The Holy See
back up
Search
riga

 Pontifical Council for the Pastoral Care of Migrants and Itinerant People

People on the Move

N° 110 (Suppl.), August 2009

 

HERR Bernd SIBLER STAATSSEKRETÄR IM BAYERISCHEN STAATSMINISTERIUM FÜR UNTERRICHT UND KULTUS

 

Eminenzen,

Exzellenzen,

hohe Geistlichkeit,

sehr geehrte Damen und Herren.

Als der für Kirchenangelegenheiten zuständige bayerische Staatssekretär heiße ich Sie herzlich in Bayern willkommen. Ich freue mich, Ihnen die Grüße und guten Wünsche der Bayerischen Staatsregierung zu überbringen. Es ist uns eine Ehre, dass Sie als Tagungsort eine Stadt in Bayern gewählt haben.

In einer dichten und anspruchsvollen Agenda behandeln Sie auf dem VI. Weltkongress Fragen, die sich mit den „jungen Zigeunern in der Kirche und in der Gesellschaft“ beschäftigen – so das Motto dieses Kongresses.

Herr Pater Perotti hat bei Ihrem letzten Kongress in Budapest vor fünf Jahren von einer „gemeinschaftsorientierten Vision der Menschheit“ gesprochen. Diese Vision kommt aus der Erkenntnis, dass – ich zitiere Pater Perotti – „die soziale Natur der Menschen das Gegengewicht darstellt zu der atomistischen Vision des Individuums“. Gerade mit Blick auf die Integration und die Respektierung der Sinti und Roma beschreibt er die persönliche Identität des Menschen nicht nur als ein individuelles Gut – sondern auch als ein soziales Gut!

Aus einem Grundrechtsverständnis, das den Menschen eingebettet in seine verschiedenen Lebensformen begreift, leiten sich spezifische Menschenrechte ab. Ich spreche von Grundrechten von Kindern, von Frauen, von Behinderten, von Arbeitnehmern oder von Minderheiten. Und ich spreche von einem Grundrecht auf kulturelle Identität mit weitreichenden Folgen. Solche Rechte haben vor allem für Gruppen wie die Sinti und Roma besondere Bedeutung!

Nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Die Menschenwürde bildet das Zentrum des Wertesystems des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung. Sie kann nicht verwirkt, über sie kann nicht verfügt werden. Menschenwürde kommt jedem einzelnen Menschen zu – unabhängig von Alter, Nationalität, Hautfarbe, Gesundheit oder Einsichtsfähigkeit.

Über viele Jahrhunderte wurden die Sinti und Roma in Europa als „Menschen zweiter Klasse“ behandelt. Mit dem universellen Geltungsanspruch der Menschenrechte muss dieses traurige Kapitel der Geschichte beendet sein.

Für uns Deutsche steht fest: Die Abkehr vom totalitären Staat und die Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts führen notwendig zu einer besonderen moralischen Verpflichtung der Deutschen gegenüber Minderheiten im Land. In diesem Zusammenhang freut es mich, dass am 16. Mai 2007 die Bayerische Staatsregierung und der Verband Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Bayern – feierlich eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet haben. In dieser Erklärung bekennt sich der bayerische Staat – ich zitiere: „in Ansehung des Völkermords an den Sinti und Roma während des Nationalsozialismus“ – zu seiner besonderen historischen Verantwortung gegenüber den Angehörigen dieser Minderheit.

Die Bayerische Staatsregierung erkennt in dieser Erklärung ausdrücklich an, dass die in Bayern lebenden deutschen Sinti und Roma als eine nationale Minderheit unter dem besonderen Schutz des „Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten“ stehen.

Rechtliche Gleichstellung, Minderheitenschutz und materielle Hilfen sind das eine –Akzeptanz, Verständnis und menschliche Zuwendung das andere. Die Seelsorge für Sinti und Roma, die Sie auf Ihrem Weltkongress thematisieren, setzt genau bei der zwischenmenschlichen Dimension an. Sie nimmt die Entscheidung von Menschen für eine nomadische Lebensweise ernst. Und sie wendet sich den Gläubigen räumlich wie geistig dort zu, wo sie gerade sind. Im Verhältnis zur Pastoral für sesshafte Gläubige wirft die Seelsorge für Menschen unterwegs zusätzliche komplexe Fragestellungen auf, die einer eingehenden Vertiefung bedürfen.

Angesichts der hohen Qualifikation der Referenten wie des Auditoriums bin ich überzeugt, dass der VI. Weltkongress hierzu weitere Erkenntnisse bringen wird. Ich wünsche Ihnen allen gewinnbringende Vorträge, gute Gespräche – und einen schönen Aufenthalt in unserem schönen Bayern!

 

top