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 Pontifical Council for the Pastoral Care of Migrants and Itinerant People

People on the Move

N° 110 (Suppl.), August 2009

 

 

Dr. Wolfgang Schäuble, MdB

Bundesminister des Innern 

 

Ich grüße alle Teilnehmer des VI. Weltkongresses für die Zigeunerseelsorge in München-Freising herzlich. Ihre Arbeit steht selten im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Aber Ihre Anliegen sind wichtig und sie verdienen Anerkennung.

Die Bundesregierung fördert die Bewahrung der kulturellen und sprachlichen Identität nationaler Minderheiten in unserem Land. Dazu gehören die deutschen Sinti und Roma mit ihrer Kultur, ihrer Sprache und ihren Traditionen. Das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen sind hierfür eine geeignete Rechtsgrundlage. Der staatliche Förderansatz ist nicht ganz uneigennützig: Wer sich als Angehöriger einer Minderheit seiner Wurzeln besinnt und darin Halt findet, kann sich oft besser in die Gesamtgesellschaft integrieren als Menschen, die verunsichert sind und nicht wissen, wo sie hingehören. Wer sich des Eigenen sicher weiß, ist auch für andere offener.

Sinti und Roma wurden in der Nazizeit grausam verfolgt und vielen ist großes Leid geschehen. In der Bundrepublik Deutschland hat es längere Zeit gedauert, bis ihre Stimmen Gehör fanden. Inzwischen hat sich vieles zum Guten gewendet, aber auch heute sind die Vorurteile gegen die rund 70 000 deutschen Sinti und Roma noch nicht völlig aufgelöst.

Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung die Anliegen der deutschen Sinti und Roma unterstützt. Das geschieht auf vielfältige Weise: So fördert der Bund das Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma. Dieses Zentrum hat sich als herausgehobener Ort der Erinnerung, der Information und des Austausches bewährt. Ebenso fördert die Bundesregierung den Zentralrat deutscher Sinti und Roma, der für die Belange deutscher Sinti und Roma eintritt und sich für ein offenes Miteinander einsetzt. Dieses Ziel verfolgt auch das Bündnis für Demokratie und Toleranz, in dem sich zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen für eine weltoffene und freiheitliche Kultur in Deutschland einsetzen. Es wurde im Jahr 2000 vom Bundesministerium des Innern zusammen mit dem Justizministerium gegründet. Nicht zuletzt schützt auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das 2006 in Kraft getreten ist, Minderheiten besser gegen Benachteiligung. Es regelt zum Beispiel, dass niemand aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit als Arbeitnehmer oder als Mieter abgelehnt werden darf.

Staatliche Maßnahmen können ihre Wirkung nur entfalten, wenn sie in ein möglichst breites zivilgesellschaftliches Engagement eingebettet sind. Die Kirchen sind dabei unverzichtbare Partner für den Staat. Viele deutsche Sinti und Roma sind katholischen Glaubens. Daraus erwachsen für eine ganze Reihe hier anwesender Kongressteilnehmer seelsorgerische Aufgaben, auch und gerade im Jugendbereich. Dieser Kongress widmet sich den Problemen junger Menschen und er sucht nach Wegen, um ihre religiöse Bindung und ihre gesellschaftliche Einbindung zu stärken.

Der Staat ist zuständig für Schule und Ausbildung und trägt damit eine wesentliche Verantwortung für die Entwicklung und gesellschaftliche Teilhabe junger Sinti und Roma. Gelungene Integration setzt immer Bildung und Sprachkenntnisse voraus.

Das deutsche Schulsystem eröffnet ihnen umfassende Bildungschancen. Trotzdem sind die Kinder von Sinti und Roma in Sonderschulen überrepräsentiert, wohingegen sie in weiterführenden Schulen unterrepräsentiert sind — mit all den Nachteilen, die das für ihr späteres Leben mit sich bringt. Neben den Bemühungen der Schulbehörden ist die Wahrnehmung der Schulpflicht oder — soweit es um Kinder aus dem Ausland geht — des Schulbesuchsrechts eine wesentliche Voraussetzung für gesellschaftliche Integration und beruflichen Erfolg. Alle Verantwortlichen müssen immer wieder deutlich machen, dass der regelmäßige Schulbesuch im elementaren Interesse der Kinder liegt. Dankenswerterweise engagieren sich auch kirchliche und karitative Organisationen in dieser Frage.

Glaube gibt Halt, inneren Frieden und auch ein Gefühl von Geborgenheit. Integration kann davon im Alltag erheblich profitieren. Durch Ihre pastorale Arbeit vermitteln Sie einen solchen Glauben und geben damit jungen Sinti und Roma die innere Stabilität, die ihnen hilft, sich im Leben und in unserer Gesellschaft zurechtzufinden.

Dafür gebührt allen, die sich für diese Aufgabe einsetzen, ein besonderer Dank. Ich wünsche Ihnen einen gelungenen Kongress, viele Anregungen für die Zukunft und Gottes Segen. 

 

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