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BEIRAG DES HL. STUHLS
BEIM "HOCHRANGIGEN SEGMENT"
DES WIRSCHAFTS- UND SOZIALRATS DER VEREINTEN NATIONEN

ANSPRACHE VON MSGR. CELESTINO MIGLIORE

New York
Donnerstag, 1. Juli 2005

 

Herr Präsident!

Der Heilige Stuhl schließt sich gerne denen an, die die jüngst in London von den Finanzministern des »G-8« erreichte Vereinbarung unterstützen, die Schulden von 18 schwer verschuldeten armen Ländern (HIPC) zu erlassen. In den letzten Jahrzehnten war der Heilige Stuhl unter den deutlichsten Befürwortern eines solchen Schrittes; so hat der verstorbene Papst Johannes Paul II. oftmals seine Stimme erhoben zugunsten eines Schuldenerlasses für die ärmsten Länder der Welt. Zunächst bleibt die Londoner Vereinbarung nur ein Vorschlag. Die Regierungschefs des »G-8«, die sich vom 6. bis 8. Juli in Gleneagles treffen, müssen nun die Belange ihrer eigenen Völker und der Zivilgesellschaft berücksichtigen und ihren jeweiligen Gesetzgebungsinstanzen Gesetzesvorschläge unterbreiten, die zur unmittelbaren Erfüllung der in der Vereinbarung enthaltenen Versprechen führen werden. Um diese Errungenschaften zu festigen und sie zur Basis neuer Initiativen zu machen, muß man sie ins rechte Licht rücken.

Es läßt sich nicht leugnen, daß Länder schnell ihre eigenen wahren oder vermeintlichen Interessen verteidigen und fördern. Internationale Finanzmaßnahmen zugunsten der ärmsten Länder der Welt stehen dazu oft in einem deutlichen Kontrast. Man muß auch einräumen, daß die tatsächlichen Summen, um die es hier geht, bescheiden sind im Vergleich zu den enormen weltweiten Militärausgaben und zu den Subventionen, mit denen die industrialisierten Länder Sektoren ihrer eigenen Wirtschaft unterstützen. Dabei sind es oft grade diese Subventionen, welche die Situation der ärmsten Länder der Welt verzerren.

Sowohl der Bericht des Generalsekretärs »In Larger Freedom« als auch der Entwurf der Erklärung für den bevorstehenden UN Gipfel der Staatschefs im September 2005 erinnern daran, daß die echte Garantie für die Weltsicherheit in der Entwicklung der ärmsten Länder der Welt liegt sowie in der Entwicklung der am meisten vernachlässigten Bereiche in diesen Ländern. Mit anderen Worten geht es darum, sich der Ungleichheit innerhalb einzelner Länder und der Ungleichheit zwischen verschiedenen Staaten anzunehmen.

Die den Schuldenerlaß betreffenden Maßnahmen – von denen zu hoffen ist, daß sie von den multilateralen Finanzinstitutionen wirksam übernommen werden – sind erst der Anfang dieses Weges, und zwar erstens, weil sie auf etwa 38 hochverschuldete arme Länder ausgeweitet werden müssen. Sollte zweitens der Schuldenerlaß dadurch in die Tat umgesetzt werden, daß Finanzmittel von anderen Hilfsprogrammen weggeleitet werden und sollte es keine wesentliche Erhöhung der realen ODA [Official Development Assistance] geben, so stünde die Welt einer Situation gegenüber, die schlimmer wäre als vor den in Gleneagles beschlossenen Maßnahmen.

Das bevorstehende »G-8«-Treffen muß der Welt die Großmütigkeit und den Weitblick ihrer Staatschefs zeigen. Somit könnte es als ein festes und wirksames Fundament für eine breite Übereinstimmung auf dem kommenden »Millenium+ 5-Gipfel« im September dienen.

Im Dezember dieses Jahres wird auch die sechste Ministerkonferenz der WTO in Hong Kong stattfinden. Es ist notwendig, daß der Schuldenerlaß und die Erhöhung der ODA durch die Schaffung eines internationalen Handelssystems ergänzt werden, das den am meisten verschuldeten Ländern zumindest wohlwollend gegenüber steht, und zwar entsprechend der in Doha umrissenen Richtlinien. Örtliche soziale Erfordernisse Die Verpflichtungen, die die Länder auf sich nehmen, die entweder sehr arm sind oder unter schwerwiegenden Strukturproblemen leiden, müssen ihrerseits flexibel genug sein, um im Inland eine wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen, die vollkommen auf die örtlichen sozialen Erfordernisse eingeht. Daher sollten die am meisten industrialisierten Länder – gemeinsam mit den Schwellenländern und jüngeren Industriemächten – nicht zögern, äußerst armen Ländern Zugeständnisse zu machen und ihnen Vorrechte einzuräumen. Wenn wir schließlich von Entwicklungsfinanzierung sprechen, kommen wir nicht umhin zu erwähnen, daß es auf wichtigen Gebieten an Finanzierung mangelt, und zwar im Bereich der wissenschaftlichen Grundlagenforschung, der industriellen Entwicklung pharmazeutischer Produkte zur Bekämpfung der wichtigsten Tropenkrankheiten, wie der Malaria, und der Forschung zugunsten der Landwirtschaft in ärmeren Gegenden.

Es scheint nicht sinnvoll, hier auf Privatfinanzierung zu warten, da diese Probleme nicht direkt die Öffentlichkeit der Länder angehen, in denen es die entsprechenden Mittel gibt. Was vonnöten ist, ist eine großzügige Bereitstellung öffentlicher Gelder zugunsten der vielen existierenden Initiativen, wie zum Beispiel des Global Funds, um so eine intensive und breite Teilnahme der wissenschaftlichen Forschungsinstitute in der Welt zu fördern.

Sollten die Verantwortlichen der Welt in der Lage sein, ihre Regierungen und Völker entsprechend zu bewegen, dann könnten die multilateralen politischen Ereignisse der zweiten Hälfte dieses Jahres, angefangen bei dieser Sitzung des ECOSOC [Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen], einen internationalen Wendepunkt darstellen, indem sie die Finanzierung internationaler Entwicklung zur höchsten internationalen Priorität machen. Auf diese Weise wären alle Länder, sowohl die entwickelten als auch die armen, in der Lage, ihre wahre Rolle bei der Erreichung der »Millenium Development Goals« zu spielen.

Vielen Dank, Herr Präsident.

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