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 Pontifical Council for the Pastoral Care of Migrants and Itinerant People

People on the Move

N° 110 (Suppl.), August 2009

 

 

 

Erzbischof Dr. Robert Zollitsch

Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

 

 

 

Eminenzen und Exzellenzen,

liebe Schwestern und Brüder, 

es ist für mich wie für alle deutschen Bischöfe eine große Ehre, dass der 6. Weltkongress der Pastoral für die Zigeuner in Deutschland stattfindet. Er wird vom Päpstlichen Rat für die Migranten und Menschen unterwegs in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bischofskonferenz veranstaltet. Herzlich grüße ich alle, die an diesem Kongress teilnehmen, insbesondere die Vertreter des Päpstlichen Rates. Unabweisbare Verpflichtungen machen meine persönliche Teilnahme unmöglich. So möchte ich nicht versäumen, Ihnen auf diesem Weg meine herzlichen Segenswünsche zu übermitteln. Mit Ihnen hoffe ich, dass der Kongress vielfältige Gelegenheit zu fruchtbarem Austausch bietet und wichtige Impulse für eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Seelsorge von ihm ausgehen.

In den kommenden Tagen werden Sie über die gesellschaftliche, soziale und religiöse Situation der jugendlichen Zigeuner in Europa, aber auch in anderen Teilen der Welt beraten. Wie können Gesellschaft und Politik auf die Situation gerade der jungen Menschen reagieren, deren Volk in allen Ländern verstreut und vielerorts in Situationen großer materieller, sozialer und geistiger Not lebt? Was kann die Kirche tun, damit Hoffnung gestärkt und Zukunft gewonnen wird? Der Kongress in Freising wird um Antworten auf diese Fragen ringen. Und er selbst ist ein augenfälliger Beleg für die Bedeutung, die der Papst und die ganze Kirche den Belangen eines in Vergangenheit und Gegenwart oftmals marginalisierten Volkes beimessen.

Die Völker, Stämme und Gruppen der Zigeuner – in Deutschland zumeist Sinti und Roma – haben in ihrer langen Geschichte immer wieder Vertreibung, Verfolgung, Ausgrenzung, ja selbst Vernichtung erlebt. Es kann nicht verwundern, dass diese Leidensgeschichte die Lebensart und die Mentalität, aber auch die Stellung der Zigeuner in den Gesellschaften bis heute immer wieder nachteilig prägt. Wir wissen: Auch die Kirche ist in der Vergangenheit nicht immer mutig genug für die Verfolgten, Ausgegrenzten und Vertriebenen eingetreten. Und selbstkritisch müssen wir eingestehen, dass der Kirche in unserem Land das Schicksal der Zigeuner in der Zeit des Nationalsozialismus viel später ins Bewusstsein getreten ist als die Gräueltaten, die andere Gruppen zu erleiden hatten. Umso mehr sind wir heute gefordert.

Ihnen, die Sie sich als Bischöfe und Priester, als Diakone und Ordensleute sowie als pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge für die Zigeuner engagieren, ist bewusst, wie sehr es darauf ankommt, insbesondere die Jugendlichen menschlich und spirituell zu fördern. Häufig werden sie von ihrer Umgebung nicht angenommen und müssen sich in einer fremden, wenn nicht gar feindlichen Umwelt zurechtfinden. Der Dienst der Kirche trägt dazu bei, dass sich die jungen Menschen öffnen und Orientierung finden, ohne dabei die positiven traditionellen Werte ihrer Kultur, ihre familiären Bindungen oder am Ende gar ihre Identität aufgeben zu müssen. Dies ist ein schwieriger Prozess, zumal sich auch die scheinbar so fest gefügten ziganen Gesellschaften in raschem Wandel befinden. Unabdingbar ist hier ein von gegenseitigem Respekt geprägter Dialog, ein bereichernder Austausch auf Augenhöhe, der Vorurteile überwinden hilft.

Genau hier liegen Herausforderung und Auftrag der Kirche. Sie alle, die in Freising zusammengekommen sind, erfüllen als Zeugen und Brückenbauer eine wichtige missionarische Aufgabe. Nach wie vor gilt, was Papst Paul VI. bei der historischen Begegnung mit Vertretern der Zigeuner im Jahre 1965 in Pomezia in die Worte gefasst hat: Die Kirche „muss bereit sein, den Dialog mit allen Menschen guten Willens … zu führen. Niemand ist ihrem Herzen fremd, Niemanden betrachtet sie, als hätte er mit ihrer Aufgabe nichts zu tun. … Nicht umsonst nennt sie sich katholisch, nicht vergebens ist sie beauftragt, in der Welt Einheit, Liebe und Frieden zu fördern“[1]. Ich bin überzeugt: Aus diesem Geist des Evangeliums kann echte Verständigung und Gemeinschaft zwischen der Welt der Zigeuner und der Welt der Gadjé wachsen. Dass der 6. Weltkongress der Pastoral für die Zigeuner dazu Ermutigung und neue Impulse vermittelt, dies ist meine Hoffnung und mein Wunsch an Sie alle.  


 

[1] Vgl. Paul VI., Ansprache, 26. September 1965: Lehren Pauls VI., III (1965), 490-495. 

 

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