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 Pontifical Council for the Pastoral Care of Migrants and Itinerant People

People on the Move

N° 110 (Suppl.), August 2009

 

 

PATER Géza Dúl

NationalDirektor

Ungarn 

 

Es ist uns allen bekannt, dass der Begriff „junge Zigeuner” im Titel eine Abstraktion ist, die in der Wirklichkeit nicht existiert. Junge Zigeuner leben  im „Zigeunerlager” bei Munkács in der Ukraine, wo man bei regnerischem Wetter zwischen den Hütten nur in Gummistiefeln gehen kann. Viele Analphabeten leben unter den Zigeunern in diesen Lagern. Unter den Jungs ist der Typ „uncool”, der im Alter über 10 Jahre noch die Schule besucht. Man trifft nur selten Jugendliche, die alle Klassen der Grundschule besucht haben. Man nennt allerdings auch den jungen Maler „jungen Zigeuner“, der der Elite der Intellektuellen in einem Symposion an der Uni einen Vortrag über seine eigenen Werke  hält. Diese beiden Beispiele sind extreme Werte an einer Skala und signalisieren, dass die jungen Zigeuner tausend Antworten auf den religiösen und kulturellen Pluralismus geben. Zahllose Typen von Antworten sind ja möglich.

Nach Ungarn und in den Karpatenbecken strömten mehrere Wellen von herumziehenden Zigeunern. Im 15. Jahrhundert erschien die erste Welle der Zigeuner, die sog. Karpataner Zigeuner. Die sog. „Oláh”-Zigeuner und die „Beás”-Zigeuner wanderten erst später ein. Diese erste Welle verlor im Laufe der Jahrhunderte sogar ihre Sprache durch die Assimilierungsbestrebungen der Staatsmacht, sie konnte bloß ihre Armut behalten. Heute ließen sich praktisch alle drei Gruppen nieder. Alle Abschattungen der Mischung aus niedergelassener Lebensweise und wandernder Mentalität sind jedoch in ihren Traditionen und ihrer Denkweise immer noch vorhanden. Heute lassen sich alle Phasen und Elemente der Assimilierung und der Integration in dem jungen Volk der Zigeuner erkennen. Auch assimilierte Familien tragen noch Spuren von Werten und Merkmalen der Zigeunerkultur. In Ungarn sprechen 86 % der Zigeuner auch ihre eigene Sprache nicht mehr, die ein wesentliches Merkmal der ethnischen Identität wäre. Aufgrund der Rassenmerkmale ist jedoch ihre ethnische Zugehörigkeit eindeutig. Sie müssen in jedem Bereich des Lebens ihre Ausgestoßenheit erleben, denn die Zigeunersprache beherrschenden Zigeuner halten sie für „nicht echte Zigeuner” „chacho roma” und die Mehrheitsgesellschaft will sie nicht integrieren, denn sie sind „Zigeuner”. Sie sind überall ausgestoßen und wurden wurzellos. Die erhaltende Kraft der Traditionen wirkt kaum oder überhaupt nicht mehr. Sie sind wesentlich mehr den Herausforderungen und der mitreißenden Kraft sowie allen schädlichen Wirkungen der Konsumgesellschaft ausgesetzt.

Heute erreicht sie über die Medien auch im kleinsten Dorf das gesamte pluralistische religiöse und kulturelle Angebot von New Age bis hin zu den alten animistischen Religionen. Die Evangelisierung darf nicht mehr mit den Marktteilnehmern konkurrieren, um sich um „Religionsverbraucher” zu bewerben. Christus spricht immer Personen im Inneren ihrer Persönlichkeit an: „Komm und folge mir!”

Wie?

Christus wird zu einem Juden unter den Juden – zu einem Griechen unter den Griechen und zu einem Zigeuner unter den Zigeunern. Es gibt keinen abstrakten Christus. Er geht nie allein. Er spricht immer Folger im Volk an: im Kreis der Juden bildet er eine Gemeinschaft mit rechtgläubigen Menschen, Peter und Johannes in der Gottesliebe. In Antiochien wurde der hellenistische Lukas sein Mitarbeiter.

Viele wollen sich das Zigeunertum gewinnen. Das Roma Volk jedoch gehört Christus! Es ist hier nicht die Frage, welche Religionsgemeinschaft sie sich „erwerben” kann und welche Methoden wir anwenden. Die Frage ist hier viel mehr, ob wir selbst Christus gegenwärtig machen können – Ihn, der in der Gemeinschaft unserer Kirche anwesend ist und den Menschen befreit. Findet ein junger Zigeuner eine Gemeinschaft mit Christus und seiner Jünger unter uns? Findet er die Beziehung von Christus zu seinen Zigeunerjüngern? Trifft er Christus unter uns, der die Füße seiner Jünger wäscht und sich für seine Zigeunerjünger kreuzigen lässt? Ein junger Zigeuner findet nur in einer solchen Kirche und Gemeinschaft die Würde der Kinder Gottes, die Freiheit der Kinder Gottes und die wirkliche Liebesgemeinschaft in Christus. Hier kann er frei seinem Meister folgen, der „nicht kam, damit ihm andere dienen, sondern kam, um zu dienen…” (Mt 20.28). Jesus hat auch Brot in der Wüste gegeben, aber die Verkündung des Wort Gottes nicht versäumt. Menschliche Machenschaften, geeigneter scheinende Andachtsformen, andächtige Tricks, wirtschaftliche und sonstige Lockmittel, psychische Überzeugungsmethoden können vorübergehend Scheinerfolge erreichen. Das Zigeunertum gehört jedoch Christus, und nur derjenige, der den wahren, befreienden Christus präsentiert, und den Geist der Roma und die ihnnen eigenen Ausdrucksformen annimmt, kann wirklich dem Zigeunervolk dienen.

„Ecclesia semper reformanda!” Unsere Kirche erneuert sich ständig. Johannes Paul II. und Benedikt XVI. nannten mehrmals die neuen kirchlichen Bewegungen und ihre Spiritualität, die uns die Gesichtszüge Christi in unserer Zeit auszeichnen, die Hoffnung der Kirche und den neuen Frühling der Kirche. Das Zigeunertum ist nicht minderjährig, das Zigeunertum hat Recht darauf, Christus in seiner Gesamtheit, Christus der heutigen Zeit kennen zu lernen!

In der Gemeinde Szendrőlád in Nordungarn leben 1700 Einwohner, davon 1200 Zigeuner. In diesem Dorf gab es sehr viele Gewaltdelikte. 400 Einwohner, überwiegend Zigeuner nahmen an Wochenendkursen der Cursillos-Bewegung teil. Die Atmosphäre des Dorfes änderte sich, seither arbeitet der einstige Raufbold des Dorfes als Assistent in der Schule, er unterstützt die Lehrer bei der Integration von Zigeunerkindern. Junge Familien besuchen regelmäßig die Kirche. Ein Mann erzählte, als er das erste Mal die Sontags messe besuchte, setzte er sich auf eine Bank. Ein Kirchengänger teilte ihm mit, dass jener Platz sein Platz war, er soll aufstehen und ihm den Platz übergeben, denn er darf nicht dort sitzen. Und dieser Mann, der für seine Schlägereien in der Kneipe berühmt war, stand ohne ein einziges Wort auf und dachte an Christus, der die Füße seiner Jünger wusch und setzte sich auf eine andere Bank. In diesem Moment stellte er ein höheres moralisches Niveau und Christus selbst dar. Viel mehr als der Kirchengänger, der ihn aufstehen ließ.

Vielleicht sollten wir mehr Tapferkeit in der Evangelisierung des Zigeunertums durch die erneuerte Spiritualität zeigen?

 

 

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