zu annähernd 90% über den Seeweg erfolgt. Wir haben es hier also mit einem enormen Sektor zu tun und zugleich mit einem der gefährlichsten Berufe der Welt. Tatsachlich vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht von Tragödien auf See hört, bei denen leider oft auch Menschenopfer zu beklagen sind. Ein weiterer Sektor, der zur Zeit eine massive Expansion erlebt, sind die Kreuzfahrten mit Schiffen, die imstande sind, 3500 Gäste und 1500 Seeleute zu beherbergen. Auch die Küstenschifffahrt und Segelregatten erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Allein in Frankreich soll es eine Milion Vergnügungs- und Sportboote geben. 

F: Warum dieser Kongress des Apostolats des Meeres?

A: Die internationale Koordination und Animation des Apostolats des Meeres wird von der Abteilung für Seeleute unseres Dikasteriums geleistet. Bei dieser Arbeit werden wir von acht Regionalkoordinatoren unterstützt, die auf allen Kontinenten und Meeren tätig sind. Eine große Herausforderung ist dabei, ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Verantwortlichen in regelmäßigen Abständen treffen, um eine Situationsanalyse vorzunehmen und über die spezifische apostolische Aufgabenstellung, die ihnen übertragen ist, nachzudenken und gemeinsame Zukunftsvisionen zu entwickeln. Solche Kongresse finden gewöhnlich alle 5 Jahre statt. Der letzte fand 2002 in Rio de Janeiro statt, während der diesjährige vom 24. bis 29. Juni in Gdynia (Polen) stattfinden wird. Der Kongress ist ein wichtiges Ereignis, das eine lange Vorbereitung erfordert, welche bei zahlreichen Treffen auf nationaler und regionaler Ebene geleistet wird. Zu dem Kongress werden mehr als 270 Delegierte aus aller Welt erwartet, darunter ca. 30 Bischöfe, die in der Regel als Promotoren des Apostolats des Meeres in ihrem Land fungieren. 

F: Welches Thema hat der Kongress?

A: Das Thema lautet In Solidarität mit den Seeleuten, Zeugen der Hoffnung mit dem Wort Gottes, mit der Liturgie und mit der Diakonie. Wie Sie sehen, wurde ein eminent pastorales Thema gewählt, anhand dessen wir unsere Berufung und unsere pastorale Arbeit für die Seeleute vertiefen möchten. Der Begriff “pastoral” ist dabei in einem sehr weiten Sinn zu verstehen, weil wir in unsere Überlegungen alle Lebensbereiche der Menschen, die auf See arbeiten, einbeziehen möchten. Wir wünschen uns, dass der Kongress in Gdynia für das Apostolat des Meeres zu einer Gelegenheit wird, sich seiner Spiritualität und Spezifität im katholischen Dienst an den Seeleuten stärker bewusst zu werden.

Bei der Tagung werden wir auch unsere pastorale Arbeit beleuchten und prüfen, ob sie noch den Bedürfnissen des Umfeldes, das uns anvertraut wurde, entspricht. Außerdem wollen wir neue Situationen und Aufgaben erkennen, die sich am Horizont abzeichnen. 

F: Worin bestehen diese neue Aufgaben?

A: Um nur einige zu nennen, in einer “humanen” Perspektive erinnere ich, dass vor kurzem die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) ein äußerst wichtiges Übereinkommen über die Seearbeit getroffen hat (MLC 2006). Eine Priorität für die Verbesserung der Lebensqualität der Seeleute ist jetzt, dass dieses Übereinkommen von möglichst vielen Nationen ratifiziert und in die Praxis umgesetzt wird.

Besonders betroffen muss uns außerdem die dramatische Situation der Tausenden von Immigranten aus Afrika und aus anderen Ländern machen, von denen wir fast tagtäglich aus den Schlagzeilen erfahren. Schätzungen zufolge sollen mehr als 8.000 dieser neuen “Boatpeople” seit 1988 bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, ums Leben gekommen sein. Das Schicksal dieser Menschen darf uns nicht indifferent lassen. Im Gegenteil, wir haben die Pflicht, uns aktiv dafür einzusetzen, dass sich die Menschheit und ganz besonders die lokalen Verantwortungsträger dieser Situation bewusst werden, auf ihr Gewissen hören und unter Befolgung der geltenden internationalen Normen handeln.

Ein weiteres Thema ist das Konzept des fairen Handels, das sich in der internationalen Handelswelt immer mehr durchsetzt. Ist nicht der Augenblick gekommen, dieses Konzept auch auf die Arbeitsbedingungen der Seeleute anzuwenden, um so mehr als ihre Arbeit ein wesentliches Glied in der Kette des internationalen Handels bildet?

Bedenken wir auch den Sektor der Fischerei: die Dezimierung der Fischgründe, die Verarmung der in diesem Sektor beschäftigen Menschen sowie die vielfach ungerechte Behandlung der Fischer sind dringende Fragen, denen sich unser Gewissen stellen muss.

Ein letzter Aspekt betrifft die gesundheitliche Frage. Vergessen wir nicht, dass die Seeleute aufgrund ihrer Lebensbedingungen gemeinhin als Risikogruppe gelten.  

F: Ein abschließender Gedanke?

A: Wir gehen mit großer Hoffnung zu diesem Kongress, denn er bietet dem Apostolat des Meeres eine große Chance, unter pastoralem Gesichtspunkt zu wachsen und seiner Berufung, Zeugnis von der Hoffnung Jesu Christi zu geben und Solidarität mit der Gemeinschaft der Seeleute zu zeigen, besser gerecht zu werden. Wir bitten alle um ihr Gebet, damit wir durch die harmonische Verbindung von Wortverkündigung, Liturgie und Diakonie imstande sind, die Worte des heiligen Petrus in die Praxis umzusetzen: “Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“


 

* 14. Juni 2007. 

 

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